Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 345/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Bemerkung
Zum Unfallversicherungsschutz eines Lehrlings bei einem Unfall im Rahmen der vormilitärischen Ausbildung der Gesellschaft für Sport und Technik der DDR
I. Die Klage wird abgewiesen
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Unfall des Klägers im Rahmen der vormilitärischen Ausbildung der Gesellschaft für Sport und Technik der DDR (GST) als Arbeitsunfall festzustellen ist.
Der im Jahre 1969 geborene Kläger absolvierte beim VEB F. Dresden eine Lehre als Flugzeugmechaniker und war nach dem Lehrvertrag verpflichtet, während des Lehrverhältnisses an einer vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen. Am 23.04.1986 verunfallte er auf einer Sturmbahn der NVA im Gewerbegebiet in Dresden-Klotzsche beim Absprung am Wassergraben. Der Unfall wurde von der Betriebsgewerkschaftsleitung als Arbeitsunfall anerkannt.
Am 15.12.2009 zeigte der Kläger den Unfall der Beklagten an und wies daraufhin, dass es am 24.11.2009 aufgrund der 1986 erlittenen Knieverletzung zu einem Folgeunfall gekommen sei. Beigefügt waren eine Unfallmeldung vom 20.05.1986 und Kopien aus dem Sozialversicherungsausweis DDR. Nach Beiziehung archivierter Krankenunterlagen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29.06.2011 fest, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall nicht gegeben seien. Nach dem Recht der DDR habe Versicherungsschutz aufgrund von § 1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 bestanden. Derartige Unfälle seien nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO nicht zu entschädigen, wenn sie nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen seien und einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden seien. Bekanntgeworden sei der Unfall im Dezember 2009. Für Unfälle während einer vormilitärischen Ausbildung oder der Zivilverteidigung bestünde nach den Vorschriften der RVO bzw. des Sozialgesetzbuchs VII (SGB VII) kein Versicherungsschutz.
Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 29.08.2011. Die vormilitärische Ausbildung, zu der er verpflichtet gewesen sei, sei sowohl als Beschäftigung aufgrund eines Lehrverhältnisses als auch als Bildungsmaßnahme im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VII anzusehen.
Mit Widerspruchbescheid vom 21.10.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auch das Arbeitsgesetzbuch der DDR (AGB) habe zwischen Lehrlingsausbildung und vormilitärischer Ausbildung unterschieden. Letztere sei nur durch die Erweiterungsverordnung vom 11.04.1973 unter Versicherungsschutz gestellt worden.
Mit der am 18.11.2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Feststellung eines Arbeitsunfalls unter Wiederholung seines Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren weiter. Zur Untermauerung seines Anspruchs stützt er sich auf ein Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 01.12.2011 (Az.: L 6 U 119/07).
Der Kläger beantragt daher sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall vom 23.04.1986 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
das Ereignis vom 24.04.1986 als Arbeitsunfall festzustellen.
Sie nimmt Bezug auf das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 01.12.2011 (Az.: L 6 U 119/07) und hält die Unfallkasse des Bundes für zuständig.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Ihrem verspätet gestellten Antrag auf Akteneinsicht musste nicht mehr stattgegeben werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogen war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da der Sachverhalt geklärt war und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies. Die Beteiligten wurden zu dieser Vorgehensweise angehört.
Die Klage ist zulässig. Der Kläger erstrebt bei sinnentsprechender Auslegung seines Begehrens die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung sowie die Verurteilung der Beklagten festzustellen, dass er einen Arbeitsunfall erlitten hat. Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (BSG Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 24/2005 R -)
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2011 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Denn der Unfall aus dem Jahre 1986 ist kein Arbeitsunfall nach § 1150 Abs. 2 S. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO – i. d. F. d. G. v. 25.7.1991, BGBl. I S. 1606, 1688). Diese Vorschrift ist gem. § 215 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches weiter anzuwenden.
Der Unfall des Klägers war im Sinne von § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO ein Arbeitsunfall "nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht." Unschädlich ist die ungenaue Formulierung der Vorschrift, die nicht nur frühere Arbeitsunfälle umfasst, sondern auch Unfälle, die nach dem Recht der DDR Arbeitsunfällen nur gleichgestellt waren. Unfälle nach § 1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten (ErwVO) v. 11.4.1973 (GBl. I S. 199) "waren" nämlich keine Arbeitsunfälle des Rechts der DDR, sondern begründeten danach lediglich Ansprüche auf "Leistungen wie bei einem Arbeitsunfall."
Der Unfall gilt jedoch nicht im Sinne von § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO als Arbeitsunfall nach dem Dritten Buch (der RVO). Denn der Unfall wäre nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen (§ 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO).
Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Dazu ist es in der Regel erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass die Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92). Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84).
Dies ist zu prüfen, weil der Unfall einem Träger der bundesdeutschen gesetzlichen Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993, nämlich im Dezember 2009, bekannt geworden ist.
Der Kläger hat seinen Unfall nicht als ein auf Grund eines Lehrverhältnisses Beschäftigter im Sinne der §§ 539 Abs. 1 Nr. 1, 548 Abs. 1 S. 1 RVO bei der Tätigkeit als Flugzeugmechaniker erlitten. Zwischen dem Verhalten zum Unfallzeitpunkt und dem Beschäftigungsverhältnis besteht keine sachliche Verbindung (vgl. BSG, Urt. v. 17. Okt. 1990 – 2 RU 13/90 – SozR 3-2200 § 548 Nr. 5). Diese liegt nicht darin, dass die Pflicht eines Lehrlings zum Erwerb vormilitärischer Kenntnisse als Teil des Lehrverhältnisses geregelt war.
§ 133 Abs. 2 AGB sah für Lehrlinge zwar die Verpflichtung zur Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung vor und auch im Lehrvertrag war unter Pkt. 6 bestimmt, dass der Kläger verpflichtet war, während des Lehrverhältnisses an der vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen, sich militärpolitische und militärfachliche Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen bzw. an den Maßnahmen der Zivilverteidigung mitzuwirken. Ob es sich dabei um die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten oder um eine Verpflichtung des Lehrlings gegenüber seinem Betrieb handelte, kann dahinstehen. Versichert waren Unfälle im Rahmen der vormilitärischen Ausbildung in der DDR nicht als Verletzung eines Werktätigen im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess (§ 220 Abs. 1 AGB). Vielmehr waren solche Unfälle nur den Arbeitsunfällen gleichgestellt, wobei die Einzelheiten in Rechtsvorschriften festgelegt wurden (§ 220 Abs. 3 AGB iVm der ErwVO). Hieran ändert auch nichts, dass der Kläger von seinem Betrieb für die Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung "freigestellt" war. Dies machte die gesellschaftliche Tätigkeit nicht zu einer betriebsdienlichen. Die Rechtsansicht des LSG Sachsen-Anhalt (aaO) überzeugt daher nicht.
Gesellschaftliche Tätigkeiten und Verpflichtungen sind nach den Vorschriften der RVO nur dann gesetzlich unfallversichert, wenn die Voraussetzungen des § 539 oder eines anderen Versicherungstatbestands der RVO erfüllt sind. Die Teilnahme an einer vormilitärischen Ausbildung ist jedoch weder der Teilnahme an einer Ausbildungsveranstaltung des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz, des Bundesluftschutzverbandes oder des Luftschutzhilfsdienstes noch der beruflichen Aus- und Fortbildung von Lernenden in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, berufsbildenden Schulen, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen gleichzusetzen (§ 539 Abs. 1 Nr. 12 c, 14c RVO).
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Unfall des Klägers im Rahmen der vormilitärischen Ausbildung der Gesellschaft für Sport und Technik der DDR (GST) als Arbeitsunfall festzustellen ist.
Der im Jahre 1969 geborene Kläger absolvierte beim VEB F. Dresden eine Lehre als Flugzeugmechaniker und war nach dem Lehrvertrag verpflichtet, während des Lehrverhältnisses an einer vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen. Am 23.04.1986 verunfallte er auf einer Sturmbahn der NVA im Gewerbegebiet in Dresden-Klotzsche beim Absprung am Wassergraben. Der Unfall wurde von der Betriebsgewerkschaftsleitung als Arbeitsunfall anerkannt.
Am 15.12.2009 zeigte der Kläger den Unfall der Beklagten an und wies daraufhin, dass es am 24.11.2009 aufgrund der 1986 erlittenen Knieverletzung zu einem Folgeunfall gekommen sei. Beigefügt waren eine Unfallmeldung vom 20.05.1986 und Kopien aus dem Sozialversicherungsausweis DDR. Nach Beiziehung archivierter Krankenunterlagen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29.06.2011 fest, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall nicht gegeben seien. Nach dem Recht der DDR habe Versicherungsschutz aufgrund von § 1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 bestanden. Derartige Unfälle seien nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO nicht zu entschädigen, wenn sie nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen seien und einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden seien. Bekanntgeworden sei der Unfall im Dezember 2009. Für Unfälle während einer vormilitärischen Ausbildung oder der Zivilverteidigung bestünde nach den Vorschriften der RVO bzw. des Sozialgesetzbuchs VII (SGB VII) kein Versicherungsschutz.
Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 29.08.2011. Die vormilitärische Ausbildung, zu der er verpflichtet gewesen sei, sei sowohl als Beschäftigung aufgrund eines Lehrverhältnisses als auch als Bildungsmaßnahme im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VII anzusehen.
Mit Widerspruchbescheid vom 21.10.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auch das Arbeitsgesetzbuch der DDR (AGB) habe zwischen Lehrlingsausbildung und vormilitärischer Ausbildung unterschieden. Letztere sei nur durch die Erweiterungsverordnung vom 11.04.1973 unter Versicherungsschutz gestellt worden.
Mit der am 18.11.2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Feststellung eines Arbeitsunfalls unter Wiederholung seines Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren weiter. Zur Untermauerung seines Anspruchs stützt er sich auf ein Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 01.12.2011 (Az.: L 6 U 119/07).
Der Kläger beantragt daher sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall vom 23.04.1986 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
das Ereignis vom 24.04.1986 als Arbeitsunfall festzustellen.
Sie nimmt Bezug auf das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 01.12.2011 (Az.: L 6 U 119/07) und hält die Unfallkasse des Bundes für zuständig.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Ihrem verspätet gestellten Antrag auf Akteneinsicht musste nicht mehr stattgegeben werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogen war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da der Sachverhalt geklärt war und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies. Die Beteiligten wurden zu dieser Vorgehensweise angehört.
Die Klage ist zulässig. Der Kläger erstrebt bei sinnentsprechender Auslegung seines Begehrens die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung sowie die Verurteilung der Beklagten festzustellen, dass er einen Arbeitsunfall erlitten hat. Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach § 54 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (BSG Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 24/2005 R -)
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 29.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2011 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Denn der Unfall aus dem Jahre 1986 ist kein Arbeitsunfall nach § 1150 Abs. 2 S. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO – i. d. F. d. G. v. 25.7.1991, BGBl. I S. 1606, 1688). Diese Vorschrift ist gem. § 215 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches weiter anzuwenden.
Der Unfall des Klägers war im Sinne von § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO ein Arbeitsunfall "nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht." Unschädlich ist die ungenaue Formulierung der Vorschrift, die nicht nur frühere Arbeitsunfälle umfasst, sondern auch Unfälle, die nach dem Recht der DDR Arbeitsunfällen nur gleichgestellt waren. Unfälle nach § 1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten (ErwVO) v. 11.4.1973 (GBl. I S. 199) "waren" nämlich keine Arbeitsunfälle des Rechts der DDR, sondern begründeten danach lediglich Ansprüche auf "Leistungen wie bei einem Arbeitsunfall."
Der Unfall gilt jedoch nicht im Sinne von § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO als Arbeitsunfall nach dem Dritten Buch (der RVO). Denn der Unfall wäre nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen (§ 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO).
Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Dazu ist es in der Regel erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass die Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92). Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sog innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84).
Dies ist zu prüfen, weil der Unfall einem Träger der bundesdeutschen gesetzlichen Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993, nämlich im Dezember 2009, bekannt geworden ist.
Der Kläger hat seinen Unfall nicht als ein auf Grund eines Lehrverhältnisses Beschäftigter im Sinne der §§ 539 Abs. 1 Nr. 1, 548 Abs. 1 S. 1 RVO bei der Tätigkeit als Flugzeugmechaniker erlitten. Zwischen dem Verhalten zum Unfallzeitpunkt und dem Beschäftigungsverhältnis besteht keine sachliche Verbindung (vgl. BSG, Urt. v. 17. Okt. 1990 – 2 RU 13/90 – SozR 3-2200 § 548 Nr. 5). Diese liegt nicht darin, dass die Pflicht eines Lehrlings zum Erwerb vormilitärischer Kenntnisse als Teil des Lehrverhältnisses geregelt war.
§ 133 Abs. 2 AGB sah für Lehrlinge zwar die Verpflichtung zur Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung vor und auch im Lehrvertrag war unter Pkt. 6 bestimmt, dass der Kläger verpflichtet war, während des Lehrverhältnisses an der vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen, sich militärpolitische und militärfachliche Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen bzw. an den Maßnahmen der Zivilverteidigung mitzuwirken. Ob es sich dabei um die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten oder um eine Verpflichtung des Lehrlings gegenüber seinem Betrieb handelte, kann dahinstehen. Versichert waren Unfälle im Rahmen der vormilitärischen Ausbildung in der DDR nicht als Verletzung eines Werktätigen im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess (§ 220 Abs. 1 AGB). Vielmehr waren solche Unfälle nur den Arbeitsunfällen gleichgestellt, wobei die Einzelheiten in Rechtsvorschriften festgelegt wurden (§ 220 Abs. 3 AGB iVm der ErwVO). Hieran ändert auch nichts, dass der Kläger von seinem Betrieb für die Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung "freigestellt" war. Dies machte die gesellschaftliche Tätigkeit nicht zu einer betriebsdienlichen. Die Rechtsansicht des LSG Sachsen-Anhalt (aaO) überzeugt daher nicht.
Gesellschaftliche Tätigkeiten und Verpflichtungen sind nach den Vorschriften der RVO nur dann gesetzlich unfallversichert, wenn die Voraussetzungen des § 539 oder eines anderen Versicherungstatbestands der RVO erfüllt sind. Die Teilnahme an einer vormilitärischen Ausbildung ist jedoch weder der Teilnahme an einer Ausbildungsveranstaltung des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz, des Bundesluftschutzverbandes oder des Luftschutzhilfsdienstes noch der beruflichen Aus- und Fortbildung von Lernenden in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, berufsbildenden Schulen, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen gleichzusetzen (§ 539 Abs. 1 Nr. 12 c, 14c RVO).
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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