Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 11 KA 88/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage der Krankenkasse gegen die Kassenärztliche Vereinigung auf Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit vertragsärztlicher Abrechnungen entfällt nicht deshalb, weil bis zur erneuten Entscheidung über den Antra
I. Der Bescheid der Beklagten vom 11.03.2011 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 18.04.2011 wird aufgehoben und die Be-klagte verurteilt, über den Antrag der Klägerin auf sachlich-rechnerische Richtigstellung für das Quartal I/2010 in Bezug auf die Abrechnung der Nr. 03212 EBM-Ä unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) auf den Antrag der klagenden Krankenkasse sachlich-rechnerische Richtig-stellungen der Honorarabrechnung gegenüber den Vertragsärzten vorzunehmen.
Mit Schreiben vom 24.02.2011 beantragte die klagende Krankenkasse die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit für die von den Vertragsärzten abgerechnete Nr. 03212 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä-Ä) als Zuschlag zu den Versichertenpauschalen für die Behandlung von Patienten mit schwerwiegender chronischer Erkrankung im Quartal I/2010. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.03.2011 ab. Gemäß § 106a Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) oblie-ge den Krankenkassen bei der Antragstellung für Richtigstellungen eine besondere Darlegungslast. Die Prüfung auf Antrag stünde unter dem Vorbehalt, "sofern hierzu Veranlassung" bestehe. Die Krankenkasse müsse darlegen, warum nach objektiven Maßstäben eine fehlerhafte Abrechnung vorliege. Die dem Antrag beigefügte Tabelle mit den Prüfergebnissen reiche nicht aus. Hier seien lediglich die Betriebsstättennummer, die lebenslange Arztnummer, die MNR, die PKZ, die Versichertennamen und Geburtsdaten angegeben. Warum keine Dauerbehandlung vorgelegen haben solle, bleibe unklar. § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Umsetzung der Regelungen in § 62 für schwerwiegend chronisch Erkrankte (Chroniker-Richtlinie) treffe im Übrigen keine Aussage zum Zeitpunkt der kontinuierlichen Behandlung. Diese könne ggf. Jahre zu-rückliegen. Auch müsse die Behandlung nicht in ein und derselben Arztpraxis erfolgen.
Hiergegen richtete sich der von der Klägerin am 28.03.2011 eingelegte Widerspruch. Die Regelung in § 106a SGB V sei nicht einschlägig. Sie betreffe Plausibilitätsprüfungen. Die in der Tabelle genannten Ärzte hätten die Nr. 03212 EBM-Ä abgerechnet, ohne dass wenigstens ein Jahr lang einmal pro Quartal eine ärztliche Behandlung entsprechend § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Umsetzung der Regelungen in § 62 für schwerwiegend chronisch Erkrankte erfolgt sei. Zugrunde gelegt seien nur solche Fälle, bei denen in den drei dem Abrechnungsvierteljahr vorausgehenden Quartale nicht jeweils ein Arzt-/Patientenkontakt stattgefunden habe, sei es ambulant oder stati-onär.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2011, der Klägerin am 26.04.2011 zugestellt, zurück. An der Rechtsauffassung zum Verständnis des Wortlauts von § 106a Abs. 4 und 2 SGB V werde festgehalten. Voraussetzung für die Ab-rechenbarkeit der Nr. 03212 EBM-Ä sei nicht die Behandlung der schwerwiegenden chro-nischen Erkrankung, sondern die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankungen. In § 2 Abs. 2 der Chroniker-Richtlinie des GBA heiße es hierzu: "Eine Krankheit ist schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestes einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung)." Die Formulierung "wurde" stütze die Auffassung, dass die kontinuierliche Behandlung ggf. Jahre zurückliegen könne. Bei der Nr. 03212 EBM-Ä handele es sich um einen Leis-tungsbestandteil der pauschalen Gesamtvergütung. Ein Schaden könne daher nicht entstanden sein. Auch aus Feststellungen über unberechtigte oder unwirtschaftliche Honorarforde-rungen entstandene Kürzungs- und Erstattungsbeträge fielen in die Honorarverteilung (§ 49 EKV-Ä). Ein Berichtigungsinteresse der Krankenkasse könne nur bei Einzelleistungsvergütungen bestehen.
Hiergegen richtet sich die von der Klägerin am 25.05.2011 erhobene Klage. Der Beklagten seien objektive Anhaltspunkte für die Durchführung der beantragten Prüfungen dargelegt worden. Bei den mit dem Antrag vorgelegten Daten handele es sich um Fälle, bei denen in den drei Quartalen vor Abrechnung der Nr. 03212 EBM-Ä keinerlei ärztliche Behandlung stattgefunden habe und zwar weder beim abrechnenden Vertragsarzt noch bei einem anderen Vertragsarzt. Auch die weitere Voraussetzung nach § 2 Abs. 2 Buchst. a der Chroni-ker-Richtlinie sei geprüft worden. Fälle mit einer Dauerbehandlung und einer Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 seien bei den Beanstandungen nicht berücksichtigt.
Die Auffassung der Beklagten widerspreche dem Wortlaut der Regelung wie auch dem Sinn und Zweck der Vergütung. Die Wahl der Vergangenheitsform in Form des Wortes "wurde" habe gewählt werden müssen, weil sich die Voraussetzung der Dauerbehandlung auf einen abgeschlossenen Zeitraum unmittelbar vor der Beurteilung der Chronikereigenschaft beziehe. Hieraus könne keinesfalls gefolgert werden, dass die Dauerbehandlung Jahre zurückliegen könne. Der Zuschlag solle überdies den besonderen Aufwand in der Behandlung von Patienten mit schwerwiegenden chronischen Erkrankungen honorieren.
Die Auffassung der Beklagten würde zu dem nicht sinnvollen Ergebnis führen, dass die Leistung vom Arzt auch dann abgerechnet werden könne, wenn z.B. ein Bluthochdruck aufgrund einer Gewichtsreduktion nicht mehr vorliege. Eine zusätzliche Honorierung sei in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt. Die klägerische Auffassung werde auch von anderen KÄV geteilt.
Schließlich bestünde auch ein Berichtigungsinteresse. Mit dem Übergang des Morbiditätsrisikos von den KÄV auf die Krankenkassen ergebe sich auch die Notwendigkeit eine wei-tergehende Verantwortung bei der Prüfung des ärztlichen Abrechnungswesens einzuräumen. Für die Vereinbarung der der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu Grunde zu liegenden Punktzahlvolumina treffe der Bewertungsausschuss gemäß § 87a Abs. 3 Satz 2 SGB V entsprechende Regelungen. Die Leistungsmenge eines bestimmten Aufsatzquartals werde zukünftig zur Berechnung des Behandlungsbedarfs herangezogen. Dies begründe ein berechtigtes Interesse an der Korrektur der Leistungsmenge. Zur Vornahme von Rich-tigstellungen sei die Beklagte auch von Amts wegen verpflichtet.
Ein Anspruch auf Korrektur der Einzelfallnachweis-Daten ergebe sich aus dem DTA-Vertrag. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 DTA-Vertrag seien die Einzelnachweise mit Angaben zu den abgerechneten Gebührennummern nach Regelwerkkorrektur zu erstellen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11.03.2011 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 18.04.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag auf sachlich-rechnerische Richtigstellung der Leistun-gen nach der Nrn. 03212 EBM-Ä unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ihren Vortrag im Widerspruchsbescheid wiederholt und darüber hinaus ausgeführt, dass die Regelwerkkorrektur sich von der sachlich-rechnerischen Richtigstel-lung unterscheide. Dies werde auch im DTA-Vertrag mit der Verwendung der verschiedenen Begriffe deutlich. Eine Benutzung des Behandlungsbedarfs des Jahres 2010 für die Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung sei eher unwahrscheinlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichts-gesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat über den Antrag der Klägerin auf sachlich-rechnerische Richtigstellung der von den Vertragsärzten abgerechneten Nr. 03212 EBM-Ä unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte ist aufgrund von § 106a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V, der durch Art. 1 Nr. 83 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl. I 2190, 2217) mit Wirkung zum 01.01.2004 (Art. 37 Abs. 1 GMG) eingefügt worden ist, gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen und die Abrechnun-gen nötigenfalls richtigzustellen. Dieses Recht ergab sich bislang aus den bundesmantelvertraglichen Regelungen über sachlich-rechnerische Richtigstellungen (§ 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte [BMV-Ä] und § 34 Abs. 4 Satz 2 Ersatzkassenvertrag-Ärzte [EKV-Ä]).
Gemäß § 106a Abs. 3 SGB V prüfen die Krankenkassen die Abrechnungen der Vertrags-ärzte insbesondere hinsichtlich 1. des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht, 2. der Plausibilität von Art und Umfang der für die Behandlung eines Versicherten abgerechneten Leistungen in Bezug auf die angegebene Diagnose, bei zahnärztlichen Leistungen in Bezug auf die angegebenen Befunde, 3. der Plausibilität der Zahl der vom Versicherten in Anspruch genommenen Vertragsärzte, unter Berücksichtigung ihrer Fachgruppenzugehörigkeit, 4. der vom Versicherten an den Arzt zu zahlenden Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 und der Beachtung des damit verbundenen Verfahrens nach § 43b Abs. 2.
Sie unterrichten die Kassenärztlichen Vereinigungen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse.
Gemäß § 106a Abs. 4 SGB V können die Krankenkassen oder ihre Verbände, sofern dazu Veranlassung besteht, gezielte Prüfungen durch die Kassenärztliche Vereinigung nach § 106a Absatz 2 SGB V beantragen. Die Kassenärztliche Vereinigung kann, sofern dazu Veranlassung besteht, Prüfungen durch die Krankenkassen nach Absatz 3 beantragen. Bei festgestellter Unplausibilität nach § 106a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 SGB V kann die Krankenkasse oder ihr Verband eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V beantragen; dies gilt für die Kassenärztliche Vereinigung bei festgestellter Unplausibilität nach Absatz 2 entsprechend.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich vereinbaren Inhalt und Durchführung der Prüfun-gen nach Absätzen 2 bis 4. In den Vereinbarungen sind auch Maßnahmen für den Fall von Verstößen gegen Abrechnungsbestimmungen, einer Überschreitung der Zeitrahmen nach Absatz 2 Satz 3 sowie des Nichtbestehens einer Leistungspflicht der Krankenkassen, soweit dies dem Leistungserbringer bekannt sein musste, vorzusehen. Der Inhalt der Richtlinien nach Absatz 6 ist Bestandteil der Vereinbarungen (§ 106a Abs. 5 SGB V).
Gemäß § 106a Abs. 6 SGB V vereinbaren die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstmalig bis zum 30.06.2004 Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 und 3; die Richtlinien enthalten insbesondere Vorgaben zu den Kriterien nach Absatz 2 Satz 2 und 3. Die Richtlinien sind dem Bundesministerium für Gesundheit vorzulegen. Es kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Kommen die Richtlinien nicht zu Stande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht innerhalb einer von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium für Gesundheit die Richtlinien erlas-sen.
In der Sache ist das Schreiben der Beklagten vom 23.03.2011 als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Die KÄV hat die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnung ihrer Mitglieder auf der Grundlage von § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V von Amts wegen zu prüfen. Dies schließt es nicht aus, dass auch eine Krankenkasse Prüfungen bei der KÄV beantragt. Hält die KÄV einen Berichtigungsantrag der Krankenkasse für gerechtfertigt oder führt sie von Amts wegen eine Honorarberichtigung gegenüber ihrem Mitglied durch, handelt sie in der Form eines Verwaltungsaktes. Die Berechtigung dazu ergibt sich aus § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V; die Wendung "stellt die sachliche und rechnerische Berechtigung der Abrech-nungen der Vertragsärzte fest", impliziert in Übereinstimmung mit der jahrzehntelangen Rechtspraxis die Handlungsform des "Honorarberichtigungsbescheides". Dieselbe Handlungsform steht der KÄV zur Verfügung, wenn sie den Berichtigungsantrag einer Krankenkasse ganz oder teilweise ablehnt, weil sie die dem Antrag zugrunde liegende Auffassung zur Anwendung des EBM-Ä nicht teilt. Dass die KÄV trotz des prinzipiellen Gleichordnungsverhältnisses zu den Krankenkassen bei der Durchführung von sachlich-rechnerischen Abrechnungsberichtigungen einer antragstellenden Krankenkasse gegenüber durch Verwaltungsakt entscheidet, entspricht der langjährigen Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urteil vom 19.10.2011 – B 6 KA 30/10 R).
Für den auf der Grundlage von § 106a Abs. 4, Abs. 2 SGB V von der Klägerin geltend gemachten Anspruch fehlt es auch nicht am Bescheidungsinteresse. Das Rechtsschutzinteresse für dieses Begehren ist der Klägerin nicht schon wegen Zeitablaufs abzusprechen. Zwar sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen gegenüber den Vertragsärzten, mit denen von ihnen Honorar zurückgefordert wird, zeitlichen Beschränkungen unterworfen. Für sachlich-rechnerische Richtigstellungen gilt ebenso wie für den Erlass von Prüfbescheiden in Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren eine vierjährige Ausschlussfrist, innerhalb derer die Richtigstellungsbescheide dem Vertragsarzt gegenüber bekannt gegeben sein müssen. Die Ausschlussfrist von vier Jahren beginnt nach der Bekanntgabe des Honorarbescheides für das Quartal I/2010 im Juli 2010 und ist damit im Jahr 2013 noch nicht abgelaufen. Nach Ablauf dieser Vier-Jahres-Frist ist eine Richtigstellung auf der Grundlage von § 106a Abs. 2 SGB V ausgeschlossen. Sie ist dann nur noch nach Maßgabe der Vertrauensausschlusstatbestände nach § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Zehntes Buch Sozialge-setzbuch (SGB X) möglich. In bestimmten Fällen kommt eine Hemmung der Frist in Betracht, etwa wenn die KÄV einen Antrag auf Richtigstellung abgelehnt hat. Dies setzt jedoch voraus, dass der Arzt Kenntnis vom Richtigstellungsverfahren hat (vgl. Clemens in juris-PK zu § 106 RdNr. 64 ff.; Sozialgericht Dresden, Urteil vom 07.10.2009 – S 18 KA 443/08). Ob gegenüber den Vertragsärzten in Ausnahme vom Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist noch rechtmäßige Honorarberichtigungsbescheide ergehen können, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Im Falle der Ablehnung einer Abrechnungskorrektur hat die antragstellende Krankenkasse mit Blick auf evt. Haftungsansprüche aus § 106a Abs. 7 i.V.m. § 106 Abs. 4b SGB V auch dann ein Bescheidungsinteresse, wenn die Beklagte von einer Honorarrückforderung gegenüber den betroffenen Vertragsärzten absehen sollte, weil nach ihrer Prüfung eine Durchsetzung des Anspruchs gegenüber dem Vertragsarzt nicht möglich ist.
Die vom Richtigstellungsbegehren der Klägerin mitbetroffenen Vertragsärzte waren nicht notwendig beizuladen. Zwar stellen sich im Verhältnis zwischen Vertragsarzt und KÄV die gleichen Rechtsfragen wie im vorliegenden Verfahren. Ein Fall notwendig einheitlicher Entscheidung ist aber nicht gegeben. Rechtlich verbindliche Präjudizwirkungen der hier ergehenden Entscheidung für das Rechtsverhältnis zwischen der KÄV und den Ärzten bestehen im Falle sachlich-rechnerischer Richtigstellungen, wie sie im vorliegenden Fall in Frage stehen, nicht (BSG, Urteil vom 28.04.2004 – B 6 KA 19/03 R = SozR 4-2500 § 87 Nr. 5).
Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen für eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnungen der Nr. 03212 EBM-Ä vor. Soweit in § 106a Abs. 4 Satz 1 SGB V die Krankenkasse bei der KÄV gezielte Prüfungen beantragen kann, wenn "dazu Veranlassung" besteht, ergeben sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1525 S. 117 ff.) keine aufschlussreichen Motive. Bei verständiger Würdigung ist die Formulierung dahin zu verstehen, dass die Krankenkassen und KÄV gegenseitig nicht "ins Blaue hinein" Prüfanträge stellen. Nähere Bestimmungen finden sich in der auf Landesebene getroffenen Verfahrensbestimmung der Vertragspartner. In den auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 SGB V von der KBV und dem GKV-Spitzenverband mit Wirkung zum 01.07.2008 beschlossenen Richtlinie ist in § 19 bestimmt, dass das Verfahren der gegenseitigen Beantragungen gezielter Prüfungen nach § 106a Abs. 4 SGB V die Vertragspartner der Vereinbarungen nach § 106a Abs. 5 SGB V regeln. In der hierzu von der Beklagten mit den Krankenkassen in Sachsen abgeschlossenen Vereinbarung vom 07.06.2006 nach § 106a Abs. 5 SGB V zur Abrechnungsprüfung ist für den Antrag der Krankenkassen für Prüfungen im Aufgabenbereich der Beklagten in Teil D § 1 Abs. 2 eine Antragsfrist innerhalb von 12 Monaten nach Eingang des Einzelfallnachweises geregelt, die hier für das Quartal I/2010 mit dem Antrag der Klägerin vom 24.02.2011 gewahrt ist. In Teil D § 1 Abs. 5 ist zudem bestimmt, dass der Antrag auf die Durchführung anlassbe-zogener Prüfungen gerichtet sein und einen konkreten Prüfgegenstand, das entsprechende Quartal bzw. die entsprechenden Quartale, den betroffenen Vertragsarzt sowie die vorhandenen Beweismittel benennen muss. Der Antrag ist qualifiziert zu begründen und die begründenden Unterlagen beizufügen. Zur Antragstellung ist grundsätzlich das Formular gemäß der Anlage 2 zu verwenden. Auch diese Voraussetzungen sind mit den Schreiben der Klägerin vom 24.02.2011 und vom 23.03.2011 erfüllt.
Die Klägerin hat der Beklagten einen Datenträger übermittelt, in dem die beanstandeten Abrechnungen arztbezogen unter Angabe der BSNR, der LANR, der MNR, des Namen des Versicherten und des Geburtsdatums aufgelistet sind. Zudem hat die Klägerin für die von ihr begehrte Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Nr. 03212 EBM-Ä ausgeführt, dass nur solche Fälle aufgenommen worden sind, bei denen in den drei dem Abrechnungsvierteljahr vorausgehenden Quartalen nicht jeweils ein Arzt-/Patientenkontakt stattgefunden habe, sei es ambulant – nicht auf den abrechnenden Vertragsarzt – begrenzt oder stationär. Darüber hinaus steht dem Antragsrecht der Krankenkassen auch nicht ent-gegen, dass die von der Honorarberichtigung betroffenen Leistungen der Vertragsärzte Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung sind. Einschränkungen des Antragsrechts diesen Inhalt finden sich weder in § 106a Abs. 4 SGB V noch in der auf Landesebene abgeschlossenen Vereinbarung der Vertragspartner.
In der Sache hat die Beklagte eine sachlich-rechnerische Richtigstellung zu Unrecht abgelehnt. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Ver-trags(zahn)arztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen - mit Ausnahme des Wirtschaftlich-keitsgebots - abgerechnet worden sind (siehe schon BSG SozR 5557 Nr. 5451 Nr. 1, S.2). Festzustellen ist, ob die Abrechnungen mit den Abrechnungsvorgaben des Regelwerks, also mit den einheitlichen Bewertungsmaßstäben, den Honorarverteilungsverträgen sowie weiteren Abrechnungsbestimmungen übereinstimmen oder ob zu Unrecht Honorare ange-fordert wurden (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/DIE GRÜNEN - Entwurf eines GMG, BT-Drucks 15/1525 S 119 zu § 106a). Mithin geht es vor allem um die Auslegung und Anwendung der Gebührenordnungen. Während bislang das Richtigstellungsverfahren von Amts wegen oder auf Antrag einer Krankenkasse durchge-führt werden konnte, ist die Beklagte nach neuem Recht - unabhängig von einem weiterhin möglichen Antrag - zu einem Tätigwerden von Amts wegen verpflichtet. Bei Fehlern in der Abrechnung des Vertrags(zahn)arztes berichtigt die Beklagte dessen Honoraranforderung. Dies kann auch im Wege nachgehender Richtigstellung erfolgen (BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 1/08 R = SozR 4-2500 § 106a Nr. 4 RdNr. 12; Urteil vom 19.10.2011 – B 6 KA 30/10 R).
Die Abrechnung der Nr. 03212 EBM-Ä ohne einen Arzt-Patienten-Kontakt in den der Abrechnung vorangehenden vier Quartalen erweist sich als rechtwidrig. Dies entspricht nicht den im EBM-Ä geregelten Abrechnungsvoraussetzungen. Für die Anwendung und Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtspre-chung des Bundessozialgerichts in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Auf-gabe des Normgebers des EBM-Ä - des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Soweit indessen der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, ist Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammen-hang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht (BSG, Urteil vom 18.08.2010 – B 6 KA 23/09 R = SozR 4-5531 Nr. 7120). Sie kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 1/08 R = SozR 4-2500 § 106a Nr. 4 RdNr. 12; Urteil vom 28.04.2004 – B 6 KA 19/03 R = BSG SozR 4-2500 § 87 Nr. 5 RdNr. 11 und Nr. 10 RdNr. 10, jeweils m.w.N). Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28.04.2004 – B 6 KA 19/03 R = SozR 4-2500 § 87 Nr. 5 RdNr. 11 m.w.N.).
Der Wortlaut der Abrechnungsbestimmung der Nr. 03212 EBM-Ä in der bis 30.09.2013 geltenden Fassung lautet wie folgt:
"Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den 03110 bis 03112 für die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankungen gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V.
Obligater Leistungsinhalt - Mindestens 2-Arzt-Patientenkontakte einmal im Behandlungsfall (kurativ-ambulant)
Die Gebührenordnungsposition 03212 kann bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern bis zum vollendeten 2. Lebensjahr auch ohne die Voraussetzung einer wenigstens 1 Jahr langen Dauerbehandlung gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Erkrankungen im Sinne des § 62 SGB V berechnet werden."
(.)
Gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Umsetzung der Regelungen in § 62 für schwerwiegend chronisch Erkrankte in der Fassung vom 22.01.2004 (BAnz. 2004 Nr. 18 S. 1343), zuletzt geändert am 19.06.2008 (BAnz. 2008 Nr. 124 S. 3017), ist eine Krankheit schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung) und ei-nes der folgenden Merkmale vorhanden ist:
a) Es liegt eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem zweiten Kapitel SGB XI vor. b) Es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60 % vor, wobei der GdB oder die MdE nach den Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG oder des § 56 Abs. 2 SGB VII festgestellt oder zumindest auch durch die Krankheit nach Satz 1 begründet sein muss. c) Es ist eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln) erforderlich, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqua-lität durch die aufgrund der Krankheit nach Satz 1 verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist.
Die Auslegung der Leistungsbeschreibung der Nr. 03212 EBM-Ä nach ihrem Wortlaut führt zu dem Ergebnis, dass in den vier Quartalen vor dem Abrechnungsquartal Arzt-Patientenkontakte stattgefunden haben müssen. Die Behandlung pro Quartal kann dabei auch von verschiedenen Ärzten erfolgt sein. Auch eine stationäre Behandlung zählt hierzu.
Dieser Inhalt zum Begriff der Dauerbehandlung ergibt sich mit der Verweisung auf § 2 Abs. 2 der Chroniker-Richtlinie aus dem Wortlaut der Regelung, der für die Abrechnung im aktuellen Quartal voraussetzt, dass der Versicherte wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal wegen der schwerwiegenden Krankheit ärztlich behandelt wurde (ebenso Sozialgericht Magdeburg, Urteil vom 26.09.2012 – S 1 KA 1/11). Für die Abrech-nung der Nr. 03212 EBM-Ä des Vertragsarztes gegenüber der KÄV, muss diese Voraussetzung der Dauerbehandlung im Abrechnungsquartal vorliegen. Die Dauerbehandlung mit der Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung muss in vier Quartalen zeitlich unmittelbar vor dem Abrechnungsquartal erfolgt sein.
Bestätigt wird dieses Verständnis der Leistungslegende der Nr. 03212 EBM-Ä mit Blick auf die Modifizierung der Abrechnungsvoraussetzungen bei Neugeborenen und Säuglin-gen. Bei Neugeborenen und Säuglingen und Kleinkindern bis zum vollendeten 2. Lebensjahr kann die Leistung auch ohne die Voraussetzung einer wenigstens 1 Jahr langen Dauerbehandlung gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Erkrankungen im Sinne des § 62 SGB V berechnet werden. Dieser Ausnahme für den beschriebenen Personenkreis der Neugeborenen und Säuglinge, bei dem eine dem Abrechnungsquartal vorausgehende Dauerbehandlung von vier Quartalen altersbedingt nicht möglich ist, hätte es nicht bedurft, wenn die Dauerbe-handlung vor dem Abrechnungsquartal nicht obligater Leistungsbestandteil ist. Für eine den klaren Wortlaut korrigierende systematische oder entstehungsgeschichtliche Auslegung ist nach den dargestellten Auslegungsgrundsätzen kein Raum.
Das Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vergütung. Mit der Betreuungsleis-tung nach der Nr. 03212 EBM-Ä soll der besondere Aufwand eines Vertragsarztes für die kontinuierliche (hausärztliche) Versorgung und krankheitsentsprechend intensive Betreu-ung honoriert werden (Kölner Kommentar, Anmerkung zu Nr. 03212 EBM-Ä).
Schließlich wird der beschriebene Leistungsinhalt der Nr. 03212 EBM-Ä mit den Erläuterungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss ist, bestätigt. Von ihr wurde im Rundschreiben zu den neuen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (http://www.fwiegleb.de/rundkbv.htm) ausgeführt, dass als schwerwiegend chronisch krank gilt, wer sich in ärztlicher Dauerbehandlung befindet (nachgewiesen durch einen Arztbesuch wegen derselben Krankheit im Quartal) und eines der weiteren Kriterien erfüllt ist.
Die Beklagte hat bei alledem bei der Neubescheidung zu prüfen, ob sie einen an den Vertragsarzt adressierten Honorarberichtigungsbescheid erlässt. Dies hat sie in eigener Zuständigkeit zu entscheiden und insoweit auch einen entsprechenden Bescheid über das Ergebnis ihrer Prüfung gegenüber der Klägerin zu erlassen. Entsprechend dem Ergebnis der Richtigstellungen wird die Beklagte der Klägerin auch gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 9 des DTA-Vertrages einen korrigierten Einzelnachweis zu übermitteln haben. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnungen der Ärzte, weil die Abrechnungsvorgaben des EBM-Ä nicht vorgelegen haben - hier der Nr. 03212 EBM-Ä - , ist lediglich eine andere Formulierung für die in § 1 Abs. 2 Nr. 9 DTA-Vertrag genannte Regelwerkkorrektur, zumal der Begriff des Regelwerks üblicherweise mit dem Begriff des EBM-Ä gleichbedeutend verwendet wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 SGG, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) auf den Antrag der klagenden Krankenkasse sachlich-rechnerische Richtig-stellungen der Honorarabrechnung gegenüber den Vertragsärzten vorzunehmen.
Mit Schreiben vom 24.02.2011 beantragte die klagende Krankenkasse die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit für die von den Vertragsärzten abgerechnete Nr. 03212 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM-Ä-Ä) als Zuschlag zu den Versichertenpauschalen für die Behandlung von Patienten mit schwerwiegender chronischer Erkrankung im Quartal I/2010. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.03.2011 ab. Gemäß § 106a Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) oblie-ge den Krankenkassen bei der Antragstellung für Richtigstellungen eine besondere Darlegungslast. Die Prüfung auf Antrag stünde unter dem Vorbehalt, "sofern hierzu Veranlassung" bestehe. Die Krankenkasse müsse darlegen, warum nach objektiven Maßstäben eine fehlerhafte Abrechnung vorliege. Die dem Antrag beigefügte Tabelle mit den Prüfergebnissen reiche nicht aus. Hier seien lediglich die Betriebsstättennummer, die lebenslange Arztnummer, die MNR, die PKZ, die Versichertennamen und Geburtsdaten angegeben. Warum keine Dauerbehandlung vorgelegen haben solle, bleibe unklar. § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Umsetzung der Regelungen in § 62 für schwerwiegend chronisch Erkrankte (Chroniker-Richtlinie) treffe im Übrigen keine Aussage zum Zeitpunkt der kontinuierlichen Behandlung. Diese könne ggf. Jahre zu-rückliegen. Auch müsse die Behandlung nicht in ein und derselben Arztpraxis erfolgen.
Hiergegen richtete sich der von der Klägerin am 28.03.2011 eingelegte Widerspruch. Die Regelung in § 106a SGB V sei nicht einschlägig. Sie betreffe Plausibilitätsprüfungen. Die in der Tabelle genannten Ärzte hätten die Nr. 03212 EBM-Ä abgerechnet, ohne dass wenigstens ein Jahr lang einmal pro Quartal eine ärztliche Behandlung entsprechend § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Umsetzung der Regelungen in § 62 für schwerwiegend chronisch Erkrankte erfolgt sei. Zugrunde gelegt seien nur solche Fälle, bei denen in den drei dem Abrechnungsvierteljahr vorausgehenden Quartale nicht jeweils ein Arzt-/Patientenkontakt stattgefunden habe, sei es ambulant oder stati-onär.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2011, der Klägerin am 26.04.2011 zugestellt, zurück. An der Rechtsauffassung zum Verständnis des Wortlauts von § 106a Abs. 4 und 2 SGB V werde festgehalten. Voraussetzung für die Ab-rechenbarkeit der Nr. 03212 EBM-Ä sei nicht die Behandlung der schwerwiegenden chro-nischen Erkrankung, sondern die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankungen. In § 2 Abs. 2 der Chroniker-Richtlinie des GBA heiße es hierzu: "Eine Krankheit ist schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestes einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung)." Die Formulierung "wurde" stütze die Auffassung, dass die kontinuierliche Behandlung ggf. Jahre zurückliegen könne. Bei der Nr. 03212 EBM-Ä handele es sich um einen Leis-tungsbestandteil der pauschalen Gesamtvergütung. Ein Schaden könne daher nicht entstanden sein. Auch aus Feststellungen über unberechtigte oder unwirtschaftliche Honorarforde-rungen entstandene Kürzungs- und Erstattungsbeträge fielen in die Honorarverteilung (§ 49 EKV-Ä). Ein Berichtigungsinteresse der Krankenkasse könne nur bei Einzelleistungsvergütungen bestehen.
Hiergegen richtet sich die von der Klägerin am 25.05.2011 erhobene Klage. Der Beklagten seien objektive Anhaltspunkte für die Durchführung der beantragten Prüfungen dargelegt worden. Bei den mit dem Antrag vorgelegten Daten handele es sich um Fälle, bei denen in den drei Quartalen vor Abrechnung der Nr. 03212 EBM-Ä keinerlei ärztliche Behandlung stattgefunden habe und zwar weder beim abrechnenden Vertragsarzt noch bei einem anderen Vertragsarzt. Auch die weitere Voraussetzung nach § 2 Abs. 2 Buchst. a der Chroni-ker-Richtlinie sei geprüft worden. Fälle mit einer Dauerbehandlung und einer Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 seien bei den Beanstandungen nicht berücksichtigt.
Die Auffassung der Beklagten widerspreche dem Wortlaut der Regelung wie auch dem Sinn und Zweck der Vergütung. Die Wahl der Vergangenheitsform in Form des Wortes "wurde" habe gewählt werden müssen, weil sich die Voraussetzung der Dauerbehandlung auf einen abgeschlossenen Zeitraum unmittelbar vor der Beurteilung der Chronikereigenschaft beziehe. Hieraus könne keinesfalls gefolgert werden, dass die Dauerbehandlung Jahre zurückliegen könne. Der Zuschlag solle überdies den besonderen Aufwand in der Behandlung von Patienten mit schwerwiegenden chronischen Erkrankungen honorieren.
Die Auffassung der Beklagten würde zu dem nicht sinnvollen Ergebnis führen, dass die Leistung vom Arzt auch dann abgerechnet werden könne, wenn z.B. ein Bluthochdruck aufgrund einer Gewichtsreduktion nicht mehr vorliege. Eine zusätzliche Honorierung sei in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt. Die klägerische Auffassung werde auch von anderen KÄV geteilt.
Schließlich bestünde auch ein Berichtigungsinteresse. Mit dem Übergang des Morbiditätsrisikos von den KÄV auf die Krankenkassen ergebe sich auch die Notwendigkeit eine wei-tergehende Verantwortung bei der Prüfung des ärztlichen Abrechnungswesens einzuräumen. Für die Vereinbarung der der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zu Grunde zu liegenden Punktzahlvolumina treffe der Bewertungsausschuss gemäß § 87a Abs. 3 Satz 2 SGB V entsprechende Regelungen. Die Leistungsmenge eines bestimmten Aufsatzquartals werde zukünftig zur Berechnung des Behandlungsbedarfs herangezogen. Dies begründe ein berechtigtes Interesse an der Korrektur der Leistungsmenge. Zur Vornahme von Rich-tigstellungen sei die Beklagte auch von Amts wegen verpflichtet.
Ein Anspruch auf Korrektur der Einzelfallnachweis-Daten ergebe sich aus dem DTA-Vertrag. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 DTA-Vertrag seien die Einzelnachweise mit Angaben zu den abgerechneten Gebührennummern nach Regelwerkkorrektur zu erstellen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11.03.2011 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 18.04.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag auf sachlich-rechnerische Richtigstellung der Leistun-gen nach der Nrn. 03212 EBM-Ä unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ihren Vortrag im Widerspruchsbescheid wiederholt und darüber hinaus ausgeführt, dass die Regelwerkkorrektur sich von der sachlich-rechnerischen Richtigstel-lung unterscheide. Dies werde auch im DTA-Vertrag mit der Verwendung der verschiedenen Begriffe deutlich. Eine Benutzung des Behandlungsbedarfs des Jahres 2010 für die Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung sei eher unwahrscheinlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichts-gesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte hat über den Antrag der Klägerin auf sachlich-rechnerische Richtigstellung der von den Vertragsärzten abgerechneten Nr. 03212 EBM-Ä unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte ist aufgrund von § 106a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V, der durch Art. 1 Nr. 83 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl. I 2190, 2217) mit Wirkung zum 01.01.2004 (Art. 37 Abs. 1 GMG) eingefügt worden ist, gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen und die Abrechnun-gen nötigenfalls richtigzustellen. Dieses Recht ergab sich bislang aus den bundesmantelvertraglichen Regelungen über sachlich-rechnerische Richtigstellungen (§ 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte [BMV-Ä] und § 34 Abs. 4 Satz 2 Ersatzkassenvertrag-Ärzte [EKV-Ä]).
Gemäß § 106a Abs. 3 SGB V prüfen die Krankenkassen die Abrechnungen der Vertrags-ärzte insbesondere hinsichtlich 1. des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht, 2. der Plausibilität von Art und Umfang der für die Behandlung eines Versicherten abgerechneten Leistungen in Bezug auf die angegebene Diagnose, bei zahnärztlichen Leistungen in Bezug auf die angegebenen Befunde, 3. der Plausibilität der Zahl der vom Versicherten in Anspruch genommenen Vertragsärzte, unter Berücksichtigung ihrer Fachgruppenzugehörigkeit, 4. der vom Versicherten an den Arzt zu zahlenden Zuzahlung nach § 28 Abs. 4 und der Beachtung des damit verbundenen Verfahrens nach § 43b Abs. 2.
Sie unterrichten die Kassenärztlichen Vereinigungen unverzüglich über die Durchführung der Prüfungen und deren Ergebnisse.
Gemäß § 106a Abs. 4 SGB V können die Krankenkassen oder ihre Verbände, sofern dazu Veranlassung besteht, gezielte Prüfungen durch die Kassenärztliche Vereinigung nach § 106a Absatz 2 SGB V beantragen. Die Kassenärztliche Vereinigung kann, sofern dazu Veranlassung besteht, Prüfungen durch die Krankenkassen nach Absatz 3 beantragen. Bei festgestellter Unplausibilität nach § 106a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 SGB V kann die Krankenkasse oder ihr Verband eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V beantragen; dies gilt für die Kassenärztliche Vereinigung bei festgestellter Unplausibilität nach Absatz 2 entsprechend.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich vereinbaren Inhalt und Durchführung der Prüfun-gen nach Absätzen 2 bis 4. In den Vereinbarungen sind auch Maßnahmen für den Fall von Verstößen gegen Abrechnungsbestimmungen, einer Überschreitung der Zeitrahmen nach Absatz 2 Satz 3 sowie des Nichtbestehens einer Leistungspflicht der Krankenkassen, soweit dies dem Leistungserbringer bekannt sein musste, vorzusehen. Der Inhalt der Richtlinien nach Absatz 6 ist Bestandteil der Vereinbarungen (§ 106a Abs. 5 SGB V).
Gemäß § 106a Abs. 6 SGB V vereinbaren die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erstmalig bis zum 30.06.2004 Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 und 3; die Richtlinien enthalten insbesondere Vorgaben zu den Kriterien nach Absatz 2 Satz 2 und 3. Die Richtlinien sind dem Bundesministerium für Gesundheit vorzulegen. Es kann sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Kommen die Richtlinien nicht zu Stande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht innerhalb einer von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium für Gesundheit die Richtlinien erlas-sen.
In der Sache ist das Schreiben der Beklagten vom 23.03.2011 als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Die KÄV hat die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnung ihrer Mitglieder auf der Grundlage von § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V von Amts wegen zu prüfen. Dies schließt es nicht aus, dass auch eine Krankenkasse Prüfungen bei der KÄV beantragt. Hält die KÄV einen Berichtigungsantrag der Krankenkasse für gerechtfertigt oder führt sie von Amts wegen eine Honorarberichtigung gegenüber ihrem Mitglied durch, handelt sie in der Form eines Verwaltungsaktes. Die Berechtigung dazu ergibt sich aus § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V; die Wendung "stellt die sachliche und rechnerische Berechtigung der Abrech-nungen der Vertragsärzte fest", impliziert in Übereinstimmung mit der jahrzehntelangen Rechtspraxis die Handlungsform des "Honorarberichtigungsbescheides". Dieselbe Handlungsform steht der KÄV zur Verfügung, wenn sie den Berichtigungsantrag einer Krankenkasse ganz oder teilweise ablehnt, weil sie die dem Antrag zugrunde liegende Auffassung zur Anwendung des EBM-Ä nicht teilt. Dass die KÄV trotz des prinzipiellen Gleichordnungsverhältnisses zu den Krankenkassen bei der Durchführung von sachlich-rechnerischen Abrechnungsberichtigungen einer antragstellenden Krankenkasse gegenüber durch Verwaltungsakt entscheidet, entspricht der langjährigen Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urteil vom 19.10.2011 – B 6 KA 30/10 R).
Für den auf der Grundlage von § 106a Abs. 4, Abs. 2 SGB V von der Klägerin geltend gemachten Anspruch fehlt es auch nicht am Bescheidungsinteresse. Das Rechtsschutzinteresse für dieses Begehren ist der Klägerin nicht schon wegen Zeitablaufs abzusprechen. Zwar sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen gegenüber den Vertragsärzten, mit denen von ihnen Honorar zurückgefordert wird, zeitlichen Beschränkungen unterworfen. Für sachlich-rechnerische Richtigstellungen gilt ebenso wie für den Erlass von Prüfbescheiden in Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren eine vierjährige Ausschlussfrist, innerhalb derer die Richtigstellungsbescheide dem Vertragsarzt gegenüber bekannt gegeben sein müssen. Die Ausschlussfrist von vier Jahren beginnt nach der Bekanntgabe des Honorarbescheides für das Quartal I/2010 im Juli 2010 und ist damit im Jahr 2013 noch nicht abgelaufen. Nach Ablauf dieser Vier-Jahres-Frist ist eine Richtigstellung auf der Grundlage von § 106a Abs. 2 SGB V ausgeschlossen. Sie ist dann nur noch nach Maßgabe der Vertrauensausschlusstatbestände nach § 45 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Zehntes Buch Sozialge-setzbuch (SGB X) möglich. In bestimmten Fällen kommt eine Hemmung der Frist in Betracht, etwa wenn die KÄV einen Antrag auf Richtigstellung abgelehnt hat. Dies setzt jedoch voraus, dass der Arzt Kenntnis vom Richtigstellungsverfahren hat (vgl. Clemens in juris-PK zu § 106 RdNr. 64 ff.; Sozialgericht Dresden, Urteil vom 07.10.2009 – S 18 KA 443/08). Ob gegenüber den Vertragsärzten in Ausnahme vom Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist noch rechtmäßige Honorarberichtigungsbescheide ergehen können, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Im Falle der Ablehnung einer Abrechnungskorrektur hat die antragstellende Krankenkasse mit Blick auf evt. Haftungsansprüche aus § 106a Abs. 7 i.V.m. § 106 Abs. 4b SGB V auch dann ein Bescheidungsinteresse, wenn die Beklagte von einer Honorarrückforderung gegenüber den betroffenen Vertragsärzten absehen sollte, weil nach ihrer Prüfung eine Durchsetzung des Anspruchs gegenüber dem Vertragsarzt nicht möglich ist.
Die vom Richtigstellungsbegehren der Klägerin mitbetroffenen Vertragsärzte waren nicht notwendig beizuladen. Zwar stellen sich im Verhältnis zwischen Vertragsarzt und KÄV die gleichen Rechtsfragen wie im vorliegenden Verfahren. Ein Fall notwendig einheitlicher Entscheidung ist aber nicht gegeben. Rechtlich verbindliche Präjudizwirkungen der hier ergehenden Entscheidung für das Rechtsverhältnis zwischen der KÄV und den Ärzten bestehen im Falle sachlich-rechnerischer Richtigstellungen, wie sie im vorliegenden Fall in Frage stehen, nicht (BSG, Urteil vom 28.04.2004 – B 6 KA 19/03 R = SozR 4-2500 § 87 Nr. 5).
Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen für eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnungen der Nr. 03212 EBM-Ä vor. Soweit in § 106a Abs. 4 Satz 1 SGB V die Krankenkasse bei der KÄV gezielte Prüfungen beantragen kann, wenn "dazu Veranlassung" besteht, ergeben sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1525 S. 117 ff.) keine aufschlussreichen Motive. Bei verständiger Würdigung ist die Formulierung dahin zu verstehen, dass die Krankenkassen und KÄV gegenseitig nicht "ins Blaue hinein" Prüfanträge stellen. Nähere Bestimmungen finden sich in der auf Landesebene getroffenen Verfahrensbestimmung der Vertragspartner. In den auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 SGB V von der KBV und dem GKV-Spitzenverband mit Wirkung zum 01.07.2008 beschlossenen Richtlinie ist in § 19 bestimmt, dass das Verfahren der gegenseitigen Beantragungen gezielter Prüfungen nach § 106a Abs. 4 SGB V die Vertragspartner der Vereinbarungen nach § 106a Abs. 5 SGB V regeln. In der hierzu von der Beklagten mit den Krankenkassen in Sachsen abgeschlossenen Vereinbarung vom 07.06.2006 nach § 106a Abs. 5 SGB V zur Abrechnungsprüfung ist für den Antrag der Krankenkassen für Prüfungen im Aufgabenbereich der Beklagten in Teil D § 1 Abs. 2 eine Antragsfrist innerhalb von 12 Monaten nach Eingang des Einzelfallnachweises geregelt, die hier für das Quartal I/2010 mit dem Antrag der Klägerin vom 24.02.2011 gewahrt ist. In Teil D § 1 Abs. 5 ist zudem bestimmt, dass der Antrag auf die Durchführung anlassbe-zogener Prüfungen gerichtet sein und einen konkreten Prüfgegenstand, das entsprechende Quartal bzw. die entsprechenden Quartale, den betroffenen Vertragsarzt sowie die vorhandenen Beweismittel benennen muss. Der Antrag ist qualifiziert zu begründen und die begründenden Unterlagen beizufügen. Zur Antragstellung ist grundsätzlich das Formular gemäß der Anlage 2 zu verwenden. Auch diese Voraussetzungen sind mit den Schreiben der Klägerin vom 24.02.2011 und vom 23.03.2011 erfüllt.
Die Klägerin hat der Beklagten einen Datenträger übermittelt, in dem die beanstandeten Abrechnungen arztbezogen unter Angabe der BSNR, der LANR, der MNR, des Namen des Versicherten und des Geburtsdatums aufgelistet sind. Zudem hat die Klägerin für die von ihr begehrte Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Nr. 03212 EBM-Ä ausgeführt, dass nur solche Fälle aufgenommen worden sind, bei denen in den drei dem Abrechnungsvierteljahr vorausgehenden Quartalen nicht jeweils ein Arzt-/Patientenkontakt stattgefunden habe, sei es ambulant – nicht auf den abrechnenden Vertragsarzt – begrenzt oder stationär. Darüber hinaus steht dem Antragsrecht der Krankenkassen auch nicht ent-gegen, dass die von der Honorarberichtigung betroffenen Leistungen der Vertragsärzte Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung sind. Einschränkungen des Antragsrechts diesen Inhalt finden sich weder in § 106a Abs. 4 SGB V noch in der auf Landesebene abgeschlossenen Vereinbarung der Vertragspartner.
In der Sache hat die Beklagte eine sachlich-rechnerische Richtigstellung zu Unrecht abgelehnt. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Ver-trags(zahn)arztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen - mit Ausnahme des Wirtschaftlich-keitsgebots - abgerechnet worden sind (siehe schon BSG SozR 5557 Nr. 5451 Nr. 1, S.2). Festzustellen ist, ob die Abrechnungen mit den Abrechnungsvorgaben des Regelwerks, also mit den einheitlichen Bewertungsmaßstäben, den Honorarverteilungsverträgen sowie weiteren Abrechnungsbestimmungen übereinstimmen oder ob zu Unrecht Honorare ange-fordert wurden (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/DIE GRÜNEN - Entwurf eines GMG, BT-Drucks 15/1525 S 119 zu § 106a). Mithin geht es vor allem um die Auslegung und Anwendung der Gebührenordnungen. Während bislang das Richtigstellungsverfahren von Amts wegen oder auf Antrag einer Krankenkasse durchge-führt werden konnte, ist die Beklagte nach neuem Recht - unabhängig von einem weiterhin möglichen Antrag - zu einem Tätigwerden von Amts wegen verpflichtet. Bei Fehlern in der Abrechnung des Vertrags(zahn)arztes berichtigt die Beklagte dessen Honoraranforderung. Dies kann auch im Wege nachgehender Richtigstellung erfolgen (BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 1/08 R = SozR 4-2500 § 106a Nr. 4 RdNr. 12; Urteil vom 19.10.2011 – B 6 KA 30/10 R).
Die Abrechnung der Nr. 03212 EBM-Ä ohne einen Arzt-Patienten-Kontakt in den der Abrechnung vorangehenden vier Quartalen erweist sich als rechtwidrig. Dies entspricht nicht den im EBM-Ä geregelten Abrechnungsvoraussetzungen. Für die Anwendung und Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtspre-chung des Bundessozialgerichts in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Auf-gabe des Normgebers des EBM-Ä - des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Soweit indessen der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, ist Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammen-hang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht (BSG, Urteil vom 18.08.2010 – B 6 KA 23/09 R = SozR 4-5531 Nr. 7120). Sie kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG, Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 1/08 R = SozR 4-2500 § 106a Nr. 4 RdNr. 12; Urteil vom 28.04.2004 – B 6 KA 19/03 R = BSG SozR 4-2500 § 87 Nr. 5 RdNr. 11 und Nr. 10 RdNr. 10, jeweils m.w.N). Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 28.04.2004 – B 6 KA 19/03 R = SozR 4-2500 § 87 Nr. 5 RdNr. 11 m.w.N.).
Der Wortlaut der Abrechnungsbestimmung der Nr. 03212 EBM-Ä in der bis 30.09.2013 geltenden Fassung lautet wie folgt:
"Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den 03110 bis 03112 für die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankungen gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V.
Obligater Leistungsinhalt - Mindestens 2-Arzt-Patientenkontakte einmal im Behandlungsfall (kurativ-ambulant)
Die Gebührenordnungsposition 03212 kann bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern bis zum vollendeten 2. Lebensjahr auch ohne die Voraussetzung einer wenigstens 1 Jahr langen Dauerbehandlung gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Erkrankungen im Sinne des § 62 SGB V berechnet werden."
(.)
Gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Umsetzung der Regelungen in § 62 für schwerwiegend chronisch Erkrankte in der Fassung vom 22.01.2004 (BAnz. 2004 Nr. 18 S. 1343), zuletzt geändert am 19.06.2008 (BAnz. 2008 Nr. 124 S. 3017), ist eine Krankheit schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung) und ei-nes der folgenden Merkmale vorhanden ist:
a) Es liegt eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem zweiten Kapitel SGB XI vor. b) Es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60 % vor, wobei der GdB oder die MdE nach den Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG oder des § 56 Abs. 2 SGB VII festgestellt oder zumindest auch durch die Krankheit nach Satz 1 begründet sein muss. c) Es ist eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln) erforderlich, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqua-lität durch die aufgrund der Krankheit nach Satz 1 verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist.
Die Auslegung der Leistungsbeschreibung der Nr. 03212 EBM-Ä nach ihrem Wortlaut führt zu dem Ergebnis, dass in den vier Quartalen vor dem Abrechnungsquartal Arzt-Patientenkontakte stattgefunden haben müssen. Die Behandlung pro Quartal kann dabei auch von verschiedenen Ärzten erfolgt sein. Auch eine stationäre Behandlung zählt hierzu.
Dieser Inhalt zum Begriff der Dauerbehandlung ergibt sich mit der Verweisung auf § 2 Abs. 2 der Chroniker-Richtlinie aus dem Wortlaut der Regelung, der für die Abrechnung im aktuellen Quartal voraussetzt, dass der Versicherte wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal wegen der schwerwiegenden Krankheit ärztlich behandelt wurde (ebenso Sozialgericht Magdeburg, Urteil vom 26.09.2012 – S 1 KA 1/11). Für die Abrech-nung der Nr. 03212 EBM-Ä des Vertragsarztes gegenüber der KÄV, muss diese Voraussetzung der Dauerbehandlung im Abrechnungsquartal vorliegen. Die Dauerbehandlung mit der Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung muss in vier Quartalen zeitlich unmittelbar vor dem Abrechnungsquartal erfolgt sein.
Bestätigt wird dieses Verständnis der Leistungslegende der Nr. 03212 EBM-Ä mit Blick auf die Modifizierung der Abrechnungsvoraussetzungen bei Neugeborenen und Säuglin-gen. Bei Neugeborenen und Säuglingen und Kleinkindern bis zum vollendeten 2. Lebensjahr kann die Leistung auch ohne die Voraussetzung einer wenigstens 1 Jahr langen Dauerbehandlung gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Erkrankungen im Sinne des § 62 SGB V berechnet werden. Dieser Ausnahme für den beschriebenen Personenkreis der Neugeborenen und Säuglinge, bei dem eine dem Abrechnungsquartal vorausgehende Dauerbehandlung von vier Quartalen altersbedingt nicht möglich ist, hätte es nicht bedurft, wenn die Dauerbe-handlung vor dem Abrechnungsquartal nicht obligater Leistungsbestandteil ist. Für eine den klaren Wortlaut korrigierende systematische oder entstehungsgeschichtliche Auslegung ist nach den dargestellten Auslegungsgrundsätzen kein Raum.
Das Ergebnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vergütung. Mit der Betreuungsleis-tung nach der Nr. 03212 EBM-Ä soll der besondere Aufwand eines Vertragsarztes für die kontinuierliche (hausärztliche) Versorgung und krankheitsentsprechend intensive Betreu-ung honoriert werden (Kölner Kommentar, Anmerkung zu Nr. 03212 EBM-Ä).
Schließlich wird der beschriebene Leistungsinhalt der Nr. 03212 EBM-Ä mit den Erläuterungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss ist, bestätigt. Von ihr wurde im Rundschreiben zu den neuen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (http://www.fwiegleb.de/rundkbv.htm) ausgeführt, dass als schwerwiegend chronisch krank gilt, wer sich in ärztlicher Dauerbehandlung befindet (nachgewiesen durch einen Arztbesuch wegen derselben Krankheit im Quartal) und eines der weiteren Kriterien erfüllt ist.
Die Beklagte hat bei alledem bei der Neubescheidung zu prüfen, ob sie einen an den Vertragsarzt adressierten Honorarberichtigungsbescheid erlässt. Dies hat sie in eigener Zuständigkeit zu entscheiden und insoweit auch einen entsprechenden Bescheid über das Ergebnis ihrer Prüfung gegenüber der Klägerin zu erlassen. Entsprechend dem Ergebnis der Richtigstellungen wird die Beklagte der Klägerin auch gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 9 des DTA-Vertrages einen korrigierten Einzelnachweis zu übermitteln haben. Die sachlich-rechnerische Richtigstellung der Abrechnungen der Ärzte, weil die Abrechnungsvorgaben des EBM-Ä nicht vorgelegen haben - hier der Nr. 03212 EBM-Ä - , ist lediglich eine andere Formulierung für die in § 1 Abs. 2 Nr. 9 DTA-Vertrag genannte Regelwerkkorrektur, zumal der Begriff des Regelwerks üblicherweise mit dem Begriff des EBM-Ä gleichbedeutend verwendet wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 SGG, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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