Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
40
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 40 AS 865/18
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Widerspruch ist auch dann erfolgreich im Sinne des § 63 SGB X, wenn sich die Behörde im Laufe des Vorverfahrens nicht mehr auf die Regelung beruft, weil sie die Bekanntgabe des Bescheides nicht nachweisen kann.
Aus der bestandskräftigen Verwerfung eines solchen Widerspruchs folgt nicht, dass der Widerspruch keinen Erfolg hat.
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rechtsanwalts ist in sozialrechtlichen Vorverfahren aus Gründen der Waffengleichheit der Regelfall.
Aus der bestandskräftigen Verwerfung eines solchen Widerspruchs folgt nicht, dass der Widerspruch keinen Erfolg hat.
Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rechtsanwalts ist in sozialrechtlichen Vorverfahren aus Gründen der Waffengleichheit der Regelfall.
I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 verpflichtet, die im Widerspruchsverfahren W 1884/17 entstandenen notwendigen Aufwendungen der Rechtsverfolgung zu erstatten und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten anzuerkennen. II. Der Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostentragungspflicht in einem isolierten Vorverfahren nach § 63 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X).
Die Klägerin bezieht vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 27.07.2017 bewilligte der Beklagte ihr Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 280 EUR für die Monate Juli 2017 bis Februar 2018.
Mit Bescheid vom 20.10.2017 senkte der Beklagte die Bewilligung der Klägerin für die drei Monate von November 2017 bis Januar 2018 auf 157,30 EUR ab; dem lag offensichtlich eine Minderung des Alg II um 30 v. H. wegen Abbruch einer Maßnahme zugrunde, den die Beklagte mit gesondertem Bescheid vom gleichen Tage festgestellt hatte. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte am 03.11.2017 Widerspruch gegen den Änderungsbescheid und vorsorglich auch gegen den Minderungsbescheid ein, der aber nicht bekanntgegeben worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2018 half der Beklagte dem Widerspruch (W 1883/17) gegen den Änderungsbescheid durch Rücknahme ab, verwarf aber den Widerspruch (W 1884/17) gegen Minderungsbescheid. Während der Beklagte für das erste Widerspruchsverfahren sich zur Kostenerstattung verpflichtete und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten anerkannte, lehnte er dies für das zweite Widerspruchsverfahren ab.
Hiergegen hat die Klägerin am 06.03.2018 beim Sozialgericht Klage erhoben.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 den Beklagten zu verpflichten, die im Widerspruchsverfahren W 1884/17 entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt die Klagabweisung.
Der Kammer haben die Verwaltungsakten des Beklagten bei der Entscheidung vorgelegen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte einschließlich der gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Der Widerspruchsbescheid vom 05.02.2018 war wie beantragt abzuändern, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Sie hat einen Anspruch auf Erstattung ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen.
1. Rechtsgrundlage des klägerischen Anspruchs ist § 63 SGB X, weil im Verfahren nur noch über die Kosten des Vorverfahrens, nicht aber mehr über den im Vorverfahren geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch gestritten wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 68/12 R – juris, RdNr. 10). Der Anspruch besteht, weil der Widerspruch der Klägerin erfolgreich war. Denn der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, hat demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Ein Widerspruch hat im Regelfall immer dann Erfolg im Sinne des Gesetzes, wenn ihm die Behörde stattgibt (Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 63 SGB X, RdNr. 29).
Zwar hat hier der Beklagte den Widerspruch als unzulässig verworfen. Das steht einer Kostenerstattung jedoch nicht entgegen. Dem Versicherten darf nicht zur Last gelegt werden, dass die Bekanntgabe fehlerhaft unterblieben ist, wenn sich Behörde sich darauf beruft, einen Verwaltungsakt eines bestimmten Inhalts erlassen zu haben (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 27.03.2007 – B 13 R 164/06 B – juris, RdNr. 16). Zulässig erhoben werden kann der Widerspruch auch gegen einen Verwaltungsakt, der mangels Bekanntgabe nichts wirksam geworden ist (so zum insoweit vergleichbaren § 44 Abs. 1 der Abgabenordnung der Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.12.1995 – I R 111/94 – juris, RdNr. 10).
Nichts anderes kann sich daraus ergeben, dass die Klägerin die Verwerfung des Widerspruchs nicht angefochten haben mag, diese dadurch womöglich bestandskräftig geworden ist und infolgedessen kein "Erfolg" in der Hauptsache zu verzeichnen wäre. Denn die Kostengrundentscheidung grundsätzlich auch isoliert anfechtbar (Becker in: Hauck/Noftz, § 63 SGB X, RdNr. 25; Diering/Timme, LPK-SGB X, § 63 RdNr. 61), so dass dann eine Prüfung des Hauptsachenanspruchs regelmäßig unterbleibt. Dann ist der "Erfolg" im Sinne des § 63 SGB X danach zu beurteilen, ob die Behörde im Ergebnis eine Rechtslage hergestellt hat, welche jedenfalls objektiv den Interessen des Widerspruchsführers entspricht (so im Falle einer fehlenden förmlichen Entscheidung über den Widerspruch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18.04.1996 – 4 C 6/95 – juris, RdNr. 17). Hier aber hat der Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid anerkannt, dass der Minderungsbescheid keinerlei Wirkung entfalten soll, was die Klägerin mit ihrem vorsorglichen Widerspruch gerade bezweckte.
2. Darüber hinaus hat die Klägerin Anspruch auf Anerkennung der Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rechtsanwalts, die im Sozialrecht unter dem Gesichtspunkt der "Waffengleichheit" der Regelfall ist (Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, a.a.O., RdNr. 57).
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Danach sind den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten, weil sie obsiegen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten sind nicht erstattungsfähig, weil er zu den in § 184 Abs. 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen gehört, § 193 Abs. 4 SGG. Gerichtskosten fallen nicht an, weil das Verfahren wegen § 183 Satz 1 SGG kostenfrei ist.
2. Das Urteil kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil der Wert der Beschwer – hier die Höhe der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen – 750 EUR nicht übersteigen, vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Gründe für eine gesonderte Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostentragungspflicht in einem isolierten Vorverfahren nach § 63 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X).
Die Klägerin bezieht vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 27.07.2017 bewilligte der Beklagte ihr Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 280 EUR für die Monate Juli 2017 bis Februar 2018.
Mit Bescheid vom 20.10.2017 senkte der Beklagte die Bewilligung der Klägerin für die drei Monate von November 2017 bis Januar 2018 auf 157,30 EUR ab; dem lag offensichtlich eine Minderung des Alg II um 30 v. H. wegen Abbruch einer Maßnahme zugrunde, den die Beklagte mit gesondertem Bescheid vom gleichen Tage festgestellt hatte. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte am 03.11.2017 Widerspruch gegen den Änderungsbescheid und vorsorglich auch gegen den Minderungsbescheid ein, der aber nicht bekanntgegeben worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2018 half der Beklagte dem Widerspruch (W 1883/17) gegen den Änderungsbescheid durch Rücknahme ab, verwarf aber den Widerspruch (W 1884/17) gegen Minderungsbescheid. Während der Beklagte für das erste Widerspruchsverfahren sich zur Kostenerstattung verpflichtete und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten anerkannte, lehnte er dies für das zweite Widerspruchsverfahren ab.
Hiergegen hat die Klägerin am 06.03.2018 beim Sozialgericht Klage erhoben.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2018 den Beklagten zu verpflichten, die im Widerspruchsverfahren W 1884/17 entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt die Klagabweisung.
Der Kammer haben die Verwaltungsakten des Beklagten bei der Entscheidung vorgelegen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte einschließlich der gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Der Widerspruchsbescheid vom 05.02.2018 war wie beantragt abzuändern, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Sie hat einen Anspruch auf Erstattung ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen.
1. Rechtsgrundlage des klägerischen Anspruchs ist § 63 SGB X, weil im Verfahren nur noch über die Kosten des Vorverfahrens, nicht aber mehr über den im Vorverfahren geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch gestritten wird (Bundessozialgericht, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 68/12 R – juris, RdNr. 10). Der Anspruch besteht, weil der Widerspruch der Klägerin erfolgreich war. Denn der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, hat demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Ein Widerspruch hat im Regelfall immer dann Erfolg im Sinne des Gesetzes, wenn ihm die Behörde stattgibt (Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 63 SGB X, RdNr. 29).
Zwar hat hier der Beklagte den Widerspruch als unzulässig verworfen. Das steht einer Kostenerstattung jedoch nicht entgegen. Dem Versicherten darf nicht zur Last gelegt werden, dass die Bekanntgabe fehlerhaft unterblieben ist, wenn sich Behörde sich darauf beruft, einen Verwaltungsakt eines bestimmten Inhalts erlassen zu haben (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 27.03.2007 – B 13 R 164/06 B – juris, RdNr. 16). Zulässig erhoben werden kann der Widerspruch auch gegen einen Verwaltungsakt, der mangels Bekanntgabe nichts wirksam geworden ist (so zum insoweit vergleichbaren § 44 Abs. 1 der Abgabenordnung der Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.12.1995 – I R 111/94 – juris, RdNr. 10).
Nichts anderes kann sich daraus ergeben, dass die Klägerin die Verwerfung des Widerspruchs nicht angefochten haben mag, diese dadurch womöglich bestandskräftig geworden ist und infolgedessen kein "Erfolg" in der Hauptsache zu verzeichnen wäre. Denn die Kostengrundentscheidung grundsätzlich auch isoliert anfechtbar (Becker in: Hauck/Noftz, § 63 SGB X, RdNr. 25; Diering/Timme, LPK-SGB X, § 63 RdNr. 61), so dass dann eine Prüfung des Hauptsachenanspruchs regelmäßig unterbleibt. Dann ist der "Erfolg" im Sinne des § 63 SGB X danach zu beurteilen, ob die Behörde im Ergebnis eine Rechtslage hergestellt hat, welche jedenfalls objektiv den Interessen des Widerspruchsführers entspricht (so im Falle einer fehlenden förmlichen Entscheidung über den Widerspruch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18.04.1996 – 4 C 6/95 – juris, RdNr. 17). Hier aber hat der Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid anerkannt, dass der Minderungsbescheid keinerlei Wirkung entfalten soll, was die Klägerin mit ihrem vorsorglichen Widerspruch gerade bezweckte.
2. Darüber hinaus hat die Klägerin Anspruch auf Anerkennung der Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rechtsanwalts, die im Sozialrecht unter dem Gesichtspunkt der "Waffengleichheit" der Regelfall ist (Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, a.a.O., RdNr. 57).
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Danach sind den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten, weil sie obsiegen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten sind nicht erstattungsfähig, weil er zu den in § 184 Abs. 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen gehört, § 193 Abs. 4 SGG. Gerichtskosten fallen nicht an, weil das Verfahren wegen § 183 Satz 1 SGG kostenfrei ist.
2. Das Urteil kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil der Wert der Beschwer – hier die Höhe der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen – 750 EUR nicht übersteigen, vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Gründe für eine gesonderte Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.
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