Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KR 458/06
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
1. Seit dem 01.01.2005 führt der Bezug von Verletztengeld nicht mehr zum Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld mit der Folge, dass auch die Bezugsdauer des Verletztengeldes nicht auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen ist.
2. Es handelt
2. Es handelt
I. Der Bescheid vom 17.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Krankengeld über den 02.07.2006 hinaus längstens bis zum Ende der sich ohne Anrechnung des Bezugs von Verletztengeld vom 14.02.2005 bis zum 18.03.2005 und vom 26.05.2005 bis zum 22.07.2005 ergebenden Anspruchshöchstdauer unter Anrechnung der für den gleichen Zeitraum gezahlten Lohnersatzleistungen zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung des Bezugs von Verletztengeld auf die Dauer eines Anspruchs auf Krankengeld.
Der Kläger war seit dem 03.01.2005 arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum 13.02.2005 erhielt er Arbeitslosengeld fortgezahlt, vom 14.02.2005 bis zum 18.03.2005 bezog er Verletztengeld, vom 19.03.2005 bis zum 25.05.2005 Krankengeld, vom 26.05.2005 bis zum 22.07.2005 erneut Verletztengeld und vom 23.07.2005 bis zum 02.07.2006 wiederum Krankengeld. Mit Krankengeld-Auszahlungsschein vom 20.06.2006 bescheinigte der behandelnde Arzt dem Kläger weiterhin Arbeitsunfähigkeit über den 02.07.2006 hinaus.
Mit Bescheid vom 17.03.2006 stellte die Beklagte das Ende des Anspruchs auf Krankengeld zum Ablauf des 02.07.2006 fest. Die Anspruchsdauer von 546 Tagen sei ausgeschöpft.
Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 13.04.2006 am 18.04.2006 Widerspruch. Das Ende der Anspruchsdauer von 78 Wochen sei unzutreffend berechnet, weil er Krankengeld erst seit dem 29.07.2005 wegen orthopädischer Krankheiten bezogen habe, zuvor habe er wegen verschiedener voneinander unabhängiger Krankheiten Kranken- und Verletztengeld erhalten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2006, der am 27.07.2006 abgesandt wurde, zurück. Der Ausschluss der Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung, wenn Leistungen als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit zu erbringen sind, führe nicht dazu, Versicherten, deren Arbeitsunfähigkeit auf eine unfallbedingte Erkrankung bzw. eine Berufskrankheit zurückzuführen ist, einen längeren Entgeltersatzanspruch zu verschaffen und sie gegenüber Versicherten, deren Arbeitsunfähigkeit unfallunabhängig eingetreten ist, besser zu stellen (Verweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 08.11.2005, Az. B 1 KR 33/03 R).
Hiergegen richtet sich die am 28.08.2006 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage. Die Dauer des Bezugs von Verletztengeld sei nicht auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen. Selbst wenn die Gesetzesfassung auf einem Versehen beruht haben sollte, wäre der Gesetzgeber gehalten gewesen, sobald er den Fehler erkennt, diesen zu korrigieren. Eine solche Korrektur sei jedoch nicht erfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 17.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld über den 02.07.2006 hinaus für die sich ohne Anrechnung des Bezugs von Verletztengeld vom 14.02.2005 bis zum 18.03.2005 und vom 26.05.2005 bis zum 22.07.2005 ergebende Anspruchsdauer zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Anliegen der Gesetzesänderung zum 01.01.2005 sei lediglich gewesen, den gleichzeitigen Bezug von Krankengeld und Verletztengeld auszuschließen, nicht aber die Anrechnung der Bezugsdauer des Verletztengeldes auf den Krankengeldanspruch abzuschaffen (Verweis auf Sozialgericht Regensburg, Urteil vom 09.06.2009, Az S 2 KR 252/06).
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Der Bescheid, in dem die Beklagte das Ende des Anspruchs auf Krankengeld festgestellt hat, ist aufzuheben. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 02.07.2006 hinaus. Die Anspruchsdauer war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeschöpft.
Soweit sich der Kläger gegen die Anrechnung des Bezugs von Krankengeld wegen anderweitiger Vorerkrankungen wendet, greifen die Einwände nicht durch. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V erhalten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an; tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert. Im Falle des Klägers werden die - z.T. chronischen - Vorerkrankungen durch die Nahtlosigkeit ihrer Aufeinanderfolge als hinzugetretene Krankheiten im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V miteinander verklammert; an die in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgewiesenen Diagnosen ist das Gericht dabei nicht gebunden.
Jedoch ist die Dauer des Verletztengeldbezugs nicht gemäß § 48 Abs. 3 SGB V auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen.
Gemäß § 48 Abs. 3 SGB V werden bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt. Zeiten, für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, bleiben unberücksichtigt.
Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung war die Dauer des Bezugs von Verletztengeld auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen, wenn der Versicherte innerhalb der durch Arbeitsunfallfolgen ausgelösten Blockfrist auch aus unfallfremden Gründen arbeitsunfähig erkrankt war (Bundessozialgericht, Urteil vom 08.11.2005, Az. B 1 KR 33/03 R).
Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V alter Fassung ruhte der Anspruch auf Krankengeld unter anderem, solange Versicherte Verletztengeld beziehen.
Die Rechtslage hat sich durch Artikel 4 Nr. 3 Buchst. c des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21.03.2005 (BGBl. I S. 818) mit Wirkung ab dem 01.01.2005 geändert. Hierdurch wurde Nummer 3a dahin gehend neu gefasst, dass der Anspruch auf Krankengeld ruht, solange Versicherte Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld beziehen oder der Anspruch wegen einer Sperrzeit nach dem Dritten Buch ruht. Der Bezug von Verletztengeld ist nicht mehr erwähnt.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes führt der Bezug von Verletztengeld damit nicht mehr zum Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld mit der Folge, dass auch die Bezugsdauer des Verletztengeldes nicht auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen ist.
Die Kammer sieht sich an diesen Wortlaut des Gesetzes gebunden.
Die Begründung des Änderungsgesetzes lautet (Deutscher Bundestag, Drucksache 15/4228 Seite 26):
Redaktionelle Änderungen. Ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung besteht nach § 11 Abs. 4 SGB V nicht, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Die Nennung des Wortes "Verletztengeld" hatte in der Vergangenheit zu diesbezüglichen Irritationen geführt. Das Bundessozialgericht hat ausdrücklich bestätigt, dass ein Anspruch auf Verletztengeld in den o. a. Fällen auch nicht dem Grunde nach besteht.
Abgesehen davon, dass es in Satz 3 richtigerweise "Krankengeld" heißen müsste, ist unklar, ob dem Gesetzgeber die inhaltliche Tragweite der Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V bewusst war, insbesondere ob damit die Anrechnungsregelung des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V für Ansprüche auf Verletztengeld und Krankengeld außer Kraft gesetzt werden sollte.
Der Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V hätte es nicht bedurft, um die Geltung des § 11 Abs. 5 SGB V außer Frage zu stellen, wonach auf Leistungen kein Anspruch (gegenüber der Gesetzlichen Krankenversicherung) besteht, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Der Regelungsgehalt des § 11 Abs. 5 SGB V liegt zunächst in der Bestimmung der vorrangigen Leistungszuständigkeit des Unfallversicherungsträgers im Falle unfall- bzw. berufskrankheitsbedingter Schädigungen in Bezug auf Leistungen zum Ausgleich und zur Überwindung deren Folgen. Der Ausschluss eines Anspruchs (im Sinne eines Stammrechts) auf Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung, bei dessen Fehlen ein Ruhen schon von vorn herein nicht in Betracht kommt, lässt sich § 11 Abs. 5 SGB V nur in Bezug auf diese spezifisch im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung begründeten Leistungen entnehmen. Eine Kumulation von Leistungen im Falle des Zusammentreffens solcher Schädigungen mit nicht unfall- bzw. berufskrankheitsbedingten Gesundheitsschäden wurde dagegen nicht durch § 11 Abs. 5 SGB V, sondern gerade durch § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V alter Fassung ausgeschlossen. Erst recht ließ und lässt sich weder vor nach der Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V der Regelung des § 11 Abs. 5 SGB V als Rechtsfolge entnehmen, dass die Dauer des Anspruchs und des Bezugs vergleichbarer Lohnersatzleistungen, die nacheinander einmal wegen unfall- bzw. berufskrankheitsbedingter Schädigungen und ein andermal wegen nicht unfall- bzw. berufskrankheitsbedingter Gesundheitsschäden gewährt werden (Verletzten- und Krankengeld), aufeinander anzurechnen seien. Selbst wenn man die Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V damit begründen wollte, hierdurch die uneingeschränkte Geltung des § 11 Abs. 5 SGB V klarzustellen, kann in Folge einer solchen Klarstellung § 11 Abs. 5 SGB V keine Rechtsfolge beigemessen werden, welche ihr zuvor nie innegewohnt hat. Gerade dem erst durch § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V bewirkten Ausschluss einer Kumulation von Leistungen und der hierdurch in Verbindung mit § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V bewirkten Anrechnung der Anspruchsdauer hat die Änderung die gesetzliche Grundlage entzogen, ohne dass eine solche in gleicher Weise in § 11 Abs. 5 SGB V gefunden werden könnte.
Wie bereits das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 08.11.2005, Az. B 1 KR 33/03 R, festgestellt hat, machte die Anrechnung der Bezugsdauer des Verletztengeldes auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V die wesentliche Rechtsfolge und Rechtfertigung der - ansonsten mangels Stammrechts eigentlich überflüssigen - Ruhensanordnung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V alter Fassung aus. Daraus folgt mangels eines sonstigen änderungsfähigen Regelungsgehalts des Stammgesetzes, dass die einzig denkbare Regelungswirkung des Änderungsgesetzes vom 21.03.2005 objektiv nur darin liegen konnte, diese Anrechnungsfolge außer Kraft zu setzen. Diese Folge hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 08.11.2005 mit den Worten zusammengefasst: "Der Ausschluss des Krankengeldes nach § 11 Abs. 4 SGB V dürfte ohne die Regelung in § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V a.F. dazu führen, dass nach der allgemeinen Regelung des § 48 Abs. 3 Satz 2 SGB V der Verletztengeldbezug nicht auf die Krankengeldbezugsdauer anzurechnen ist."
Die Kammer geht davon aus, dass diese höchstrichterliche Entscheidung dem Gesetzgeber bekannt ist. Darüber hinaus haben sowohl die Spitzenverbände der Krankenkassen als während des anhängigen Verfahrens nochmals die Beklagte beim zuständigen Bundesministerium für Gesundheit die Frage einer evtl. Gesetzeskorrektur aufgeworfen, ohne dass sich diese Bemühungen in einer Klarstellung durch den Gesetzgeber niedergeschlagen hätten. Ob die dargestellte Rechtsfolge von den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten so gewollt war oder nicht, ist in diesem Falle unerheblich. Wenn der Gesetzgeber diese Hinweise nicht zum Anlass für eine unverzügliche Korrektur genommen hat, gilt die besagte Rechtsfolge. Von einem "redaktionellen Versehen" (so das Sozialgericht Regensburg, Urteil vom 09.06.2009, Az. S 2 KR 252/06) kann nicht mehr gesprochen werden.
Vor diesem Hintergrund erachtet sich die Kammer nicht für befugt, nach der Streichung der Ruhensanordnung die frühere Anrechnungsfolge mit der Begründung weiter anzuwenden, das Gesetz sei versehentlich erlassen worden. Denn das hieße, der Gesetzesänderung die objektiv einzige Regelungswirkung abzusprechen. Dies würde die durch das Gewaltenteilungsprinzip und die Gesetzesbindung der Gerichte nach Artikel 20 Abs. 2 und 3 GG gesetzten Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG. Die Berufung ist mit Rücksicht auf die kalendertägliche Höhe des Anspruchs auf Krankengeld von 37,92 EUR kraft Gesetzes zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung des Bezugs von Verletztengeld auf die Dauer eines Anspruchs auf Krankengeld.
Der Kläger war seit dem 03.01.2005 arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum 13.02.2005 erhielt er Arbeitslosengeld fortgezahlt, vom 14.02.2005 bis zum 18.03.2005 bezog er Verletztengeld, vom 19.03.2005 bis zum 25.05.2005 Krankengeld, vom 26.05.2005 bis zum 22.07.2005 erneut Verletztengeld und vom 23.07.2005 bis zum 02.07.2006 wiederum Krankengeld. Mit Krankengeld-Auszahlungsschein vom 20.06.2006 bescheinigte der behandelnde Arzt dem Kläger weiterhin Arbeitsunfähigkeit über den 02.07.2006 hinaus.
Mit Bescheid vom 17.03.2006 stellte die Beklagte das Ende des Anspruchs auf Krankengeld zum Ablauf des 02.07.2006 fest. Die Anspruchsdauer von 546 Tagen sei ausgeschöpft.
Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 13.04.2006 am 18.04.2006 Widerspruch. Das Ende der Anspruchsdauer von 78 Wochen sei unzutreffend berechnet, weil er Krankengeld erst seit dem 29.07.2005 wegen orthopädischer Krankheiten bezogen habe, zuvor habe er wegen verschiedener voneinander unabhängiger Krankheiten Kranken- und Verletztengeld erhalten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2006, der am 27.07.2006 abgesandt wurde, zurück. Der Ausschluss der Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung, wenn Leistungen als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit zu erbringen sind, führe nicht dazu, Versicherten, deren Arbeitsunfähigkeit auf eine unfallbedingte Erkrankung bzw. eine Berufskrankheit zurückzuführen ist, einen längeren Entgeltersatzanspruch zu verschaffen und sie gegenüber Versicherten, deren Arbeitsunfähigkeit unfallunabhängig eingetreten ist, besser zu stellen (Verweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 08.11.2005, Az. B 1 KR 33/03 R).
Hiergegen richtet sich die am 28.08.2006 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage. Die Dauer des Bezugs von Verletztengeld sei nicht auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen. Selbst wenn die Gesetzesfassung auf einem Versehen beruht haben sollte, wäre der Gesetzgeber gehalten gewesen, sobald er den Fehler erkennt, diesen zu korrigieren. Eine solche Korrektur sei jedoch nicht erfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 17.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld über den 02.07.2006 hinaus für die sich ohne Anrechnung des Bezugs von Verletztengeld vom 14.02.2005 bis zum 18.03.2005 und vom 26.05.2005 bis zum 22.07.2005 ergebende Anspruchsdauer zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Anliegen der Gesetzesänderung zum 01.01.2005 sei lediglich gewesen, den gleichzeitigen Bezug von Krankengeld und Verletztengeld auszuschließen, nicht aber die Anrechnung der Bezugsdauer des Verletztengeldes auf den Krankengeldanspruch abzuschaffen (Verweis auf Sozialgericht Regensburg, Urteil vom 09.06.2009, Az S 2 KR 252/06).
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Der Bescheid, in dem die Beklagte das Ende des Anspruchs auf Krankengeld festgestellt hat, ist aufzuheben. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld über den 02.07.2006 hinaus. Die Anspruchsdauer war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeschöpft.
Soweit sich der Kläger gegen die Anrechnung des Bezugs von Krankengeld wegen anderweitiger Vorerkrankungen wendet, greifen die Einwände nicht durch. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V erhalten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an; tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert. Im Falle des Klägers werden die - z.T. chronischen - Vorerkrankungen durch die Nahtlosigkeit ihrer Aufeinanderfolge als hinzugetretene Krankheiten im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V miteinander verklammert; an die in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgewiesenen Diagnosen ist das Gericht dabei nicht gebunden.
Jedoch ist die Dauer des Verletztengeldbezugs nicht gemäß § 48 Abs. 3 SGB V auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen.
Gemäß § 48 Abs. 3 SGB V werden bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt. Zeiten, für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, bleiben unberücksichtigt.
Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung war die Dauer des Bezugs von Verletztengeld auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen, wenn der Versicherte innerhalb der durch Arbeitsunfallfolgen ausgelösten Blockfrist auch aus unfallfremden Gründen arbeitsunfähig erkrankt war (Bundessozialgericht, Urteil vom 08.11.2005, Az. B 1 KR 33/03 R).
Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V alter Fassung ruhte der Anspruch auf Krankengeld unter anderem, solange Versicherte Verletztengeld beziehen.
Die Rechtslage hat sich durch Artikel 4 Nr. 3 Buchst. c des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21.03.2005 (BGBl. I S. 818) mit Wirkung ab dem 01.01.2005 geändert. Hierdurch wurde Nummer 3a dahin gehend neu gefasst, dass der Anspruch auf Krankengeld ruht, solange Versicherte Mutterschaftsgeld oder Arbeitslosengeld beziehen oder der Anspruch wegen einer Sperrzeit nach dem Dritten Buch ruht. Der Bezug von Verletztengeld ist nicht mehr erwähnt.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes führt der Bezug von Verletztengeld damit nicht mehr zum Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld mit der Folge, dass auch die Bezugsdauer des Verletztengeldes nicht auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes anzurechnen ist.
Die Kammer sieht sich an diesen Wortlaut des Gesetzes gebunden.
Die Begründung des Änderungsgesetzes lautet (Deutscher Bundestag, Drucksache 15/4228 Seite 26):
Redaktionelle Änderungen. Ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung besteht nach § 11 Abs. 4 SGB V nicht, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Die Nennung des Wortes "Verletztengeld" hatte in der Vergangenheit zu diesbezüglichen Irritationen geführt. Das Bundessozialgericht hat ausdrücklich bestätigt, dass ein Anspruch auf Verletztengeld in den o. a. Fällen auch nicht dem Grunde nach besteht.
Abgesehen davon, dass es in Satz 3 richtigerweise "Krankengeld" heißen müsste, ist unklar, ob dem Gesetzgeber die inhaltliche Tragweite der Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V bewusst war, insbesondere ob damit die Anrechnungsregelung des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V für Ansprüche auf Verletztengeld und Krankengeld außer Kraft gesetzt werden sollte.
Der Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V hätte es nicht bedurft, um die Geltung des § 11 Abs. 5 SGB V außer Frage zu stellen, wonach auf Leistungen kein Anspruch (gegenüber der Gesetzlichen Krankenversicherung) besteht, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Der Regelungsgehalt des § 11 Abs. 5 SGB V liegt zunächst in der Bestimmung der vorrangigen Leistungszuständigkeit des Unfallversicherungsträgers im Falle unfall- bzw. berufskrankheitsbedingter Schädigungen in Bezug auf Leistungen zum Ausgleich und zur Überwindung deren Folgen. Der Ausschluss eines Anspruchs (im Sinne eines Stammrechts) auf Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung, bei dessen Fehlen ein Ruhen schon von vorn herein nicht in Betracht kommt, lässt sich § 11 Abs. 5 SGB V nur in Bezug auf diese spezifisch im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung begründeten Leistungen entnehmen. Eine Kumulation von Leistungen im Falle des Zusammentreffens solcher Schädigungen mit nicht unfall- bzw. berufskrankheitsbedingten Gesundheitsschäden wurde dagegen nicht durch § 11 Abs. 5 SGB V, sondern gerade durch § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V alter Fassung ausgeschlossen. Erst recht ließ und lässt sich weder vor nach der Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V der Regelung des § 11 Abs. 5 SGB V als Rechtsfolge entnehmen, dass die Dauer des Anspruchs und des Bezugs vergleichbarer Lohnersatzleistungen, die nacheinander einmal wegen unfall- bzw. berufskrankheitsbedingter Schädigungen und ein andermal wegen nicht unfall- bzw. berufskrankheitsbedingter Gesundheitsschäden gewährt werden (Verletzten- und Krankengeld), aufeinander anzurechnen seien. Selbst wenn man die Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V damit begründen wollte, hierdurch die uneingeschränkte Geltung des § 11 Abs. 5 SGB V klarzustellen, kann in Folge einer solchen Klarstellung § 11 Abs. 5 SGB V keine Rechtsfolge beigemessen werden, welche ihr zuvor nie innegewohnt hat. Gerade dem erst durch § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V bewirkten Ausschluss einer Kumulation von Leistungen und der hierdurch in Verbindung mit § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V bewirkten Anrechnung der Anspruchsdauer hat die Änderung die gesetzliche Grundlage entzogen, ohne dass eine solche in gleicher Weise in § 11 Abs. 5 SGB V gefunden werden könnte.
Wie bereits das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 08.11.2005, Az. B 1 KR 33/03 R, festgestellt hat, machte die Anrechnung der Bezugsdauer des Verletztengeldes auf die Anspruchsdauer des Krankengeldes gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB V die wesentliche Rechtsfolge und Rechtfertigung der - ansonsten mangels Stammrechts eigentlich überflüssigen - Ruhensanordnung des § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V alter Fassung aus. Daraus folgt mangels eines sonstigen änderungsfähigen Regelungsgehalts des Stammgesetzes, dass die einzig denkbare Regelungswirkung des Änderungsgesetzes vom 21.03.2005 objektiv nur darin liegen konnte, diese Anrechnungsfolge außer Kraft zu setzen. Diese Folge hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 08.11.2005 mit den Worten zusammengefasst: "Der Ausschluss des Krankengeldes nach § 11 Abs. 4 SGB V dürfte ohne die Regelung in § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V a.F. dazu führen, dass nach der allgemeinen Regelung des § 48 Abs. 3 Satz 2 SGB V der Verletztengeldbezug nicht auf die Krankengeldbezugsdauer anzurechnen ist."
Die Kammer geht davon aus, dass diese höchstrichterliche Entscheidung dem Gesetzgeber bekannt ist. Darüber hinaus haben sowohl die Spitzenverbände der Krankenkassen als während des anhängigen Verfahrens nochmals die Beklagte beim zuständigen Bundesministerium für Gesundheit die Frage einer evtl. Gesetzeskorrektur aufgeworfen, ohne dass sich diese Bemühungen in einer Klarstellung durch den Gesetzgeber niedergeschlagen hätten. Ob die dargestellte Rechtsfolge von den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten so gewollt war oder nicht, ist in diesem Falle unerheblich. Wenn der Gesetzgeber diese Hinweise nicht zum Anlass für eine unverzügliche Korrektur genommen hat, gilt die besagte Rechtsfolge. Von einem "redaktionellen Versehen" (so das Sozialgericht Regensburg, Urteil vom 09.06.2009, Az. S 2 KR 252/06) kann nicht mehr gesprochen werden.
Vor diesem Hintergrund erachtet sich die Kammer nicht für befugt, nach der Streichung der Ruhensanordnung die frühere Anrechnungsfolge mit der Begründung weiter anzuwenden, das Gesetz sei versehentlich erlassen worden. Denn das hieße, der Gesetzesänderung die objektiv einzige Regelungswirkung abzusprechen. Dies würde die durch das Gewaltenteilungsprinzip und die Gesetzesbindung der Gerichte nach Artikel 20 Abs. 2 und 3 GG gesetzten Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 und § 193 Abs. 1 SGG. Die Berufung ist mit Rücksicht auf die kalendertägliche Höhe des Anspruchs auf Krankengeld von 37,92 EUR kraft Gesetzes zulässig (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
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