Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 662/06
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
zu Voraussetzungen und Inhalt eines Anspruchs auf Soziotherapie in Abgrenzung zu anderen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der Eingliederungshilfe
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage über einen Anspruch des Klägers auf Soziotherapie.
Der 1968 geborene Kläger leidet an einer Erkrankung des schizophrenen Formenkreises (ICD-10 Nr. F20.0, Paranoide Schizophrenie). Er ist anerkannt als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 und wird gesetzlich durch einen Betreuer vertreten. Seit 2004 bewohnt er im Rahmen der vom Beigeladenen bezogenen Eingliederungshilfeleistungen eine Wohnung in einer betreuten Außenwohngruppe der Rehabilitations- und Begegnungsstätten G. e.V., einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen im Sinne der §§ 43a, 71 Abs. 4 SGB XI.
Mit am 18.10.2005 bei der Beklagten eingegangener Verordnung vom 23.09.2005 verordnete die behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F. dem Kläger Soziotherapie mit dem Ziel der Vermeidung von Krankenhausbehandlung durch intensivere ambulante Betreuung. Der Verordnungsvordruck enthielt zunächst keine Angaben zur voraussichtlichen und beantragten Anzahl der Einheiten und zur Dauer der Therapie. Am 20.02.2006 teilte die Therapeutin R. S. der Beklagten telefonisch ergänzend mit, dass die Therapie voraussichtlich 120 Einheiten für eine Dauer von 3 Jahren umfassen solle. Beantragt seien zunächst 30 Einheiten, von denen noch keine erbracht seien.
Dem zusammen mit der Verordnung bei der Beklagten eingereichten soziotherapeutischen Betreuungsplan der Ärztin Dipl.-Med. F. und der Therapeutin R. S. vom 23.09.2005 zufolge sollte die Therapie zwei- bis dreimal wöchentlich Motivations- und Antriebstraining, Training der sozialen Kompetenzen und Übungen zur Verbesserung kognitiver Fähigkeiten umfassen. Als Maßnahmen, deren Inanspruchnahme zu koordinieren ist, waren die Einübung geeigneter Verhaltensweisen, um Alltagsbelastungen zu minimieren, Psychoedukation sowie Problemlösetraining, individuell und in der Gruppe, angegeben. Als Therapieziel waren die regelmäßige selbständige Teilnahme an soziotherapeutischen Sitzungen (Nahziel) sowie die Inanspruchnahme ärztlicher Maßnahmen und die Verbesserung der sozialen Kompetenz ausgewiesen.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Soziotherapie durch Bescheid vom 04.01.2006 mit der Begründung ab, es handele sich bei der beantragten Leistung nicht um Soziotherapie.
Seinen am 27.01.2006 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch vom 19.01.2006 begründete der Kläger damit, Soziotherapie helfe ihm, das Leben besser zu bewältigen und das Risiko von Krankenhausaufenthalten zu verringern.
Im Rahmen einer Rücksprache der Beklagten mit dem Beigeladenen wies letzterer darauf hin, dass sich beim Wechsel in die Außenwohngruppe der Betreuungsschlüssel verringere. Der soziale Betreuer suche die Bewohner der Außenwohngruppe nur zwei- bis dreimal wöchentlich auf.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2006, der am 01.12.2006 abgesandt wurde, zurück. Der Kläger erhalte mit der Unterbringung in der Außenwohngruppe des G. e.V. bereits Leistungen der Eingliederungshilfe. Das Leistungsangebot im Rahmen des ambulanten Wohnens umfasse bereits sozialpsychiatrische und soziotherapeutische Therapiemöglichkeiten. Eine zusätzliche Inanspruchnahme von Soziotherapie, um den Kläger zur Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen zu befähigen, sei weder nachvollziehbar noch erforderlich.
Hiergegen richtet sich die am 29.12.2006 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage. Der Kläger macht geltend, Soziotherapie sei verordnet worden, um die mit dem Umzug in die Außenwohngruppe einhergehende Verringerung des Betreuungsschlüssels auszugleichen und ausreichend Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen zu gewährleisten. Andere Kassen würden die Kosten der Leistung problemlos übernehmen, nur die Beklagte lehne die Anträge ab. Die Begründung, der G. e.V. erbringe bereits die Leistungen, sei falsch. Die Hilfeleistungen, welche vom G. e.V. erbracht werden, seien etwas anderes als die verordnete Soziotherapie.
Das Gericht hat bei Dipl.-Med. F. eine schriftliche Auskunft vom 19.12.2007 eingeholt, wegen der auf Bl. 56 und 61 bis 65 der Sozialgerichtsakte Bezug genommen wird. Unter anderem hat die Ärztin auf die Frage nach Art, Inhalt und Ziel der vom Kläger benötigten medizinischen Behandlungen und deren Koordinierung entsprechend einem Behandlungsplan erklärt, die Soziotherapie solle den Kläger in der Alltagsbewältigung unterstützen, Kommunikations- und Beziehungsprozesse mitgestalten und begleiten, um ihm weiterhin das Leben in der Wohnung zu ermöglichen, sowie Kontakte nach Außen und Freizeitangebote auch außerhalb des Werkstattbereichs koordinieren. Nur durch eine rechtzeitige intensive Begleitung könne eine psychotische Dekompensation verhindert werden. Soziotherapie könne durch eine vorübergehende intensive Einzelbetreuung, Zuwendung und Anleitung im Tagesgeschehen in präpsychotischen Phasen die Belastbarkeit, Motivation und Kommunikationsfähigkeit erhöhen und eine Klinikeinweisung verhindern.
Im Termin zur Beweisaufnahme am 02.10.2008 hat das Gericht darüber hinaus Dipl.-Med. F. als sachverständige Zeugin angehört. Diese hat mitgeteilt, dass von Dezember 2005 bis Ende Frühjahr 2006 die beim G. e.V. angestellte Therapeutin R. S. 30 Stunden Soziotherapie erbracht habe. In wöchentlich zwei- bis drei intensiven Gespräche sei es darum gegangen, Fertigkeiten zu erwerben wie zum Beispiel die Gesprächsführung in der Partnerschaft, die Haushaltführung oder mit der Art des Anderen umzugehen. Beim Kläger bestehe weiterhin Bedarf für eine Soziotherapie; er benötige weiterhin eine stärkere Begleitung, schon, um bestimmte Dinge nur wahrzunehmen. Auch nach dem Weggang der Therapeutin R. S. könne Soziotherapie mit Soziotherapeuten aus D. weiter erbracht werden, sobald die Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die Fahrtkostenabgeltung, geklärt seien. In diesem Fall sei eine neue Verordnung auszustellen und ein neuer Behandlungsplan aufzustellen.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben daraufhin die zunächst auf die Gewährung von Soziotherapie als Sach- bzw. Dienstleistung der Beklagten gerichtete Klage für erledigt erklärt und führen das Verfahren im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiter.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Bescheid vom 05.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2006 rechtswidrig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die erbrachten Leistungen nicht dem gesetzlichen Konzept von Soziotherapie entsprochen haben.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit der Niederschrift über den Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin vom 02.10.2008 sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist im Wesentlichen zulässig.
Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht, wenn sich ein Verwaltungsakt vor der Entscheidung des Gerichts durch Zurücknahme oder anders erledigt, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Das für die Feststellung vorausgesetzte schutzwürdige Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein. Ein Feststellungsinteresse kommt in Betracht bei Präjudiziabilität, d.h., wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein kann, Schadensersatzinteresse, Rehabilitationsinteresse sowie Wiederholungsgefahr. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr voraus, dass unter im wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Es darf nicht völlig ungewiss bleiben, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse vorliegen wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes. Ein Wiederholungsfall liegt nur vor, wenn alle die behauptete Rechtswidrigkeit begründenden Umstände wiederholt vorliegen. Es genügt nicht schon die Möglichkeit, dass die Behörde auch in Zukunft vergleichbare Anträge von Versicherten mit gleicher Begründung ablehnt. Das Feststellungsinteresse muss sich vielmehr aus dem individuellen Rechtsverhältnis ergeben und die entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit einiger Wahrscheinlichkeit bei Folgeanträgen des Versicherten erneut stellen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20.05.1992, Az. 14a/6 RKa 29/89; Urteil vom 30.01.2002, Az. B 6 KA 12/01 R).
Im vorliegenden Fall ist als Besonderheit zu berücksichtigen, dass die beantragten Leistungen bereits im Zeitraum Dezember 2005 bis Frühjahr 2006 erbracht wurden, der angefochtene Ausgangsbescheid erst am 04.01.2006, während der laufenden Leistungserbringung, und der Widerspruchsbescheid am 29.11.2006, nach dem Abschluss der verordneten Leistungen, erging.
Ein Feststellungsinteresse für die Klärung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung besteht allein hinsichtlich der nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids vom 04.01.2006 noch erbrachten Leistungen. Für die Zeit davor hätte der Ablehnungsbescheid eine Regelungswirkung nur insoweit entfalten können, als damit implizit auch ein Anspruch auf Erstattung der wegen Unaufschiebbarkeit für die private Beschaffung der Leistung aufgewandten Kosten (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V) ausgeschlossen wird. Die Bevollmächtigten des Klägers haben zwar unter Hinweis auf die wegen der besonderen Situation ergangene ärztliche Entscheidung zum Beginn der Leistungen sinngemäß deren Unaufschiebbarkeit behauptet, sie haben jedoch nicht dargetan, dass dem Kläger hierdurch eine Belastung mit Kosten für die private Inanspruchnahme der Therapeutin entstanden wäre. Die als sachverständige Zeugin gehörte Ärztin Dipl.-Med. F. hat vielmehr erklärt, dass die Therapeutin R. S. beim Einrichtungsträger G. e.V. angestellt gewesen sei. Für eine Beschaffung der Leistung durch den Kläger auf eigene Kosten im Wege eines privaten Vertrages mit der Therapeutin als Anknüpfungspunkt für einen Erstattungs- oder Freistellungsanspruch ist nichts ersichtlich.
Hinsichtlich der im Zeitpunkt der Ablehnung noch nicht erbrachten Leistungen besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Klärung des ursprünglichen Bestehens eines Anspruchs unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die den Kläger behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F. hat in der gerichtlichen Anhörung am 02.10.2008 erklärt, dass sie für den Kläger weiterhin einen Bedarf für Soziotherapie sehe und beabsichtige, diesem nach Klärung der Rahmenbedingungen erneut Soziotherapie zu verordnen.
Dass dem Kläger hinsichtlich der nach der Ablehnung in Anspruch genommenen Leistungen mangels Kostenbelastung kein Erstattungs- oder Freistellungsanspruch gegen die Beklagte nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V zusteht, lässt das Feststellungsinteresse nicht entfallen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ablehnung ist es ohne Belang, wie und auf wessen Kosten der Versicherte sich die abgelehnte Leistung nach Erhalt des ablehnenden Bescheides beschafft. Zudem gehört die Leistungserbringung speziell durch eine angestellte Therapeutin des Einrichtungsträgers nicht zu den wesentlichen Elementen der Verordnung, die den geltend gemachten Anspruch des Klägers bestimmen.
Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich der geltend gemachte Anspruch durch Entgegennahme der Leistungen im verordneten Umfang von 30 Stunden bereits vor Erhebung der Klage und sogar vor Erlass des Widerspruchsbescheids erledigt hat. Eine Fortsetzugsfeststellungsklage ist auch in diesen Fällen zulässig. Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines vorprozessual erledigten Verwaltungsakts ist wie das berechtigte Interesse bei einer allgemeinen Feststellungsklage zu behandeln. Es gelten keine strengeren Anforderungen als im Falle der allgemeinen Feststellungsklage (Bundessozialgericht, Urteil vom 28.08.2007, Az. B 7/7a AL 16/06 R; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.07.1999, Az. 6 C 7/98). Allerdings bedarf es in diesen Fällen nicht zwingend der Durchführung eines Vorverfahrens. Dass die Beklagte hier gleichwohl einen Widerspruchsbescheid erlassen und der Kläger erst anschließend um gerichtlichen Rechtsschutz ersucht hat, steht aber dem Fortsetzungsfeststellungsbegehren nicht entgegen. Denn das erledigende Ereignis ist vor der Bestandskraft der Ablehnung eingetreten. Eine Klagefrist muss deshalb nicht eingehalten werden (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.07.1999, Az. 6 C 7/98).
Die Klage ist unbegründet. Die Ablehnung des Antrags auf Soziotherapie, wie er durch die Verordnung und den Betreuungsplan vom 23.09.2005 konkretisiert wird, war rechtmäßig. Der Kläger hatte keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Leistungen so, wie sie verordnet waren, auf Grundlage des § 37a SGB V als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erbringt.
Zwar schließen - entgegen der Begründung des Widerspruchsbescheids - die Leistungen der Eingliederungshilfe nicht Soziotherapie im Sinne des § 37a Abs. 1 SGB V und der auf Grundlage von § 37a Abs. 2 SGB V erlassenen Soziotherapie-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ein. Die dem Kläger verordneten und von der Therapeutin R. S. erbrachten Maßnahmen erfüllen jedoch nicht die gesetzlichen Kriterien für die als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährende Soziotherapie.
Gemäß § 37a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V haben Versicherte, die wegen schwerer psychischer Erkrankung nicht in der Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen, Anspruch auf Soziotherapie, wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten, aber nicht ausführbar ist; die Soziotherapie umfasst im Rahmen der vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu erlassenden Richtlinien die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme.
Soziotherapie im Sinne des § 37a SGB V ist - ungeachtet der missverständlichen und hier offenbar missverstandenen Bezeichnung als Therapie - keine Krankenbehandlung. Dreh- und Angelpunkt der Soziotherapie nach § 37a SGB V ist ein - nicht mit der Soziotherapie selbst zu verwechselndes - ärztliches Konzept (Behandlungsplan, vgl. Nr. 3 und 5 der Soziotherapie-Richtlinien) zur ambulanten Behandlung der psychiatrischen Grunderkrankung oder begleitender Erkrankungen, dessen Umsetzung die Maßnahmen der Soziotherapie entsprechend dem soziotherapeutischen Betreuungsplan dienen. Behandlungs- und Betreuungsplan sind voneinander zu unterscheiden. Es handelt sich bei der Soziotherapie, wie sie nach § 37a SGB V von den Krankenkassen ihren gesetzlich Versicherten als Sach- bzw. Dienstleistung zur Verfügung zu stellen ist, um eine die ambulante Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 und - mit Einschränkungen - Nr. 6 SGB V) flankierende Leistung, die den Versicherten durch Koordinierung der Krankenbehandlung, Anleitung und Motivation erst in die Lage versetzen soll, die ärztlichen oder ärztlich verordneten ambulanten Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen. In der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 37a SGB V (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/1245 S. 66) ist dies wie folgt erläutert:
"Der Anspruch auf Soziotherapie setzt einen vom Vertragsarzt unter Beteiligung des Leistungserbringers der Soziotherapie (vgl. § 132b SGB V) und des Patienten erarbeiteten Behandlungsplan voraus, der verschiedene Behandlungselemente (z. B. Heilmittel, häusliche Krankenpflege etc.) zu einer Komplexleistung zusammenfaßt. Die einzelnen Behandlungselemente werden wie bisher nach den entsprechenden leistungsrechtlichen Vorschriften von den zuständigen Leistungsträgern erbracht. Der Anspruch auf Soziotherapie umfaßt die Koordination der im Rahmen des Behandlungsplans zur Verfügung gestellten Hilfsangebote sowie die Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme der Leistungen mit dem Ziel der selbständigen Inanspruchnahme der Leistungen."
Soziotherapie dient mithin nicht dem Ausgleich von Betreuungsdefiziten im Rahmen der Eingliederungshilfeleistungen. Sie ist abzugrenzen gegenüber psychosozialen Hilfen einschließlich dem Training lebenspraktischer Fähigkeiten (§ 33 Abs. 6, § 55 Abs. 2 Nr. 3 bis 7 und § 58 SGB IX), der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege (§ 37 SGB V in Verbindung mit Nr. 13 der Häusliche Krankenpflege-Richtlinien und Nr. 27a der Anlage "Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen" zu den Häusliche Krankenpflege-Richtlinien) sowie Verhaltenstherapie im Rahmen der vertragspsychotherapeutischen Versorgung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und § 28 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 15 und unter Beachtung von § 22 Abs. 4 der Psychotherapie-Richtlinie). Zielrichtung und Anwendungsbereich der Soziotherapie sind durch § 37a SGB V begrenzt. Auch wenn sie im Einzelfall Elemente und Methoden der vorstehend genannten Versorgungsformen beinhalten kann, besteht eine Finanzierungsverantwortung der Krankenkassen hierfür nur, wenn und soweit psychisch Kranke, die ohne vorübergehende Unterstützung zur selbständigen Wahrnehmung der ambulanten Krankenbehandlung nicht in der Lage wären, hierdurch zur eigenständigen Wahrnehmung der ambulanten Gesundheitsleistungen befähigt werden.
Die Verordnung und der soziotherapeutische Betreuungsplan vom 23.09.2005 verfehlen die wesentlichen Elemente der Soziotherapie im krankenversicherungsrechtlichen Sinne, wie sie in § 37a SGB V und den Soziotherapie-Richtlinien dargelegt sind.
Bezugspunkt der Soziotherapie ist der ärztliche Behandlungsplan (vgl. Nr. 3, 5 und 13.2 der Soziotherapie-Richtlinien). Ein solcher ist hier nicht erkennbar. Dem soziotherapeutischen Betreuungsplan lässt sich kein Überblick über die zu koordinierenden Behandlungsmaßnahmen entnehmen, der die ärztlichen oder ärztlich verordneten Leistungen zusammenfasst, zu deren selbständiger Inanspruchnahme der Versicherte durch die Soziotherapie befähigt werden soll. Die Angaben der behandelnden Ärztin Dipl.-Med. F. setzen statt dessen die ärztliche Behandlung, die durch Soziotherapie ermöglicht werden soll, mit dem Inhalt der als Soziotherapie verstandenen Betreuungsleistungen gleich.
Auf Grundlage des Behandlungsplans und des Ergebnisses der - hier nicht verordneten - vorab evtl. durchgeführten Probestunden ist ein soziotherapeutischer Betreuungsplan aufzustellen, in dem an Hand der Angaben nach Nr. 19.1 der Soziotherapie-Richtlinien darzulegen ist, wie die vom Behandlungsplan umfassten ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen zu koordinieren sind und wie der Versicherte zu deren Inanspruchnahme anzuleiten und zu motivieren ist, um sie künftig selbständig wahrzunehmen. Die dem Kläger verordneten und letztlich erbrachten Leistungen weisen nur einen entfernten Bezug zu dem Anliegen auf, ihn zur selbständigen Wahrnehmung ambulanter Behandlungsleistungen zu befähigen. Statt dessen liegt ihr Schwerpunkt in der Befähigung zur Alltagsbewältigung und sozialen Eingliederung. Solche Maßnahmen sind zwar auf Grund der Wechselbezüglichkeit zwischen der psychiatrischen Erkrankung und deren psychosozialen Kontextfaktoren ebenfalls darauf gerichtet, durch die Gestaltung der Lebensverhältnisse, der sozialen Beziehungen sowie der Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster des psychisch Kranken dessen seelische Gesundheit zu stabilisieren sowie Krisensituationen, akute Krankheitsphasen und damit notwendig werdende stationäre Einweisungen zu vermeiden. Dieses gemeinsame Endziel allein macht solche Maßnahmen indessen noch nicht zu Leistungen der Soziotherapie, für die der Krankenversicherungsträger nach § 37a SGB V aufzukommen hätte.
Der Antrag des Klägers war damit von vorn herein nicht genehmigungsfähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage über einen Anspruch des Klägers auf Soziotherapie.
Der 1968 geborene Kläger leidet an einer Erkrankung des schizophrenen Formenkreises (ICD-10 Nr. F20.0, Paranoide Schizophrenie). Er ist anerkannt als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 und wird gesetzlich durch einen Betreuer vertreten. Seit 2004 bewohnt er im Rahmen der vom Beigeladenen bezogenen Eingliederungshilfeleistungen eine Wohnung in einer betreuten Außenwohngruppe der Rehabilitations- und Begegnungsstätten G. e.V., einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen im Sinne der §§ 43a, 71 Abs. 4 SGB XI.
Mit am 18.10.2005 bei der Beklagten eingegangener Verordnung vom 23.09.2005 verordnete die behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F. dem Kläger Soziotherapie mit dem Ziel der Vermeidung von Krankenhausbehandlung durch intensivere ambulante Betreuung. Der Verordnungsvordruck enthielt zunächst keine Angaben zur voraussichtlichen und beantragten Anzahl der Einheiten und zur Dauer der Therapie. Am 20.02.2006 teilte die Therapeutin R. S. der Beklagten telefonisch ergänzend mit, dass die Therapie voraussichtlich 120 Einheiten für eine Dauer von 3 Jahren umfassen solle. Beantragt seien zunächst 30 Einheiten, von denen noch keine erbracht seien.
Dem zusammen mit der Verordnung bei der Beklagten eingereichten soziotherapeutischen Betreuungsplan der Ärztin Dipl.-Med. F. und der Therapeutin R. S. vom 23.09.2005 zufolge sollte die Therapie zwei- bis dreimal wöchentlich Motivations- und Antriebstraining, Training der sozialen Kompetenzen und Übungen zur Verbesserung kognitiver Fähigkeiten umfassen. Als Maßnahmen, deren Inanspruchnahme zu koordinieren ist, waren die Einübung geeigneter Verhaltensweisen, um Alltagsbelastungen zu minimieren, Psychoedukation sowie Problemlösetraining, individuell und in der Gruppe, angegeben. Als Therapieziel waren die regelmäßige selbständige Teilnahme an soziotherapeutischen Sitzungen (Nahziel) sowie die Inanspruchnahme ärztlicher Maßnahmen und die Verbesserung der sozialen Kompetenz ausgewiesen.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Soziotherapie durch Bescheid vom 04.01.2006 mit der Begründung ab, es handele sich bei der beantragten Leistung nicht um Soziotherapie.
Seinen am 27.01.2006 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch vom 19.01.2006 begründete der Kläger damit, Soziotherapie helfe ihm, das Leben besser zu bewältigen und das Risiko von Krankenhausaufenthalten zu verringern.
Im Rahmen einer Rücksprache der Beklagten mit dem Beigeladenen wies letzterer darauf hin, dass sich beim Wechsel in die Außenwohngruppe der Betreuungsschlüssel verringere. Der soziale Betreuer suche die Bewohner der Außenwohngruppe nur zwei- bis dreimal wöchentlich auf.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2006, der am 01.12.2006 abgesandt wurde, zurück. Der Kläger erhalte mit der Unterbringung in der Außenwohngruppe des G. e.V. bereits Leistungen der Eingliederungshilfe. Das Leistungsangebot im Rahmen des ambulanten Wohnens umfasse bereits sozialpsychiatrische und soziotherapeutische Therapiemöglichkeiten. Eine zusätzliche Inanspruchnahme von Soziotherapie, um den Kläger zur Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen zu befähigen, sei weder nachvollziehbar noch erforderlich.
Hiergegen richtet sich die am 29.12.2006 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage. Der Kläger macht geltend, Soziotherapie sei verordnet worden, um die mit dem Umzug in die Außenwohngruppe einhergehende Verringerung des Betreuungsschlüssels auszugleichen und ausreichend Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen zu gewährleisten. Andere Kassen würden die Kosten der Leistung problemlos übernehmen, nur die Beklagte lehne die Anträge ab. Die Begründung, der G. e.V. erbringe bereits die Leistungen, sei falsch. Die Hilfeleistungen, welche vom G. e.V. erbracht werden, seien etwas anderes als die verordnete Soziotherapie.
Das Gericht hat bei Dipl.-Med. F. eine schriftliche Auskunft vom 19.12.2007 eingeholt, wegen der auf Bl. 56 und 61 bis 65 der Sozialgerichtsakte Bezug genommen wird. Unter anderem hat die Ärztin auf die Frage nach Art, Inhalt und Ziel der vom Kläger benötigten medizinischen Behandlungen und deren Koordinierung entsprechend einem Behandlungsplan erklärt, die Soziotherapie solle den Kläger in der Alltagsbewältigung unterstützen, Kommunikations- und Beziehungsprozesse mitgestalten und begleiten, um ihm weiterhin das Leben in der Wohnung zu ermöglichen, sowie Kontakte nach Außen und Freizeitangebote auch außerhalb des Werkstattbereichs koordinieren. Nur durch eine rechtzeitige intensive Begleitung könne eine psychotische Dekompensation verhindert werden. Soziotherapie könne durch eine vorübergehende intensive Einzelbetreuung, Zuwendung und Anleitung im Tagesgeschehen in präpsychotischen Phasen die Belastbarkeit, Motivation und Kommunikationsfähigkeit erhöhen und eine Klinikeinweisung verhindern.
Im Termin zur Beweisaufnahme am 02.10.2008 hat das Gericht darüber hinaus Dipl.-Med. F. als sachverständige Zeugin angehört. Diese hat mitgeteilt, dass von Dezember 2005 bis Ende Frühjahr 2006 die beim G. e.V. angestellte Therapeutin R. S. 30 Stunden Soziotherapie erbracht habe. In wöchentlich zwei- bis drei intensiven Gespräche sei es darum gegangen, Fertigkeiten zu erwerben wie zum Beispiel die Gesprächsführung in der Partnerschaft, die Haushaltführung oder mit der Art des Anderen umzugehen. Beim Kläger bestehe weiterhin Bedarf für eine Soziotherapie; er benötige weiterhin eine stärkere Begleitung, schon, um bestimmte Dinge nur wahrzunehmen. Auch nach dem Weggang der Therapeutin R. S. könne Soziotherapie mit Soziotherapeuten aus D. weiter erbracht werden, sobald die Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die Fahrtkostenabgeltung, geklärt seien. In diesem Fall sei eine neue Verordnung auszustellen und ein neuer Behandlungsplan aufzustellen.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben daraufhin die zunächst auf die Gewährung von Soziotherapie als Sach- bzw. Dienstleistung der Beklagten gerichtete Klage für erledigt erklärt und führen das Verfahren im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiter.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Bescheid vom 05.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2006 rechtswidrig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die erbrachten Leistungen nicht dem gesetzlichen Konzept von Soziotherapie entsprochen haben.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit der Niederschrift über den Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin vom 02.10.2008 sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist im Wesentlichen zulässig.
Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht, wenn sich ein Verwaltungsakt vor der Entscheidung des Gerichts durch Zurücknahme oder anders erledigt, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Das für die Feststellung vorausgesetzte schutzwürdige Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein. Ein Feststellungsinteresse kommt in Betracht bei Präjudiziabilität, d.h., wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein kann, Schadensersatzinteresse, Rehabilitationsinteresse sowie Wiederholungsgefahr. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr voraus, dass unter im wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Es darf nicht völlig ungewiss bleiben, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse vorliegen wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes. Ein Wiederholungsfall liegt nur vor, wenn alle die behauptete Rechtswidrigkeit begründenden Umstände wiederholt vorliegen. Es genügt nicht schon die Möglichkeit, dass die Behörde auch in Zukunft vergleichbare Anträge von Versicherten mit gleicher Begründung ablehnt. Das Feststellungsinteresse muss sich vielmehr aus dem individuellen Rechtsverhältnis ergeben und die entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit einiger Wahrscheinlichkeit bei Folgeanträgen des Versicherten erneut stellen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20.05.1992, Az. 14a/6 RKa 29/89; Urteil vom 30.01.2002, Az. B 6 KA 12/01 R).
Im vorliegenden Fall ist als Besonderheit zu berücksichtigen, dass die beantragten Leistungen bereits im Zeitraum Dezember 2005 bis Frühjahr 2006 erbracht wurden, der angefochtene Ausgangsbescheid erst am 04.01.2006, während der laufenden Leistungserbringung, und der Widerspruchsbescheid am 29.11.2006, nach dem Abschluss der verordneten Leistungen, erging.
Ein Feststellungsinteresse für die Klärung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung besteht allein hinsichtlich der nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids vom 04.01.2006 noch erbrachten Leistungen. Für die Zeit davor hätte der Ablehnungsbescheid eine Regelungswirkung nur insoweit entfalten können, als damit implizit auch ein Anspruch auf Erstattung der wegen Unaufschiebbarkeit für die private Beschaffung der Leistung aufgewandten Kosten (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V) ausgeschlossen wird. Die Bevollmächtigten des Klägers haben zwar unter Hinweis auf die wegen der besonderen Situation ergangene ärztliche Entscheidung zum Beginn der Leistungen sinngemäß deren Unaufschiebbarkeit behauptet, sie haben jedoch nicht dargetan, dass dem Kläger hierdurch eine Belastung mit Kosten für die private Inanspruchnahme der Therapeutin entstanden wäre. Die als sachverständige Zeugin gehörte Ärztin Dipl.-Med. F. hat vielmehr erklärt, dass die Therapeutin R. S. beim Einrichtungsträger G. e.V. angestellt gewesen sei. Für eine Beschaffung der Leistung durch den Kläger auf eigene Kosten im Wege eines privaten Vertrages mit der Therapeutin als Anknüpfungspunkt für einen Erstattungs- oder Freistellungsanspruch ist nichts ersichtlich.
Hinsichtlich der im Zeitpunkt der Ablehnung noch nicht erbrachten Leistungen besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Klärung des ursprünglichen Bestehens eines Anspruchs unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Die den Kläger behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. F. hat in der gerichtlichen Anhörung am 02.10.2008 erklärt, dass sie für den Kläger weiterhin einen Bedarf für Soziotherapie sehe und beabsichtige, diesem nach Klärung der Rahmenbedingungen erneut Soziotherapie zu verordnen.
Dass dem Kläger hinsichtlich der nach der Ablehnung in Anspruch genommenen Leistungen mangels Kostenbelastung kein Erstattungs- oder Freistellungsanspruch gegen die Beklagte nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V zusteht, lässt das Feststellungsinteresse nicht entfallen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ablehnung ist es ohne Belang, wie und auf wessen Kosten der Versicherte sich die abgelehnte Leistung nach Erhalt des ablehnenden Bescheides beschafft. Zudem gehört die Leistungserbringung speziell durch eine angestellte Therapeutin des Einrichtungsträgers nicht zu den wesentlichen Elementen der Verordnung, die den geltend gemachten Anspruch des Klägers bestimmen.
Die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich der geltend gemachte Anspruch durch Entgegennahme der Leistungen im verordneten Umfang von 30 Stunden bereits vor Erhebung der Klage und sogar vor Erlass des Widerspruchsbescheids erledigt hat. Eine Fortsetzugsfeststellungsklage ist auch in diesen Fällen zulässig. Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines vorprozessual erledigten Verwaltungsakts ist wie das berechtigte Interesse bei einer allgemeinen Feststellungsklage zu behandeln. Es gelten keine strengeren Anforderungen als im Falle der allgemeinen Feststellungsklage (Bundessozialgericht, Urteil vom 28.08.2007, Az. B 7/7a AL 16/06 R; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.07.1999, Az. 6 C 7/98). Allerdings bedarf es in diesen Fällen nicht zwingend der Durchführung eines Vorverfahrens. Dass die Beklagte hier gleichwohl einen Widerspruchsbescheid erlassen und der Kläger erst anschließend um gerichtlichen Rechtsschutz ersucht hat, steht aber dem Fortsetzungsfeststellungsbegehren nicht entgegen. Denn das erledigende Ereignis ist vor der Bestandskraft der Ablehnung eingetreten. Eine Klagefrist muss deshalb nicht eingehalten werden (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.07.1999, Az. 6 C 7/98).
Die Klage ist unbegründet. Die Ablehnung des Antrags auf Soziotherapie, wie er durch die Verordnung und den Betreuungsplan vom 23.09.2005 konkretisiert wird, war rechtmäßig. Der Kläger hatte keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Leistungen so, wie sie verordnet waren, auf Grundlage des § 37a SGB V als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erbringt.
Zwar schließen - entgegen der Begründung des Widerspruchsbescheids - die Leistungen der Eingliederungshilfe nicht Soziotherapie im Sinne des § 37a Abs. 1 SGB V und der auf Grundlage von § 37a Abs. 2 SGB V erlassenen Soziotherapie-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ein. Die dem Kläger verordneten und von der Therapeutin R. S. erbrachten Maßnahmen erfüllen jedoch nicht die gesetzlichen Kriterien für die als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährende Soziotherapie.
Gemäß § 37a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V haben Versicherte, die wegen schwerer psychischer Erkrankung nicht in der Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen, Anspruch auf Soziotherapie, wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten, aber nicht ausführbar ist; die Soziotherapie umfasst im Rahmen der vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu erlassenden Richtlinien die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme.
Soziotherapie im Sinne des § 37a SGB V ist - ungeachtet der missverständlichen und hier offenbar missverstandenen Bezeichnung als Therapie - keine Krankenbehandlung. Dreh- und Angelpunkt der Soziotherapie nach § 37a SGB V ist ein - nicht mit der Soziotherapie selbst zu verwechselndes - ärztliches Konzept (Behandlungsplan, vgl. Nr. 3 und 5 der Soziotherapie-Richtlinien) zur ambulanten Behandlung der psychiatrischen Grunderkrankung oder begleitender Erkrankungen, dessen Umsetzung die Maßnahmen der Soziotherapie entsprechend dem soziotherapeutischen Betreuungsplan dienen. Behandlungs- und Betreuungsplan sind voneinander zu unterscheiden. Es handelt sich bei der Soziotherapie, wie sie nach § 37a SGB V von den Krankenkassen ihren gesetzlich Versicherten als Sach- bzw. Dienstleistung zur Verfügung zu stellen ist, um eine die ambulante Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 und - mit Einschränkungen - Nr. 6 SGB V) flankierende Leistung, die den Versicherten durch Koordinierung der Krankenbehandlung, Anleitung und Motivation erst in die Lage versetzen soll, die ärztlichen oder ärztlich verordneten ambulanten Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen. In der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 37a SGB V (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/1245 S. 66) ist dies wie folgt erläutert:
"Der Anspruch auf Soziotherapie setzt einen vom Vertragsarzt unter Beteiligung des Leistungserbringers der Soziotherapie (vgl. § 132b SGB V) und des Patienten erarbeiteten Behandlungsplan voraus, der verschiedene Behandlungselemente (z. B. Heilmittel, häusliche Krankenpflege etc.) zu einer Komplexleistung zusammenfaßt. Die einzelnen Behandlungselemente werden wie bisher nach den entsprechenden leistungsrechtlichen Vorschriften von den zuständigen Leistungsträgern erbracht. Der Anspruch auf Soziotherapie umfaßt die Koordination der im Rahmen des Behandlungsplans zur Verfügung gestellten Hilfsangebote sowie die Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme der Leistungen mit dem Ziel der selbständigen Inanspruchnahme der Leistungen."
Soziotherapie dient mithin nicht dem Ausgleich von Betreuungsdefiziten im Rahmen der Eingliederungshilfeleistungen. Sie ist abzugrenzen gegenüber psychosozialen Hilfen einschließlich dem Training lebenspraktischer Fähigkeiten (§ 33 Abs. 6, § 55 Abs. 2 Nr. 3 bis 7 und § 58 SGB IX), der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege (§ 37 SGB V in Verbindung mit Nr. 13 der Häusliche Krankenpflege-Richtlinien und Nr. 27a der Anlage "Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen" zu den Häusliche Krankenpflege-Richtlinien) sowie Verhaltenstherapie im Rahmen der vertragspsychotherapeutischen Versorgung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und § 28 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 15 und unter Beachtung von § 22 Abs. 4 der Psychotherapie-Richtlinie). Zielrichtung und Anwendungsbereich der Soziotherapie sind durch § 37a SGB V begrenzt. Auch wenn sie im Einzelfall Elemente und Methoden der vorstehend genannten Versorgungsformen beinhalten kann, besteht eine Finanzierungsverantwortung der Krankenkassen hierfür nur, wenn und soweit psychisch Kranke, die ohne vorübergehende Unterstützung zur selbständigen Wahrnehmung der ambulanten Krankenbehandlung nicht in der Lage wären, hierdurch zur eigenständigen Wahrnehmung der ambulanten Gesundheitsleistungen befähigt werden.
Die Verordnung und der soziotherapeutische Betreuungsplan vom 23.09.2005 verfehlen die wesentlichen Elemente der Soziotherapie im krankenversicherungsrechtlichen Sinne, wie sie in § 37a SGB V und den Soziotherapie-Richtlinien dargelegt sind.
Bezugspunkt der Soziotherapie ist der ärztliche Behandlungsplan (vgl. Nr. 3, 5 und 13.2 der Soziotherapie-Richtlinien). Ein solcher ist hier nicht erkennbar. Dem soziotherapeutischen Betreuungsplan lässt sich kein Überblick über die zu koordinierenden Behandlungsmaßnahmen entnehmen, der die ärztlichen oder ärztlich verordneten Leistungen zusammenfasst, zu deren selbständiger Inanspruchnahme der Versicherte durch die Soziotherapie befähigt werden soll. Die Angaben der behandelnden Ärztin Dipl.-Med. F. setzen statt dessen die ärztliche Behandlung, die durch Soziotherapie ermöglicht werden soll, mit dem Inhalt der als Soziotherapie verstandenen Betreuungsleistungen gleich.
Auf Grundlage des Behandlungsplans und des Ergebnisses der - hier nicht verordneten - vorab evtl. durchgeführten Probestunden ist ein soziotherapeutischer Betreuungsplan aufzustellen, in dem an Hand der Angaben nach Nr. 19.1 der Soziotherapie-Richtlinien darzulegen ist, wie die vom Behandlungsplan umfassten ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen zu koordinieren sind und wie der Versicherte zu deren Inanspruchnahme anzuleiten und zu motivieren ist, um sie künftig selbständig wahrzunehmen. Die dem Kläger verordneten und letztlich erbrachten Leistungen weisen nur einen entfernten Bezug zu dem Anliegen auf, ihn zur selbständigen Wahrnehmung ambulanter Behandlungsleistungen zu befähigen. Statt dessen liegt ihr Schwerpunkt in der Befähigung zur Alltagsbewältigung und sozialen Eingliederung. Solche Maßnahmen sind zwar auf Grund der Wechselbezüglichkeit zwischen der psychiatrischen Erkrankung und deren psychosozialen Kontextfaktoren ebenfalls darauf gerichtet, durch die Gestaltung der Lebensverhältnisse, der sozialen Beziehungen sowie der Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster des psychisch Kranken dessen seelische Gesundheit zu stabilisieren sowie Krisensituationen, akute Krankheitsphasen und damit notwendig werdende stationäre Einweisungen zu vermeiden. Dieses gemeinsame Endziel allein macht solche Maßnahmen indessen noch nicht zu Leistungen der Soziotherapie, für die der Krankenversicherungsträger nach § 37a SGB V aufzukommen hätte.
Der Antrag des Klägers war damit von vorn herein nicht genehmigungsfähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG.
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