S 41 SO 539/14 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
41
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 41 SO 539/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, die bei der Antragstellerin monatlich anfallenden Kosten ihrer Pflege und Betreuung in der Wohngemeinschaft "XXX" in Höhe von EUR 624,- ab Dezember 2014 (Antragseingang bei Gericht) zu übernehmen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 3/4. Der Antragstellerin wird für die Zeit ab dem 23.12.2014 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt XXX aus XXX beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Übernahme der nach Berücksichtigung der Leistungen der Pflegeversicherung noch ungedeckten Kosten ihrer Pflege durch den XXX innerhalb der (Pflege-)Wohngemeinschaft "XXX".

Die am 10.10.1922 geborene Antragstellerin ist gesetzlich kranken- und pflegeversichert. Auf Grundlage des Gutachtens des medizinischen Dienstes der Pflegeversicherung (MDK) vom 09.03.2013 wurde bei ihr die Pflegestufe I festgestellt. Mit Bescheid vom 10.09.2013 gewährte ihr die Pflegekasse für die Zeit ab dem 01.07.2013 einen pauschalen Wohngruppenzuschlag i.H.v. 200 Euro monatlich. Sie erhält derzeit eine Altersrente i.H.v. 251,64 Euro, eine Witwenrente i.H.v. 124,79 Euro, eine Werksrente i.H.v. 7,67 Euro sowie eine Unfallrente i.H.v. 695,18 Euro ausgezahlt.

Mit Wirkung zum 17.06.2013 trat die Antragstellerin der Wohngemeinschaft "XXX" in Schwerte bei. Bei dieser Wohngemeinschaft handelt es sich um einen Zusammenschluss von bis zu 12 Personen, die pflegebedürftig i.S.d. SGB XI sind, Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen und sich zum Zwecke des gemeinsamen Wohnens und der kollektiven Inanspruchnahme von Betreuungsleistungen zusammengeschlossen haben. Es handelt sich um eine selbstverantwortete Wohngemeinschaft i.S.v. § 25 Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG). Die Bewohner der Pflegewohngemeinschaft haben sich eine Gemeinschaftsordnung gegeben, in der sie als Zweck der Gemeinschaft u.a. die gemeinsame Beauftragung eines Pflegedienstes zur Durchführung von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie hauswirtschaftlicher Dienstleistungen (Ziffer 1 lit. g der Gemeinschaftsordnung) festgelegt haben. Auf dieser Grundlage wurde seit Gründung der Wohngemeinschaft "XXX" der nach § 72 SGB XI zugelassene ambulante Pflegedienst XXX aus XXX mit der Durchführung der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung beauftragt.

Dementsprechend schloss auch die Antragstellerin nach ihrer Aufnahme in die Wohngemeinschaft "XXX" mit der XXX am 17.06.2013 einen Pflegevertrag i.S.v. § 120 SGB XI über die Erbringung von Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung sowie einen Betreuungssvertrag über Leistungen der häuslichen Betreuung und hauswirtschaftlichen Versorgung, die der Pflegedienst gegenüber dem Leistungsnehmer und den mit diesem zu einer Wohngemeinschaft zusammengeschlossenen Personen als gemeinschaftliche Leistung erbringt (§ 1 Betreuungsvertrag). Die unter den Betreuungsvertrag fallenden Leistungen wurden als Pauschalleistungen abgerechnet und waren mit 400 Euro / Monat zu vergüten (§ 4 Betreuungsvertrag i.V.m. der Anlage 1). Das der Antragstellerin in Rechnung gestellte Entgelt für die erbrachten Pflegeleistungen ergibt sich gem. § 4 Abs. 1 des Pflegevertrages aus der Anwendung der jeweils gültigen Vergütungsvereinbarungen nach § 89 SGB XI auf die von der Antragstellerin aktuell konkret benötigten Leistungen, wie sie in einem als Anlage 1 beigefügten und auf den Feststellungen in dem Pflegegutachten des MDK vom 09.03.2013 basierenden Angebot vom 17.06.2013 für einen Monat mit 31 Tagen wie folgt konkretisiert wurden: LK-NR. Bezeichnung Häufigkeit Gesamtpreis EUR 01 Ganzwaschung 1x täglich 546,53 02 Teilwaschung 1x täglich 293,26 04 Selbst. Nahrungsaufnahme 4x täglich 533,20 13 Reinigen der Wohnung 2x monatlich 46,66 14 Waschen u. Pflegen der Wäsche / Kleidung 1x wöchentlich 61,92 Gesamtbetrag 1.481,35./. Pflegesachleistung 450,00 Eigenanteil: 1.031,35 Parallel zu den bestehenden Vereinbarungen nach § 89 SGB XI bestand eine unter dem 03.04.2013 für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.12.2013 von der XXX mit dem Antragsgegner auf Grundlage des § 75 Abs. 3 SGB XII geschlossene "Vereinbarung zur Abrechnung von ambulanten Pflege- und Betreuungsleistungen innerhalb der Seniorwohngemeinschaft `XXX in XXX&61602;". Diese Vereinbarung sollte allein die Mitglieder der Wohngemeinschaft betreffen, die Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII erhielten (Ziffer 3 der Vereinbarung) und sah eine Vergütung der hauswirtschaftlichen Versorgung, Pflege und Betreuung durch an die Pflegestufe geknüpfte Pauschalen vor (Ziffer 10.4 der Vereinbarung). Diese Pauschale sollte – abzüglich etwaiger Pflegesachleistungen oder eines nach Maßgabe des SGB XII zu tragenden Eigenanteils (Ziffer 11 der Vereinbarung) – als sozialhilferechtlicher Bedarf berücksichtigt werden. Während es sich bei der Wohngemeinschaft "XXX" nach Auffassung des Antragsgegners um eine ambulante Betreuungseinrichtung i.S.d. Wohn- und Teilhabegesetzes NRW handelte, ging die XXX davon aus, dass ihr Betreuungsangebot in der Wohngemeinschaft nicht dem Geltungsbereich des WTG unterfalle. Im Hinblick auf diese unterschiedliche Rechtsauffassung sah die Vereinbarung ein Sonderkündigungsrecht des Antragsgegners für den Fall vor, dass sich seine Rechtsauffassung in einem vor dem Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen anhängigen Rechtsstreit als unzutreffend herausstellen sollte (Ziffer 2 der Vereinbarung).

Am 10.06.2013 beantragte die Antragstellerin die Übernahme der nach Berücksichtigung der Leistungen der Pflegeversicherung noch ungedeckten Kosten ihrer Pflege bei dem Antragsgegner. Eine Erhebung des konkreten Pflegebedarfs durch den Antragsgegner fand nicht statt.

Mit Bescheid vom 03.12.2013 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin für die Zeit vom 01.07. bis zum 31.12.2013 Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in Höhe von monatlich 624,- Euro. Eine rechtliche Bewertung der Wohnform und des hiermit in Verbindung stehenden zugrunde zu legenden Bedarfs habe ergeben, dass eine pauschalierte Abrechnung und nicht eine Abrechnung nach Leistungskomplexen wie in der Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI vorgesehen angezeigt sei. Der mit der Pflegekasse abgeschlossene Versorgungsvertrag entfalte für Pflegewohngemeinschaften keine Wirksamkeit. Denn die Betreuung innerhalb einer Pflegewohngemeinschaft umfasse je nach Bedarf einen auf die Bewohner festgesetzten zeitlichen Umfang für eine Mehrzahl an Personen und komme damit einer teilstationären bzw. stationären Versorgung gleich. Aufgrund dieses Sachverhalts sei der innerhalb einer Pflegewohngemeinschaft anfallende Bedarf unter Einbeziehung der insoweit auch anfallenden Synergieeffekte pauschaliert festzusetzen. Hierzu sei die zu diesem Zweck auf Grundlage von § 75 SGB XII getroffene Leistungs-, Qualitäts- und Vergütungsvereinbarung zwischen dem Antragsgegner als Sozialhilfeträger und dem XXX vom 03.04.2013 anzuwenden. Diese sehe für Leistungsberechtigte, bei denen wie bei der Antragstellerin die Pflegestufe I festgestellt worden sei, eine Pauschale in Höhe von 1.274,- vor, von der im Fall der Antragstellerin noch die Pflegesachleistung i.H.v. 450,- Euro sowie der Wohngruppenzuschlag i.H.v. 200,- Euro abzusetzen sei. Der Einsatz von Einkommen und Vermögen sei nicht zu verlangen.

Während der Zeit bis zum 31.12.2013 stellte der XXX der Antragstellerin monatlich einen Betrag i.H.v. insgesamt 824,- Euro für Pflege und Betreuung in Rechnung, der sich ergibt, wenn man von der Pauschale i.H.v. EUR 1.274,- allein die Pflegesachleistung i.H.v. 450,- Euro abzieht. Nach Abzug der durch den Antragsgegner erbrachten Leistungen der Hilfe zur Pflege i.H.v. 624,- Euro musste die Antragstellerin zum Ausgleich der Forderung noch den ihr direkt zufließenden Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI i.H.v. 200,- Euro einsetzen.

Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 15.01.2014 (Az. 10 K 2661/12, abrufbar unter juris) stellte das VG Gelsenkirchen fest, dass die Wohngemeinschaft "XXX" nicht dem Geltungsbereich des WTG unterfällt, weil diese als "selbstorganisiert und selbstbestimmt bzw. selbstverantwortet" zu qualifizieren ist. Der Antragsgegner kam daraufhin zu dem Schluss, dass eine pauschalierte Vergütung, wie sie für anbieterverantwortete Pflegewohngemeinschaften möglich und in der bis zum 31.12.2013 geltenden Vereinbarung mit dem XXX vorgesehen gewesen sei, für eine selbstverantwortete Wohngemeinschaft wie die Wohngemeinschaft "XXX" nicht in Betracht komme. Eine Verlängerung der Vereinbarung könne deshalb jetzt nicht mehr erfolgen. Vielmehr sei nach Leistungskomplexen auf Grundlage der Vereinbarungen nach § 89 SGB XI abzurechnen, was eine Pflegeplanung und Bedarfsermittlung für die dort lebenden Leistungsempfänger notwendig mache.

Im Zuge dieser Bedarfsermittlung holte der Antragsgegner ein geändertes Angebot über die von der Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt konkret benötigten Leistungen und das auf Grundlage der Vereinbarung nach § 89 SGB XI dafür anfallende Entgelt ein. Dieses Angebot vom 27.12.2013 wurde als Anlage 1 gem. § 10 des Pflegevertrages zum Bestandteil des Pflegevertrages der Antragstellerin mit dem XXX. Die in diesem Angebot als notwendig angesehenen Pflegeleistungen entsprachen denen aus dem Angebot vom 17.06.2013, aufgrund von Änderungen der Einzelpreise erhöhte sich jedoch das für einen Monat mit 31 Tagen zu zahlende Entgelt: LK-NR. Bezeichnung Häufigkeit Gesamtpreis EUR 01 Ganzwaschung 1x täglich 555,21 02 Teilwaschung 1x täglich 297,91 04 Selbst. Nahrungsaufnahme 4x täglich 541,88 13 Reinigen der Wohnung 2x monatlich 47,18 14 Waschen u. Pflegen der Wäsche / Kleidung 1x wöchentlich 62,92 Gesamtbetrag 1.505,10./. Pflegesachleistung 450,00 Eigenanteil: 1.055,10

Aufgrund eines Hausbesuchs am 15.05.2014 stellte eine Pflegefachkraft des Antragsgegners in ihrer Stellungnahme vom 30.05.2014 jedoch einen vom Angebot des Pflegedienstes abweichenden, wesentlich geringeren Bedarf an Pflegeleistungen wie folgt fest: LK-NR. Bezeichnung Häufigkeit Gesamtpreis* EUR 01 Ganzwaschung 1x wöchentlich 77,10 02 Teilwaschung 4x wöchentlich 165,29 28 Kleine pflegerische Hilfestellung 2 1x täglich 131,10 hauswirtschaftl. Versorgung Pauschale 210,00 * berechnet für einen Monat mit 30 Tagen Gesamtbetrag 583,49./. Pflegesachleistung 450,00 Eigenanteil: 133,49 Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 23.07.2014 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin ab dem 01.01.2014 Leistungen der Hilfe zur Pflege im Umfang der Feststellungen seiner Pflegefachkraft vom 30.05.2014. Die Festsetzung einer Pauschale für die hauswirtschaftliche Versorgung begründete er damit, dass nach § 36 SGB XI mehrere Pflegebedürftige Pflege- und Betreuungsleistungen sowie hauswirtschaftliche Versorgung gemeinsam als Sachleistung in Anspruch nehmen könnten. Davon sei insbesondere innerhalb einer Pflegewohngemeinschaft auszugehen, so dass es gerechtfertigt sei, den innerhalb einer Pflegewohngemeinschaft anfallenden Bedarf unter Einbeziehung der insoweit anfallenden Synergieeffekte pauschaliert festzusetzen. Die im Betreuungsvertrag mit dem XXX vorgesehenen Betreuungsleistungen fänden keine Berücksichtigung im SGB XII und würden nicht übernommen. Der früher vom Bedarf in Abzug gebrachte Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI werde nicht mehr bedarfsmindern berücksichtigt, so dass die Antragstellerin diese Mittel für Leistungen einsetzen könne, die vom Leistungskomplexsystem nicht erfasst werden. Der Einsatz von Einkommen und Vermögen werde nicht verlangt.

Mit ihrem Widerspruch vom 22.08.2014 machte die Antragstellerin geltend, dass sich die Notwendigkeit der im Angebot des XXX berücksichtigten Leistungen bereits aus dem Pflegegutachten des MDK vom 09.03.2013 ergäbe. Die dahinter zurückbleibenden Feststellungen des Antragsgegners berücksichtigten die krankheitsbedingten Einschränkungen der Antragstellerin nicht hinreichend. Auch das der Antragsgegner bei der Festsetzung einer Pauschale für die hauswirtschaftliche Versorgung nur 1/12 der Kosten berücksichtige, die aufgrund der an sich bei der Antragstellerin zu berücksichtigenden Bedarfe nach dem Leistungskomplexsystem anfielen, um damit die Synergieeffekte des Lebens in einer Wohngemeinschaft abzubilden, sei rechtsfehlerhaft. Dies sei im Leistungskomplexsystem der Vereinbarungen nach § 89 SGB XI gerade nicht vorgesehen und durch diese unzutreffende Art der Berechnung blieben die berücksichtigten Kosten hinter denen zurück, die der Antragstellerin aus dem mit dem Pflegedienst geschlossenen Pflegevertrag entstünden. Letztlich verstieße der Antragsgegner durch den Bescheid vom 23.07.2014 gegen die in § 62 SGB XII normierte Bindung der Sozialhilfeträgers an die Entscheidungen der Pflegekasse über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit. Berücksichtige man die Feststellungen der Pflegekasse hinreichend, ergäben sich in einem Monat mit 30 Tagen ungedeckte Pflegekosten i.H.v. EUR 859,91.

Dem Widerspruch wurde nach Beteiligung sozial erfahrender Dritter mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2015 insoweit abgeholfen, als für die hauswirtschaftliche Versorgung rückwirkend ab dem 01.01.2014 ein Betrag von monatlich EUR 250,- berücksichtigt und der Bedarf an Pflegeleistungen wie folgt festgesetzt wurde: LK-NR. Bezeichnung Häufigkeit 01 Ganzwaschung 2x wöchentlich 02 Teilwaschung 5x wöchentlich 28 Kleine pflegerische Hilfestellung 2 7x wöchentlich hauswirtschaftl. Versorgung Pauschale

Im Übrigen wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Antragsgegner sei durch § 62 SGB XII allein an die Einstufung in die jeweilige Pflegestufe gebunden. Hinsichtlich der tatsächlich und notwendigerweise zu erbringenden Pflegeleistungen sei er hingegen berechtigt, eigene Feststellungen zu treffen, was durch eine Pflegefachkraft geschehen sei. Auf dieser Grundlage könnten über den Umfang der Teilabhilfe hinaus keine weiteren individuellen Pflegeleistungen im Rahmen des anzuwendenden Leistungskomplexsystems anerkannt werden. Sofern die Antragstellerin insoweit weitergehende Leistungen in Anspruch nehme, könne sie diese über den Wohngruppenzuschlag nach § 38a SGB XI finanzieren. Die hauswirtschaftliche Versorgung werde von der Pflegewohngemeinschaft i.S.v. § 36 SGB XI gemeinsam als Sachleistung in Anspruch genommen und erlaube die Berücksichtigung von dabei anfallenden Synergieeffekten. Dies sei zunächst dadurch umgesetzt worden, dass bei jedem der 12 Bewohner nur 1/12 des hauswirtschaftlichen Bedarfs berücksichtigt worden sei. Aufgrund des Einwands des Pflegedienstes, dass ihm für die jeweilige Dienstleistung ein zeitlich höherer Aufwand als in einem Einzelhaushalt entstehe, werde nunmehr pro Bewohner 1/5 des hauswirtschaftlichen Bedarfs berücksichtigt und deshalb eine um 40 Euro höhere Pauschale für die hauswirtschaftliche Versorgung anerkannt. Im Übrigen rechne der Pflegedienst auf Grundlage des Pflegevertrages auch die Leistungskomplexe 04 (selbstständige Nahrungsaufnahme), 13 (Reinigen der Wohnung) und 14 (Waschen und Pflege der Wäsche / Kleidung) ab. Diese Leistungskomplexe fielen jedoch in den Bereich des hauswirtschaftlichen Bedarfs und würden daher über die bewilligte Pauschale von 250,- Euro für hauswirtschaftliche Verrichtungen hinreichend berücksichtigt.

Unter dem 23.12.2014 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Dortmund gestellt. Sie wiederholt und vertieft die Ausführungen aus ihrem Widerspruch. Ergänzend trägt sie vor, dass sich ein erheblicher Zahlungsrückstand ergeben und der XXX unter dem 09.02.2015 den Pflege- und den Betreuungsvertrag mit der Antragstellerin mit sofortiger Wirkung gekündigt habe, so dass sie ihre Existenz gefährdet sähe. Sie sei weder willens noch körperlich in der Lage, in eine anderweitige stationäre Einrichtung zu wechseln. Die Beauftragung eines anderen ambulanten Pflegedienstes sei – zumal das Hausrecht von der Wohngemeinschaft ausgeübt werde – schon deshalb nicht möglich, weil sie damit gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Wohngemeinschaft verstieße. In der Gemeinschaftsordnung habe sich jedes Mitglied der Wohngemeinschaft "XXX" dazu verpflichtet, den von der Gemeinschaft für alle verbindlich bestätigten Pflegedienst mit der Durchführung der Pflegeleistungen zu beauftragen. Zur Sicherstellung von Pflege und Betreuung habe ihr der Pflegedienst in dem Kündigungsschreiben zu einem Umzug in eine stationäre Einrichtung oder zur einstweiligen Einweisung in die klinische Versorgung geraten. Mit diesem Hinweis auf anderweitige Versorgungsmöglichkeiten genüge der Pflegedienst seinem in § 9 Abs. 6 des Pflegevertrages enthaltenen Sicherstellungsauftrag. Jedenfalls könne bei erklärter Kündigung keine Weiterversorgung beansprucht werden. Zugleich mit der Kündigung habe der XXX den Sprecher der Wohngemeinschaft von der Kündigung des Pflege- und Betreungsvertrags unterrichtet und diesen ersucht, ihr unter Verweis auf die aufgelaufenen Zahlungsrückstände die Mitgliedschaft in der Wohngemeinschaft ebenfalls zu kündigen. Seitens des Pflegedienstes sei jedoch Bereitschaft erklärt worden, die Versorgung der Antragstellerin gegen Fortgewährung der bis zum 31.12.2013 vom Antragsgegner gezahlten Vergütung weiterhin sicherzustellen.

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, die bei der Antragstellerin monatlich anfallenden Kosten ihrer Pflege und Betreuung in der Wohngemeinschaft "XXX" in Höhe von EUR 824,- zu übernehmen. Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Selbst im Falle der Kündigung fehle es an einem Anordnungsgrund, denn es wäre der Antragstellerin zumutbar, einen neuen Pflegevertrag mit einem anderen Pflegedienst abzuschließen. Ein Anordnungsanspruch bestehe schon deshalb nicht, weil die vom Antragsgegner bewilligten Leistungen ausreichend seien. Ein höherer als der bewilligte Anspruch komme auch nicht auf Grundlage der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zwischen dem Antragsgegner und dem XXX vom 03.04.2013 in Betracht. Diese Vereinbarung sei im Hinblick auf den unklaren Status der Wohngemeinschaft nach dem WTG von vornherein lediglich bis zum 31.12.2013 befristet geschlossen worden und habe sogar ein Sonderkündigungsrecht des Antragsgegners für den – erst nach Ablauf der Vereinbarung eingetreten – Fall vorgesehen, dass die Rechtsauffassung des Antragsgegners im anhängig gewesenen Verfahren vor dem VG Gelsenkirchen nicht bestätigt würde. Auch eine Weitergeltung dieser Vereinbarung auf Grundlage von § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII komme nicht in Betracht. Eine Vergütungsvereinbarung nach § 75 SGB XII könne nur mit dem Betreiber einer betreuten Wohnform vereinbart werden, nicht jedoch mit einer selbstbestimmten Wohngemeinschaft. Für eine Fortgeltung der Vereinbarung nach § 75 SGB XII zwischen dem XXX und dem Antragsgegner bestehe überdies schon deshalb kein Raum, weil eine gültige Vereinbarung nach § 89 SGB XI bestehe, auf deren Grundlage Antragstellerin und Pflegedienst ohne weiteres abrechnen könnten, zumal der Pflegevertrag zwischen dem Pflegedienst und der Antragstellerin genau auf diese Vereinbarung abstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung ). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Wenn die Gewährung existenzsichernder Leistungen im Streit steht, hat dies Auswirkungen auf den Prüfungsmaßstab und verlangt regelmäßig eine abschließende gerichtliche Prüfung, wobei insbesondere bei nicht ausreichender Mitwirkung des Antragstellers eine Beweislastverteilung nicht ausgeschlossen ist. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage aus, ist aufgrund einer am effektiven Rechtsschutz orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (ausführlich und m.w.N.: LSG NRW, Beschluss vom 07.08.2013, Az.: L 9 SO 307/13 B ER; L 9 SO 308/13 B, juris Rn. 4 f.; siehe aber auch BVerfG, Beschluss vom 06.08.2014, 1 BvR 1453/12). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern in einer Wechselbeziehung. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs sind mit zunehmender Eilbedürftigkeit und Schwere des drohenden Nachteils zu verringern und umgekehrt (LSG NRW, Beschluss vom 02.04.2014, Az.: L 20 SO 436/13 B ER, juris Rn. 30).

2. Ausgehend von diesen Maßgaben sind die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung gegeben. Die Antragstellerin hat Anordnungsanspruch und –grund glaubhaft gemacht.

a) Ein Anordnungsanspruch ergibt sich im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aus §§ 61, 65 Abs. 1 Satz 2 1.Fall SGB XII.

Dem Grunde nach steht für die Beteiligten und auch zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Antragstellerin die persönlichen (§ 61 Abs. 1 SGB XII) und wirtschaftlichen (§§ 19 Abs. 3, 85 ff., 90 SGB XII) Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme der angemessenen Kosten einer besonderen Pflegekraft (§ 65 Abs. 1 Satz 2 1.Fall SGB XII) erfüllt.

Der dem Grunde nach gegebene Hilfeanspruch der Antragstellerin richtet sich auf den Schuldbeitritt des Antragsgegners zu der durch den Pflegevertrag mit dem XXX begründeten Zahlungsverpflichtung – zur Überzeugung der Kammer 1.274,- Euro – abzüglich der vorrangig einzusetzenden (§ 66 Abs. 4 SGB XII) Pflegesachleistung (450,- Euro) und des Wohngruppenzuschlags (200,- Euro). Denn die Leistungserbringung erfolgt im Rahmen eines sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses, so dass die Hilfegewährung im Schuldbeitritt des Antragsgegners zur zivilrechtlichen Schuld der Antragstellerin gegenüber der XXX besteht (vgl. allgemein zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis Jaritz/Eicher in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 75 SGB XII Rn 30 m.w.N. aus der Rspr.; zur Anwendbarkeit auch auf ambulante Pflegedienste vgl. LSG NRW, Urt. v. 23.09.2013 – L 20 SO 394/12 –, juris-Rn 54; SG Dortmund, Urt. v. 21.08.2012 – S 41 SO 583/11 –, juris-Rn 24).

Die Höhe der von der Antragstellerin dem XXX geschuldeten Vergütung ergibt sich nach Auffassung der Kammer aus der am 03.04.2013 im Verhältnis zwischen dem Antragsgegner und dem XXX getroffenen Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII, die trotz Zeitablaufs fort- (dazu aa)) und sich dergestalt auf die zivilrechtliche Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und dem XXX auswirkt, dass statt der nach dem Pflegevertrag an sich auf Grundlage der Vergütungsvereinbarungen nach § 89 SGB XI geschuldeten Vergütung (§ 4 Abs. 1 Pflegevertrag) die in der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zwischen dem Antragsgegner und dem Pflegedienst vereinbarten Pauschalen maßgeblich geworden sind (dazu bb)). Weil durch diese Pauschalen sowohl die im Pflege- als auch im Betreuungsvertrag der Antragstellerin mit dem Pflegedienst vereinbarten Leistungen vollständig abgegolten sind (Ziffer 5 und 10 der Vereinbarung) und die Einstufung in die Pauschale sich allein nach der unstreitigen Pflegestufe der Antragstellerin richtet (Ziffer 10.4 der Vereinbarung), kommt es – wovon auch der Antragsgegner in seinem noch auf Grundlage der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII erlassenen Bescheid vom 03.12.2013 ausgeht – insoweit auf einen konkret zu ermittelnden Pflegebedarf in Form von Leistungskomplexen und eine Zuordnung der Leistungen des Pflegedienstes zum Pflege- bzw. Betreuungsvertrag nicht an.

aa) Die am 03.04.2013 zwischen dem Antragsgegner und dem Pflegedienst auf Grundlage von § 75 Abs. 2 Satz 4 SGB XII getroffene und bis zum 31.12.2013 befristete Vereinbarung gilt gem. § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII über den 31.12.2013 hinaus fort.

Nach § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII gelten die vereinbarten oder festgesetzten Vergütungen nach Ablauf des Vereinbarungszeitraums bis zum Inkrafttreten neuer Vergütungen weiter. Dabei erstreckt sich die Weitergeltung über den Wortlauts hinaus aufgrund des untrennbaren logischen Zusammenhangs zwischen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung auch auf die Inhalte der Leistungsvereinbarung (Jaritz/Eicher in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 77 SGB XII Rn 122 m.w.N. auch zur a.A.). Auch wenn die zwischen dem Antragsgegner und dem Pflegedienst getroffenen Vereinbarung Elemente der Leitungs- und Vergütungsvereinbarung (vgl. § 76 SGB XII) vermengt, bedarf es daher grundsätzlich keiner Differenzierung zwischen einzelnen Regelungen im Hinblick auf ihre Weitergeltung, sondern gilt die Vereinbarung hinsichtlich aller für den Leistungsanspruch der Antragstellerin maßgeblichen Regelungen zur Überzeugung der Kammer insgesamt fort.

Der Weitergeltung dieser Vereinbarung kann nicht entgegen gehalten werden, dass es sich bei der Wohngemeinschaft "XXX" – nunmehr verwaltungsgerichtlich festgestellt – nicht um eine anbieterverantwortete Wohngemeinschaft i.S.v. § 26 WTG, sondern um eine selbstverantwortete Wohngemeinschaft i.S.v. § 25 WTG handelt. Sofern der Antragsgegner der Auffassung ist, dass eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII nur mit dem Betreiber einer betreuten Wohnform vereinbart werden kann und nicht mit einer selbstbestimmten Wohngemeinschaft, und deshalb nach der Statusklärung der Wohngemeinschaft "XXX" eine Fortgeltung der Vereinbarung vom 03.04.2013 nicht in Betracht komme, trifft dies aus mehreren Gründen nicht zu. Zunächst ist Vertragspartner des Antragsgegners nicht die Wohngemeinschaft "XXX, sondern die XXX. Bei dieser handelt es sich jedoch um einen Dienst i.S.v. § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (vgl. SG Dortmund, Urt. v. 21.08.2012 – S 41 SO 583/11 –, juris-Rn 24 m.w.N.), und über den in § 1 der Vereinbarung vom 03.04.2013 geregelten Leistungsgegenstand kann mit einem Dienst eine Vereinbarung geschlossen werden, unabhängig davon, ob er Betreiber einer Wohngruppe ist, oder vom Vertrag lediglich die – von seiner übrigen Geschäftstätigkeit ohne weiteres abgrenzbare – Tätigkeit in einer (selbstverantworteten) Wohngemeinschaft betroffen ist. § 75 SGB XII lässt sich jedenfalls keine diesbezügliche Einschränkung für Dienste oder gar ein Anknüpfen an das WTG entnehmen und die vereinbarten Leistungen dienen auch der Erfüllung der Aufgaben der Sozialhilfe (§ 75 Abs. 2 Satz 1 SGB XII).

Unabhängig von der Frage, ob neben den gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten zur Loslösung von einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII (vgl. § 77 Abs. 3 und § 78 SGB XII und § 59 SGB X) für ein vertraglich vereinbartes Sonderkündigungsrecht überhaupt noch Raum ist, steht das unter Ziffer 2 Abs. 1 der Vereinbarung vom 03.04.2013 vorgesehene Sonderkündigungsrecht des Antragsgegners der Fortgeltung der Vereinbarung nicht entgegen. Denn jedenfalls wurde das Sonderkündigungsrecht bis heute nicht ausgeübt und wirkte nur mit Ablauf des auf den Kündigungsmonat folgenden Kalendermonats. Vor diesem Hintergrund kann an dieser Stelle auch dahinstehen, ob die Weiterwirkung nach § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII sich auch auf das Sonderkündigungsrecht erstreckt, dass weder eine Regelung mit Bezug zur Vergütung noch zur Leistung darstellt. Im Übrigen dürfte der Versuch, über das Sonderkündigungsrecht den Status nach dem WTG mit der Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung zu verknüpfen dem § 75 SGB XII widersprechen (vgl. oben). Ob vor diesem Hintergrund die Ausübung des Sonderkündigungsrechts möglicherweise unbeachtlich wäre, kann gegenwärtig jedoch ebenfalls dahinstehen.

Auch eine vom Antragsgegner befürwortete teleologische Reduktion des § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII, der vertraglose Zustände vermeiden soll, ist vorliegend trotz des Bestehens von Vereinbarungen nach § 89 SGB XI, die über § 75 Abs. 5 Satz 1 SGB XII als "Auffangvereinbarungen" dienen und einen vertragslosen Zustand vermeiden könnten, nicht geboten. Mit diesem Einwand setzt sich der Antragsgegner zunächst in Widerspruch zur Begründung seines Bescheides vom 03.12.2013. Dort hat er die zwischen Pflegekasse und Pflegedienst Busch geltende Vereinbarung nach § 89 SGB XI für nicht anwendbar erklärt, weil die Pflegesituation in einer Pflegewohngemeinschaft einer teilstationären bzw. stationären Versorgung gleichkomme und unter Einbeziehung gerade auch der anfallenden Synergieeffekte eine pauschalierte Bedarfsfestsetzung notwendig sei. An den tatsächlichen Umständen, auf die der Antragsgegner sich in seinem Bescheid vom 03.12.2013 beruft, dürfte sich – trotz des zwischenzeitlich festgestellten Status als selbstverantwortete Wohngemeinschaft i.S.v. § 25 WTG – nichts geändert haben, so dass der Antragsgegner auf Grundlage seiner eigenen Ausführungen eigentlich ein besonderes Interesse an der Fortgeltung der Vereinbarung vom 03.04.2013 haben sollte. Im Übrigen hindert die Bindungswirkung des § 75 Abs. 5 Satz 1 SGB XII den Sozialhilfeträger nicht, mit einem Leistungserbringer einzelvertraglich abweichende Regelungen zu treffen (vgl. Jaritz/Eicher in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 75 SGB XII Rn 153), so dass der Antragsgegner und der XXX nicht gehindert waren, eine eigenständige Vereinbarung neben und – im Verhältnis zueinander – vorrangig zu der Vereinbarung des Pflegedienstes mit der Pflegekasse nach § 89 SGB XI zu treffen. Im Übrigen erscheint es fraglich, ob überhaupt und wenn ja in wie weit über § 75 Abs. 5 Satz 1 SGB XII eine Bindungswirkung an die Vereinbarung nach § 89 SGB XI besteht, wenn – wie hier – in der abweichenden Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII weitergehende Leistungen als in der Vereinbarung nach § 89 SGB XI behandelt werden. Wenn schließlich Antragsgegner und Pflegedienst im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse der Zielgruppe und die besonderen Umstände der Leistungserbringung eine speziellere Vereinbarung neben der Vereinbarung nach § 89 SGB XI geschlossen haben, gebührt der Fortgeltung dieser spezielleren Regelung nach § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII zur Überzeugung der Kammer der Vorrang vor der Anwendung der – jedenfalls anfänglich auch nach Vorstellung der Vertragsparteien – subsidiären Vereinbarung nach § 89 SGB XI.

b) Die in der Vereinbarung vom 03.04.2013 vereinbarten Vergütungspauschalen sind auch für das zivilrechtliche Verhältnis des Pflegedienstes zur Antragstellerin und damit für die Höhe der zivilrechtlichen Forderung, der der Antragsgegner beizutreten hat, maßgeblich.

Rein tatsächlich basieren die vom Pflegedienst der Antragstellerin während der Zeit bis zum 31.12.2013 gestellten Rechnungen auf der mit dem Antragsgegner vereinbarten Pauschale, hat der Antragsgegner auch nur die Pauschale zur Grundlage der Leistungsgewährung durch seinen Bescheid vom 03.12.2013 gemacht und die Antragstellerin auch nur die jeweils in Rechnung gestellte Pauschale beglichen. Es spricht deshalb viel dafür, in dem Verhalten des Pflegedienstes und der Antragstellerin eine konkludente Änderung des Pflege- und Betreuungsvertrages zu sehen, bei der an die Stelle der auf Grundlage von § 89 SGB XI berechneten Vergütung (§ 4 Pflegevertrag) bzw. der nach § 4 des Betreuungsvertrags geschuldeten Vergütung die in der Vereinbarung vom 03.04.2013 zwischen Pflegedienst und Antragsgegner vereinbarte (pauschale) Vergütung getreten ist. Im Übrigen wirken sich im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis die losgelöst vom Einzelfall zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer geschlossenen Vereinbarungen i.S.v. § 75 Abs. 3 SGB XII auch auf das Erfüllungsverhältnis zwischen Leistungserbringer und Leistungsempfänger aus. Während dies bei stationären Einrichtungen ausdrücklich gesetzlich geregelt ist (§§ 7, 9 und 15 Gesetz zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen) ergibt sich eine Kopplung des im Erfüllungsverhältnis geschlossenen zivilrechtlichen Vertrages an die zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer nach § 75 Abs. 3 SGB XII geschlossenen Vereinbarungen über bzw. entsprechend § 32 SGB I (Jaritz/Eicher in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 75 SGB XII Rn 200). Denn § 32 SGB I soll sicherstellen, dass die nach den Sozialgesetzbüchern Begünstigten die gesetzlich vorgesehenen Sozialleistungen zu den jeweils gesetzlich bzw. in Vereinbarungen nach § 75 SGB XII geregelten Voraussetzungen erhalten. Zivilrechtliche Regelungen im Erfüllungsverhältnis, die von diesen Vereinbarungen abweichen, sind – jedenfalls während der Geltungsdauer der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII – deshalb nicht anzuwenden. Vielmehr müssen die Regelungen in den Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII auch im Erfüllungsverhältnis Geltung verlangen können.

3. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Aufgrund der außerordentlichen Kündigung des Pflegevertrages durch den Pflegedienst ist die Pflege der Antragstellerin nicht mehr sichergestellt und ihr ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten. Dem kann seitens des Antragsgegners nicht entgegen gehalten werden, dass es der Antragstellerin in diesem Falle zumutbar sei, einen neuen Pflegevertrag mit einem anderen Pflegedienst zu schließen. Durch ein solches Verhalten verstieße die Antragstellerin nämlich gegen den auf Grundlage von Ziffer 1 lit. g der Gemeinschaftsordnung der Wohngemeinschaft getroffenen Beschluss vom 06.05.2014, mit dem der XXX von den Mietgliedern der Wohngemeinschaft gemeinsam zur Durchführung von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie hauswirtschaftlicher Dienstleistungen (Ziffer 1 lit. g der Gemeinschaftsordnung) beauftragt wurde. Ein solches Verhalten der Antragstellerin führte – ebenso wie die bereits jetzt im Verhältnis zum Pflegedienst bestehenden Zahlungsrückstände – zu einem außerordentlichen Kündigungsgrund und gefährdete neben der Pflege auch noch den Verbleib der Antragstellerin in der Wohngemeinschaft. Daneben würde das gesamte Konzept der (24-Stunden-)Pflege in einer Wohngemeinschaft in wirtschaftlicher Hinsicht gefährdet, wenn einer oder mehrere Mitglieder jeweils eigenständig einen anderen Pflegedienst beauftragten, was die Beauftragung eines anderen Pflegedienstes für die der Gemeinschaft (nicht nur) vertraglich verpflichteten Antragstellerin nach Auffassung der Kammer unzumutbar macht. Schließlich dürfte aufgrund des Umstandes, dass das Hausrecht bei Wohngemeinschaft liegt, die Erbringung von Pflegeleistungen durch einen nicht von der Wohngemeinschaft dazu bestimmten Pflegedienst rein tatsächlich ausscheiden bzw. mit unzumutbaren Schwierigkeiten für die Antragstellerin verbunden sein.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis der begehrten zur zugesprochenen monatlichen Leistung.

5. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt XXX aus XXX gemäß § 73a Abs.1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO liegen vor. Ausweislich der eingereichten Unterlagen kann die Antragstellerin die Kosten für die Prozessführung auch teilweise oder in Raten nicht selbst aufbringen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat Erfolg. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Rechtskraft
Aus
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