Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
46
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 46 KR 890/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine Adaptionsmaßnahme. In der Zeit vom 5.08.2013 bis 4.11.2013 nahm ein Versicherter der beklagten Krankenkasse auf Kosten der Klägerin an einer Adaptionsmaßnahme teil. Zur Übernahme der Kosten hatte sich die Klägerin als erst angegangene Rehabilitationsträger im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Hamburg anhängigen Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz bereit erklärt. Mit Bescheid vom 12.8.2013 bewilligte sie dem Versicherten gegenüber die Kosten der Maßnahme. Bereits mit Schreiben vom 26.08.2013 meldete die Klägerin gegenüber der Beklagten ihren Erstattungsanspruch an. Dies lehnte die Beklagte ab.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zustehe, da die Beklagte als Trägerin der medizinischen Rehabilitation gemäß dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung vorrangig zuständig gewesen wäre. Es existiere eine Richtlinie des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) wonach die Rehabilitation von Drogenabhängigen eine Regeldauer von bis zu zehn Monaten habe. Hierbei werde ein zeitliches Verhältnis von Therapie und Adaption von sechs zu vier Monaten angenommen. Für die hier streitgegenständliche Adaptionsmaßnahme seien 13 Wochen veranschlagt worden was bedeute, dass sich die Adaptionsmaßnahme hier in der Regeldauer (das wären 16 Wochen) bewegt habe. Es handele sich bei der streitgegenständlichen Maßnahme auch nicht um eine soziale oder berufliche, sondern vielmehr um eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Darunter verstehe man einen ganzheitlichen Ansatz, der über das Erkennen, Behandeln und Heilen einer Krankheit hinaus auch die drohende Schädigung oder Beeinträchtigung in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft mit einbeziehe. Konkrete Aufgabe der medizinischen Rehabilitation sei es auch, eine angemessene Einstellung zur Erkrankung, die Anleitung und Schulung zum eigenverantwortlichen Umgang sowie eine Verhaltensmodifikation mit dem Ziel des Aufbaus einer krankheitsadäquaten und gesundheitsfördernden Lebensweise zu erreichen. Es handele sich bei Adaptionsmaßnahmen ganz grundsätzlich um aus medizinischen Gründen erforderliche Rehabilitationsleistungen. Dabei könne es dahinstehen, ob die Rehabilitation selbst der Krankenbehandlung diene, denn auch im Rahmen der Adaptionsmaßnahme wird durch Einwirkung auf Rückfallrisiken wie Wohnungs- und Arbeitslosigkeit letztlich das Ziel der Entwöhnung und des suchtmittelfreien Lebens erreicht. Diesen Anforderungen entspreche insbesondere die hier durchgeführte Adaptionsmaßnahme. Nach dem Entlassungsbericht aus der stationären Entwöhnungsbehandlung, die der Maßnahme vorging, seien die individuellen Ziele des Versicherten hier die Festigung der Abstinenz durch Distanz zum bisherigen Umfeld gewesen. Sein psychisches Durchhaltevermögen sollte gestärkt werden. Insoweit diente die Maßnahme der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung aus der stationären Entwöhnungsbehandlung. Dass darüber hinaus auch die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit und das Training lebenspraktischer Fertigkeiten sowie eines prognostisch hilfreichen Freizeitverhaltens angestrebt worden sei, sei hier unerheblich für die Qualifikation als medizinische Rehabilitation im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Die Einrichtung wäre fachärztlich sowie von Fachleuten aus der Psycho- und Suchttherapie, der Sozialarbeit, der Ergo- und Arbeitstherapie und aus dem EDV-Schulungs Bereich betreut. Dass sie nicht zuständig gewesen sei, habe sie erst nach Ablauf der Weiterleitungsfrist erkennen können.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.158,96 EUR nebst Zinsen gem. § 108 Abs. 2 SGB X zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, bei der von der Klägerin erbrachten Leistung handele es sich um eine Maßnahme zur beruflichen und sozialen Integration. Eine solche falle nicht in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann infrage, wenn auch die Voraussetzungen des Leistungsrechtes der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt seien. Dies sei hier nicht der Fall. Nach § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hätten Versicherte nur dann Anspruch auf stationäre medizinische Rehabilitation, wenn diese notwendig sei und unter ständiger ärztlicher Verantwortung durchgeführt werden muss und dabei nicht lediglich die Gewährung von Unterkunft in einem nicht gefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer beruflicher Anforderungen Vordergrund stehen sollen. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sei es allein die Gesundheit weitgehend wiederherzustellen und den Behandlungserfolg zu sichern. Aus der Selbstbeschreibung der hier streitgegenständlichen Einrichtung ergebe sich, dass es sich um Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Integration handele. Die Einrichtung gebe z.B. an, dass sie die Abstinenz durch berufliche Integration fördere. Es heißt dann wörtlich: "Zentrales Ziel der Adaption H. ist Ihre berufliche Integration" dass für die Qualifikation einer Maßnahme als medizinische Rehabilitation im Sinne des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung in Abgrenzung zu den anderen Sozialleistungsträgern auf eine schwerpunktmäßige Betrachtung an, könne es sich hier keinesfalls um eine medizinische Rehabilitation im krankenversicherungsrechtlichen Sinne handeln, denn bei einer derartigen Zielsetzung könne die Bemühung um berufliche Reintegration nur schwerlich als untergeordneter Teilaspekt betrachtet werden. Aus dem Kostenübernahmeantrag des Versicherten ergebe sich nichts anderes, denn daraus gehe hervor, dass die beantragte Maßnahme vor allem der sozialen Situation des Leistungsempfängers geschuldet gewesen sei. Dort werde z.B. auf die fehlende Tagestruktur und fehlende tragfähige abstinente Kontakte Bezug genommen. Der Arzt habe wörtlich geschrieben, dass die "psychische Struktur im Rahmen mehrwöchiger psychotherapeutischer Behandlung nur sehr begrenzt veränderbar sei, sodass die sinnvollste Maßnahme eine Veränderung des Umfeldes" sei. Im Übrigen scheitere ein Anspruch schon aus Rechtsgründen, da die Klägerin den Antrag nicht rechtzeitig weitergeleitet habe, obwohl sie sich für unzuständig gehalten habe. Auch die eingeholte Stellungnahme des Gesundheitsamtes habe nur einen Tag benötigt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte nebst der beigezogenen Akten sowie die Sitzungsniederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 24.09.2018 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als sog. echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig aber in der Sache unbegründet.
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches ist § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. In Satz 1 bis 3 Halbsatz 1 der Vorschrift heißt es: "Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. Die Bundesagentur für Arbeit leitet für die Klärung nach Satz 1 Anträge auf Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Feststellung nach § 11 Abs. 2 a Nr. 1 SGB VI an die Träger der Rentenversicherung nur weiter, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Träger der Rentenversicherung zur Leistung einer Rente unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage verpflichtet sein könnte. Für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 Satz 1 und 2 erbracht haben, ist § 105 SGB X nicht anzuwenden."
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 26.06.2007, B 1 KR 36/06 R: juris), der die Kammer folgt, besteht eine Zuständigkeit für Krankenkassen für die Kostentragung einer Adaptionsmaßnahme nur dann, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 9 bis 11 SGB VI nicht vorliegen, die Voraussetzungen der §§ 27 und 40 SGB V hingegen erfüllt sind. Die Zuständigkeit der Klägerin zur Adaptionsmaßnahme ist nur dann gegeben, wenn nach ihrem materiellen Recht der Versicherte die Leistung hätte beanspruchen können. § 40 Abs. 2 SGB V bestimmt, dass es um eine medizinische Rehabilitationsleistung unter ständiger ärztlicher Verantwortung geht, bei denen nicht lediglich die Gewährung von Unterkunft in einem nichtgefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderung im Vordergrund stehen soll. Die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung besteht allein in der medizinischen Rehabilitation nach Maßgabe des SGB V, also der möglichst weitgehenden Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibt Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (BSG, Urteil vom 26.06.2007 a.a.O.).
Wie sich aus § 40 ff, § 11 Abs. 2 SGB V ergibt, setzt medizinische Rehabilitation im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung ihrem Hauptzweck nach eine stationäre Behandlung der Patienten voraus, um eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegen zu wirken (Vorsorge) oder um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Rehabilitation), wobei Leistungen der aktivierenden Pflege nicht von den Krankenkassen übernommen werden dürfen (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 1 SGB V). Neben dieser Zielsetzung muss die Maßnahme erfordern, dass die Einrichtung in organisatorischer, institutioneller Hinsicht "fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung" steht und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet ist, den Gesundheitszustand des Patienten "nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastin, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkung zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigene Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen" (vgl. auch SG Hamburg, Urt. v. 11.05.2017, S 48 KR 1763/15 (nicht veröffentlicht)).
Nach diesen Maßstäben stellte die streitgegenständliche Maßnahme keine medizinische Rehabilitation im Sinne des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung dar, denn im Vordergrund der Maßnahme standen die berufliche und soziale Teilhabe des Versicherten und nicht eine positive Einwirkung auf sein Krankheitsbild. Dies geschah allenfalls mittelbar, war aber nicht Ziel der Maßnahme.
Dies folgt zweifelsfrei aus dem Entlassungsbericht der Einrichtung vom 14.10.2013. Darin heißt es, die gemeinsam mit dem Rehabilitanden festgelegten Ziele seien die Festigung der Abstinenzentscheidung, die Verbesserung der Fähigkeit zur Problemlösung, die Verbesserung der Beziehungsfähigkeit, die Verbesserung der Wohnsituation bzw. Wechsel des alten Wohnumfeldes etc. gewesen (Anlage K10, Bl. 43 d.A.). Auf somatischer Ebene hätten die körperliche Erholung und Stabilisierung, die Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten und eine Festigung der Abstinenzentscheidung im Vordergrund gestanden. Der Versicherte hat an einer Arbeitsbelastungserprobung teilgenommen und seine berufliche Situation geklärt. Er hat sich Zukunftsperspektiven im beruflichen Bereich erarbeitet und seine Alltagsbewältigung verbessert (ebenda).
Richtig ist, dass der Versicherte auch eine Vielzahl von Therapieeinheiten erhalten hat (Bl. 44 d. A.). Dies allein qualifiziert die Maßnahme als solche aber nicht zu einer medizinischen Rehabilitation i. S. d. SGB V. Hierbei ist auch zu beachten, dass die Adaptionsmaßnahme zwar unter ärztlicher Leitung stand, ärztliche Dienstleistungen aber ausweislich des Berichtes des während der Maßnahme behandelnden Arztes außerhalb der Einrichtung bei niedergelassenen Ärzten stattfanden (vgl. Anlage K10, Bl. 41 d.A.). Dies dokumentiert deutlich, dass medizinische Aspekte nicht wesentlicher Teil der Adaptionsmaßnahme selbst waren.
Der Versicherte ist gar nicht erst mit dem Ziel einer medizinischen Einwirkung auf sein Erkrankungsbild in die Adaptionsmaßnahme aufgenommen worden. Bestätigt wird dies durch den Entlassungsbericht der vorbehandelnden Suchtklinik vom 26.06.2013 (Verw.A. d. Kl.). Hier schrieben die behandelnden Ärzte, dass die psychische Struktur im Rahmen mehrwöchiger psychotherapeutischer Behandlung (wenn auch stationär intensiviert) nur sehr begrenzt veränderbar sei, sodass die z.Z. sinnvollste Maßnahme eine Veränderung des Umfeldes sei, um den zeitlichen Rahmen zur Festigung der Abstinenz ( ) durch Distanzierung auszuweiten. Damit ist aber deutlich beschrieben, dass hier vor allem die Herausnahme aus dem pathogenen Umfeld im Vordergrund stand, was nach der Rechtsprechung des BSG (s.o.) gerade nicht alleiniges Ziel der Maßnahme sein darf, wenn sie als medizinische Rehabilitation i. S. d. SGB V bewertet werden soll. Vielmehr gingen die vorbehandelnden Ärzte davon aus, dass eine weitere Psychotherapie nicht sinnvoll und damit auch nicht notwendig i. S. d. §§ 40 Abs. 2 und 12 SGB V wäre und entschieden sich aktiv für die hier gewählte Einrichtung. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass sie gerade davon ausgingen, eine medizinische Behandlung (die sie nicht für sinnvoll erachteten) würde dort allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung ist nicht gem. § 143 S. 1 SGG kraft Gesetzes zulässig, denn es handelt sich um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden und der Beschwerdewert übersteigt 10.000 EUR nicht (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Einer der Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine Adaptionsmaßnahme. In der Zeit vom 5.08.2013 bis 4.11.2013 nahm ein Versicherter der beklagten Krankenkasse auf Kosten der Klägerin an einer Adaptionsmaßnahme teil. Zur Übernahme der Kosten hatte sich die Klägerin als erst angegangene Rehabilitationsträger im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Hamburg anhängigen Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz bereit erklärt. Mit Bescheid vom 12.8.2013 bewilligte sie dem Versicherten gegenüber die Kosten der Maßnahme. Bereits mit Schreiben vom 26.08.2013 meldete die Klägerin gegenüber der Beklagten ihren Erstattungsanspruch an. Dies lehnte die Beklagte ab.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zustehe, da die Beklagte als Trägerin der medizinischen Rehabilitation gemäß dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung vorrangig zuständig gewesen wäre. Es existiere eine Richtlinie des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) wonach die Rehabilitation von Drogenabhängigen eine Regeldauer von bis zu zehn Monaten habe. Hierbei werde ein zeitliches Verhältnis von Therapie und Adaption von sechs zu vier Monaten angenommen. Für die hier streitgegenständliche Adaptionsmaßnahme seien 13 Wochen veranschlagt worden was bedeute, dass sich die Adaptionsmaßnahme hier in der Regeldauer (das wären 16 Wochen) bewegt habe. Es handele sich bei der streitgegenständlichen Maßnahme auch nicht um eine soziale oder berufliche, sondern vielmehr um eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Darunter verstehe man einen ganzheitlichen Ansatz, der über das Erkennen, Behandeln und Heilen einer Krankheit hinaus auch die drohende Schädigung oder Beeinträchtigung in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft mit einbeziehe. Konkrete Aufgabe der medizinischen Rehabilitation sei es auch, eine angemessene Einstellung zur Erkrankung, die Anleitung und Schulung zum eigenverantwortlichen Umgang sowie eine Verhaltensmodifikation mit dem Ziel des Aufbaus einer krankheitsadäquaten und gesundheitsfördernden Lebensweise zu erreichen. Es handele sich bei Adaptionsmaßnahmen ganz grundsätzlich um aus medizinischen Gründen erforderliche Rehabilitationsleistungen. Dabei könne es dahinstehen, ob die Rehabilitation selbst der Krankenbehandlung diene, denn auch im Rahmen der Adaptionsmaßnahme wird durch Einwirkung auf Rückfallrisiken wie Wohnungs- und Arbeitslosigkeit letztlich das Ziel der Entwöhnung und des suchtmittelfreien Lebens erreicht. Diesen Anforderungen entspreche insbesondere die hier durchgeführte Adaptionsmaßnahme. Nach dem Entlassungsbericht aus der stationären Entwöhnungsbehandlung, die der Maßnahme vorging, seien die individuellen Ziele des Versicherten hier die Festigung der Abstinenz durch Distanz zum bisherigen Umfeld gewesen. Sein psychisches Durchhaltevermögen sollte gestärkt werden. Insoweit diente die Maßnahme der Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung aus der stationären Entwöhnungsbehandlung. Dass darüber hinaus auch die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit und das Training lebenspraktischer Fertigkeiten sowie eines prognostisch hilfreichen Freizeitverhaltens angestrebt worden sei, sei hier unerheblich für die Qualifikation als medizinische Rehabilitation im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Die Einrichtung wäre fachärztlich sowie von Fachleuten aus der Psycho- und Suchttherapie, der Sozialarbeit, der Ergo- und Arbeitstherapie und aus dem EDV-Schulungs Bereich betreut. Dass sie nicht zuständig gewesen sei, habe sie erst nach Ablauf der Weiterleitungsfrist erkennen können.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.158,96 EUR nebst Zinsen gem. § 108 Abs. 2 SGB X zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, bei der von der Klägerin erbrachten Leistung handele es sich um eine Maßnahme zur beruflichen und sozialen Integration. Eine solche falle nicht in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts komme eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann infrage, wenn auch die Voraussetzungen des Leistungsrechtes der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt seien. Dies sei hier nicht der Fall. Nach § 40 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) hätten Versicherte nur dann Anspruch auf stationäre medizinische Rehabilitation, wenn diese notwendig sei und unter ständiger ärztlicher Verantwortung durchgeführt werden muss und dabei nicht lediglich die Gewährung von Unterkunft in einem nicht gefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer beruflicher Anforderungen Vordergrund stehen sollen. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sei es allein die Gesundheit weitgehend wiederherzustellen und den Behandlungserfolg zu sichern. Aus der Selbstbeschreibung der hier streitgegenständlichen Einrichtung ergebe sich, dass es sich um Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Integration handele. Die Einrichtung gebe z.B. an, dass sie die Abstinenz durch berufliche Integration fördere. Es heißt dann wörtlich: "Zentrales Ziel der Adaption H. ist Ihre berufliche Integration" dass für die Qualifikation einer Maßnahme als medizinische Rehabilitation im Sinne des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung in Abgrenzung zu den anderen Sozialleistungsträgern auf eine schwerpunktmäßige Betrachtung an, könne es sich hier keinesfalls um eine medizinische Rehabilitation im krankenversicherungsrechtlichen Sinne handeln, denn bei einer derartigen Zielsetzung könne die Bemühung um berufliche Reintegration nur schwerlich als untergeordneter Teilaspekt betrachtet werden. Aus dem Kostenübernahmeantrag des Versicherten ergebe sich nichts anderes, denn daraus gehe hervor, dass die beantragte Maßnahme vor allem der sozialen Situation des Leistungsempfängers geschuldet gewesen sei. Dort werde z.B. auf die fehlende Tagestruktur und fehlende tragfähige abstinente Kontakte Bezug genommen. Der Arzt habe wörtlich geschrieben, dass die "psychische Struktur im Rahmen mehrwöchiger psychotherapeutischer Behandlung nur sehr begrenzt veränderbar sei, sodass die sinnvollste Maßnahme eine Veränderung des Umfeldes" sei. Im Übrigen scheitere ein Anspruch schon aus Rechtsgründen, da die Klägerin den Antrag nicht rechtzeitig weitergeleitet habe, obwohl sie sich für unzuständig gehalten habe. Auch die eingeholte Stellungnahme des Gesundheitsamtes habe nur einen Tag benötigt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte nebst der beigezogenen Akten sowie die Sitzungsniederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 24.09.2018 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als sog. echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig aber in der Sache unbegründet.
Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches ist § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. In Satz 1 bis 3 Halbsatz 1 der Vorschrift heißt es: "Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. Die Bundesagentur für Arbeit leitet für die Klärung nach Satz 1 Anträge auf Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Feststellung nach § 11 Abs. 2 a Nr. 1 SGB VI an die Träger der Rentenversicherung nur weiter, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass der Träger der Rentenversicherung zur Leistung einer Rente unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage verpflichtet sein könnte. Für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 Satz 1 und 2 erbracht haben, ist § 105 SGB X nicht anzuwenden."
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 26.06.2007, B 1 KR 36/06 R: juris), der die Kammer folgt, besteht eine Zuständigkeit für Krankenkassen für die Kostentragung einer Adaptionsmaßnahme nur dann, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 9 bis 11 SGB VI nicht vorliegen, die Voraussetzungen der §§ 27 und 40 SGB V hingegen erfüllt sind. Die Zuständigkeit der Klägerin zur Adaptionsmaßnahme ist nur dann gegeben, wenn nach ihrem materiellen Recht der Versicherte die Leistung hätte beanspruchen können. § 40 Abs. 2 SGB V bestimmt, dass es um eine medizinische Rehabilitationsleistung unter ständiger ärztlicher Verantwortung geht, bei denen nicht lediglich die Gewährung von Unterkunft in einem nichtgefährdenden Milieu mit Anleitung zur Bewältigung lebenspraktischer und beruflicher Anforderung im Vordergrund stehen soll. Die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung besteht allein in der medizinischen Rehabilitation nach Maßgabe des SGB V, also der möglichst weitgehenden Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktion einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation bleibt Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (BSG, Urteil vom 26.06.2007 a.a.O.).
Wie sich aus § 40 ff, § 11 Abs. 2 SGB V ergibt, setzt medizinische Rehabilitation im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung ihrem Hauptzweck nach eine stationäre Behandlung der Patienten voraus, um eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegen zu wirken (Vorsorge) oder um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Rehabilitation), wobei Leistungen der aktivierenden Pflege nicht von den Krankenkassen übernommen werden dürfen (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 1 SGB V). Neben dieser Zielsetzung muss die Maßnahme erfordern, dass die Einrichtung in organisatorischer, institutioneller Hinsicht "fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung" steht und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet ist, den Gesundheitszustand des Patienten "nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastin, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkung zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigene Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen" (vgl. auch SG Hamburg, Urt. v. 11.05.2017, S 48 KR 1763/15 (nicht veröffentlicht)).
Nach diesen Maßstäben stellte die streitgegenständliche Maßnahme keine medizinische Rehabilitation im Sinne des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung dar, denn im Vordergrund der Maßnahme standen die berufliche und soziale Teilhabe des Versicherten und nicht eine positive Einwirkung auf sein Krankheitsbild. Dies geschah allenfalls mittelbar, war aber nicht Ziel der Maßnahme.
Dies folgt zweifelsfrei aus dem Entlassungsbericht der Einrichtung vom 14.10.2013. Darin heißt es, die gemeinsam mit dem Rehabilitanden festgelegten Ziele seien die Festigung der Abstinenzentscheidung, die Verbesserung der Fähigkeit zur Problemlösung, die Verbesserung der Beziehungsfähigkeit, die Verbesserung der Wohnsituation bzw. Wechsel des alten Wohnumfeldes etc. gewesen (Anlage K10, Bl. 43 d.A.). Auf somatischer Ebene hätten die körperliche Erholung und Stabilisierung, die Verbesserung der Ernährungsgewohnheiten und eine Festigung der Abstinenzentscheidung im Vordergrund gestanden. Der Versicherte hat an einer Arbeitsbelastungserprobung teilgenommen und seine berufliche Situation geklärt. Er hat sich Zukunftsperspektiven im beruflichen Bereich erarbeitet und seine Alltagsbewältigung verbessert (ebenda).
Richtig ist, dass der Versicherte auch eine Vielzahl von Therapieeinheiten erhalten hat (Bl. 44 d. A.). Dies allein qualifiziert die Maßnahme als solche aber nicht zu einer medizinischen Rehabilitation i. S. d. SGB V. Hierbei ist auch zu beachten, dass die Adaptionsmaßnahme zwar unter ärztlicher Leitung stand, ärztliche Dienstleistungen aber ausweislich des Berichtes des während der Maßnahme behandelnden Arztes außerhalb der Einrichtung bei niedergelassenen Ärzten stattfanden (vgl. Anlage K10, Bl. 41 d.A.). Dies dokumentiert deutlich, dass medizinische Aspekte nicht wesentlicher Teil der Adaptionsmaßnahme selbst waren.
Der Versicherte ist gar nicht erst mit dem Ziel einer medizinischen Einwirkung auf sein Erkrankungsbild in die Adaptionsmaßnahme aufgenommen worden. Bestätigt wird dies durch den Entlassungsbericht der vorbehandelnden Suchtklinik vom 26.06.2013 (Verw.A. d. Kl.). Hier schrieben die behandelnden Ärzte, dass die psychische Struktur im Rahmen mehrwöchiger psychotherapeutischer Behandlung (wenn auch stationär intensiviert) nur sehr begrenzt veränderbar sei, sodass die z.Z. sinnvollste Maßnahme eine Veränderung des Umfeldes sei, um den zeitlichen Rahmen zur Festigung der Abstinenz ( ) durch Distanzierung auszuweiten. Damit ist aber deutlich beschrieben, dass hier vor allem die Herausnahme aus dem pathogenen Umfeld im Vordergrund stand, was nach der Rechtsprechung des BSG (s.o.) gerade nicht alleiniges Ziel der Maßnahme sein darf, wenn sie als medizinische Rehabilitation i. S. d. SGB V bewertet werden soll. Vielmehr gingen die vorbehandelnden Ärzte davon aus, dass eine weitere Psychotherapie nicht sinnvoll und damit auch nicht notwendig i. S. d. §§ 40 Abs. 2 und 12 SGB V wäre und entschieden sich aktiv für die hier gewählte Einrichtung. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass sie gerade davon ausgingen, eine medizinische Behandlung (die sie nicht für sinnvoll erachteten) würde dort allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung ist nicht gem. § 143 S. 1 SGG kraft Gesetzes zulässig, denn es handelt sich um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden und der Beschwerdewert übersteigt 10.000 EUR nicht (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Einer der Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.
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