S 14 KR 466/07

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 14 KR 466/07
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine generalklauselartige Satzungsregelung einer Krankenkasse genügt nicht, um das Landesblindengeld eines freiwilligen Mitglieds der Beitragsbemessung zu unterwerfen.

2. Die generalklauselartige Satzungsbestimmung reicht nach der Rechtsprechung des BSG nur aus, um bei freiwilligen Mitgliedern neben den in der Vorschrift ausdrücklich genannten, bei versicherungspflichtig Beschäftigten beitragspflichtigen Einnahmen solche anderen Einnahmen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, die bereits in ständiger Rechtsprechung vom BSG als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden sind (vgl. BSG 22. Mai 2003 – B 12 KR 12/02 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 1; BSG 19. Dezember 2000 – B 12 KR 1/00 R, SozR 3-2500 § 240 Nr 34; BSG 24. Januar 2007 – B 12 KR 28/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 9).
Der Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2007 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte das Landesblindengeld bei der Beitragsbemessung als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigt hat. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Landesblindengeld für die Beitragsbemessung in der freiwilligen Krankenversicherung als beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigen ist.

Der am 1942 geborene Kläger ist bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied krankenversichert. Seit dem 1. Januar 1998 bezieht er von der Deutschen Rentenver-sicherung Nord eine Erwerbsminderungsrente. Daraus erhob die Beklagte seit 1. Januar 2006 unter Berücksichtigung der vorgeschriebenen Mindestbemessungsgrundlage Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt monatlich EUR 137,76. In der Satzung der Beklagten ist in § 16 Abs. 1 geregelt, dass zu den beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder das Arbeitsentgelt gehört sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung bis zum kalendertäglichen Betrag der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung.

Seit 1. September 2006 bezieht der Kläger neben der Rente Landesblindengeld in Höhe von monatlich EUR 297,50. Dies teilte er der Beklagten im Rahmen einer Einkommensüberprüfung im Oktober 2006 mit. Mit Bescheid vom 27. Dezember 2006 erhöhte die Beklagte den Beitrag des Klägers zur Krankenversicherung ab 1. Januar 2007 auf monatlich EUR 163,22. Aufgrund der geplanten Gesundheitsreform, der gesunkenen Bundeszuschüsse und der allgemeinen Kostensteigerungen sei die Beklagte gezwungen, den Beitragssatz für die Krankenversicherung um 0,9 Prozentpunkte zu erhöhen. Zur Berechnung des Beitrages zog die Beklagte sowohl die Rente des Klägers als auch das Landesblindengeld heran.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 6. Januar 2007 Widerspruch. Die Gesundheitsreform sei noch nicht verabschiedet und die Mehrwertsteuererhöhung wirke sich im Gesundheitswesen nicht aus. Das Landesblindengeld sei bei der Beitragsbemessung nicht zu berücksichtigen, denn es diene nicht dem Lebensunterhalt im Sinne der Satzungsvorschrift der Beklagten, sondern sei eine finanzielle Unterstützung zum Erhalt einer angemessenen Lebensqualität.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2007, dem Betreuer des Klägers zugestellt am 15. März 2007, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Bei der Beitragsbemessung sei neben der Rente auch das Landesblindengeld zu berücksichtigen. Der Einnahmebegriff sei im Wesentlichen nach wirtschaftlichen Gesichts-punkten abzugrenzen. Die gesamte wirtschaftliche Leitungsfähigkeit werde von den Einnahmen und nicht von der Bedarfssituation des Mitglieds aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen bestimmt. Entsprechend der durch die zuständige Aufsichtsbehörde genehmigten Satzung der Beklagten betrage der Beitragssatz ab 1. Januar 2007 für das Landesblindengeld 14,0 % und für die Rente 15,3 %.

Dagegen hat der Kläger am Dienstag, den 17. April 2007, beim Sozialgericht Kiel Klage erhoben. Er stelle einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Klagefrist sei aufgrund eines Versehens einer Büromitarbeiterin seiner Prozessbevollmächtigten versäumt worden. Seine Prozessbevollmächtigte hat versichert, dass das Fristende korrekt für Montag, den 16. April 2007 im Fristenkalender eingetragen worden sei. Die Klageschrift sei am Sonntagabend fertig gestellt und die Büroangestellte L damit beauftragt worden, sie am Montag, den 16. April 2007 an das zuständige Gericht zu faxen. Frau L sei ansonsten eine sehr zuverlässige und pflichtbewusste Mitarbeiterin, der die Prozessbevollmächtigte tiefes Vertrauen entgegen bringe. Frau L hat diese Angaben mit Schreiben vom 17. April 2007 bestätigt.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Landesblindengeld nicht bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen sei. Das Landesblindengeld habe den gleichen Zweck wie die Blindenhilfe, die als Hilfe in besonderen Lebenslagen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zu den berücksichtigungsfähigen Einnahmen zum Lebensunterhalt gehört habe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2007 insoweit aufzuheben, als die Beklagte das Landesblindengeld bei der Beitragsbemessung als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides.

Das Sozialgericht Kiel hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 8. Juni 2007 an das örtlich zuständige Sozialgericht Lübeck verwiesen. Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen und zusammen mit der Prozessakte zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Dem Kläger war gemäß § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Seinem Betreuer ist der angefochtene Widerspruchsbescheid der Beklagten ausweislich der in der Verwaltungsakte befindlichen Zustellungsurkunde am 15. März 2007 zugestellt worden, so dass die Klagefrist am Montag, den 16. März 2007, abgelaufen ist. Die Klage ging daher verfristet am 17. April 2007 beim Sozialgericht Kiel ein. Die Prozessbevollmächtigte war jedoch ohne Verschulden gehindert, die Klagefrist einzuhalten. Zwar steht ein Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten grundsätzlich dem Verschulden eines Beteiligten gleich (vgl. § 73 Abs. 4 Satz 1 SGG i. V. m. § 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung; BSG 6. Dezember 2000 – B 3 P 14/00 R, SozR 3-1500 § 67 Nr. 18). Dagegen ist bei Verschulden einer ausreichend geschulten, unterrichteten und überwachten Hilfsperson des Verfahrensbevollmächtigten mangels einer § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechenden Vorschrift im SGG eine Wiedereinsetzung möglich. Aufgrund eines Büroversehens wurde die vollständig gefertigte und im Fristenkalender korrekt eingetragene Klageschrift nicht rechtzeitig an das Gericht gefaxt. Die Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten L hatte einen entsprechenden eindeutigen Auftrag erhalten, diesen jedoch vergessen auszuführen. Die Kammer geht angesichts der in der mündlichen Verhandlung von der Prozessbevollmächtigen des Klägers wiederholt abgegebenen Versicherung davon aus, dass deren Mitarbeiterinnen und insbesondere die Mitarbeiterin L ihre Tätigkeiten sorgfältig verrichten und von der Prozessbevollmächtigten gründlich in ihre Aufgabenbereiche eingewiesen worden sind. Hat sie jedoch zuverlässige Angestellte mit der Organisation des Betriebsablaufs und der fristgemäßen Übersendung von Schriftstücken beauftragt, so muss sie sich auch ohne ständige Kontrollen auf deren Handlungen verlassen können.

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2007 ist insoweit rechtswidrig, als die Beklagte das Landesblindengeld bei der Beitragsbemessung als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigt hat. Insoweit ist eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht eingetreten. Denn das Landesblindengeld durfte der Beitragsbemessung nicht zu Grunde gelegt werden.

Nach § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Dabei ist nach Satz 2 sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt. Die Satzung der Krankenkasse muss nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V mindestens die Einnahmen des Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Die Beklagte bestimmt zur Beitragsbe-messung in § 16 Abs. 1 ihrer Satzung, dass zu den beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder das Arbeitsentgelt gehört sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung bis zum kalendertäglichen Betrag der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung. Das Landesblindengeld gehört nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen. Denn die generalklauselartige Satzungsbestimmung reicht nach der Rechtsprechung des BSG nur aus, um bei freiwilligen Mitgliedern neben den in der Vorschrift ausdrücklich genannten, bei versicherungspflichtig Beschäftigten beitragspflichtigen Einnahmen solche anderen Einnahmen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, die bereits in ständiger Rechtsprechung vom BSG als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden sind (vgl. BSG 22. Mai 2003 – B 12 KR 12/02 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 1; BSG 19. Dezember 2000 – B 12 KR 1/00 R, SozR 3-2500 § 240 Nr. 34; BSG 24. Januar 2007 – B 12 KR 28/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 9). Das ist vorliegend nicht der Fall. Das Landesblindengeld ist keine Einnahme, die bei vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen ist und die deshalb mindestens auch bei freiwilligen Mitgliedern berücksichtigt werden muss. Nach § 226 Abs. 1 Satz 1 werden bei versicherungspflichtig Beschäftigten das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (Nr. 1), der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Nr. 2), der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge, Nr. 3) und das Arbeitseinkommen, soweit es neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder Versorgungsbezügen erzielt wird (Nr. 4), der Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Das Landesblindengeld fällt nicht unter diese Aufzählung. Es wird nicht aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erzielt und gehört weder zu den Versorgungsbezügen im Sinne von § 229 SGB V noch zum Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit gemäß § 15 SGB IV.

Beim Landesblindengeld handelt es sich auch nicht um eine Leistung, die bereits in ständiger Rechtsprechung vom BSG als Einnahme zum Lebensunterhalt anerkannt worden ist (vgl. zur Heranziehung des Ertrags aus Kapitalvermögen BSG 23. Februar 1995 – 12 RK 66/93, SozR 3-2500 § 240 Nr. 19 und zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung BSG 23. September 1999 – B 12 KR 12/98 R, SozR 3-2500 § 240 Nr. 31). Aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen des § 240 SGB V ergeben sich zudem Grundsätze der Beitragsbemessung, die eine ausdrückliche Satzungsregelung erübrigen (vgl. zum vertikalen Verlustausgleich BSG 23. Februar 1995 – 12 RK 66/93, SozR 3-2500 § 240 Nr. 19; zum Abzug von Werbungskosten bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung BSG 23. September 1999 – B 12 KR 12/98 R, SozR 3-2500 § 240 Nr. 31).

Der Auftrag des § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V an den Satzungsgeber geht jedoch nach der Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, weiter. Dem Satzungsgeber ist gestattet und aufgetragen, die Einzelheiten der Beitragsbemessung für die freiwilligen Mitglieder - ausgerichtet an der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Mitglieds - in der Satzung so konkret zu regeln, dass für typische Sachverhalte eine einheitliche Bewertung sichergestellt ist (vgl. BSG 19. Dezember 2000 – B 12 KR 1/00 R, SozR 3-2500 § 240 Nr. 34). Die Krankenkassen können etwa Bestimmungen darüber treffen, welche Einnahmearten zu berücksichtigen sind (vgl. BSG 29. Juni 1993 – 12 RK 92/92, SozR 3-2500 § 240 Nr. 15), dass einmalige Einnahmen mit einem Zwölftel des zu erwartenden Jahresbetrages monatlich anzusetzen (vgl. BSG 11. September 1995 – 12 RK 11/95, SozR 3-2500 § 240 Nr. 22) und wie steuerliche Vergünstigungen zu behandeln sind (vgl. BSG 15. September 1992 – 12 RK 51/91, SozR 3-2500 § 240 Nr. 9). Stößt die Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen auf erhebliche Schwierigkeiten oder stehen hierfür verschiedene Berechnungsweisen zur Verfügung und lassen sich dem Gesetz keine eindeutigen Bewertungsmaßstäbe entnehmen, setzt die Berücksichtigung der Einnahmen insoweit eine konkretisierende Satzungsregelung voraus (vgl. BSG 22. Mai 2003 – B 12 KR 12/02 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 1; BSG 19. Dezember 2000 – B 12 KR 1/00 R, SozR 3-2500 § 240 Nr. 34). So liegt der Fall hier.

Eine allgemeine, generalklauselartige Regelung wie die Satzungsregelung der Beklagten reicht aus, um eine Altersrente oder eine Unfallrente aus einem privatrechtlichen Versicherungsvertrag zu erfassen (BSG 9. September 2001 – B 12 KR 5/01 R, SozR 3-2500 § 240 Nr. 40, BSG 9. September 2001 – B 12 KR 14/00 R, SozR 3-2500 § 240 Nr. 41). Dafür war in den genannten Entscheidungen vor allem die Vergleichbarkeit mit den beitragspflichtigen laufenden Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und den Versorgungsbezügen maßgebend. Für das Landesblindengeld gilt dieses jedoch nicht. Die Satzungsregelung ist so weit gefasst, dass darunter auch Bezüge fallen, mit denen eine wie bei Pflichtmitgliedern einnahmenorientierte, bei freiwilligen Mitgliedern allerdings erweiterte Bemessungsgrundlage verlassen wird. Sie würde etwa auch Unterhaltszahlungen, Schmerzensgelder, Geschenke und einen über die Berücksichtigung von Einkünften aus Vermögen hinausgehenden Vermögensverzehr erfassen (vgl. BSG 22. Mai 2003 – B 12 KR 12/02 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 1). Ausnahmeregelungen (vgl. BSG 9. September 2001 – B 12 KR 5/01 R, SozR 3-2500 § 240 Nr. 40) fehlen in der Satzung der Beklagten vollständig. Um eine ausreichende Bestimmtheit der abgabenrechtlichen Regelung zu gewährleisten, ist wenigstens in Grenzbereichen zwischen beitragspflichtigen und nicht mehr beitrags-pflichtigen Einnahmen eine spezielle Satzungsregelung erforderlich. Das trifft auf das Landesblindengeld als laufende Zuwendung mit besonderer Zielsetzung zu. Es hat keine Lohnersatzfunktion wie eine Unfallrente, ist aber auch keine Entschädigungsleistung für ein erbrachtes Sonderopfer wie die Grundrente nach § 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Ausweislich der Präambel des Landesblindengeldgesetzes (LBlGG) wird das Landesblinden-geld als Einordnungshilfe in die Gesellschaft gewährt. Es kann nach § 7 Abs. 2 LBlGG versagt werden, soweit eine bestimmungsgemäße Verwendung durch oder für den Blinden nicht möglich ist. Das Landesblindengeld soll als finanzielle Unterstützung dazu beitragen, dass der Blinde die für seine Teilnahme an der Gesellschaft erforderlichen besonderen Mittel, wie zum Beispiel sprechende Haushaltsgeräte, blindengerechte Computer oder Lesehilfen anschaffen kann. Es wäre damit nach der für das bis Ende 1988 geltende Recht des § 180 Abs. 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) ergangenen Rechtsprechung nicht zur Beitragsbemessung heranzuziehen gewesen. Denn zu dieser Regelung ging die Rechtsprechung davon aus, dass sie nur Einnahmen erfasst, die dem Arbeitsentgelt gleichgestellt sind und deshalb dem allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen, nicht dagegen zweckbestimmte Sozialleistungen, die einen besonderen Mehrbedarf abdecken. Zweckbestimmte Leistungen könnten ihre Funktion nur dann erfüllen, wenn ihr Empfänger sie bestimmungsgemäß verwenden dürfe und nicht zur Deckung anderer Lebenshaltungskosten heranziehen müsse (vgl. BSG 25. November 1981 – 5a/5 RKn 18/79, SozR 2200 § 180 Nr. 7). Als zweckbestimmte Einnahme ist das Landesblindengeld zudem bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach § 11 Abs. 3 Ziff. 1 a SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Andererseits ist das Landesblindengeld (anders als die Grundrente nach BVG) zum Beispiel bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen bei der Zuzahlung in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 62 Abs. 2 SGB V als Einnahme zum Lebensunterhalt zu berücksichtigen. Im Unterhaltsrecht wird das Blindengeld zwar grundsätzlich bei der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens berücksichtigt, jedoch wird ebenso wie im Steuerrecht ein Betrag für behinderungsbedingte Mehraufwendungen in Abzug gebracht (vgl. Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Schleswig Ziff. 2.7; BFG 31. August 2006 – III R 71/05, BFHE 214, 544). Anhand dieser unterschiedlichen Bewertungen wird deutlich, dass das Landesblindengeld in einen Grenzbereich zwischen beitragspflichtigen und nicht mehr beitragspflichtigen Einnahmen fällt. Dies macht eine konkrete Satzungsregelung der Beklagten erforderlich, an der es hier fehlt.

Die Krankenkassen können ihre Pflicht zu Satzungsregelungen nicht durch Generalklauseln allgemein der Rechtsprechung überlassen (vgl. BSG 22. Mai 2003 – B 12 KR 12/02 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 1). Nur bei Satzungsregelungen, die für die nicht bereits anerkannten beitragspflichtigen Einnahmen wenigstens in einem gewissen Umfang konkretisierte Regelungen enthalten, können die Mitglieder erkennen, mit welchen Beitragsbelastungen sie zu rechnen haben. Nur so ist auch eine gleichmäßige Behandlung aller freiwilligen Mitglieder einer Kasse gewährleistet. Eine Übernahme von Teilen der ebenfalls unbestimmten Gesetzesmaterialien reicht unter diesen Umständen in den Übergangszonen nicht aus (vgl. BSG a. a. O.). Das Gesetz lässt den Krankenkassen bei der Heranziehung von Einnahmen einen gewissen Spielraum. Es schreibt zwar in § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt. Andererseits heißt es aber in § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V, dass die Satzung mindestens die Einnahmen eines vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten berücksichtigen muss. Diese Regelung wäre unverständlich, wenn ausnahmslos Einnahmen jeder Art und in voller Höhe herangezogen werden müssten (vgl. BSG a. a. O.).

Demnach gehört das Landesblindengeld ohne entsprechende Satzungsregelung nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen von freiwilligen Mitgliedern der Beklagten. Seine satzungsrechtliche Heranziehung ist andererseits nicht wie bei der Grundrente nach § 31 BVG (vgl. BSG 24. Januar 2007 – B 12 KR 28/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr. 9) ausgeschlossen. Ob es bei entsprechender Satzungsregelung ganz oder teilweise herangezogen werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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