S 5 SF 285/09 E

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 SF 285/09 E
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Zur Frage, ob die Annahme eines Anerkenntnisses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohne Weiteres eine Erledigungsgebühr auslöst.
I. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.08.2009 wird zurückgewiesen. II. Die Entscheidung ergeht kostenfrei. Tatbestand:

Die Erinnerung richtet sich gegen die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Im zugrunde liegenden Antragsverfahren begehrte der Kläger die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) ab Antragstellung. Nachdem die Beklagte mit Abhilfe- und Änderungsbescheiden vom 12.03.2009 dem Antrag und dem Widerspruch vom 12.02.2009 stattgegeben hatte, nahm der Kläger das seiner Meinung nach hierin liegende Anerkenntnis an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt. Mit der Kostennote vom 16.04.2009 beantragte der Kläger Kostenfestsetzung durch das Gericht und machte außergerichtliche Kosten in Höhe von insgesamt 386,75 EUR geltend, von denen die Beklagte 223,15 EUR erstattete. Unter anderem stellte er hierbei gemäß § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. den Nrn. 3102, 1006 VV RVG eine Verfahrensgebühr in Höhe von 175,00 EUR sowie eine Erledigungsgebühr in Höhe von 130,00 EUR nebst Um-satzsteuer in Rechnung. Mit Beschluss vom 03.08.2009 setzte die Kostenbeamtin die von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf insgesamt 222,53 Euro fest. Hierbei ging sie von einer unterdurch-schnittlichen anwaltlichen Tätigkeit aus und setzte eine Verfahrensgebühr in Höhe von 2/3 der Mittelgebühr an. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, da hierfür eine Erledi-gungserklärung nicht ausreiche. Mit Schriftsatz vom 20.08.2009 legte der Kläger Kostenerinnerung ein. Die Herabsetzung der Verfahrensgebühr sei kleinlich und nicht gerechtfertigt sei. Der Unterdurchschnittlichkeit der Angelegenheit sei bereits mit dem Ansatz von 175,00 Euro Rechnung getragen worden. Nach der Rechtsprechung des LSG Sachsen reiche bereits die Annahme eines Anerkenntnisses für das Entstehen einer Erledigungsgebühr aus. Die Kostenbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte sie zur richterlichen Entscheidung vor.

Gründe:

Die Erinnerung gegen die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dass die Kostenbeamtin die Verfahrensgebühr auf 2/3 der Mittelgebühr gekürzt hat, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Eine Erledigungsgebühr ist nicht angefallen.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen, wie hier, das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Wird die Erstattung einer Rahmengebühr verlangt, ist die gesetzliche Gebühr die vom Anwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmte Gebühr. Das Gericht hat aber zu prüfen, ob die Bestimmung unbillig und deshalb nicht verbindlich ist.

Vorliegend ist der Ansatz einer Verfahrensgebühr in Höhe von 175,00 EUR durch den Kläger unbillig. Dabei spielt es keine Rolle, dass der von ihm in Ansatz gebrachte Betrag nur 8,00 Euro über der von der Kostenbeamtin festgesetzten Verfahrensgebühr lag. Die Durch-schnittsgebühr ergibt sich aus den Regelungen des RVG in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis und kann nicht beliebig bis zu 20 % oberhalb der rechnerischen Mitte verändert werden. Dieser Mittelwert ist dann nicht nur die angemessene Gebühr, sondern die bei der Gebührenfestsetzung als "billig" im Sinne von § 14 RVG anzusehende Gebühr. Zwar kann die vom Rechtsanwalt zu bestimmende Gebühr grundsätzlich auch dann noch "billig" sein, wenn sie über der vom Gericht als angemessen ermittelten liegt. Dies führt aber nicht dazu, dass der Rechtsanwalt grundsätzlich einen über der angemessenen Gebühr liegenden Betrag bestimmen kann (wobei es keiner Entscheidung darüber bedarf, ob die sogenannte Toleranzgrenze bei 20 v.H. oder darunter zu liegen hat), da dies zwangsläufig dazu führen würde, dass die von ihm bestimmte Gebühr über der angemessenen liegt wür-de (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.05.1998 - 1 WB 22.98 -).

Es sind dann für niedrigere oder höhere Gebühren sprechende Einzelumstände des Falles zu berücksichtigen, wie Umfang und Schwierigkeit des Rechtsstreits, Ausmaß der anwaltlichen Tätigkeit oder aber die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl. 2005, § 197 Rdn. 7b). Diese Kriterien gelten auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wobei hier offenbleiben kann, ob in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Verfahrensgebühr von vorneherein auf 2/3 der Mindestgebühr festzulegen ist (so z.B. LSG NRW, Beschluss vom 29.01.2008 - L 1 B 35/07 AS -). Auch wenn man von der Mittelgebühr ausgeht und diese nach der sogenannten "Chemnitzer Tabelle" mit 100 Punkten ansetzt, wären hier schon 40 Punkte deswegen abzuziehen, weil es um einen bloßen Feststellungsantrag ging und keine Beweisaufnahme stattzufinden hatte. Der verbleibende Wert von 60 Punkten läge unter der von der Kostenbeamtin in Ansatz gebrachten 2/3 Mittelgebühr.

Eine Erledigungsgebühr, die vom Kläger mit 130,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer angesetzt wurde, ist nicht angefallen. Die Voraussetzungen der Nr. 1006 VV RVG sind nicht erfüllt.

Gemäß den Nummern 1005/1006 VV RVG betragen die Gebühren für die "Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG)", 30 bis 350 EUR, wenn über den Gegenstand - wie hier - ein gerichtliches Verfahren anhängig ist. Zwar erfolgt vorliegend die Abrech-nung nach Betragsrahmengebühren, die weitere Voraussetzung, dass sich die Rechtssache durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt hat, ist indes nicht erfüllt.

Anstelle der Einigungsgebühr kann in Verfahren, deren Gegenstand ein begehrter oder ein mit einem Rechtsbehelf angefochtener oder abgelehnter Verwaltungsakt ist, also in Verfahren nach § 54 Abs. 2 und Abs. 4 SGG, eine Erledigungsgebühr anfallen. Nach Nr. 1002 VV RVG, deren tatbestandliche Voraussetzungen auch bei Nr. 1005 und Nr. 1006 VV RVG zu berücksichtigen sind (Straßfeld, Vergütung von Rechtsanwälten in sozialgerichtlichen Verfahren - Teil I -, SGb 11/08 S. 641) entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn sich die Rechtssache in einem solchen Verfahren ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts bzw. durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts durch anwaltliche Mitwirkung erledigt. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung in den Öffentlich - rechtlichen Gerichtsbarkeiten setzt der Anfall einer Erledigungsgebühr die aktive Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung des Verfahrens voraus. Das Bundessozialgericht hat zum Gebührentatbestand der Nr. 1005 VV RVG, deren Voraussetzungen denen der Nrn. 1000, 1002 und 1006 VV RVG entsprechen, entschieden, dass der Anfall einer Erledigungsgebühr eine Tätigkeit des Anwalts verlangt, die über die mit den Tätigkeitsgebühren abgegoltene Prozessführung hinausgeht (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteile vom 07.11.2006 - B 1 KR 22/06 R -; 02.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R -) Es hat damit an die Rechtsprechung zu § 24 BRAGO bzw. § 116 BRAGO angeknüpft, wo verlangt wurde, dass sich der Anwalt besonders um die Erledigung des Rechtsstreits bemüht hat. Dass die Mitwirkung an der formellen Erledigung des Verfahrens hierfür nicht ausreicht, ist auch der Rechtsprechung in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit zu entnehmen (VGH Bayern, Beschluss vom 27.02.2007 – 24 C 07.1241 -; FG Brandenburg, Beschluss vom 14.08.2006 - 1 KO 817/06 -). Zu verlangen ist daher eine besondere, auf die Beilegung der Sache ohne Entscheidung des Ge-richts abzielende Tätigkeit. Andere Aktivitäten sind nach dem Willen des Gesetzgebers bereits mit der Verfahrensgebühr abgedeckt (BT-Drucks. 15/1971 S.210). Soweit das Sächsische Landessozialgericht insoweit eine andere Auffassung hat folgt dem das erkennende Gericht nicht. Insbesondere betrifft die Gebühr nach Nr. 1002 VV RVG nicht das Verwaltungsverfahren, wie das LSG in einer Entscheidung vom 24.08.2009 (Az.: L 6 AS 394/09 B KO) wiederum annimmt. Vielmehr besteht der Unterschied zwischen der Nr. 1005 VV RVG und der Nr. 1002 VV RVG lediglich darin, dass die Nr. 1002 VV RVG bei Verfahren nach § 197a SGG einschlägig ist und die Nr. 1005 VV RVG in Verfahren nach § 183 SGG (vgl. auch Straßfeld, aaO S. 641). Das zitierte Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Bayern (aaO) ist daher auch für den vorliegend zu entscheidenden Fall von Bedeutung.

Aus dem Akteninhalt ergibt sich nicht, dass die Prozessvertreterin des Klägers wesentlich auf eine unstreitige Erledigung der Angelegenheit hingearbeitet hat, die Tätigkeit also primär auf eine nichtstreitige Erledigung gerichtet war. Vielmehr beschränkte sich deren Tätigkeit auf die Antragsbegründung und auf die Annahme eines "Anerkenntnisses" und zusätzlicher Erledigungserklärung. Dass aber die Annahme eines Anerkenntnisses nicht kausal für dessen Abgabe sein kann, muss nicht näher erläutert werden. Es kann daher auch dahinstehen, ob es sich bei einem Abhilfebescheid prozessual überhaupt um ein Anerkenntnis handelt.

Daher war die Erinnerung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.

Dieser Beschluss ist endgültig (§ 11 Abs. 3 RVG i.V.m. § 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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