S 61 AS 1752/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
61
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 61 AS 1752/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 379/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 12. September 2011, mit dem die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 19. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2011 zurückgenommen und die Erstattung von 30.708,64 Euro verlangt wird. Der 1984 geborene Kläger bewohnte zusammen mit Frau B. seit Januar 2007 eine Wohnung, deren Hauptmieterin Frau B. war. Nachdem sein Anspruch auf Arbeitslosengeld I im Mai 2008 endete, stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nach seinen Angaben auf den Formularen hatte der Kläger weder Einkommen noch Vermögen. Zu seinem Antrag reichte er Kontoauszüge für die Zeit von 7. Februar 2008 bis zum 4. Juni 2008 ein und gab an, er wohne bei Frau B. nur zur Untermiete und habe ansonsten nichts mit ihr zu tun. Laut vorgelegtem Untermietvertrag hatte der Kläger monatlich 300 Euro Untermiete an Frau B. in bar zu zahlen. Andere oder weitergehende Angaben machte der Kläger auch in den Folgeanträgen aus Oktober 2008, April und Oktober 2009, März und Oktober/November 2010 sowie März 2011 nicht. Der Beklagte bewilligte dem Kläger auf seine Anträge in der Zeit vom 19. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von insgesamt 30.679,50 Euro (Regelleistung: 12.495,12 Euro, Kosten der Unterkunft und Heizung: 9.953,05 Euro, Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld I: 2.885 Euro, Beiträge zur Krankenversicherung: 4.683,52 Euro, Beiträge zur Pflegeversicherung: 662,81 Euro). Grundlage der Bewilligung waren die Bescheide vom 14. Juli 2008 (Mai bis Oktober 2008), vom 22. Oktober 2008 (November 2008 bis April 2009), vom 9. April 2009 und 6. Juni 2009 (Mai bis Oktober 2009), vom 2. November 2009 und 3. November 2009 (November 2009 bis April 2010), vom 1. April 2010 (Mai bis Oktober 2010), vom 11. November 2011, 18. März 2010, 23. März 2011 und 25. März 2011 (November 2010 bis April 2011) und vom 20. April 2011, 25. Mai 2011 und 6. Juni 2011 (u.a. Mai bis Juni 2011). Wegen Sanktionen war in der Zeit vom 1. November 2010 bis zum 31. Januar 2011 der monatliche Leistungsbetrag um 107,70 Euro, ab 1. Mai 2011 um 218,40 Euro abgesenkt. Aufgrund einer anonymen Anzeige, wonach der Kläger in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Frau B. lebe und dubiose Geschäfte betreibe, teilte die Polizei dem Beklagten am 20. Juni 2011 mit, sie ermittele gegen den Kläger wegen Sozialbetrugs und bat um Bezifferung eines möglichen Schadens.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2011 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage von Unterlagen von ihm und Frau B. auf. Zugleich teilte er dem Kläger mit, er habe in der Zeit vom 19. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2011 zu Unrecht Leistungen bezogen. Der Kläger legte Verdienstbescheinigungen von Frau B. für die Monate Mai bis Juli 2011 (Nettoeinkommen zwischen ca. 1.000 und 1.150 Euro) vor, bestritt aber das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Frau B ... Hausbesuche des Besuchsdienstes des Beklagten blieben erfolglos, weil der Kläger und Frau B. in der Wohnung nicht angetroffen wurden. Mit Bescheid vom 12. September 2011 nahm der Beklagte die Entscheidungen aus der Zeit vom 14. Juli 2008 bis zum 6. Juni 2011 (ohne Auflistung der Bescheide im Einzelnen) über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 19. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2011 vollständig zurück und forderte die Erstattung von 30.708,64 Euro (§ 40 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X –, §§ 330 Abs. 2, 335 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III –, § 50 SGB X), wobei er die Beträge zum einen für den Zeitraum vom 19. Mai 2008 bis zum 31. Juli 2010, zum anderen für die Zeit vom 1. August 2010 bis zum 30. Juni 2011 zusammenfasste und nach Art der Leistung – Regelleistung, Kosten der Unterkunft, Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld I, Beiträge zur Krankenversicherung und Beiträge zur Pflegeversicherung – spezifizierte. Der Kläger habe in dem genannten Zeitraum mit Frau B. in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt. Frau B. habe daher zur Bedarfsgemeinschaft gehört mit der Folge, dass ihr Einkommen hätte berücksichtigt werden müssen. Da das Einkommen von Frau B. nicht nachgewiesen worden sei, sei davon auszugehen, dass es bedarfsdeckend gewesen sei. Die fehlerhafte Bewilligung beruhe auf den zumindest grob fahrlässig falschen Angaben des Klägers in seinen Anträgen. Den ohne Begründung eingereichten Widerspruch des Klägers vom 19. September 2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2012 zurück. Im Widerspruchsbescheid sind alle Bewilligungsbescheide mit Datum genannt. Der Beklagte stützte die Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft u.a. auf eine Überweisung von Frau B. an den Kläger mit dem Vermerk "Ich liebe Dich" vom 7. April 2008. Auf den Kontoauszügen fänden sich diverse Barein- und Auszahlungen sowie Überweisungen in nicht unerheblicher Höhe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dem Kläger das Geld zur Verfügung gestanden habe, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Gegen Sanktionsbescheide und den Versagungsbescheid für die Zeit ab dem 1. Juli 2011 habe er keinen Widerspruch erhoben. Dem Widerspruchsbescheid war eine Übersicht beigefügt, aus der sich für jeden Monat, getrennt nach den Leistungsarten, der jeweils bewilligte Betrag sowie die Gesamtsummen ergeben. Hierauf wird Bezug genommen. Am 5. Juni 2012 hat der Kläger beim Sozialgericht Hamburg Klage gegen den Bescheid vom 12. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2012 erhoben. Er hat das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Frau B. weiterhin bestritten und ausgeführt, er habe die aus den Kontoauszügen ersichtlichen Ein- und Auszahlungen hinreichend erläutert. Die Überweisung vom 7. April 2008 mit dem Vermerk "Ich liebe Dich" sei von Frau B. nur versehentlich an den Kläger getätigt worden. Eigentlich habe Frau B. die Überweisung zugunsten ihres Vaters vornehmen wollen. Das von der Staatsanwaltschaft eingeleitete Verfahren wegen Betruges wurde am 9. November 2012 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt, nachdem Ermittlungen erfolglos waren. Auf Aufforderung des Sozialgerichts hat der Kläger Kontoauszüge für die Zeit vom 26. Juni 2010 bis Juli 2011 vorgelegt. Von der das Konto führenden Kreissparkasse L. hat das Sozialgericht eine Darstellung der Umsätze für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis zum 30. Juni 2010 beigezogen. In den Kontounterlagen finden sich zahlreiche Gutschriften auf dem Konto des Klägers aus Bareinzahlungen und Überweisungen, die ganz überwiegend die Herkunft des Geldes nicht erkennen lassen. Die Beträge variieren zwischen 25 Euro und fast 10.000 Euro. An manchen Tagen sind mehrere Bareinzahlungen oder Überweisungen erfolgt. Für einen Zeitraum von mehreren Monaten im Jahr 2011 hat der Kläger diese Gutschriften pauschal damit erklärt, es handele sich um finanzielle Unterstützungen seiner Familie. Auch die Gutschriften aus der Zeit bis Juni 2010, die dem Kläger vom Sozialgericht auszugsweise in einer Liste zur Verfügung gestellt worden sind, hat er zum Teil auf Zuwendungen seiner Eltern zurückgeführt; die Summe der über 50 Einzelgutschriften über den gesamten streitigen Zeitraum beträgt danach ca. 12.800 Euro. Bei einem anderen Teil der Gutschriften mit einem Betrag von gut 40.000 Euro aus gut 10 Einzelbeträgen (vereinzelt 2008, überwiegend im Frühjahr 2010) handelte es sich nach den Angaben des Klägers um Zahlungen von Herrn S ... Für einen Teil der Zahlungen, die im Gerichtsverfahren als solche der Eltern oder von Herrn S. bezeichnet wurden (23.5.2008: 5 Euro + 65 Euro + 2.050 Euro) liegt in der Verwaltungsakte des Beklagten eine Erklärung von L. vor, dass es sich um sein Geld handele, das der Kläger für ihn habe überweisen sollen. Ein Betrag von 8.896,70 Euro hat der Kläger als Darlehen der Familie bzw. seines Cousins B. bezeichnet. Einige Gutschriften hat der Kläger mit e.-Verkäufen erklärt, andere mit einzelnen Unterstützungen von anderen Personen aus seiner Familie; im Hinblick auf weitere Gutschriften hatte der Kläger keine Erinnerung. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. September 2014 hat der Kläger angegeben, er beziehe seit dem 1. Juli 2011 keine Leistungen mehr und sei seit dem 1. April 2013 berufstätig. Die Zahlungen seiner Eltern hätte er für Handyrechnungen und andere Dinge, die man sich sonst nicht leisten könne, sowie für seine Spielsucht benötigt. Hinsichtlich der Rückzahlung hätten sie nichts vereinbart. Er habe zwischenzeitlich geringe Summen, gelegentlich 100 oder 200 Euro zurückgezahlt. Die als Zeugen geladenen Eltern des Klägers haben die Aussage verweigert. Die Zeugin B. und der Kläger haben Angaben zu den Wohnverhältnissen gemacht. Der Kläger hat u.a. angegeben, der Vermerk "Ich liebe Dich" auf der Überweisung sei entstanden, weil er damals wohl Gefühle für Frau B. gehabt habe, die diese aber nicht erwidert habe. Der Zeuge B. hat angegeben, er habe dem Kläger 10.000 Euro geliehen, weil dieser damit Telefone habe kaufen wollen. Er habe später versucht, das Geld von ihm zurückzubekommen, sei aber erfolglos geblieben. Mit Urteil vom 2. September 2014 hat das Sozialgericht den Rücknahme- und Erstattungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids in Höhe von 35,60 Euro aufgehoben weil er insoweit rechtswidrig sei. In Höhe eines Betrages von 30.673,04 Euro hat es die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe die Bewilligungsbescheide nach § 45 Abs. 1 SGB X insoweit wirksam zurückgenommen. Die im Einzelnen genannten Bewilligungsbescheide seien bei Erlass rechtswidrig gewesen, denn der Kläger habe Einkommen erzielt, das zum Wegfall seiner Hilfebedürftigkeit geführt habe. Dem Kläger seien im Erstattungszeitraum von seinen Eltern und seinem Cousin Gesamteinnahmen in Höhe von über 41.000 Euro zugeflossen, mit denen er bei einer Verteilung auf 37 Monate (Mai 2008 bis Juni 2011) monatlich 1.127 Euro zur Verfügung gehabt und damit seinen sozialhilferechtlichen Bedarf von durchschnittlich 662 Euro habe decken können. Hierbei habe es sich weder um zweckgebundene Einnahmen noch um Darlehen gehandelt. Insofern sei der Kläger seiner Darlegungslast nicht nachgekommen. Er habe den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages mit seinen Verwandten nicht erbracht. Der Kläger habe daher die ihm bewilligten Leistungen zu Unrecht bezogen. Weil er vorsätzlich falsche Angaben gemacht habe, als er die Einkünfte nicht angegeben habe, könne er sich auf Vertrauensschutz nicht berufen und habe die Leistungen zu erstatten. Für die Rücknahmeentscheidung habe unter diesen Umständen kein Ermessen bestanden, so dass das Gericht den Rücknahmebescheid habe aufrechterhalten können, obwohl der Beklagte diese Entscheidung zunächst auf das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau B. – wovon das Gericht nach der mündlichen Verhandlung nicht ausgehe – gestützt habe. Sowohl in dem einen wie auch in dem anderen Fall sei von Hilfebedürftigkeit nicht auszugehen und beruhe die Leistungsbewilligung auf einem Fehlverhalten des Klägers. Lägen wie hier die Rücknahmevoraussetzungen in beiden Fällen vor und sei ebenfalls in beiden Fällen Ermessen nicht eingeräumt (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III), sei die Auswechslung der Begründung zulässig. Die Erstattungsforderung ergebe sich aus § 50 SGB X und sei im tenorierten Umfang richtig berechnet. Eine teilweise Ausnahme von Unterkunftskosten gemäß § 40 Abs. 4 SGB II käme nicht in Betracht. Für den Beklagten hat das Sozialgericht die Berufung mangels Erreichen des Beschwerdewertes von 750 Euro nicht zugelassen. Das Urteil ist den Beteiligten am 5. September 2014 zugestellt worden. Am 30. September 2014 hat der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berufung eingelegt. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid könne auf die Einkünfte des Klägers nicht gestützt werden. Ein Austausch der Begründungen sei nicht zulässig, weil die Frist des § 45 Abs. 4 SGB X wonach die Behörde verpflichtet sei, einen rechtswidrigen Bescheid für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen zurückzunehmen, schon abgelaufen gewesen sei. Es sei auch unwahrscheinlich, dass dem Beklagten bei der jeweiligen Antragstellung die Kontoauszüge des Klägers nicht vorgelegen hätten. Von Herrn B. sei dem Kläger das Geld als Darlehen zur Verfügung gestellt worden. Die Eltern des Klägers seien nun bereit, hinsichtlich der Darlehensgewährung als Zeugen auszusagen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. September 2014 zu ändern und den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 12. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2012 vollständig aufzuheben. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Zu einer vom Senat noch einmal zusammengestellten Liste besonders hoher Gutschriften auf dem Konto des Klägers (500 bis gut 2.500 Euro, insgesamt gut 15.000 Euro) hat dieser erneut angegeben, es handele sich um Zahlungen von Herrn S ... Dieser habe damit ein Darlehen, das er vom Kläger erhalten habe, zurückgezahlt. Weitere Angaben zur Herkunft der verschiedenen Gutschriften hat der Kläger auch auf Aufforderung des Senats nicht gemacht, weitere Unterlagen nicht vorgelegt. Zur mündlichen Verhandlung am 25. Juli 2017 sind die Eltern des Klägers und Herr B. als Zeugen geladen worden. Die Eltern haben die Aussage erneut verweigert. Herr B. hat angegeben, der Kläger habe ihm inzwischen ca. 630 Euro zurückgezahlt. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter als Einzelrichter gemäß § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt. In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ferner ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. SGG erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der Verwaltungsakte des Beklagten und der Akte der Staatsanwaltschaft Hamburg (3102 Js 241/11) Bezug genommen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin und im Wege des schriftlichen Verfahren entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 124 Abs. 2 und 155 Abs. 4 und 5 SGG). Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 143, 144 SGG sowie form- und fristgemäß erhoben (§ 151 SGG). Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage ganz überwiegend abgewiesen. Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid und der Widerspruchsbescheid sind in dem vom Sozialgericht festgestellten Umfang nicht rechtswidrig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Senat nimmt insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf das Urteil des Sozialgerichts. Insbesondere hat das Sozialgericht zu Recht festgestellt, dass von Hilfebedürftigkeit des Klägers im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II, die Voraussetzung für die Gewährung aller vom Kläger bezogenen Leistungen ist, nicht ausgegangen werden kann. Insofern ist der Kläger seiner Beweispflicht nicht nachgekommen. Sind wie hier die im Rahmen des Verfahrens zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts ausgeschöpft, hat eine Entscheidung anhand der Beweislast zu ergehen. Diese trifft für die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung im Rahmen einer Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III zwar grundsätzlich den Grundsicherungsträger, weil er daraus eine für ihn günstige Rechtsfolge ableiten möchte (vgl. BSG, Urteil vom 24.5.2006 – B 11a AL 7/05 R; Urteil des erkennenden Senats vom 21.6.2012 – L 4 AS 193/10). Eine Beweislastumkehr zulasten des Leistungsempfängers ist dagegen gerechtfertigt, wenn in der persönlichen Sphäre oder im Verantwortungsbereich des Leistungsempfängers wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind, wenn also eine besondere Beweisnähe des Hilfebedürftigen vorliegt (BSG a.a.O., LSG Hamburg a.a.O.). Das ist hier der Fall. Aus den vorhandenen Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger über erhebliche finanzielle Mittel verfügt hat, die seinen grundsicherungsrechtlichen Bedarf bei weitem überstiegen haben und es ist davon auszugehen, dass sie ihm zur Verwendung für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden haben. Herkunft, möglicher Zweck und Zeitpunkt des Zuflusses liegen in der Sphäre des Klägers und sind von ihm aufzuklären. Sein Vorbringen ist aber – wie im Übrigen auch hinsichtlich der Überweisung mit der Bemerkung "Ich liebe dich" – geprägt von Widersprüchen und Unklarheiten. Zu einer erheblichen Anzahl von Bareinzahlungen und Überweisungen konnte der Kläger überhaupt keine Angaben machen und hat sich auf Mutmaßungen beschränkt. Die Erklärungen zu den nach Angaben des Klägers von seinen Eltern stammenden Beträge sind nicht plausibel. Der Kläger hat den Anlass oder den Zweck für einzelne Zahlungen nicht nennen können. Zum Teil beziehen sich seine Angaben ohne jede Differenzierung nur auf längere Zeiträume. Eine Erklärung zu der Frage, warum in einigen Fällen an einem Tag mehrere Bareinzahlungen aus Zuwendungen seiner Eltern erfolgt sind, ist der Kläger schuldig geblieben. Schließlich sind seine Angaben von den Eltern nicht bestätigt worden. Der Kläger hat ferner selbst bekundet, es sei hinsichtlich einer Rückzahlung des Geldes mit seinen Eltern nichts vereinbart worden, was gegen eine Wertung der Zuwendung als Darlehen spricht. Hinsichtlich der Überweisungen von Herrn S. bestehen ebenso wie bei den Zahlungen von Herrn B. im Einzelnen Unklarheiten sowohl über die Gesamthöhe des zugewendeten Betrages wie über den Zweck der Geldtransfers. Während der Kläger angegeben hat, er habe Geld von Herrn B. an Herrn S. weitergeleitet, um einen – dem Beklagten nicht bekannt gegebenen – Handel mit Telefonen zu organisieren, hat Herr B. in der mündlichen Verhandlung bekundet, es hätten Telefone günstig gekauft und an die Familie verschenkt werden sollen. An anderer Stelle hat der Kläger die Zahlungen von Herrn S. als Ablösung eines Darlehens, das er Herrn S. gegeben habe, bezeichnet. Einzahlungen am 23. Mai 2008 hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren überwiegend Herrn S., zu einem geringeren Teil seinen Eltern zugeordnet, während er im Verwaltungsverfahren eine Erklärung von L. über die Zuwendung des Geldes an ihn vorgelegt hat. Dass es sich bei den Zahlungen von Herrn B. um Darlehen gehandelt hat, ist möglich, kann aber angesichts der bekannt gewordenen Höhe aller auf dem Konto des Klägers ersichtlichen Gutschriften offen bleiben. Ob der Kläger über weitere Mittel verfügt hat, ist nicht geklärt. Dem Kläger ist damit der Nachweis seiner Hilfebedürftigkeit nicht gelungen. Auf die Frage, ob er mit Frau B. in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelebt hat, kommt es angesichts dessen – wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat – nicht an. Das Berufungsvorbringen des Klägers gibt keinen Anlass zu einer anderen Entscheidung. Zu Recht hat das Sozialgericht den Wechsel der Begründung für die Rücknahme für unschädlich gehalten. Die Frist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X dürfte in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung sein. Darüber hinaus ist eine Versäumnis der Frist nicht ersichtlich. Die die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide begründenden Tatsachen sind überwiegend erst im Gerichtsverfahren bekannt geworden, weil sie sich aus den Umsatzübersichten und Kontoauszügen, die das Sozialgericht angefordert hat, ergeben. In der Akte des Beklagten finden sich Kontoauszüge des Klägers nur für die Zeit bis zum 4. Juni 2008. Weitere Kontoauszüge hat der Beklagte im Widerspruchsverfahren betreffend den Rücknahmebescheid erfolglos angefordert. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache. Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Revisionsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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