S 6 AS 1815/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 6 AS 1815/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Berufung wird zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Leistungsbewilligung für Dezember 2010 nebst einer Erstattungsforderung i.H.v. 445,40 Euro.

Der am XXXXX1991 geborene Kläger bezog aufgrund des Bescheides vom 02.12.2010 im Dezember 2010 Leistungen i.H.v. insgesamt 445,40 Euro. Nachdem sich (anlässlich der Stellung eines Folgeantrags im Januar 2011) ergeben hatte, dass auf sein Girokonto am 23.12.2010 eine Bareinzahlung i.H.v. 900.- Euro vorgenommen worden war, hörte ihn der Beklagte (mit Schreiben vom 28.01.2011) zu einer möglichen Aufhebung der Leistungsbewilligung für Dezember 2010 an. Der Kläger teilte mit, es habe sich um ein Geschenk seiner Großeltern gehandelt, das für die Anschaffung eines (für seine Ausbildung dringend benötigten) Computers bestimmt gewesen sei.

Mit Bescheid vom 15.02.2011 hob der Beklagte daraufhin den Bescheid vom 02.12.2010 für den Monat Dezember in vollem Umfang auf und verlangte einen Betrag von 445,40 Euro erstattet. Er führte aus, der Kläger sei aufgrund seines aus der Schenkung erzielten Einkommens nicht hilfebedürftig gewesen. Seiner Pflicht zur Mitteilung des Einkommens sei er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen.

Seinen am 27.02.2011 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, es habe sich um eine zweckgebundene Zuwendung gehandelt, die er nicht zur Deckung seines Lebensunterhalts habe verwenden dürfen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 12.05.2011 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 30.05.2011 erhobene Klage.

Der Kläger führt aus, es habe sich ursprünglich um eine anrechnungsfreie Zuwendung i.S.d. § 11a Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) gehandelt. Im Übrigen sei diese Schenkung aber auch durch Vertrag vom 18.02.2011 in ein Darlehen umgewandelt worden und daher erst recht nicht anrechenbar.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 15.02.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bleibt bei seiner Auffassung.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen sind rechtmäßig i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

A.) Gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) ist ein Dauerverwaltungsakt (wie ihn der Bewilligungsbescheid vom 02.12.2010 unzweifelhaft dargestellt hat) mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

II.) Das spätestens am 23.12.2010 erzielte Einkommen i.H.v. 900.- Euro führte zum Wegfall der Bedürftigkeit während des Monats Dezember 2010 (auf einen Wegfall für spätere Monate hat sich der Beklagte nicht berufen).

1.) Einschlägig für die rechtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidungen sind die Vorschriften des SGB II über die leistungsmindernde Berücksichtigung von Einkommen in der zum Zeitpunkt des Zuflusses (Dezember 2010) geltenden Fassung.

a) Zwar gilt dem Grundsatze nach, dass für die Frage nach der Rechtswidrigkeit einer behördlichen Entscheidung auf die Sach- und – worauf es im vorliegenden Fall ankommt – Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist (BSG, Urteil vom 22.08.2000, B 2 U 33/99 R, SozR 3-2200 § 712 Nr. 1; Böttiger, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 54, Rn. 67). Somit sind Änderungen nicht nur der Sach-, sondern auch der Rechtslage, die zeitlich zwischen dem Ausgangs- und dem Widerspruchsbescheid liegen, bei der Entscheidung über den Widerspruch zu berücksichtigen, was im vorliegenden Fall bedeuten würde, dass der noch unter Geltung des alten Rechts erfolgte Zufluss im Widerspruchsbescheid nach dem neuen (d.h. seit dem 01.04.2011 geltenden Recht) zu beurteilen gewesen wäre.

b) Dieser Grundsatz des Prozessrechts lässt jedoch Ausnahmen zu, die sich insbesondere aus den einschlägigen Wertungen des anzuwendenden materiellen Rechts ergeben können (so etwa Hessischer VGH, Beschluss vom 14.11.1991, 7 TH 12/89; Kröninger/Wahrendorf, in: HK-VwR, § 113 VwGO, Rn. 30 m.w.N.). Im vorliegenden Fall entnimmt das Gericht dem Gesamtzusammenhang sowohl der Einkommensanrechnung im SGB II als solcher als auch ihrer Neuregelung (durch Art. 2 Nrn. 14 und15 des Gesetzes zur Entwicklung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, GERÄ, vom 24.03.2011, BGBl. I S. 453), dass es – vorbehaltlich abweichender Übergangsvorschriften – für die Frage nach den Auswirkung eines Einkommenszuflusses auf den momentanen Leistungsanspruch im Zeitpunkt des Zuflusses auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt dieses Zuflusses ankommt.

aa) Für diese Sichtweise spricht zunächst der allgemeine Gesichtspunkt, dass andernfalls den zum 01.04.2011 in Kraft getretenen §§ 11 ff. SGB II n.F. der Sache eine vom Gesetzgeber weder angeordnete und beabsichtigte Rückwirkung zukäme. Der Gesetzgeber hat durch das GERÄ nicht nur die Anrechnung von Einkommen in weiten Teilen neu geregelt (Art. 2 Nrn. 14 und 15 GERÄ), sondern auch das Inkrafttreten dieser Regelungen zum 01.04.2011 bestimmt (Art. 14 Abs. 3 GERÄ). Hätte nun ein zum Zeitpunkt der Rechtsänderung anhängiges Widerspruchsverfahren zur Folge, dass ein vollständig in der Vergangenheit liegender Sachverhalt nach einem später in Kraft getretenen Recht beurteilt werden müsste, so läge ein Fall der sog. echten Rückwirkung vor. Dass eine solche Rückwirkung angesichts des Rechtsstaatsprinzips nur in Ausnahmefällen zulässig ist (vgl. aus neuerer Zeit BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, SozR 4-5050 § 22b Nr. 9 m.w.N.), wirkt sich im Bereich der Auslegung sowohl prozessualer als auch materiell-rechtlicher Vorschriften zumindest dergestalt aus, dass eine echte Rückwirkung vor dem vom Gesetzgeber bestimmten Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht angenommen werden darf.

bb) Sodann spricht auch der im SGB II verankerte Grundsatz der monatsweisen Gegenüberstellung von Bedarf und Einkommen für eine Zugrundelegung der Rechtslage zum Zeitpunkt des Zuflusses. Das SGB II geht (als Ausfluss eines gegenüber dem Rechtszustand vor 2005 zwar reduzierten, aber im Kern nach wie vor gültigen Aktualitätsgrundsatzes) von einer monatsweisen Gegenüberstellung des anerkennenswerten Bedarfs und des einzusetzenden Einkommens aus (vgl. etwa die §§ 11 Abs. 2 Satz 1, 22 Abs. 4 SGB II). Einer solchen "aktuellen" Betrachtungsweise liefe es grundsätzlich zuwider, wenn ein einmal zugeflossenes Einkommen infolge einer späteren Rechtsänderung nur deswegen gleichsam "umgedeutet" werden müsste, weil das Widerspruchsverfahren länger gedauert hat als das alte Recht gültig war. Insbesondere stünde eine solche nachträgliche "Umdeutung" mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht in Einklang.

cc) Auch die (punktuellen) Übergangsregelungen betreffend die verschiedenen Neuregelungen der Einkommensanrechnung sprechen für diese Sichtweise. Eine Übergangsregelung, wonach die §§ 11 ff. SGB II n.F. auf den Zeitpunkt vor ihrem Inkrafttreten zurückwirken sollen, besteht – wie bereits dargelegt – gerade nicht (vgl. Art. 14 Abs. 3 GERÄ). Soweit sich in den speziellen Übergangsvorschrift des SGB II Regelungen zur Fortgeltung alten Rechts bei der Einkommensanrechnung finden (vgl. die § 77 Abs. 2 und 3, 68 Abs. 1 SGB II) stellen diese auf Bewilligungszeiträume ab, worin sich wiederum der Gedanke der punktuellen Gegenüberstellung von Bedarf und Einkommen manifestiert.

&8195; 2.) Das Einkommen war nicht etwa – wie der Kläger zuletzt vorgetragen hat – als Darlehen anrechnungsfrei.

a) Als Einkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen sind nach den §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. Einnahmen in Geld oder Geldeswert und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsächlich zufließen (aus neuster Zeit BSG, Urteil vom 21.06.2011, B 4 AS 21/10 R, juris, Rn. 29 m.w.N.). Zwar ist im Rahmen von § 11 SGB II lediglich derjenige wertmäßige Zuwachs als Einkommen anzusehen, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt damit als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als "bereites Mittel" zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnte (ausführlich und m.w.N. BSG, Urteil vom 17.07.2010, B 14 AS 46/09 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 30 = juris, Rn. 15 ff.). Allerdings sind an den Nachweis, dass es sich bei in Empfang genommenen Zahlungen tatsächlich um ein Darlehen handelt, strenge Anforderungen zu stellen. Sie betreffen den Abschluss und die Ernstlichkeit des Darlehensvertrages und auch die tatsächliche Durchführung, die sich klar und eindeutig von einer Schenkung oder einer freiwilligen Unterhaltszahlung abgrenzen lassen muss. Die Nichterweislichkeit geht zu Lasten des Hilfebedürftigen (zum Ganzen BSG, a.a.O., juris. Rn. 21). Auch können bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Umstände – so das BSG in seiner zitierten Entscheidung – einzelne Kriterien des sog. Fremdvergleichs herangezogen werden. Dies ist umso mehr der Fall, je weniger zwischen den Vertragsparteien eine persönliche Nähebeziehung besteht (wie sie möglicherweise von bestimmten formalen Voraussetzungen und inhaltlichen Vereinbarungen absehen lässt, vgl. bereits BFH, Urteil vom 04.06.1991, IX R 150/85, BFHE 165, 53 = juris, Rn 16 und 19).

b) Unter Zugrundlegung dieser Gesichtspunkte vermag das Gericht jedenfalls nicht von einer nach den Maßstäben des SGB II zu berücksichtigenden Darlehensvereinbarung auszugehen.

aa) Der Kläger hat ein von ihm und seinen beiden Großeltern unterzeichnetes und auf den 18.02.2011 datiertes Schreiben vorgelegt, in dem es heißt: "Hiermit möchten wir (es folgen die Namen der Großeltern) unserem Enkelsohn ( ) ein zinsloses Darlehen in Höhe von 900.- Euro zwecks Anschaffung eines Computers zur Verfügung stellen. Nach dem Anschreiben des (Beklagten) vom 04.02.211 waren (dem Kläger) Zweifel gekommen über die Höhe der Zuwendung (900.- Euro) Daraufhin haben wir beschlossen, die Summe in ein rückzahlbares Darlehen umzuwandeln".

bb) Es kann dahinstehen, ob die vom Kläger und seinen Großeltern gewählte Konstruktion zivilrechtlich überhaupt als Darlehensvertrag gewertet werden kann (oder ob sie nicht doch eher ein abstraktes Schuldanerkenntnis oder dgl. darstellt). Grundsicherungsrechtlich steht der Berücksichtigung dieses Vertrages jedenfalls der Aktualitätsgrundsatz entgegen. Als der Kläger das Geld in Empfang genommen hat, d.h. im Dezember 2010, stand es ihm – dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Vertrag vom 18.02.2011 – nicht nur vorübergehend, sondern endgültig zur Verfügung. Eine nachträglich (d.h. nach Ablauf des Bedarfszeitraums) und offenkundig erst im Angesicht einer drohenden Erstattungsforderung getroffene Darlehensabrede ist im Bereich des SGB II ohne Bedeutung.

3.) Unter Zugrundelegung von § 11 SGB II i.V.m. § 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung, Alg II-V; beide in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, a.F.) war der Betrag von 900.- Euro als Einkommen zu berücksichtigen. Das Gericht braucht hierbei nicht zu ermitteln, ob der Vortrag des Klägers, er habe den Betrag von seinen Großeltern für die Anschaffung eines Computers erhalten, zutrifft. Auch wenn das Gericht dies als wahr unterstellt, hat die Klage keinen Erfolg.

a) Es lag keine zweckbestimmte Einnahme i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II a.F. vor.

aa) Zunächst erscheint bereits zweifelhaft, ob von Privaten getroffene Zweckbestimmungen im Rahmen der Vorschrift überhaupt anzuerkennen sind (zum Streitstand nach altem Recht Löns, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 2. Aufl., 2009, § 11, Rn. 15). Die Tatsache, dass der Gesetzgeber in § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II n.F. ausdrücklich auf öffentlich-rechtliche Zweckbestimmungen abstellt, spricht eher dagegen, ebenso die Tatsache, dass bei Einbeziehung auch der Zweckbestimmungen Privater in den Anwendungsbereich von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II a.F. unklar erscheinen musste, welchen Anwendungsbereich die ausdrücklich auf Zuwendungen Dritter abstellende Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-V a.F. hatte.

bb) Dies kann jedoch im vorliegenden Fall dahinstehen, denn es ist keine Zweckbestimmung im eigentlichen Sinne ersichtlich. Für die Frage nach der Zweckbestimmtheit einer Einnahme kommt darauf an, ob die in Frage stehende Leistung ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II der Existenzsicherung des Begünstigten dient (BSG, Urteil vom 17.03.2009, B 14 AS 63/07 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 21). Selbst bei Annahmen einer Abrede, wonach der Kläger das Geld einzig zur Anschaffung eines Computers verwenden durfte, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein Computer eben nicht allein oder überwiegend Ausbildungszwecken dient. Er ist ebenso zu Zwecken der Information, Kommunikation oder Unterhaltung einsetzbar und dient somit allgemeinen (und auch vom SGB II anerkannten) Bedürfnissen.

b) Es war keiner der besonderen Nichtberücksichtigungstatbestände aus § 1 Alg II-V erfüllt.

aa) § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V a.F. war nicht einschlägig, da die Einnahme 50 Euro jährlich überstiegen hat. Eine Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Alg II-V) lag nicht vor, ebenso wenig einer der Tatbestände aus den Nrn. 4 bis 11 oder 13 der Vorschrift. § 1 Abs. 1 Nr. 12 Alg II-V a.F. erfasste keine Weihnachtsgeschenke, sondern nur Zuwendungen anlässlich solch einmaliger Feiern wie der Konfirmation.

bb) Auch § 1 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-V a.F. war nicht erfüllt. Hiernach gelten die Zuwendungen Dritter, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen, nicht als Einkommen, soweit sie die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht gerechtfertigt wären. Es kann offenbleiben, ob auch insoweit eine Wertgrenze anzunehmen ist (dafür Hänlein, in: Gagel, SGB III/SGB II, § 11 SGB II, Rn. 64, Stand: Juli 2010) bzw. ob nicht § 1 Abs. 1 Nr. 12 Alg II-V a.F. eine abschließende Sonderregelung für die Geschenke von Verwandten anlässlich religiöser Fest dargestellt hat. Jedenfalls kann das Gericht insoweit ebenso wenig eine berücksichtigungsfähige Zweckbestimmung erkennen wie im Rahmen von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II a.F.

3.) Es verhilft der Klage auch nicht zum Erfolg, dass der Beklagte abweichend von § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V a.F. (hier: i.V.m. § 4 Satz 1 Alg II-V a.F.) keine Aufteilung des anzurechnenden Einkommens auf mehrere Monate vorgenommen hat. Die vorliegende Anrechnung allein im Dezember 2010 hat für den Kläger den Vorteil, dass er im Ergebnis erheblich weniger von den eingenommenen 900.- Euro einbüßt als dies bei einer Aufteilung auf mehrere Monate der Fall gewesen wäre (die Differenz von 454,60 Euro "verbleibt" dem Kläger). Ein Verlust des Krankenversicherungsschutzes (den die in § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V a.F. vorgesehene Aufteilung vermeiden helfen soll) droht dem Kläger bereits aus rechtlichen Gründen nicht, denn nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) bleibt der Versicherungsschutz auch dann bestehen, wenn die Entscheidung, die zum Bezug vom Alg II geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist.

II.) Die einschlägigen Fristen sind gewahrt. Ermessen hatte der Beklagte nicht auszuüben.

B.) Die Erstattungsforderung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X und ist nicht in Anwendung von § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II um 56 Prozent der Bedarfe für Unterkunft zu reduzieren, da der Kläger zugleich auch den Aufhebungstatbestand aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X verwirklicht hat (§ 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II). § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X setzt voraus, dass der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Dies ist beim Kläger der Fall. Die Rechtsvorschrift, die eine solche Mitteilungspflicht enthält, findet sich in § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I), wonach wer Sozialleistungen erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen hat. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, er habe die Leistung für anrechnungsfrei gehalten. Es ist gerade Zweck der Mitteilungspflicht, dass solche Fragen vom zuständigen Leistungsträger geprüft werden können.

C.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das Gericht lässt die Berufung zu, da es der Frage nach der anwendbaren Rechtslage (oben A II 1) grundsätzliche Bedeutung beimisst, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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