S 20 AS 3970/13

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AS 3970/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Zurückverweisung an die Behörde zur weiteren Sachaufklärung
Bemerkung
Verteidigt sich die Behörde gegen die Klage mit dem Argument, der Sachverhalt sei nicht hinreichend aufgeklärt, so ist die Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG durch Gerichtsbescheid zulässig, wenn die Klägerin dagegen keine Einwände hat.
I. Der Bescheid vom 8. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2013 (W 404/2013) wird aufgehoben.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für den Zeitraum Februar bis Juni 2013. Die am 1971 geborene Klägerin beantragte am 10. April 2012 erstmals bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für sich und ihren am 2. Juni 2008 geborenen Sohn. Der Beklagte gewährte Leistungen in den Zeiträumen August 2012 bis Januar 2013 und ab Juli 2013. Die Klägerin ist zu 1/24 Erbin nach ihrem am 5. September 2011 verstorbenen Großvater. Am 30. April 2012 wurde ihr ein Betrag von 7.577,50 EUR aus der Erbschaft überwiesen. Aus dem Verkauf eines Hausgrundstückes aus der Erbmasse erlangte sie ferner 9.109,37 EUR. Den Weiterbewilligungsantrag vom 22. Januar 2013 lehnte der Beklagte für den Zeitraum Februar bis Juni 2013 mit Bescheid vom 8. Februar 2013 ab. Den hiergegen am 13. Februar 2013 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2013 zurück. Am 13. Juni 2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Erbschaft sei ihr vor Antragstellung zugeflossen. Es handele sich damit um Vermögen, nicht um Einkommen. Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 8. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2013 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II für die Zeit ab Februar 2013 zu bewilligen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er teilt mit, der Sachverhalt sei bislang nicht hinreichend aufgeklärt. Ob der Nachlass insgesamt auseinandergesetzt worden sei, sei nicht bekannt. Am 4. Dezember 2012 sei es zu einer Auszahlung von 9.109,37 EUR auf ein unter dem Namen der Eltern der Klägerin laufendes Konto auf Anweisung der Klägerin gekommen. Inwiefern die Klägerin über dieses Konto verfügungsberechtigt sei, sei bislang noch nicht geklärt worden. Auch über nähere Absprachen zwischen der Klägerin und ihren Eltern im Zusammenhang mit diesem Konto sei nichts bekannt. Im Grundsatz sei der Klägerin zuzustimmen, dass es bereits durch den Erbfall am 5. September 2011 zu der Einkommenserzielung gekommen sei. Erst am 4. Dezember 2012 habe ihr das Einkommen aber als "bereite Mittel" zur Verfügung gestanden. Der angekündigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid auf Grundlage von § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG ist der Beklagte ausdrücklich entgegengetreten, während die Klägerin dagegen "nichts einzuwenden" hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten erstmals am 3. Juli 2013 vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. Januar 2006 – L 6 SB 197/05 –, juris). Die Beteiligten wurden hierzu angehört. Die zulässige Klage ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Bescheides ohne Entscheidung in der Sache begründet, § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art und Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Der Beklagte hat es unterlassen, zu ermitteln, wann der Klägerin ihr Erbanteil an dem veräußerten Grundstück ihres Großvaters "zugeflossen" ist im Sinne der hier maßgeblichen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 25. Januar 2012 – B 14 AS 101/11 R –). Hierauf kommt es aber entscheidungserheblich an, da der Beklagte die Leistungen nach dem SGB II wegen übersteigenden Einkommens abgelehnt hat. Dies ist nur zulässig, sofern der Zufluss frühestens sechs Monate vor dem Anrechnungszeitraum erfolgte (§ 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II). Wann die Klägerin über das angerechnete Einkommen verfügen konnte und ob ihr am 4. Dezember 2012 ein Betrag in Höhe von 9.109,37 EUR tatsächlich zugeflossen ist, oder ob es sich hierbei um den Erlös aus dem Verkauf eines bereits früher zugeflossenen Vermögens handelt, ist offen und bedarf der weiteren umfangreichen Ermittlung. Das BSG hat hierzu im Urteil vom 25. Januar 2012 (a. a. O.) detaillierte Angaben zur rechtlichen Vorgehensweise gemacht. Insbesondere müssen die Details der umfangreichen Erbauseinandersetzung aufgeklärt werden. Ferner ist im Einzelnen nachzuvollziehen, auf welchen Wegen Finanztransaktionen erfolgten, die letztlich zu einem Zufluss bei der Klägerin führten. Erheblich ist insbesondere auch, welche Absprachen oder Vereinbarungen mit den Eltern der Klägerin bestanden, die offenbar zwischenzeitlich über einen Betrag aus der Erbschaft verfügen konnten. Ermittlungen können in diesem Zusammenhang insbesondere bei den an der Erbauseinandersetzung beteiligten Rechtsanwälten und Notaren, dem Nachlassgericht und den Eltern der Klägerin erfolgen, soweit eventuelle Angaben der Klägerin sich als unzureichend erweisen sollten. Zur Überzeugung des Gerichts handelt es sich hierbei um nach Art und Umfang erhebliche Ermittlungen im Sinne von § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG. Da die Klägerin keine Einwände gegen die Vorgehensweise nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG hat und der Beklagte als Behörde sachnäher ist, erscheint sie auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten geäußerten Bedenken dem Gericht sachdienlich. Ausschlaggebend war in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte ausreichende Ermittlungen im Ausgangs- und Widerspruchsverfahren offensichtlich unterlassen hat und sich im gerichtlichen Verfahren sodann insbesondere mit dem Argument gegen die Klage verteidigt, der Sachverhalt sei nicht hinreichend aufgeklärt. In diesem besonderen Fall von zeit- und arbeitsaufwändigen Ermittlungen fallen keine nach § 192 Abs. 4 SGG abrechenbaren Kosten an. Daher besteht für das Gericht zum Schutz vor der Abwälzung von umfangreichem Ermittlungsaufwand von den Behörden auf die Sozialgerichte nur die Möglichkeit, von der in § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG zur Entlastung der Gerichte (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 131 Rn. 17) vorgesehenen Verfahrensweise Gebrauch zu machen. Dies erfolgt im vorliegenden Einzelfall, da die Klägerin ausdrücklich keine Einwände dagegen geäußert hat und damit ihren Interessen hinreichend Rechnung getragen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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