Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
40
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 217/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Feststellung des tödlichen Ereignisses vom 01.02.2008 als Arbeitsunfall.
Der Ehemann der Klägerin, Herr W.S. (im Folgenden: Verstorbener), nahm am 01.02.2008 an einem Fackelumzug, den die Narrenzunft G. e.V. veranstaltete, teil. Er war (Gründungs-)Mitglied des an dieser Veranstaltung teilnehmenden Vereins T. e.V ...
Die Veranstaltung wurde von der zuständigen Behörde, dem Landratsamtes B., mit Bescheid vom 11.12.2007 mit der Auflage genehmigt, dass der Veranstalter ausreichendes Ordnungspersonal bereitstellt. Der Verein G. e.V. setzte als Veranstalter für die teilnehmenden Vereine unter anderem die Richtlinie fest, dass diese insbesondere für die Großwagen, die am Umzug teilnehmen, mindestens zwei Personen bestimmen, die neben den Wagen als Sicherung herlaufen.
Der Verstorbene begleitete den am Umzug beteiligten und vom T. e.V. gestalteten Großwagen. Er lief neben dem Wagen her, welcher im Schritttempo bei der Veranstaltung fahren sollte. Im Bereich einer engen Kurve hielt der Verstorbene einen zu geringen Abstand zum Wagen, wurde von diesem erfasst und tödlich verletzt. Im Rahmen der Obduktion wurde beim Verstorbenen eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,81 Promille festgestellt.
Die Klägerin meldete mit Schreiben vom 21.05.2014 das Unfallereignis des Verstorbenen bei der Beklagten als Arbeitsunfall und begehrte Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Mit Bescheid vom 10.02.2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 01.02.2008 als Arbeitsunfall unter anderem mit der Begründung ab, der Verstorbene habe zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung als Wie-Beschäftigter gestanden. Der Verstorbene habe am Unfalltag keine Tätigkeit verrichtet, die nach den Gesamtumständen einem Beschäftigungsverhältnis ähnlich sei, wie dies von der Rechtsprechung zur Anerkennung als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gefordert werde. Er habe lediglich Aufgaben wahrgenommen, die ein Ausfluss seiner mitgliedschaftlichen Verbundenheit mit seinem Verein darstellen würden.
Mit Schreiben vom 06.03.2015 legte die Klägerin Widerspruch dagegen ein. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass der Verstorbene als Streckenposten für den Verein G. e.V. tätig gewesen sei, weil die Verpflichtung Streckenposten aufzustellen, den Veranstalter getroffen habe.
Die weiteren Ermittlungen der Beklagten ergaben unter anderem, dass der Veranstalter der G. e.V. für teilnehmende Vereine mit Wagen vorsah, dass pro Wagen mindestens 2 Begleitpersonen (aus der eigenen Gruppe), die neben dem Fahrzeug gehen und auf die Sicherheit der Teilnehmer und Zuschauer achten sollten, anwesend waren. In den Umzugsrichtlinien wird hierzu ausgeführt: "Jede Narrenzunft, Fußgängergruppe, Kleinwagen und insbesondere die Wagen, die an unseren Umzügen teilnehmen, haben mindestens 2 Personen ihrer Gruppe zu bestimmen, die neben der Gruppe bzw. dem Wagen herlaufen. Diese Personen haben darauf zu achten, dass sich keiner zum Beispiel der Zugmaschine oder dem Wagen nähert, sodass ihm ein Schaden entstehen könnte.". Diese Veranstaltungsrichtlinien wurden vom Verantwortlichen des T. e.V. unterschrieben und zur Kenntnis genommen. Aus den beigezogenen polizeilichen/staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergibt sich, dass der Verstorbene als solcher "Ordner/Posten" vom T. e.V. eingesetzt wurde.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2015 zurück. Auf Nachfrage beim T. e.V. habe sich herausgestellt, dass der Verstorbene nicht als Streckenposten eingesetzt gewesen sei, sondern als Ordner die Aufgabe hatte, den Großwagen zu begleiten. Die Streckenposten seien von dem Veranstalter, dem G. e.V. bereitgestellt worden. Seine Position könne aber auch dahingestellt bleiben, weil der Verstorbene jedenfalls für seinen Verein tätig wurde und keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausgeübt habe.
Dagegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.08.2015 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass der Verstorbene nicht für seinen Verein tätig war, sondern als Streckenposten für den Veranstalter.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich (sinngemäß gefasst),
den Bescheid der Beklagten vom 10.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2015 aufzuheben und festzustellen, dass das Unfallereignis des Herrn W.S. vom 01.02.2008 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Verstorbene für den T. e.V. tätig geworden sei und daher eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit nicht vorgelegen habe.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierfür ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 10.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass ihr verstorbener Ehemann, Herr W.S., am 01.02.2008 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Der Verstorbene stand nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, denn er verrichtete zurzeit des Unfallereignisses keine versicherte Tätigkeit.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte zurzeit des Unfalls durch eine Verrichtung den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt; nur dann liegt kraft Gesetzes ein Versicherungstatbestand vor (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 14. November 2013 - B 2 U 15/12 R – in juris).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Verstorbene hat zurzeit des Unfalls keine den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit verrichtet.
1.) Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter kommt nicht in Betracht, denn der Verstorbene stand zum Unfallzeitpunkt mangels einer persönlichen bzw. wirtschaftlichen Abhängigkeit in keinem Beschäftigungsverhältnis zum T. e.V., noch zum Veranstalter des Fackelumzuges, der Narrenzunft G. e.V ...
2.) Der Verstorbene stand auch nicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII als so genannter "Wie-Beschäftigter" zum Unfallzeitpunkt unter Versicherungsschutz. Die ständige sozialgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BSG Urteil vom 31. Mai 2005 - B 2 U 35/04 R in NZS 2006, 257-259; Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 5/11 R in juris; weitere Nachweise zur Rechtsprechung: Kruschinsky in Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) - Kommentar der gesetzlichen Unfallversicherung, § 2 SGB VII RdNrn. 805ff.) hat zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII im Wesentlichen folgende Kriterien entwickelt:
• es muss sich um eine ernste, dem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit handeln (Handlungstendenz), • sie muss dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen, • die Tätigkeit muss dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sein, d.h. ihrer Art nach von Personen verrichtet werden können, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen können und • unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht, also konkret arbeitnehmerähnlich ist.
Eine Eingliederung in das fremde Unternehmen ist genauso wenig erforderlich wie die persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer, denn dann wäre bereits Versicherungsschutz über ein begründetes Beschäftigungsverhältnis gegeben. Es ist auch regelmäßig unerheblich, ob der wirtschaftliche Wert der Arbeit gering oder hoch ist und auf welchen Beweggründen (Motiv) das Handeln zurückzuführen ist. Maßgeblich sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse, die sich aus den konkreten Umständen und dem Gesamtbild einer Tätigkeit ergeben.
Insgesamt sind die vorgenannten (Wertungs-)Kriterien keine Tatbestandsmerkmale, sondern sie dienen der Beurteilung, ob eine Tätigkeit, "infolge" der sich ein Unfall ereignet, als versicherte Tätigkeit zu werten ist (sog. innerer oder sachlicher Zusammenhang). Hierbei ist zu entscheiden, ob die Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht (ständige Rechtsprechung, vgl. BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70 S 197; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 32 S 113; zuletzt BSGE 94, 262, 263 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14, jeweils RdNr. 6 mwN). Bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ist weiter zu beachten, dass nicht jede Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigtenähnlich verrichtet werden muss.
Es kann insoweit offenbleiben, ob die ersten drei, der von der Rechtsprechung entwickelten, Kriterien erfüllt sind, denn die Tätigkeit des Verstorbenen wurde nicht unter solchen Umständen geleistet, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht, also konkret arbeitnehmerähnlich ist. Der Vorstorbene war vielmehr aufgrund der Sonderbeziehung (Vereinsmitglied) zum T. e.V. tätig, als er tödlich verunglückte. Auch als "Streckenposten/Ordner" des Veranstalters des Fackelumzuges der Narrenzunft G. e.V. wurde er nicht tätig.
Nach den äußeren Umständen und der Handlungstendenz stellt die Kammer fest, dass der Verstorbene für den T. e.V. tätig wurde. Für diesen Verein bestand nach den Richtlinien des Veranstalters die Verpflichtung, zwei Begleitpersonen abzustellen, die neben dem Wagen zu gehen hatten. Die Handlungstendenz gibt nach den objektiven Umständen Aufschluss darüber, welches Unternehmen in erster Linie wesentlich unterstützt werden soll. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit muss diese Handlungstendenz wesentlich auf die Belange des fremden Unternehmens gerichtet sein, damit die Handlung diesem Unternehmen zugerechnet werden kann. Aus den Ermittlungsergebnissen der Beklagten ergibt sich für die Kammer, dass der Verstorbene einer dieser vorgeschriebenen Begleitpersonen war, die der T. e.V. bei der Teilnahme und zur Sicherung seines Großwagens einsetzen musste. Damit wurde unmittelbar die Tätigkeit des T. e.V. unterstützt und nicht die des Veranstalters.
Die Kammer kann, entgegen der Auffassung der Klägerin, nicht feststellen, dass der Verstorbene für den Veranstalter tätig werden wollte/sollte. Die (äußeren) Gesamtumstände sprechen bereits dagegen. Der Umstand, dass die zuständige Behörde dem Veranstalter die Auflage erteilt hat, auch Streckenposten zur Sicherung des Fackelumzuges aufzustellen, ist kein Beleg dafür, dass der Verstorbene zum Unfallzeitpunkt diese konkrete Aufgabe des Veranstalters erfüllen wollte. Die Auflage des Landratsamtes B. vom 11.12.2007 gab gerade auch in Bezug auf die "Ordner" vor, dass diese Ordner vom Veranstalter vorher genau eingewiesen werden und weiße Armbinden mit der Aufschrift "Ordner" tragen mussten. Dies war beim Verstorbenen gerade nicht der Fall. Auch die Veranstaltungsleiterin, Frau M.B., hat in ihrer Zeugenaussage am 02.02.2008 ausgeführt, dass sie die "T." nur gefragt habe, wer der Fahrer sei. Sie hat jedenfalls keinen "T." als Ordner oder Streckenposten des Veranstalters benannt, ausgewählt oder eingewiesen, insbesondere nicht den Verstorbenen. Eine zurechenbare Tätigkeit für den Veranstalter scheidet mithin aus.
Eine konkret arbeitnehmerähnliche Tätigkeit verrichtete der Verstorbene zum Unfallzeitpunkt nicht. Die Tätigkeit wurde durch die Sonderbeziehung "Vereinsmitglied" zum T. e.V. wesentlich geprägt. Tätigkeiten aufgrund einer mitgliedschaftsrechtlichen Verpflichtung sind grundsätzlich vom Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII ausgeschlossen, denn solche Tätigkeiten ähneln nicht denen eines Beschäftigungs-verhältnisses. Die Kammer stellt fest, dass die Tätigkeit eine Verrichtung im Rahmen dieser Sonderbeziehung als "Mitglied" des Vereines war.
Der Begriff "Sonderbeziehung" (vgl. SG Hamburg, Urteil vom 20. Februar 2004 - S 40 U 163/03 und vom 21. September 2012 - S 40 U 288/11 beide in juris) ist von der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG Urteil vom 31. Mai 2005 - B 2 U 35/04 R in NZS 2006, 257-259; zuletzt Urteil vom 27. März 2012 – B 2 U 5/11 R in juris) und einigen Landessozialgerichten (z.B. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 31.August 2012 - L 8 U 4142/10; Bayerisches LSG Urteil vom 19. Januar 2012 - L 17 U 575/10; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 31. Mai 2011 - L 9 U 245/08 alle in juris) übernommen worden und soll insgesamt helfen, den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII in der Handhabung und Rechtsanwendung vorhersehbar zu machen. Eine solche sozial geprägte Sonderbeziehung liegt sowohl bei Verwandtschafts-, Freundschafts- und Nachbarschaftsverhältnissen als auch bei Mitgliedschaften in Vereinen und ähnlichen Gemeinschaften vor (zuletzt BSG Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 5/11 R in Juris).
Handelt es sich um eine selbstverständliche Hilfeleistung oder ist die Tätigkeit durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder sozial geprägten Beziehung gekennzeichnet, so fehlt es regelmäßig an einer konkreten Arbeitnehmerähnlichkeit. Selbstverständliche Hilfeleistungen sind solche, die sich ausgehend von der sozial geprägten Sonderbeziehung in einem üblichen und zu erwartenden Rahmen bewegen bzw. dem Vereinszweck entsprechen.
Es kommt entscheidend darauf an, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Tätigkeit nach Art und Umfang wie ein Beschäftigter oder als Vereinsmitglied, als Freund oder als Verwandter durchgeführt wird (so Krasney in VSSR 1993, 81, 88 "Abgrenzung der Risiken in der gesetzlichen Unfallversicherung"). Der zeitliche Umfang spielt nur eine untergeordnete Rolle, weil die Ursächlichkeit der Hilfeleistung in der konkreten Sonderbeziehung begründet ist und ein eigenwirtschaftlicher Charakter im Vordergrund steht. Die Zurechnung einer Hilfeleistung als versicherte Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII scheitert daran, dass nicht das "Verrichten einer Arbeitsleistung für einen Dritten (fremden Unternehmer)", sondern die Verrichtung mit der Handlungstendenz "Pflege der Freundschaft" bzw. "Tätigkeit im Rahmen des Vereinszweckes" als unversicherte, eigenwirtschaftliche Tätigkeit im Vordergrund stand und damit allein rechtlich wesentlich war.
Diese von der Rechtsprechung und der Literatur entwickelten Grundsätze sind im Rahmen einer "Sonderbeziehung" zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII weiter zu entwickeln, so dass nach Ansicht der Kammer eine "Arbeitsleistung" im Rahmen einer Sonderbeziehung den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII grundsätzlich als unversicherte Tätigkeit ausschließt.
Die Art, der Umfang und die zeitliche Dauer einer Hilfeleistung sind nach Auffassung der Kammer grundsätzlich untaugliche Kriterien für die Bestimmung und Reichweite des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 2 S 1 SGB VII. Der Versicherungsschutz kann bisher nicht (rechts-)einheitlich aufgrund der Art, der Dauer oder des zeitlichen Umfanges bestimmt werden, wie dies die unterschiedlichsten Entscheidungen innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit zu § 539 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und zu § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII zeigen, die zu einer unübersichtlichen Kasuistik geführt haben.
Auch die wenigen wegweisenden Entscheidungen des BSG haben die vielen möglichen Fallkonstellationen nicht genügend abdecken und die notwendige Rechtssicherheit schaffen können.
Eine Tätigkeit im Rahmen der Sonderbeziehung zu einem Verein kann nicht nach der Art, der Dauer oder des zeitlichen Umfanges bestimmt werden, denn eine solche Tätigkeit ist wesentlich durch die besonderen (zum Teil auch satzungsrechtlichen) Regelungen und den Vereinszweck bestimmt. Insbesondere kann regelmäßig nicht objektiv festgestellt werden, wie ausgeprägt die tatsächliche "Arbeits-"Bereitschaft des einzelnen Vereinsmitgliedes ist. Die innere Tatsache als Ausprägung der Handlungstendenz, ob und inwieweit jemand bereit ist, im Rahmen der Sonderbeziehung zum Verein eine Arbeitsleistung zu verrichten und damit ggf. den "satzungsgemäßen Verpflichtungen/Erwartungen" zu entsprechen, ist regelmäßig ungeeignet. Denn es ist nicht erforderlich, dass alle Vereinsmitglieder in genau dem gleichen Umfang für den Verein tätig werden. Es entspricht vielmehr der Wirklichkeit, dass einige Vereinsmitglieder mehr, andere weniger Dienste bzw. Tätigkeiten für den Verein verrichten (vgl. BSG Urteil vom 22. September 1988 - 2/9b RU 78/87 in HV-INFO 1988, 2178-2182).
Dies entspricht insgesamt dem sozialpolitischen Zweck des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII, denn es sollen Arbeitsleistungen für "fremde" Unternehmen, auch wenn diese nur sehr kurzzeitig und von geringem wirtschaftlichen Wert sind, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Der Gesetzgeber hat sich bei der Kodifizierung des SGB VII bewusst dafür entschieden, dass der Versicherungsschutz für Wie-Beschäftigte ohne eine zeitliche Limitierung weiterbesteht, wie dies in § 539 Abs. 2 RVO und seit Einführung der Vorschrift zum 1. Januar 1942 als § 537 Nr. 10 RVO der Fall war. Im Vorfeld der Kodifizierung des SGB VII wurde hierüber kontrovers diskutiert. So schlug Keller vor, den Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift nur zu gewähren, " ...sofern die versicherten Tätigkeiten von einer Dauer von insgesamt wenigstens acht Arbeitsstunden für ein fremdes Unternehmen, das kein rein privates Unternehmen ist, verrichten." (siehe Keller "Soll der Unfallversicherungsschutz bei arbeitnehmerähnlichen Tätigkeiten - § 539 Abs. 2 RVO - unverändert beibehalten bleiben?" in Die Sozialversicherung 1994, 323, 325).
Der Gesetzgeber hat diesen Vorschlag bei der Transformation des 3. Buches der RVO in das SGB VII nicht aufgegriffen und übernommen, weil der Sinn und Zweck der Vorschrift darin besteht, eine Hilfeleistung für ein fremdes Unternehmen ohne zeitliche Beschränkung oder Eingrenzung unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen. Der Gesetzgeber hat aber mit der Einführung des SGB VII eine (leichte) Einschränkung des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII im Vergleich zur Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 2 RVO (vorher § 537 Nr. 10 RVO) vorgenommen, in dem seit dem 1. Januar 1997 Versicherungsschutz nur noch für Personen gewährt wird, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte (Beschäftigte) tätig werden. Die vorherigen Regelungen der RVO bezogen sich noch auf alle Tatbestände des § 539 Abs. 1 RVO und vorher auf § 537 Nr. 1-9 RVO. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber den Versicherungsschutz auf jeden Fall nicht ausdehnen, sondern eher einschränken wollte (vgl. BT-Drucks. 13/2204 S. 75f). So sind etwa die Fälle ausgeschlossen, bei denen beispielsweise umfangreiche Bauarbeiten ausgeführt werden, die nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII (vormals § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO) versichert sind, aber möglicherweise "wie" von einem entsprechenden Versicherten (i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII) verrichtet werden.
Nach ständiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung sind Arbeitsleistungen von Vereinsmitgliedern, die auf mitgliedschaftsrechtlicher Verpflichtung zum Verein beruhen, sich insbesondere aus der Satzung oder eines Vereinsbeschlusses ergeben, regelmäßig nicht versichert (vgl. BSG Urt. v. 22. September 1988 - 2/9b RU 78/87 in HV-INFO 1988, 2178-2182).
Die Kammer ist der Überzeugung und stellt fest, dass der Verstorbene eine entsprechende mitgliedschaftsrechtliche Verpflichtung bzw. "Hilfeleistung" zu Gunsten des T. e.V. am 01.02.2008 erfüllt hat, als er als Mitglied durch seine aktive Handlung in Form des "Begleitens" des Umzugswagens tätig wurde und hierbei tödlich verunfallte. Dies gilt umso mehr, als der Verstorbene sogar ein Gründungsmitglied "seines" Vereines war.
Es spielt insoweit rechtlich keine wesentliche Rolle, dass der zum Unfallzeitpunkt 1. Vorsitzende des Vereins, Herr G.S., in seiner Aussage bei der Polizei am 15.02.2008 unter anderem bekundet hat: "Ich muss dazu sagen, wir sind bei den Umzügen nie als Verein aufgetreten. Man hat sich zwar im Verein getroffen und das vereinbart, aber das war eigentlich eine private Teilnahme an den Umzügen. Bei dem Wagen haben wir gesagt, das ist Werbung für den Verein, daher haben wir das auch nach außen sichtbar werden lassen. Daher bin ich als Verantwortlicher benannt, da das ganze über den Verein lief und ich der 1. Vorstand bin." Der Verstorbene hat den Umzugswagen des Vereines begleitet, weil dies vom Veranstalter von den teilnehmenden Vereinen gefordert wurde. Nur mit zwei Begleitpersonen – aus der eigenen Gruppe – war für es für den T. e.V. möglich, an dem Umzug teilzunehmen und "Werbung" für den eigenen Verein zu machen. Damit entsprach die Tätigkeit der vereinsmäßigen Verpflichtung, die seit Jahren regelmäßig durch die Teilnahme des Vereines an solchen Umzügen gepflegt wurde und hierbei durch den Verstorbenen als Mitglied im Rahmen des Vereinszwecks erfüllt wurde. Hierbei spielen grundsätzlich die Art, der Umfang und die Zeitdauer der verrichteten Hilfeleistungen keine Rolle, solange es sich um einen Ausfluss des Vereinszwecks handelte.
Abschließend weist die Kammer daraufhin, dass die festgestellte Alkoholisierung mit einem BAK-Wert von 1,81 Promille im Blut des Verstorbenen keinen Einfluss auf den Versicherungsschutz hat, denn es sind weder alkoholtypische Ausfallerscheinungen festgestellt worden, noch kann der Alkohol vorliegend als alleinige Wirkursache für das Unfallereignis festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Feststellung des tödlichen Ereignisses vom 01.02.2008 als Arbeitsunfall.
Der Ehemann der Klägerin, Herr W.S. (im Folgenden: Verstorbener), nahm am 01.02.2008 an einem Fackelumzug, den die Narrenzunft G. e.V. veranstaltete, teil. Er war (Gründungs-)Mitglied des an dieser Veranstaltung teilnehmenden Vereins T. e.V ...
Die Veranstaltung wurde von der zuständigen Behörde, dem Landratsamtes B., mit Bescheid vom 11.12.2007 mit der Auflage genehmigt, dass der Veranstalter ausreichendes Ordnungspersonal bereitstellt. Der Verein G. e.V. setzte als Veranstalter für die teilnehmenden Vereine unter anderem die Richtlinie fest, dass diese insbesondere für die Großwagen, die am Umzug teilnehmen, mindestens zwei Personen bestimmen, die neben den Wagen als Sicherung herlaufen.
Der Verstorbene begleitete den am Umzug beteiligten und vom T. e.V. gestalteten Großwagen. Er lief neben dem Wagen her, welcher im Schritttempo bei der Veranstaltung fahren sollte. Im Bereich einer engen Kurve hielt der Verstorbene einen zu geringen Abstand zum Wagen, wurde von diesem erfasst und tödlich verletzt. Im Rahmen der Obduktion wurde beim Verstorbenen eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,81 Promille festgestellt.
Die Klägerin meldete mit Schreiben vom 21.05.2014 das Unfallereignis des Verstorbenen bei der Beklagten als Arbeitsunfall und begehrte Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Mit Bescheid vom 10.02.2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 01.02.2008 als Arbeitsunfall unter anderem mit der Begründung ab, der Verstorbene habe zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung als Wie-Beschäftigter gestanden. Der Verstorbene habe am Unfalltag keine Tätigkeit verrichtet, die nach den Gesamtumständen einem Beschäftigungsverhältnis ähnlich sei, wie dies von der Rechtsprechung zur Anerkennung als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gefordert werde. Er habe lediglich Aufgaben wahrgenommen, die ein Ausfluss seiner mitgliedschaftlichen Verbundenheit mit seinem Verein darstellen würden.
Mit Schreiben vom 06.03.2015 legte die Klägerin Widerspruch dagegen ein. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass der Verstorbene als Streckenposten für den Verein G. e.V. tätig gewesen sei, weil die Verpflichtung Streckenposten aufzustellen, den Veranstalter getroffen habe.
Die weiteren Ermittlungen der Beklagten ergaben unter anderem, dass der Veranstalter der G. e.V. für teilnehmende Vereine mit Wagen vorsah, dass pro Wagen mindestens 2 Begleitpersonen (aus der eigenen Gruppe), die neben dem Fahrzeug gehen und auf die Sicherheit der Teilnehmer und Zuschauer achten sollten, anwesend waren. In den Umzugsrichtlinien wird hierzu ausgeführt: "Jede Narrenzunft, Fußgängergruppe, Kleinwagen und insbesondere die Wagen, die an unseren Umzügen teilnehmen, haben mindestens 2 Personen ihrer Gruppe zu bestimmen, die neben der Gruppe bzw. dem Wagen herlaufen. Diese Personen haben darauf zu achten, dass sich keiner zum Beispiel der Zugmaschine oder dem Wagen nähert, sodass ihm ein Schaden entstehen könnte.". Diese Veranstaltungsrichtlinien wurden vom Verantwortlichen des T. e.V. unterschrieben und zur Kenntnis genommen. Aus den beigezogenen polizeilichen/staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergibt sich, dass der Verstorbene als solcher "Ordner/Posten" vom T. e.V. eingesetzt wurde.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2015 zurück. Auf Nachfrage beim T. e.V. habe sich herausgestellt, dass der Verstorbene nicht als Streckenposten eingesetzt gewesen sei, sondern als Ordner die Aufgabe hatte, den Großwagen zu begleiten. Die Streckenposten seien von dem Veranstalter, dem G. e.V. bereitgestellt worden. Seine Position könne aber auch dahingestellt bleiben, weil der Verstorbene jedenfalls für seinen Verein tätig wurde und keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit ausgeübt habe.
Dagegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.08.2015 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass der Verstorbene nicht für seinen Verein tätig war, sondern als Streckenposten für den Veranstalter.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich (sinngemäß gefasst),
den Bescheid der Beklagten vom 10.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2015 aufzuheben und festzustellen, dass das Unfallereignis des Herrn W.S. vom 01.02.2008 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Verstorbene für den T. e.V. tätig geworden sei und daher eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit nicht vorgelegen habe.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierfür ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die Anfechtungs- und Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 10.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass ihr verstorbener Ehemann, Herr W.S., am 01.02.2008 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Der Verstorbene stand nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, denn er verrichtete zurzeit des Unfallereignisses keine versicherte Tätigkeit.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte zurzeit des Unfalls durch eine Verrichtung den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt; nur dann liegt kraft Gesetzes ein Versicherungstatbestand vor (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 14. November 2013 - B 2 U 15/12 R – in juris).
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Verstorbene hat zurzeit des Unfalls keine den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit verrichtet.
1.) Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter kommt nicht in Betracht, denn der Verstorbene stand zum Unfallzeitpunkt mangels einer persönlichen bzw. wirtschaftlichen Abhängigkeit in keinem Beschäftigungsverhältnis zum T. e.V., noch zum Veranstalter des Fackelumzuges, der Narrenzunft G. e.V ...
2.) Der Verstorbene stand auch nicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII als so genannter "Wie-Beschäftigter" zum Unfallzeitpunkt unter Versicherungsschutz. Die ständige sozialgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BSG Urteil vom 31. Mai 2005 - B 2 U 35/04 R in NZS 2006, 257-259; Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 5/11 R in juris; weitere Nachweise zur Rechtsprechung: Kruschinsky in Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) - Kommentar der gesetzlichen Unfallversicherung, § 2 SGB VII RdNrn. 805ff.) hat zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII im Wesentlichen folgende Kriterien entwickelt:
• es muss sich um eine ernste, dem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit handeln (Handlungstendenz), • sie muss dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen, • die Tätigkeit muss dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich sein, d.h. ihrer Art nach von Personen verrichtet werden können, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen können und • unter solchen Umständen geleistet werden, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht, also konkret arbeitnehmerähnlich ist.
Eine Eingliederung in das fremde Unternehmen ist genauso wenig erforderlich wie die persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom Unternehmer, denn dann wäre bereits Versicherungsschutz über ein begründetes Beschäftigungsverhältnis gegeben. Es ist auch regelmäßig unerheblich, ob der wirtschaftliche Wert der Arbeit gering oder hoch ist und auf welchen Beweggründen (Motiv) das Handeln zurückzuführen ist. Maßgeblich sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse, die sich aus den konkreten Umständen und dem Gesamtbild einer Tätigkeit ergeben.
Insgesamt sind die vorgenannten (Wertungs-)Kriterien keine Tatbestandsmerkmale, sondern sie dienen der Beurteilung, ob eine Tätigkeit, "infolge" der sich ein Unfall ereignet, als versicherte Tätigkeit zu werten ist (sog. innerer oder sachlicher Zusammenhang). Hierbei ist zu entscheiden, ob die Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht (ständige Rechtsprechung, vgl. BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr. 70 S 197; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 32 S 113; zuletzt BSGE 94, 262, 263 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14, jeweils RdNr. 6 mwN). Bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ist weiter zu beachten, dass nicht jede Tätigkeit, die einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist, beschäftigtenähnlich verrichtet werden muss.
Es kann insoweit offenbleiben, ob die ersten drei, der von der Rechtsprechung entwickelten, Kriterien erfüllt sind, denn die Tätigkeit des Verstorbenen wurde nicht unter solchen Umständen geleistet, dass sie im Einzelfall der Tätigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses entspricht, also konkret arbeitnehmerähnlich ist. Der Vorstorbene war vielmehr aufgrund der Sonderbeziehung (Vereinsmitglied) zum T. e.V. tätig, als er tödlich verunglückte. Auch als "Streckenposten/Ordner" des Veranstalters des Fackelumzuges der Narrenzunft G. e.V. wurde er nicht tätig.
Nach den äußeren Umständen und der Handlungstendenz stellt die Kammer fest, dass der Verstorbene für den T. e.V. tätig wurde. Für diesen Verein bestand nach den Richtlinien des Veranstalters die Verpflichtung, zwei Begleitpersonen abzustellen, die neben dem Wagen zu gehen hatten. Die Handlungstendenz gibt nach den objektiven Umständen Aufschluss darüber, welches Unternehmen in erster Linie wesentlich unterstützt werden soll. Bei der zum Unfall führenden Tätigkeit muss diese Handlungstendenz wesentlich auf die Belange des fremden Unternehmens gerichtet sein, damit die Handlung diesem Unternehmen zugerechnet werden kann. Aus den Ermittlungsergebnissen der Beklagten ergibt sich für die Kammer, dass der Verstorbene einer dieser vorgeschriebenen Begleitpersonen war, die der T. e.V. bei der Teilnahme und zur Sicherung seines Großwagens einsetzen musste. Damit wurde unmittelbar die Tätigkeit des T. e.V. unterstützt und nicht die des Veranstalters.
Die Kammer kann, entgegen der Auffassung der Klägerin, nicht feststellen, dass der Verstorbene für den Veranstalter tätig werden wollte/sollte. Die (äußeren) Gesamtumstände sprechen bereits dagegen. Der Umstand, dass die zuständige Behörde dem Veranstalter die Auflage erteilt hat, auch Streckenposten zur Sicherung des Fackelumzuges aufzustellen, ist kein Beleg dafür, dass der Verstorbene zum Unfallzeitpunkt diese konkrete Aufgabe des Veranstalters erfüllen wollte. Die Auflage des Landratsamtes B. vom 11.12.2007 gab gerade auch in Bezug auf die "Ordner" vor, dass diese Ordner vom Veranstalter vorher genau eingewiesen werden und weiße Armbinden mit der Aufschrift "Ordner" tragen mussten. Dies war beim Verstorbenen gerade nicht der Fall. Auch die Veranstaltungsleiterin, Frau M.B., hat in ihrer Zeugenaussage am 02.02.2008 ausgeführt, dass sie die "T." nur gefragt habe, wer der Fahrer sei. Sie hat jedenfalls keinen "T." als Ordner oder Streckenposten des Veranstalters benannt, ausgewählt oder eingewiesen, insbesondere nicht den Verstorbenen. Eine zurechenbare Tätigkeit für den Veranstalter scheidet mithin aus.
Eine konkret arbeitnehmerähnliche Tätigkeit verrichtete der Verstorbene zum Unfallzeitpunkt nicht. Die Tätigkeit wurde durch die Sonderbeziehung "Vereinsmitglied" zum T. e.V. wesentlich geprägt. Tätigkeiten aufgrund einer mitgliedschaftsrechtlichen Verpflichtung sind grundsätzlich vom Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII ausgeschlossen, denn solche Tätigkeiten ähneln nicht denen eines Beschäftigungs-verhältnisses. Die Kammer stellt fest, dass die Tätigkeit eine Verrichtung im Rahmen dieser Sonderbeziehung als "Mitglied" des Vereines war.
Der Begriff "Sonderbeziehung" (vgl. SG Hamburg, Urteil vom 20. Februar 2004 - S 40 U 163/03 und vom 21. September 2012 - S 40 U 288/11 beide in juris) ist von der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG Urteil vom 31. Mai 2005 - B 2 U 35/04 R in NZS 2006, 257-259; zuletzt Urteil vom 27. März 2012 – B 2 U 5/11 R in juris) und einigen Landessozialgerichten (z.B. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 31.August 2012 - L 8 U 4142/10; Bayerisches LSG Urteil vom 19. Januar 2012 - L 17 U 575/10; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 31. Mai 2011 - L 9 U 245/08 alle in juris) übernommen worden und soll insgesamt helfen, den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII in der Handhabung und Rechtsanwendung vorhersehbar zu machen. Eine solche sozial geprägte Sonderbeziehung liegt sowohl bei Verwandtschafts-, Freundschafts- und Nachbarschaftsverhältnissen als auch bei Mitgliedschaften in Vereinen und ähnlichen Gemeinschaften vor (zuletzt BSG Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 5/11 R in Juris).
Handelt es sich um eine selbstverständliche Hilfeleistung oder ist die Tätigkeit durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder sozial geprägten Beziehung gekennzeichnet, so fehlt es regelmäßig an einer konkreten Arbeitnehmerähnlichkeit. Selbstverständliche Hilfeleistungen sind solche, die sich ausgehend von der sozial geprägten Sonderbeziehung in einem üblichen und zu erwartenden Rahmen bewegen bzw. dem Vereinszweck entsprechen.
Es kommt entscheidend darauf an, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Tätigkeit nach Art und Umfang wie ein Beschäftigter oder als Vereinsmitglied, als Freund oder als Verwandter durchgeführt wird (so Krasney in VSSR 1993, 81, 88 "Abgrenzung der Risiken in der gesetzlichen Unfallversicherung"). Der zeitliche Umfang spielt nur eine untergeordnete Rolle, weil die Ursächlichkeit der Hilfeleistung in der konkreten Sonderbeziehung begründet ist und ein eigenwirtschaftlicher Charakter im Vordergrund steht. Die Zurechnung einer Hilfeleistung als versicherte Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII scheitert daran, dass nicht das "Verrichten einer Arbeitsleistung für einen Dritten (fremden Unternehmer)", sondern die Verrichtung mit der Handlungstendenz "Pflege der Freundschaft" bzw. "Tätigkeit im Rahmen des Vereinszweckes" als unversicherte, eigenwirtschaftliche Tätigkeit im Vordergrund stand und damit allein rechtlich wesentlich war.
Diese von der Rechtsprechung und der Literatur entwickelten Grundsätze sind im Rahmen einer "Sonderbeziehung" zum Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII weiter zu entwickeln, so dass nach Ansicht der Kammer eine "Arbeitsleistung" im Rahmen einer Sonderbeziehung den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII grundsätzlich als unversicherte Tätigkeit ausschließt.
Die Art, der Umfang und die zeitliche Dauer einer Hilfeleistung sind nach Auffassung der Kammer grundsätzlich untaugliche Kriterien für die Bestimmung und Reichweite des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 2 S 1 SGB VII. Der Versicherungsschutz kann bisher nicht (rechts-)einheitlich aufgrund der Art, der Dauer oder des zeitlichen Umfanges bestimmt werden, wie dies die unterschiedlichsten Entscheidungen innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit zu § 539 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und zu § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII zeigen, die zu einer unübersichtlichen Kasuistik geführt haben.
Auch die wenigen wegweisenden Entscheidungen des BSG haben die vielen möglichen Fallkonstellationen nicht genügend abdecken und die notwendige Rechtssicherheit schaffen können.
Eine Tätigkeit im Rahmen der Sonderbeziehung zu einem Verein kann nicht nach der Art, der Dauer oder des zeitlichen Umfanges bestimmt werden, denn eine solche Tätigkeit ist wesentlich durch die besonderen (zum Teil auch satzungsrechtlichen) Regelungen und den Vereinszweck bestimmt. Insbesondere kann regelmäßig nicht objektiv festgestellt werden, wie ausgeprägt die tatsächliche "Arbeits-"Bereitschaft des einzelnen Vereinsmitgliedes ist. Die innere Tatsache als Ausprägung der Handlungstendenz, ob und inwieweit jemand bereit ist, im Rahmen der Sonderbeziehung zum Verein eine Arbeitsleistung zu verrichten und damit ggf. den "satzungsgemäßen Verpflichtungen/Erwartungen" zu entsprechen, ist regelmäßig ungeeignet. Denn es ist nicht erforderlich, dass alle Vereinsmitglieder in genau dem gleichen Umfang für den Verein tätig werden. Es entspricht vielmehr der Wirklichkeit, dass einige Vereinsmitglieder mehr, andere weniger Dienste bzw. Tätigkeiten für den Verein verrichten (vgl. BSG Urteil vom 22. September 1988 - 2/9b RU 78/87 in HV-INFO 1988, 2178-2182).
Dies entspricht insgesamt dem sozialpolitischen Zweck des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII, denn es sollen Arbeitsleistungen für "fremde" Unternehmen, auch wenn diese nur sehr kurzzeitig und von geringem wirtschaftlichen Wert sind, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Der Gesetzgeber hat sich bei der Kodifizierung des SGB VII bewusst dafür entschieden, dass der Versicherungsschutz für Wie-Beschäftigte ohne eine zeitliche Limitierung weiterbesteht, wie dies in § 539 Abs. 2 RVO und seit Einführung der Vorschrift zum 1. Januar 1942 als § 537 Nr. 10 RVO der Fall war. Im Vorfeld der Kodifizierung des SGB VII wurde hierüber kontrovers diskutiert. So schlug Keller vor, den Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift nur zu gewähren, " ...sofern die versicherten Tätigkeiten von einer Dauer von insgesamt wenigstens acht Arbeitsstunden für ein fremdes Unternehmen, das kein rein privates Unternehmen ist, verrichten." (siehe Keller "Soll der Unfallversicherungsschutz bei arbeitnehmerähnlichen Tätigkeiten - § 539 Abs. 2 RVO - unverändert beibehalten bleiben?" in Die Sozialversicherung 1994, 323, 325).
Der Gesetzgeber hat diesen Vorschlag bei der Transformation des 3. Buches der RVO in das SGB VII nicht aufgegriffen und übernommen, weil der Sinn und Zweck der Vorschrift darin besteht, eine Hilfeleistung für ein fremdes Unternehmen ohne zeitliche Beschränkung oder Eingrenzung unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen. Der Gesetzgeber hat aber mit der Einführung des SGB VII eine (leichte) Einschränkung des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII im Vergleich zur Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 2 RVO (vorher § 537 Nr. 10 RVO) vorgenommen, in dem seit dem 1. Januar 1997 Versicherungsschutz nur noch für Personen gewährt wird, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte (Beschäftigte) tätig werden. Die vorherigen Regelungen der RVO bezogen sich noch auf alle Tatbestände des § 539 Abs. 1 RVO und vorher auf § 537 Nr. 1-9 RVO. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber den Versicherungsschutz auf jeden Fall nicht ausdehnen, sondern eher einschränken wollte (vgl. BT-Drucks. 13/2204 S. 75f). So sind etwa die Fälle ausgeschlossen, bei denen beispielsweise umfangreiche Bauarbeiten ausgeführt werden, die nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII (vormals § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO) versichert sind, aber möglicherweise "wie" von einem entsprechenden Versicherten (i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII) verrichtet werden.
Nach ständiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung sind Arbeitsleistungen von Vereinsmitgliedern, die auf mitgliedschaftsrechtlicher Verpflichtung zum Verein beruhen, sich insbesondere aus der Satzung oder eines Vereinsbeschlusses ergeben, regelmäßig nicht versichert (vgl. BSG Urt. v. 22. September 1988 - 2/9b RU 78/87 in HV-INFO 1988, 2178-2182).
Die Kammer ist der Überzeugung und stellt fest, dass der Verstorbene eine entsprechende mitgliedschaftsrechtliche Verpflichtung bzw. "Hilfeleistung" zu Gunsten des T. e.V. am 01.02.2008 erfüllt hat, als er als Mitglied durch seine aktive Handlung in Form des "Begleitens" des Umzugswagens tätig wurde und hierbei tödlich verunfallte. Dies gilt umso mehr, als der Verstorbene sogar ein Gründungsmitglied "seines" Vereines war.
Es spielt insoweit rechtlich keine wesentliche Rolle, dass der zum Unfallzeitpunkt 1. Vorsitzende des Vereins, Herr G.S., in seiner Aussage bei der Polizei am 15.02.2008 unter anderem bekundet hat: "Ich muss dazu sagen, wir sind bei den Umzügen nie als Verein aufgetreten. Man hat sich zwar im Verein getroffen und das vereinbart, aber das war eigentlich eine private Teilnahme an den Umzügen. Bei dem Wagen haben wir gesagt, das ist Werbung für den Verein, daher haben wir das auch nach außen sichtbar werden lassen. Daher bin ich als Verantwortlicher benannt, da das ganze über den Verein lief und ich der 1. Vorstand bin." Der Verstorbene hat den Umzugswagen des Vereines begleitet, weil dies vom Veranstalter von den teilnehmenden Vereinen gefordert wurde. Nur mit zwei Begleitpersonen – aus der eigenen Gruppe – war für es für den T. e.V. möglich, an dem Umzug teilzunehmen und "Werbung" für den eigenen Verein zu machen. Damit entsprach die Tätigkeit der vereinsmäßigen Verpflichtung, die seit Jahren regelmäßig durch die Teilnahme des Vereines an solchen Umzügen gepflegt wurde und hierbei durch den Verstorbenen als Mitglied im Rahmen des Vereinszwecks erfüllt wurde. Hierbei spielen grundsätzlich die Art, der Umfang und die Zeitdauer der verrichteten Hilfeleistungen keine Rolle, solange es sich um einen Ausfluss des Vereinszwecks handelte.
Abschließend weist die Kammer daraufhin, dass die festgestellte Alkoholisierung mit einem BAK-Wert von 1,81 Promille im Blut des Verstorbenen keinen Einfluss auf den Versicherungsschutz hat, denn es sind weder alkoholtypische Ausfallerscheinungen festgestellt worden, noch kann der Alkohol vorliegend als alleinige Wirkursache für das Unfallereignis festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
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