28 SO 445/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
28
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
28 SO 445/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf Euro 17.930,99 festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig sind noch Zinsen für die Vergütung von ambulanten Pflegeleistungen für häusliche Pflege und hauswirtschaftlicher Versorgung sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin ist ein ambulanter Kranken- und Altenpflegedienst. Zwischen ihr und der Beklagten besteht eine Leistungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII. Mit dem Leistungsempfänger der Beklagten, Herrn G.K., geboren , im Folgenden: Herr K., hat die Klägerin seit dem 01.06.2009 einen Pflegevertrag über häusliche Krankenpflege, häusliche Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung abgeschlossen. Darin heißt es unter § 4: "Der Leistungsempfänger ist verpflichtet, die vereinbarten und erbrachten Leistungen entsprechend den gültigen Vergütungssätzen zu vergüten." Unter § 5 heißt es: "Der Leistungsempfänger hat die Erstattung der Vergütung für die vertraglich vereinbarten Pflegeleistungen zu beantragen. Dem Leistungsempfänger ist bekannt, dass der Sozialleistungsträger die für die in Anspruch genommene Leistung fällige Vergütung nur dann -bei Vorliegen der Voraussetzungen - erstattet, wenn diesbezüglich ein Antrag gestellt wurde ...Der Pflegedienst ist dem Leistungsempfänger bei der Antragstellung behilflich." Die Beklagte bewilligte Herrn K. von 10/2004 bis 17.01.2011 Badehilfe und Haushilfe und mit Bescheid vom 31.03.2011 seit dem 18.01.2011 Hilfe zur Pflege für den Zeitraum bis 30.04.2011. Weiter heißt es darin: "Die Bewilligung läuft vom 18.01.2011 bis 31.01.2012" und vergütete die entsprechend von der Klägerin erbrachten Pflegeleistungen für Herrn K. bis einschließlich 31.01.2012. Für den Zeitraum vom 01.02.2012 bis 31.10.2012, in dem die Klägerin weiterhin Pflegeleistungen für Herrn K. erbrachte, erfolgte von der Beklagten zunächst keine Vergütung. In einem Aktenvermerk vom 19.06.2012 heißt es dazu, dass der Bewilligungszeitraum abgelaufen und bis dato kein Weiterbewilligungsantrag gestellt worden sei. Die von der Klägerin eingereichten Rechnungen sandte die Beklagte zurück. Auf den Antrag des Herrn K. auf Weiterbewilligung vom 20.11.2012, Eingang am 21.12.2012, für die Zeit ab 01.02.2012 bewilligte die Beklagte mit bindend gewordenem Bescheid vom 03.12.2012 zunächst Hilfe zur Pflege erst ab 01.11.2012 und vergütete die von der Klägerin erbrachten Pflegeleistungen ab 01.11.2012 wieder antragsgemäß. Mit Rechnungen vom 08.06.2012, 13.08.2012, 01.10.2012 und 06.06.2013 sowie anwaltlichem Mahnschreiben vom 22.08.2013 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, ihr die ausstehenden Vergütung gemäß Leistungsnachweise für die erbrachten Pflegeleistungen für Herrn K. für die Zeit vom 01.02.2012 bis 30.10.2012 in Höhe von insgesamt Euro 16.969,71 zzgl. anwaltlicher Mahnkosten in Höhe von weiteren Euro 961,28 zu zahlen.

Nach Klageerhebung am 24.09.2013 beim Sozialgericht Hamburg wegen der ausstehenden Vergütung für Pflegeleistungen beschied die Beklagte nach Hinweis des Gerichts den Weiterbewilligungsantrag des Herrn K. vom 21.11.2012 auch für den Zeitraum ab 01.02.2012 bis 31.10.2012 und zahlte die erbrachten und berechneten Pflegeleistungen in Höhe von Euro 16.969,71 im Mai 2014 an die Klägerin aus. Darauf hat die Klägerin den Klagantrag zu 1) am 13.05.2014 für erledigt erklärt. Sie begehrt aber weiterhin Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Mahnkosten. Sie ist der Auffassung, dass zwischen ihr und der Beklagten eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung bestehe, aufgrund derer die Beklagte als zuständiger Sozialhilfeträger die von der Klägerin an den Leistungsempfänger Herrn K. erbrachten Pflege- und Versorgungsleistungen ordnungsgemäß zu vergüten habe. Dies folge aus §§ 61 ff SGB XII in Verbindung mit der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII und werde durch die Rechtsprechung des BSG –Urteil vom 28.10.2008 – B 8 SO 22/07 R gestützt. Hilfsweise erfolge eine Begründetheit der Vergütungsansprüche aus § 25 SGB XII bzw. aus den auch hier anzuwendenden Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag. Es sei daher kein Rechtsgrund ersichtlich, weshalb die Beklagte die ihr in Rechnung gestellten Leistungen erst nach Klageerhebung vergütet habe. Sie habe sich spätestens seit dem 06.07.2013 bzw. 06.09.2013 im Zahlungsverzug befunden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 8 v.H. über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von Euro 11.276,78 seit dem 06.07.2013 und Zinsen in Höhe von 8 v.H. über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von Euro 5.692,93 seit dem 06.09.2013 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 961,28 nebst Zinsen in Höhe von 8 v.H. über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von Euro 837,52 seit dem 06.07.2013 und nebst Zinsen in Höhe von 8 v.H. über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von Euro 123,76 seit dem 06.09.2013 zu zahlen. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass mit der vorgenommenen Zahlung allein dem Begehren des Herrn K. entsprochen worden sei, denn nur zwischen diesem und ihr bestünden Rechtsbeziehungen. Darauf sei die Klägerin mehrfach hingewiesen worden. Das von der Klägerin zitierte Urteil des BSG betreffe Leistungen im Rahmen stationärer Pflege und gelte nicht für die hier erbrachten streitigen ambulanten Pflegeleistungen. Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch aus § 25 SGB XII sei nicht gegeben, schon weil die Klägerin kein Nothelfer im Sinne dieser Norm sei. Ansprüche aus den Bestimmungen der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. Bereicherungsrecht entfielen ebenfalls, da die Klägerin nicht aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber Herrn K. gehandelt habe.

Das Gericht hat die Leistungsakte von der Beklagten beigezogen. Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der vorliegenden Prozess- und Verwaltungsakte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht hat nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (vgl. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz- SGG).

Die Klage ist nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Der Klägerin stehen weder Zinszahlungen noch die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten zu. Voraussetzung hierfür wäre, dass ihr ein Anspruch gegen die Beklagte auf Begleichung der Hauptforderung zur Seite gestanden hat und dieser nicht fristgerecht vergütet worden ist. Ein solcher Anspruch ist hier aber nicht gegeben.

Grundlage der Rechtsbeziehungen zwischen Leistungserbringer und Sozialhilfeträger sind die als öffentlich-rechtliche Normverträge zu qualifizierenden Vereinbarungen i.S. des § 75 Abs. 3 SGB XII, welche auch hier zwischen den Beteiligten im Rahmen der bestehenden Leistungsvereinbarung Geltung haben. Das zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer bestehende Rechtsverhältnis verbindet das öffentlich-rechtliche Grund- und das privatrechtliche Erfüllungsverhältnis zu einer dreiseitigen Rechtsbeziehung, das sog. "sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis". Die nach § 75 Abs. 3 SGB XII zu schließenden Vereinbarungen ermöglichen dem Sozialhilfeträger die Wahrnehmung seiner Gewährleistungspflicht aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII, in den Fällen, in denen er wie hier, Leistungen nicht selbst erbringt, sondern durch Einrichtungen/Dienste anderer Träger, wie die Klägerin, erbringen lässt und wird daher auch als Sachleistungsverschaffungsverhältnis bezeichnet (vgl. Jaritz/Eicher in: Schlegel/Voelzke, juris-PK, SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 75 Rdnr. 36, 42 mit weiteren Nachweisen –mwN-). Diese erfolgt durch Übernahme der Vergütung, die der bedürftige Hilfeempfänger aufgrund des im Erfüllungsverhältnis geschlossenen zivilrechtlichen Vertrages dem Leistungserbringer schuldet. Rechtlich geschieht dies in Form eines Schuldbeitritts: Der Sozialhilfeträger tritt der Zahlungsverpflichtung des bedürftigen Hilfeempfängers aus dessen zivilrechtlichem Vertrag mit dem Leistungserbringer und somit einer privatrechtlichen Schuld gegenüber dem Leistungserbringer bei (kumulativer Schuldbeitritt) und wird somit zum Gesamtschuldner (vgl. BSG 28.10.2008 B 8 SO 22/07 R; 02.02.2010 B 8 SO 20/08 R; 18.03.2014 B 8 SF 2713 R; jeweils zitiert nach juris; Jaritz/Eicher, aaO, § 75 Rdnr. 42 mwN). Dadurch wird ein unmittelbarer Zahlungsanspruch des Dienstes gegenüber dem Sozialhilfeträger geschaffen; der Anspruch des Leistungsberechtigten gegen den Sozialhilfeträger ist auf Zahlung an diesen Dritten gerichtet. Dieser gesetzliche Schuldbeitritt, gilt, entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur im Bereich stationärer Pflege, sondern auch im Bereich der ambulanten Dienste, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung zwischenzeitlich entschieden hat. (vgl. BSG Urteile vom 25.09.2014 B 8 SO 8/13 R und 18.11.2014 B 8 SO 23/13 R Rdnr. 14 mwN, zitiert nach juris). Soweit zwischen der Klägerin und Herrn K. für den hier streitigen Zeitraum ein gültiger, zivilrechtlicher Pflegevertrag über die Erbringung von häuslichen Pflegeleistungen besteht, für die Herr K. gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Sachleistungsverschaffung im Rahmen des § 61 SGB XII geltend machen kann, finden damit die eben genannten Grundsätze auch auf die zwischen den hier Beteiligten, einem ambulanten Pflegedienst und einem Sozialhilfeträger, bestehenden Rechtsbeziehungen, Anwendung. Dennoch lässt sich damit für die Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht begründen. Denn der Schuldbeitritt wird erst mit dem im Grundverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger ergehenden Bewilligungsbescheid über die Leistung erklärt. Der Bewilligungsbescheid ist insoweit als Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu qualifizieren (vgl. Jaritz/Eicher, aaO, Rdnr. 42 mwN). Vor der Kostenübernahme durch Bewilligungsbescheid besitzt der Leistungserbringer damit keinen Vergütungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger (vgl. auch BSG 28.10.2008 aaO, Rdnr. 27, zitiert nach juris). Vorliegend lag ein Bewilligungsbescheid für den hier streitigen Zeitraum vom 01.02.2012 bis 31.10.2012 erst mit -positiver- Bescheidung des Antrages auf Weiterbewilligung von Herrn K. im Mai 2014, also nach Klageerhebung, vor. Soweit in der Nichtbescheidung dieses Zeitraumes trotz erfolgter Antragstellung durch Herrn K. am 21.11.2012 mit Bescheid vom 03.12.2012 insoweit eine rechtswidrige, ablehnende Entscheidung der Beklagten liegt, ist diese, trotz Rechtsmittelbelehrung, unanfechtbar geworden. Wird ein Anspruch auf Gewährung von Sozialleistungen vom Sozialhilfeträger im Grundverhältnis zu Unrecht abgelehnt, muss der Hilfeempfänger gegen die ablehnende Entscheidung im Wege des Widerspruchs bzw. ggfs. der Klage vorgehen und ist im Erfüllungsverhältnis dem privatrechtlichem Vergütungsanspruch des Leistungserbringers ausgesetzt. Kann er – was die Regel sein dürfte- den Anspruch nicht aus eigenen Mitteln befriedigen und droht dadurch die Kündigung des Vertrages, muss er selbst den Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers, ggfs. auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, erzwingen. Rechtsschutz kann jedoch nur dann mit Erfolg gewährt werden, wenn der Hilfeberechtigte auf der Grundlage eines im Erfüllungsverhältnis geschlossenen Vertrages vom Leistungserbringer auch tatsächlich in Anspruch genommen wird (vgl. Jaritz/Eicher, aaO, Rdnr. 193 mwN). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass der Klägerin die ausstehende Vergütung im Wege des Schuldbeitritts nicht vor Bescheidung des Weiterbewilligungsantrages von Herrn K. für den Zeitraum ab 01.02.2012 durch die Beklagte zugestanden hat und überdies allein Herr K. selbst aktiv legitimiert gewesen wäre, diesen Anspruch gegenüber der Beklagten zu verfolgen. Die Klägerin selbst hat im Übrigen dieses Vorgehen in dem mit Herrn K. geschlossenen Pflegevertrag vom 01.06.2009 in §§ 4, 5 des Vertrages entsprechend ausgestaltet und überdies ihre Hilfestellung angeboten. Zwar hat die Beklagte über den Zeitraum ab 01.02.2012 trotz Antragstellung im November 2012 erst nach Hinweis des Gerichts über die Bewilligung im April/Mai 2014 entschieden, jedoch die streitige Vergütung danach unmittelbar zu Auszahlung gebracht, so dass damit ein zivilrechtlicher Anspruch auf Verzugs- bzw. Prozesszinsen nicht entstanden ist. Soweit Herr K. selbst von der Klägerin ebenfalls noch keine Zahlungsaufforderungen für die streitige Vergütung ab 01.02.2012 erhalten hat, auch dies entspricht der vertraglichen Vereinbarung im Pflegevertrag, sind entsprechende Ansprüche wegen verspäteter Zahlung nicht entstanden und können damit weder von ihm, noch von der Klägerin, geltend gemacht werden.

Mangels Vergütungsanspruch, wie aus den vorstehenden Ausführungen ersichtlich, besteht damit auch kein Anspruch wegen vorgerichtlicher anwaltlicher Mahnkosten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist hier auch kein Anspruch als Nothelfer i.S. des § 25 SGB XII gegeben, weil schon kein sozialhilferechtlicher Eilfall vorgelegen hat. Es war nicht objektiv unmöglich, von der Beklagten die hier begehrte Leistung rechtzeitig zu erlangen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass Herr K. an einer rechtzeitigen Antragstellung auf Weiterbewilligung nach Ablauf des Bewilligungsbescheides vom 30.04.2011 bzw. 31.01.2012 gehindert war, zumal ihm im Rahmen des § 5 des Pflegevertrages auch eine Hilfestellung durch die Klägerin vertraglich zur Seite stand. Dies gilt für einen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag entsprechend.

Die Klage musste daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs.1 VwGO und berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrer Klage keinen Erfolg hatte. Dies gilt auch hinsichtlich des Klagantrags zu 1), denn mangels Aktivlegitimation bedurfte es einer Klageerhebung nicht.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a Abs. 1 SGG iVm § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG, wobei sich die Geltendmachung vorgerichtlicher Anwaltskosten nach § 43 Abs. 2 GKG streitwerterhöhend auswirkt.
Rechtskraft
Aus
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