S 40 U 129/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
40
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 129/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 36.000,- EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Streit, wer für die Leistungserbringung nach einem tödlichen Arbeitsunfall zuständig ist.

Am 26. Juli 2007 transportierte der als Kraftfahrer bei der Speditionsfirma J. GmbH - dem Mitgliedsunternehmen der Klägerin - beschäftigte A. (im Folgenden: Versicherter) einen Transformator vom Hersteller in S. zur Firma R. AG - dem Mitgliedsunternehmen der Beklagten - in S1.

Das Entladen des 2,6 Tonnen schweren Transformators vom Lkw gestaltete sich nach den polizeilichen Ermittlungen umständlich und ergab die Beteiligung mehrerer Mitarbeiter der Firma R. sowie des Versicherten.

Nach den aus dem Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnissen lieferte der Versicherte zum ersten Mal bei der Firma R. Waren an. Er fuhr den Lkw nach Instruierung durch einen Mitarbeiter rückwärts an eine Versandladerampe auf dem Firmengelände heran, so dass ein weiterer Mitarbeiter der Firma R. die in der Rampe befestigte Ladebrücke um ca. 10 cm überlappend auf die Ladefläche des Lkw herabließ. Der auf einer Holzpalette befindliche Transformator war in seiner ursprünglichen Stellung mit einem Hubwagen nicht unterfahrbar. Der Versicherte öffnete nach Loslösen der Spanngurte die linke Seitenplane seines Lkw, so dass die Mitarbeiter der Firma R. den Transformator mit Hilfe eines Gabelstaplers so drehten, dass ein heckseitiges Entladen mit zwei Hubwagen - bedient durch jeweils einen Mitarbeiter der Firma R. - erfolgen konnte.

Die Anstrengungen, den Transformator mit den zwei Hubwagen von der Ladefläche des Lkw über die Ladebrücke auf die Rampe zu ziehen klappen nicht und bedurften weiterer Unterstützung. Hierbei half der Versicherte den Mitarbeitern der Firma R ... Zwei Mitarbeiter der Firma R. und der Versicherte standen hinter dem Transformator und schoben ihn von der Ladefläche des LKW aus an.

Beim Überziehen auf die Rampe kippte der Transformator von den Gabeln der Hubwagen nach hinten und fiel herunter während die Überladebrücke aus ihrer Verankerung brach. Der Transformator stürzte auf den Versicherten, wobei er sich schwerste Kopfverletzungen zuzog und unmittelbar am Unfallort verstarb.

Die Klägerin gewährte der Ehefrau des Versicherten mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 Witwenrente und Sterbegeld.

Mit Schreiben vom 12. Februar 2008 setzte die Klägerin die Beklagte erstmals über das Unfallereignis des Versicherten in Kenntnis und übermittelte die Verwaltungsvorgänge. Gleichzeitig bat sie um Anerkennung der Zuständigkeit der Beklagten.

Die Beklagte entgegnete mit Schreiben vom 4. April 2008 und lehnte ihre Zuständigkeit ab. Sie führte aus, der Versicherte habe den tödlichen Unfall bei der Ausübung seiner Tätigkeit im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma J. erlitten und sei nicht wie ein Beschäftigter für die Firma R. tätig geworden. Die Firma R. habe lediglich Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt, um ein Entladen der Ware zu ermöglichen.

Mit Schreiben vom 24. April 2008 meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 7.715,48 Euro an. Die im Einzelnen bezifferten Aufwendungen setzten sich aus dem Sterbegeld, der Rente im Sterbevierteljahr bis zum 31. Oktober 2007 und von der ab 1. November 2007 gewährten monatlichen Rente sowie Übersetzungskosten zusammen. Die Klägerin gab an, dass sich der Unfall in Ausübung einer Tätigkeit für das Mitgliedsunternehmen der Beklagten ereignet habe.

Die Beklagte erwiderte darauf mit Schreiben vom 4. Juni 2008 und führte aus, dass es wegen des vorrangigen Versicherungsschutzes von Beschäftigten nicht darauf ankomme, in wessen Auftrag das Entladen erfolgte und ob es überhaupt in den Aufgabenbereich des Versicherten fiel.

Mit Schreiben vom 12. Juni 2008 teilte die Klägerin mit, dass es für die Bestimmung der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers ihrer Ansicht nach auf die Handlungstendenz des Versicherten ankäme, weil der Versicherte zum Unfallzeitpunkt eine der Firma R. dienende Tätigkeit wahrnahm, die nicht zu seinen eigentlichen Aufgaben gehörte. Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 13. Juli 2008 entgegen, dass das zügige Entladen auch dem Mitgliedsunternehmen der Klägerin diente und somit eine entsprechende Handlungstendenz zur Aufgabenerfüllung gegeben sei, soweit es darauf überhaupt ankäme.

Ein von der Klägerin betriebenes Schiedsverfahren bei der Schiedsstelle für Katasterfragen bei der D. e. V. und beim Spitzenverband S. wurde im Februar 2010 wegen fehlender Zuordnungsfragen eines Unternehmens zu einem Unfallversicherungs-träger als unzulässig zurückgewiesen.

Die Klägerin hat ihr Erstattungsbegehren weiterverfolgt und am 5. Mai 2010 Klage erhoben.

Angesichts der von der Klägerin weiter geleisteten monatlicher Rentenzahlung an die Witwe hat sie den Forderungsbetrag korrigiert und mit der Klage einen Gesamtbetrag von 14.922,97 Euro geltend gemacht.

Ihrer Auffassung nach sei die unfallbringende Tätigkeit des Versicherten allein dem Mitgliedsbetrieb der Beklagten zuzurechnen. Aus dem Handelsrecht ergebe sich keine Pflicht des Frachtführers für das Entladen. Hierfür seien entweder der Absender oder der Empfänger verantwortlich. Dass eine solche Pflicht zum Entladen des Transformators nicht für die J. GmbH, sondern für die Firma R. bestand, bestätigen sowohl der Speditionsauftrag und der Lieferschein, sowie das Fehlen einer Hebebühne bei dem eingesetzten Lkw. Das ergebe sich auch aus entsprechenden schriftlichen Bestätigungen der J. GmbH vom 26. November 2007 und des Herstellers des Transformators vom 1. Februar 2010 per E-Mail. Zudem habe der Versandleiter der Firma R. die Pflicht zum Entladen in seiner Zeugenaussage gegenüber der Polizei ausdrücklich bestätigt. Außerdem legen die Fehlerfeststellungen und zukünftigen Sicherungsmaßnahmen (Leihe eines Gabelstaplers mit ausreichender Tragfähigkeit) in dem Unfalluntersuchungsbericht des Technischen Aufsichtsdienstes vom 9. August 2007 eine alleinige Pflicht zum Entladen bei dem Mitgliedsbetrieb der Beklagten nahe. Der Versicherte sei zum Unfallzeitpunkt für den Mitgliedsbetrieb der Beklagten wie ein Beschäftigter tätig geworden. Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß),

es wird festgestellt, dass die Beklagte für die Entschädigung des Arbeitsunfalls von Herrn A. (geboren am xxxxx 1975) am 26. Juli 2007 der zuständige Unfallversicherungsträger ist.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Versicherte habe sich durch das helfende Schieben beim Entladen des Transformators nie von seiner Stammtätigkeit bei der J. GmbH gelöst. Der Versicherungsschutz als Beschäftigter habe Vorrang. Das ergebe sich auch aus § 135 Abs. 1 Nr. 7 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Im Übrigen sei der Verstorbene als Fahrer einer Speditionsfirma für die Ladung verantwortlich gewesen. Wenn sich Probleme beim Entladen abzeichnen, ergebe sich stets eine Pflicht für den Fahrer, das Transportmittel und die gelieferte Ware vor Schäden zu bewahren. Die Tätigkeit des Versicherten habe somit im direkten Interesse des Mitgliedbetriebes der Klägerin gestanden. Dass die Tätigkeit auch dem eigenen Mitgliedsbetrieb diente, bewerte sie als nachrangig.

Das Gericht hat zur Ermittlung des Sachverhalts die Verwaltungsakte der Klägerin und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten beigezogen.

Im Rahmen eines Erörterungstermins am 26. April 2013 haben die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte des Gerichts sowie der beigezogenen Akte Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung der Kammer.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung über den Rechtsstreit entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte für die Entschädigung des tödlichen Arbeitsunfalls des Versicherten am 26. Juli 2007 zuständig ist. Die Klägerin hat nicht als unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht. Der Arbeitsunfall ereignete sich in ihrem Zuständigkeitsbereich.

Die Anspruchsgrundlage für einen Erstattungsanspruch ist § 105 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungserbringer Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit er nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Die Voraussetzungen für eine Erstattung liegen nicht vor.

Ein Erstattungsanspruch als vorläufig leistender Träger nach § 102 Abs. 1 SGB X entfällt, denn die Klägerin hat keine vorläufigen und als solche bezeichneten Leistungen nach § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch i. V. m. § 139 SGB VII erbracht. Zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung an die Witwe, die im Anschluss an die Einsichtnahme der Klägerin in die staatsanwaltliche Ermittlungsakte im Oktober 2007 erfolgte, bestand zwischen den Beteiligten noch kein Zuständigkeitsstreit. Die Klägerin hat sich diesbezüglich erst im Februar 2008 an die Beklagte gewandt.

Die Klägerin hat nicht als unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht. Sie hat als zuständiger Leistungsträger anlässlich des Arbeitsunfalls des Versicherten am 26. Juli 2007 unter anderem Hinterbliebenenleistungen nach §§ 63 ff. SGB VII an die Witwe erbracht. Die Beklagte ist unzuständiger Leistungsträger. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 und 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach der gesetzlichen Legaldefinition von § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII handelt es sich bei Unfällen um zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Welche Tätigkeiten versichert sind, wird durch die §§ 2, 3 und 6 SGB VII nur indirekt bestimmt, weil diese Vorschriften lediglich versicherte Personengruppen nennen und die versicherten Tätigkeiten hierdurch nur mittelbar angesprochen werden. Gehört der Geschädigte bzw. Verstorbene zum Kreis der versicherten Personen, muss deshalb ermittelt werden, ob die konkrete zum Unfall führende Verrichtung auch dem versicherten Tätigkeitsbereich zugerechnet werden kann, also ob sie dazu in einem inneren sachlichen Zusammenhang stand (G. Wagner in juris PraxisKommentar-SGB VII, 1. Auflage 2009, § 8, Rn. 23).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist der innere sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Schaden stiftenden Verrichtung wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz reicht (vgl. etwa BSG Urteil vom 12. April 2005, Az.: B 2 11/04 R, BSGE 94, 262). Maßgeblich für die Zurechnung ist die sogenannte Handlungstendenz, mithin der durch objektive Umstände des Einzelfalles bestätigte und vom Handlungsmotiv getrennte Zweck des Handelns des Versicherten (vgl. etwa BSG Urteil vom 9. Dezember 2003, Az.: B 2 U 23/03 R = BSGE 91, 293).

Der Versicherte war zum Unfallzeitpunkt als Beschäftigter der J. GmbH eine versicherte Person nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG VII i. V. m. § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, als er infolge der versicherten Tätigkeit einen zum Tode führenden Unfall erlitten hat.

Das beim Entladen helfende Anschieben des Transformators von der Ladefläche des Lkw durch den Versicherten, gemeinsam mit den Mitarbeitern der Fima R., war nach Überzeugung der Kammer entsprechend des Gesamtbildes dazu bestimmt, der eigenen Firma J. GmbH wesentlich zu dienen und somit eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SBG VII.

Sein unterstützender Eingriff stand insbesondere in einem konkreten zeitlichen und auch einem örtlichen Zusammenhang mit seinem originären Beschäftigungsverhältnis bei dem Speditionsunternehmen. Der Versicherte war aus diesem Beschäftigungsverhältnis zum Warentransport und -anlieferung auf dem Gelände der Empfängerfirma R. in S1 bestimmt worden und konnte den Auftrag wegen des noch anhaltenden Entladevorgangs nicht beenden. Zudem befand er sich auf der Ladefläche des eigenen Lkw, welches sein Hauptarbeitsmittel darstellt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es nicht darauf an, dass die J. GmbH keine vertragsrechtliche Verpflichtung für das Entladen des Transformators hatte. Ohne eine handelsrechtliche Bewertung des für den Einsatz des Versicherten zu Grunde liegenden Vertragstyp als Frachtgeschäft - denn nur dieses kennt eine gesetzliche Regelung der Pflichtenverteilung nach § 421 Handelsgesetzbuch - oder als Speditionsgeschäft vorzunehmen, ergibt sich ein wesentliches Interesse der J. GmbH als Mitgliedsunternehmen der Klägerin an einem zügigen Entladen der Ware. Diese ausschließlich "rechtliche" Sicht der Klägerin über die vertragliche Ausgestaltung der "Entladeverpflichtungen im Transportgewerbe" hat für die unfallversicherungsrechtliche Zuordnung der versicherten Tätigkeit nur eine untergeordnete (unwesentliche) Bedeutung. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse des konkreten Einzelfalles, die die verbandsmäßige Zuordnung zum Versicherungstatbestand begründen.

Die konkrete Verrichtung des Versicherten gehörte als versicherte Tätigkeit objektiv zu seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung. Es gehört zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten eines Arbeitnehmers, durch geeignete Maßnahmen aufgrund der betrieblichen Tätigkeit mögliche entstehende Sachschäden gering zu halten und drohende weitere Schäden nach Möglichkeit abzuwenden.

Ein Arbeitsvertrag begründet für beide Vertragsparteien Schutz- und Verhaltenspflichten, die ihre allgemeine gesetzliche Grundlage in § 241 Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) haben und wegen der auf Dauer angelegten engen personalen Beziehungen (§ 613 BGB) im Arbeitsvertragsrecht besonders ausgeprägt sind.

Auf Arbeitnehmerseite zählt dazu insbesondere die sogenannte Treuepflicht und in ihrem Rahmen die Pflicht, sich bei der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses so zu verhalten, dass Leben, Körper, Eigentum und sonstige Rechtsgüter des Arbeitgebers nicht verletzt werden (vgl. hierzu BSG Urteil vom 18. März 2008 – Az.: B 2 U 12/07 R mit Anm. Mülheims in SGb 2008, 422-427).

Es spielt insoweit keine Rolle, dass sich die konkreten subjektiven Vorstellungen des Versicherten nicht mehr ermitteln lassen, denn die J. GmbH konnte durch das helfende Eingreifen ihres Fahrers objektiv betrachtet von dem Einsatz profitieren, als dass der Lkw hätte weiterfahren können und der Versicherte mit seiner Arbeitskraft und dem "entladenen" Lkw für weitere Aufträge dem Unternehmen zur Verfügung gestanden hätte. Ebenso ist es naheliegend davon auszugehen, dass der Eingriff des Versicherten auch dem Schutz von Rechtsgütern seines Arbeitsgebers diente, indem er den Lkw als Arbeitsmittel vor Schäden beim Entladen bewahren und hierbei gleichzeitig den Lkw überwachen konnte.

Auch wenn die Tätigkeit des Versicherten ebenfalls der Empfängerfirma R. zu Gute kam, so hat er sich nicht von seinem Stammunternehmen und seinem vertraglichen Beschäftigungsverhältnis gelöst. Selbst wenn zu unterstellen ist, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII vorliegen, denn der Versicherte verrichtete vor dem Unfallereignis (auch) eine Hilfeleistung, die eine ernste, dem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit war, dem Willen des Unternehmers entsprach, dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich war, ihrer Art nach von Personen verrichtet werden konnte, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und unter solchen Umständen geleistet wurden, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht, also konkret arbeitnehmerähnlich war.

Nach § 135 Abs. 1 Nr 7 SGB VII geht die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr 1 einer Versicherung nach § 2 Abs. 2 vor. Mit dieser Vorschrift soll gewährleistet werden, dass der Versicherungsschutz für eine einzelne Tätigkeit immer nur nach einem einzigen Versicherungstatbestand bestimmt und eine eindeutige Zuordnung zu einem Unfallversicherungsträger ermöglicht wird (vgl. Quabach, juris PraxisKommentar-SGB VII, 1. Auflage 2009, Stand 31. Mai 2012, § 135, Rn. 19).

Wo der Schwerpunkt der den Versicherungsschutz begründenden Verrichtung liegt, ist nach dem Gesetzestext ohne Bedeutung (vgl. BSG Urteil vom 18. März 2008 – Az.: B 2 U 12/07 R mit Anm. Mülheims in SGb 2008, 422-427). Zudem ist der Vorrang des Versicherungsschutzes von Beschäftigten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gegenüber dem nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII für sogenannte Wie-Beschäftigte im SGB VII bereits systematisch angelegt. Die zuletzt genannte Vorschrift stellt schon nach ihrer Stellung im Gesetz einen nachrangigen Auffangtatbestand für Personen dar, die nicht bereits als Beschäftigte versichert sind.

Das Nebeneinanderstehen beider Versicherungstatbestände setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass die Person überwiegend in der Sphäre eines anderen Unternehmens für dieses tätig wird (vgl. BSG Urteil vom 27. November 1986, Az.: 2 RU 13/86). Wenn eine Person aber objektiv auch für das eigene Beschäftigungsunternehmen tätig wird, bleibt für einen Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII kein Raum mehr (vgl. Quabach a. a. O. § 135, Rn. 35 mit Hinweis auf den deklaratorischen Charakter der Vorschrift).

Die Kammer weist im Übrigen daraufhin, dass der Versicherungsträger vorrangig für die Entschädigung eines Arbeitsunfalls zuständig sein soll, der für die versicherte Tätigkeit auch Beitragszahlungen von seinem Mitgliedsunternehmen erhält. Dies ist ebenfalls ein Grundsatz der gesetzlichen Unfallversicherung, der bei der wertenden Zurechnung der versicherten Tätigkeit zu beachten ist.

Etwas anderes könnte nach Auffassung der Kammer nur gelten, wenn sich ein Versicherter von seinem originären Beschäftigungsverhältnis tatsächlich "gelöst" hätte und es daher nicht mehr gerechtfertigt wäre, die unfallbringende Tätigkeit dem Stammunternehmen zuzurechnen (Grundsatz der Ablösung der Unternehmerhaftung).

Dies könnte dann der Fall sein, wenn ein Lkw-Fahrer von den Mitarbeitern des anderen Unternehmens gebeten wird, beispielsweise im Lager eine Hilfeleistung zu erbringen. Hierbei würde sich der Fahrer insbesondere auch örtlich von seinem Lkw (Arbeitsplatz) entfernen, so dass eine Zurechnung nicht mehr zu erfolgen hätte, denn eine solche Hilfeleistung wäre sicherlich keine arbeitsvertragliche Nebenpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis mehr, sondern könnte den Versicherungstatbestand einer Wie-Beschäftigung eröffnen. Eine solche "Konstellation" wäre wohl nicht mehr von § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII erfasst, sondern könnte unter § 135 Abs. 6 SGB VII fallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 S 1 Halbs 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs 3 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Die Höhe ergibt sich aus dem Interesse der Beteiligten. Die Klägerin hat im Termin am 26. April 2013 dieses aktuelle Interesse beziffert.
Rechtskraft
Aus
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