Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 14 KR 546/10
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Ein Bescheid der Krankenkasse, mit dem sie den freiwillig Versicherten in einen Krankengeldtarif mit einem
Krankengeldanspruch ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit einstuft und aus diesem Grund höhere Beiträge
anfordert, ist kein begünstigender Verwaltungsakt im Sinne des § 45 SGB X.
IM NAMEN DES VOLKES GERICHTSBESCHEID In dem Rechtsstreit
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter:
gegen
HEK, vertreten durch den Vorstand, Wandsbeker Zollstr. 86-90, 22041 Hamburg,
- Beklagte -
hat die 14. Kammer des Sozialgerichts Lübeck gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz ohne mündliche Verhandlung am 11. Juli 2012 durch die Richterin am Sozialgericht für Recht erkannt:
Krankengeldanspruch ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit einstuft und aus diesem Grund höhere Beiträge
anfordert, ist kein begünstigender Verwaltungsakt im Sinne des § 45 SGB X.
IM NAMEN DES VOLKES GERICHTSBESCHEID In dem Rechtsstreit
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter:
gegen
HEK, vertreten durch den Vorstand, Wandsbeker Zollstr. 86-90, 22041 Hamburg,
- Beklagte -
hat die 14. Kammer des Sozialgerichts Lübeck gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz ohne mündliche Verhandlung am 11. Juli 2012 durch die Richterin am Sozialgericht für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld für die Zeit ab 1. Dezember 2009.
Der 1948 geborene Kläger war bei der Beklagten freiwillig krankenversichert in einem Tarif für Selbständige. Im November 2008 wählte er zum 1. Januar 2009 den Krankengeldtarif der Beklagten "S 43" nach § 21 der Satzung der Beklagten. Dieser Tarif beinhaltete die Zahlung von Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Den Tarifwechsel bestätigte die Beklagte mit Bescheid vom 27. März 2009.
Mit Schreiben vom 10. August 2009 informierte die Beklagte ihre freiwillig versicherten hauptberuflich selbständigen Mitglieder über eine Gesetzesänderung ab 1. August 2009. Der bisherige Krankengeldanspruch ende kraft Gesetzes zum 31. Juli 2009. Es bestünde aber die Möglichkeit, durch Rücksendung der beiliegenden Wahlrechtserklärung bis spätestens 30. September 2009 erneut einen Krankengeldtarif zu wählen. Vom Kläger wurden dementsprechend vom 1. August 2009 an nur noch "einfache" Beiträge ohne Sondertarif eingezogen. Seit 10. November 2009 war der Kläger arbeitsunfähig. Auf seine Nachfrage erhielt er von der Beklagten am 25. November 2009 telefonisch die Mitteilung, dass er einen Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit habe. Daraufhin machte er einen Krankengeldanspruch geltend.
Die Beklagte verwies gegenüber dem Kläger auf eine Versicherung ohne Krankengeldanspruch seit der Rechtsänderung und übersandte ihm eine Kopie ihres Schreibens vom 10. August 2009 nebst Wahlerklärung. Der Kläger erklärte, dass er dieses Schreiben nicht erhalten habe und übersandte die von ihm unterschriebene und auf den 29. September 2009 zurückdatierte Wahlerklärung am 21. Dezember 2009. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 stufte die Beklagte ihn rückwirkend zum 1. August 2009 in den Krankengeldtarif "K 22" mit einem Krankengeldanspruch ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit ein und setzte die Beiträge ab August 2009 fest. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2009 setzte sie die Beiträge ab Januar 2010 fest.
Daraufhin machte der Kläger erneut einen Krankengeldanspruch geltend. Die Beklagte lehnte die Krankengeldzahlung mit Bescheid vom 5. Februar 2010 ab. Die Versicherung des Klägers als Selbständiger mit Krankengeldanspruch habe am 31. Juli 2009 geendet. Eine Einstufung rückwirkend zum 1. August 2009 sei nicht möglich. Der Bescheid vom 22. Dezember 2009 werde entsprechend korrigiert werden. Mit Bescheid vom 12. Februar 2010 setzte die Beklagte den Beitragssatz für die Zeit ab 1. August 2009 neu fest und erstattete dem Kläger die in der Zeit von August bis Dezember 2009 zuviel gezahlten Beiträge.
Dagegen erhob der Kläger am 18. Februar 2010 Widerspruch. An den Wahltarif "S 43" sei er seit der Wahl am 17. November 2008 drei Jahre gebunden. Im Übrigen sei mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 der Krankengeldtarif "K 22" festgestellt worden. Für die Rücknahme dieses Bescheides gebe es keine Rechtsgrundlage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Ein bereits eingetretener Versicherungsfall könne nicht nachträglich versichert werden. Die Versicherung im Wahltarif sei nicht wirksam begründet worden, weil die Frist für die Abgabe der Wahlrechtserklärung zum 30. September 2009 nicht eingehalten worden sei. Der Beitragsbescheid zum Wahltarif sei daher aufzuheben gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 30. April 2010 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Die Mitteilung der Beitragshöhe mit Bescheiden vom 22. und 28. Dezember 2009 habe für den Kläger noch keinen rechtlich erheblichen Nachteil begründet. Relevant sei für ihn vor allem der Vorteil der finanziellen Absicherung im Krankheitsfalle gewesen. Die Rücknahme der Bescheide hätte somit unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 45 SGB X vorgenommen werden müssen. &8195;
Der Kläger beantragt nach Aktenlage sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 5. Februar 2010 und 12. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2010 zu verurteilen, an den Kläger ab dem 1. Dezember 2009 Krankengeld auf der Grundlage des Tarifes HEK plus K 22 zu zahlen, hilfsweise ab dem 23. Dezember 2009 Krankengeld auf der Grundlage des Tarifes HEK plus S 43 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Aufhebung des Beitragsbescheides vom 22. Dezember 2009 sei zu Recht erfolgt, da die Anforderung von Beiträgen im Sinne einer Krankengeldprämie sowohl für die Vergangenheit als auch für einen nicht bestehenden Krankengeldtarif als belastender Verwaltungsakt rechtswidrig erfolgt sei. Die verspätete Wahlerklärung des Klägers habe keine Versicherung mit einem Krankengeldtarif für die Zeit ab 1. August 2009 begründet.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen und zusammen mit der Prozessakte zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht. Es hat die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vor der Entscheidung gehört worden.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 5. Februar 2010 und 12. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder für die Zeit ab 1. Dezember 2009 noch für die Zeit ab 23. Dezember 2009 einen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit der Satzung der Beklagten. Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Zum Zeitpunkt des Beginns seiner Arbeitsunfähigkeit am 10. November 2009 war der Kläger nicht mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert.
Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt nicht in dem Wahltarif "K 22" der Beklagten versichert. Zwar zählte er zu dem Personenkreis, der gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 53 Abs. 6 Satz 1 SGB V in der Fassung ab 1. August 2009 grundsätzlich berechtigt war, die bereits bestehende Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld über den 31. Juli 2009 hinaus fortzuführen. Eine entsprechende Wahlrechtserklärung des Klägers lag aber zum Zeitpunkt des Beginns seiner Arbeitsunfähigkeit nicht vor und konnte zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr nachgeholt werden. Die Beitrittserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die hinsichtlich ihrer Gültigkeit den allgemeinem Vorschriften des BGB über Willenserklärungen (§§ 104 ff. BGB) unterliegt (Dreher, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 53 SGB V, Rdnr. 25 m. w. N.). Sie wird mit ihrem Zugang bei der Krankenkasse ohne ein Ablehnungsrecht derselben wirksam und wirkt daher konstitutiv für das ab diesem Zeitpunkt um einen Anspruch auf Krankengeld erweiterte Versicherungsverhältnis (vgl. Schlegel, Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 1. Aufl., § 11, S. 276, Rdnr. 17). Gemäß § 319 Abs. 3 SGB V konnte die Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis zum 30. September 2009 mit Wirkung vom 1. August 2009 abgegeben werden (Satz 1). Wahltarife nach § 53 Absatz 6 konnten bis zum 30. September 2009 mit Wirkung vom 1. August 2009 neu abgeschlossen werden (Satz 2). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die Wahlrechtserklärung des Klägers erst am 21. Dezember 2009 und damit sowohl nach Ablauf der o. g. gesetzlichen Frist als auch nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Klägers bei der Beklagten einging.
Der Kläger hat auch keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegen die Beklagte auf eine rückwirkende Versicherung mit Krankengeldanspruch ab 1. August 2009. Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist eine Pflichtverletzung des Leistungsträgers, die zu einem Schaden in Form des Ausbleibens von Vorteilen geführt hat, die an sich im Sozialrecht vorgesehen sind (vgl. Seewald, Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Vor §§ 38 – 47 SGB I, Rdnr. 30). Ob eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt, kann dahin gestellt bleiben. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger bis Ende September 2009 nicht darüber informiert war, dass seine Krankengeldversicherung zum 31. Juli 2009 endete und für ihn die Möglichkeit bestand, einen neuen Krankengeldwahltarif durch Erklärung gegenüber der Beklagten einzugehen, mangelt es jedenfalls an der für den Anspruch notwendigen Kausalität.
Denn der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass die ggf. unterlassene Aufklärung der Beklagten kausal war für den geltend gemachten sozialrechtlichen Schaden. Die Pflichtverletzung muss zwar nicht die alleinige, wohl aber die wesentliche Ursache für die ausgleichsbedürftige Situation sein (vgl. Seewald, a. a. O., Rdnr. 38 m. w. N.). Das ist vorliegend nicht der Fall. Das Gericht ist nach den Gesamtumständen nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich bei ordnungsgemäßer Beratung durch die Beklagte anders verhalten und die Wahlrechtserklärung fristgemäß abgegeben hätte. Denn die Wahl des Krankengeldtarifs brachte nicht nur Vorteile mit sich, sondern verpflichtete auch zu einer höheren Beitragszahlung. Daher ist es zumindest ebenso wahrscheinlich, dass sich der Kläger in der Zeit von August bis Ende September 2009, als seine spätere Arbeitsunfähigkeit noch nicht absehbar war, bewusst gegen den teureren Krankengeldwahltarif entschieden hätte.
Auch aus der telefonischen Mitteilung der Beklagten vom 25. November 2009, dass er einen Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit habe, kann der Kläger keinen Krankengeldanspruch herleiten. Denn insoweit fehlt es an der für eine Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderlichen Schriftform.
Schließlich steht auch der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2009 der Ablehnung des Krankengeldanspruchs nicht entgegen. Denn die Beklagte nahm diesen Bescheid mit Bescheid vom 12. Februar 2010 gemäß § 44 Abs. 1 SGB X wirksam zurück. Nach dieser Vorschrift ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen lagen vor. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2009, mit dem die Beklagte den Kläger rückwirkend zum 1. August 2009 in den Krankengeldtarif "K 22" mit einem Krankengeldanspruch ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit einstufte und höhere Beiträge anforderte, war anfänglich rechtswidrig. Denn wie bereits dargestellt war der Kläger seit 1. August 2009 nicht mit einem Krankengeldwahltarif bei der Beklagten versichert. Die Beklagte hatte auch aufgrund dieses Bescheides Beiträge zu Unrecht erhoben. Als Beitrag ist jede Zahlung anzusehen, die im Sinne der §§ 20 ff. SGB IV der Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung dient und im Rahmen einer Versicherungspflicht oder freiwilliger Versicherung erhoben wird (Schütze, von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 44, Rdnr. 15).
Entgegen der Auffassung des Klägers war der Bescheid vom 22. Dezember 2009 nicht als begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X zurückzunehmen. Denn ob ein begünstigender Verwaltungsakt vorliegt, richtet sich nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes und nicht nach den sonst mit ihm verbundenen Folgen (BSG 22. März 1984 - 11 RA 22/83, SozR 1300 § 45 Nr. 7). Danach enthielt der Bescheid vom 22. Dezember 2009 in erster Linie eine höhere Beitragsfestsetzung. Soweit diese mit der "Gewährung" des Krankengeldwahltarifs "K 22" einherging, waren beide Entscheidungssätze untrennbar miteinander verbunden. In einem solchen Fall kommt eine Rücknahme nur nach § 44 SGB X in Betracht (Merten, Hauck/Noftz, SGB X, K § 44, Rdnr. 13 m. w. N.).
Der Kläger war auch nicht, wie er hilfsweise geltend macht, über den 31. Juli 2009 hinaus weiterhin im Wahltarif "S 43" der Beklagten versichert. Denn dieser vom Kläger zum 1. Januar 2009 gewählte Wahltarif ist wirksam zum 31. Juli 2009 beendet worden. Nach § 319 Abs. 1 SGB V enden Wahltarife, die Versicherte auf der Grundlage der bis zum 31. Juli 2009 geltenden Fassung des § 53 Abs. 6 abgeschlossen haben, zu diesem Zeitpunkt. Damit entfallen alle Krankengeldwahltarife einschließlich der mit ihnen einhergehenden Rechte und Pflichten mit Inkrafttreten der ab 1. August 2009 geltenden Neuregelung (Becker/Lang, Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl., § 319, Rdnr. 9; Hohnholz, Hauck/Noftz, SGB V, K § 319, Rdnr. 4). Auf die Kenntnis des Klägers von dieser Neuregelung kommt es nicht an. Auch sein Vortrag, die Bindungsfrist von drei Jahren müsse auch zu seinen Gunsten angewandt werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn mit dem Wegfall aller Rechte und Pflichten war gleichzeitig ab 1. August 2009 die dreijährige Bindungsfrist nach § 53 Abs. 8 Satz 1 SGB V nicht mehr anzuwenden (vgl. Nolte, Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 319 SGB V, Rdnr. 3 unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/12256, Seite 67; Becker/Lang, a.a.O., Rdnr. 2).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
&8195;
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld für die Zeit ab 1. Dezember 2009.
Der 1948 geborene Kläger war bei der Beklagten freiwillig krankenversichert in einem Tarif für Selbständige. Im November 2008 wählte er zum 1. Januar 2009 den Krankengeldtarif der Beklagten "S 43" nach § 21 der Satzung der Beklagten. Dieser Tarif beinhaltete die Zahlung von Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Den Tarifwechsel bestätigte die Beklagte mit Bescheid vom 27. März 2009.
Mit Schreiben vom 10. August 2009 informierte die Beklagte ihre freiwillig versicherten hauptberuflich selbständigen Mitglieder über eine Gesetzesänderung ab 1. August 2009. Der bisherige Krankengeldanspruch ende kraft Gesetzes zum 31. Juli 2009. Es bestünde aber die Möglichkeit, durch Rücksendung der beiliegenden Wahlrechtserklärung bis spätestens 30. September 2009 erneut einen Krankengeldtarif zu wählen. Vom Kläger wurden dementsprechend vom 1. August 2009 an nur noch "einfache" Beiträge ohne Sondertarif eingezogen. Seit 10. November 2009 war der Kläger arbeitsunfähig. Auf seine Nachfrage erhielt er von der Beklagten am 25. November 2009 telefonisch die Mitteilung, dass er einen Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit habe. Daraufhin machte er einen Krankengeldanspruch geltend.
Die Beklagte verwies gegenüber dem Kläger auf eine Versicherung ohne Krankengeldanspruch seit der Rechtsänderung und übersandte ihm eine Kopie ihres Schreibens vom 10. August 2009 nebst Wahlerklärung. Der Kläger erklärte, dass er dieses Schreiben nicht erhalten habe und übersandte die von ihm unterschriebene und auf den 29. September 2009 zurückdatierte Wahlerklärung am 21. Dezember 2009. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 stufte die Beklagte ihn rückwirkend zum 1. August 2009 in den Krankengeldtarif "K 22" mit einem Krankengeldanspruch ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit ein und setzte die Beiträge ab August 2009 fest. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2009 setzte sie die Beiträge ab Januar 2010 fest.
Daraufhin machte der Kläger erneut einen Krankengeldanspruch geltend. Die Beklagte lehnte die Krankengeldzahlung mit Bescheid vom 5. Februar 2010 ab. Die Versicherung des Klägers als Selbständiger mit Krankengeldanspruch habe am 31. Juli 2009 geendet. Eine Einstufung rückwirkend zum 1. August 2009 sei nicht möglich. Der Bescheid vom 22. Dezember 2009 werde entsprechend korrigiert werden. Mit Bescheid vom 12. Februar 2010 setzte die Beklagte den Beitragssatz für die Zeit ab 1. August 2009 neu fest und erstattete dem Kläger die in der Zeit von August bis Dezember 2009 zuviel gezahlten Beiträge.
Dagegen erhob der Kläger am 18. Februar 2010 Widerspruch. An den Wahltarif "S 43" sei er seit der Wahl am 17. November 2008 drei Jahre gebunden. Im Übrigen sei mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 der Krankengeldtarif "K 22" festgestellt worden. Für die Rücknahme dieses Bescheides gebe es keine Rechtsgrundlage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Ein bereits eingetretener Versicherungsfall könne nicht nachträglich versichert werden. Die Versicherung im Wahltarif sei nicht wirksam begründet worden, weil die Frist für die Abgabe der Wahlrechtserklärung zum 30. September 2009 nicht eingehalten worden sei. Der Beitragsbescheid zum Wahltarif sei daher aufzuheben gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 30. April 2010 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Die Mitteilung der Beitragshöhe mit Bescheiden vom 22. und 28. Dezember 2009 habe für den Kläger noch keinen rechtlich erheblichen Nachteil begründet. Relevant sei für ihn vor allem der Vorteil der finanziellen Absicherung im Krankheitsfalle gewesen. Die Rücknahme der Bescheide hätte somit unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 45 SGB X vorgenommen werden müssen. &8195;
Der Kläger beantragt nach Aktenlage sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 5. Februar 2010 und 12. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2010 zu verurteilen, an den Kläger ab dem 1. Dezember 2009 Krankengeld auf der Grundlage des Tarifes HEK plus K 22 zu zahlen, hilfsweise ab dem 23. Dezember 2009 Krankengeld auf der Grundlage des Tarifes HEK plus S 43 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Aufhebung des Beitragsbescheides vom 22. Dezember 2009 sei zu Recht erfolgt, da die Anforderung von Beiträgen im Sinne einer Krankengeldprämie sowohl für die Vergangenheit als auch für einen nicht bestehenden Krankengeldtarif als belastender Verwaltungsakt rechtswidrig erfolgt sei. Die verspätete Wahlerklärung des Klägers habe keine Versicherung mit einem Krankengeldtarif für die Zeit ab 1. August 2009 begründet.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen und zusammen mit der Prozessakte zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht. Es hat die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vor der Entscheidung gehört worden.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 5. Februar 2010 und 12. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder für die Zeit ab 1. Dezember 2009 noch für die Zeit ab 23. Dezember 2009 einen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit der Satzung der Beklagten. Nach § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Zum Zeitpunkt des Beginns seiner Arbeitsunfähigkeit am 10. November 2009 war der Kläger nicht mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert.
Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt nicht in dem Wahltarif "K 22" der Beklagten versichert. Zwar zählte er zu dem Personenkreis, der gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 53 Abs. 6 Satz 1 SGB V in der Fassung ab 1. August 2009 grundsätzlich berechtigt war, die bereits bestehende Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld über den 31. Juli 2009 hinaus fortzuführen. Eine entsprechende Wahlrechtserklärung des Klägers lag aber zum Zeitpunkt des Beginns seiner Arbeitsunfähigkeit nicht vor und konnte zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr nachgeholt werden. Die Beitrittserklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die hinsichtlich ihrer Gültigkeit den allgemeinem Vorschriften des BGB über Willenserklärungen (§§ 104 ff. BGB) unterliegt (Dreher, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 53 SGB V, Rdnr. 25 m. w. N.). Sie wird mit ihrem Zugang bei der Krankenkasse ohne ein Ablehnungsrecht derselben wirksam und wirkt daher konstitutiv für das ab diesem Zeitpunkt um einen Anspruch auf Krankengeld erweiterte Versicherungsverhältnis (vgl. Schlegel, Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 1. Aufl., § 11, S. 276, Rdnr. 17). Gemäß § 319 Abs. 3 SGB V konnte die Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis zum 30. September 2009 mit Wirkung vom 1. August 2009 abgegeben werden (Satz 1). Wahltarife nach § 53 Absatz 6 konnten bis zum 30. September 2009 mit Wirkung vom 1. August 2009 neu abgeschlossen werden (Satz 2). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die Wahlrechtserklärung des Klägers erst am 21. Dezember 2009 und damit sowohl nach Ablauf der o. g. gesetzlichen Frist als auch nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit des Klägers bei der Beklagten einging.
Der Kläger hat auch keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gegen die Beklagte auf eine rückwirkende Versicherung mit Krankengeldanspruch ab 1. August 2009. Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist eine Pflichtverletzung des Leistungsträgers, die zu einem Schaden in Form des Ausbleibens von Vorteilen geführt hat, die an sich im Sozialrecht vorgesehen sind (vgl. Seewald, Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Vor §§ 38 – 47 SGB I, Rdnr. 30). Ob eine Pflichtverletzung der Beklagten vorliegt, kann dahin gestellt bleiben. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger bis Ende September 2009 nicht darüber informiert war, dass seine Krankengeldversicherung zum 31. Juli 2009 endete und für ihn die Möglichkeit bestand, einen neuen Krankengeldwahltarif durch Erklärung gegenüber der Beklagten einzugehen, mangelt es jedenfalls an der für den Anspruch notwendigen Kausalität.
Denn der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass die ggf. unterlassene Aufklärung der Beklagten kausal war für den geltend gemachten sozialrechtlichen Schaden. Die Pflichtverletzung muss zwar nicht die alleinige, wohl aber die wesentliche Ursache für die ausgleichsbedürftige Situation sein (vgl. Seewald, a. a. O., Rdnr. 38 m. w. N.). Das ist vorliegend nicht der Fall. Das Gericht ist nach den Gesamtumständen nicht davon überzeugt, dass der Kläger sich bei ordnungsgemäßer Beratung durch die Beklagte anders verhalten und die Wahlrechtserklärung fristgemäß abgegeben hätte. Denn die Wahl des Krankengeldtarifs brachte nicht nur Vorteile mit sich, sondern verpflichtete auch zu einer höheren Beitragszahlung. Daher ist es zumindest ebenso wahrscheinlich, dass sich der Kläger in der Zeit von August bis Ende September 2009, als seine spätere Arbeitsunfähigkeit noch nicht absehbar war, bewusst gegen den teureren Krankengeldwahltarif entschieden hätte.
Auch aus der telefonischen Mitteilung der Beklagten vom 25. November 2009, dass er einen Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit habe, kann der Kläger keinen Krankengeldanspruch herleiten. Denn insoweit fehlt es an der für eine Zusicherung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderlichen Schriftform.
Schließlich steht auch der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2009 der Ablehnung des Krankengeldanspruchs nicht entgegen. Denn die Beklagte nahm diesen Bescheid mit Bescheid vom 12. Februar 2010 gemäß § 44 Abs. 1 SGB X wirksam zurück. Nach dieser Vorschrift ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen lagen vor. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2009, mit dem die Beklagte den Kläger rückwirkend zum 1. August 2009 in den Krankengeldtarif "K 22" mit einem Krankengeldanspruch ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit einstufte und höhere Beiträge anforderte, war anfänglich rechtswidrig. Denn wie bereits dargestellt war der Kläger seit 1. August 2009 nicht mit einem Krankengeldwahltarif bei der Beklagten versichert. Die Beklagte hatte auch aufgrund dieses Bescheides Beiträge zu Unrecht erhoben. Als Beitrag ist jede Zahlung anzusehen, die im Sinne der §§ 20 ff. SGB IV der Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung dient und im Rahmen einer Versicherungspflicht oder freiwilliger Versicherung erhoben wird (Schütze, von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 44, Rdnr. 15).
Entgegen der Auffassung des Klägers war der Bescheid vom 22. Dezember 2009 nicht als begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X zurückzunehmen. Denn ob ein begünstigender Verwaltungsakt vorliegt, richtet sich nach dem Inhalt des Verwaltungsaktes und nicht nach den sonst mit ihm verbundenen Folgen (BSG 22. März 1984 - 11 RA 22/83, SozR 1300 § 45 Nr. 7). Danach enthielt der Bescheid vom 22. Dezember 2009 in erster Linie eine höhere Beitragsfestsetzung. Soweit diese mit der "Gewährung" des Krankengeldwahltarifs "K 22" einherging, waren beide Entscheidungssätze untrennbar miteinander verbunden. In einem solchen Fall kommt eine Rücknahme nur nach § 44 SGB X in Betracht (Merten, Hauck/Noftz, SGB X, K § 44, Rdnr. 13 m. w. N.).
Der Kläger war auch nicht, wie er hilfsweise geltend macht, über den 31. Juli 2009 hinaus weiterhin im Wahltarif "S 43" der Beklagten versichert. Denn dieser vom Kläger zum 1. Januar 2009 gewählte Wahltarif ist wirksam zum 31. Juli 2009 beendet worden. Nach § 319 Abs. 1 SGB V enden Wahltarife, die Versicherte auf der Grundlage der bis zum 31. Juli 2009 geltenden Fassung des § 53 Abs. 6 abgeschlossen haben, zu diesem Zeitpunkt. Damit entfallen alle Krankengeldwahltarife einschließlich der mit ihnen einhergehenden Rechte und Pflichten mit Inkrafttreten der ab 1. August 2009 geltenden Neuregelung (Becker/Lang, Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl., § 319, Rdnr. 9; Hohnholz, Hauck/Noftz, SGB V, K § 319, Rdnr. 4). Auf die Kenntnis des Klägers von dieser Neuregelung kommt es nicht an. Auch sein Vortrag, die Bindungsfrist von drei Jahren müsse auch zu seinen Gunsten angewandt werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn mit dem Wegfall aller Rechte und Pflichten war gleichzeitig ab 1. August 2009 die dreijährige Bindungsfrist nach § 53 Abs. 8 Satz 1 SGB V nicht mehr anzuwenden (vgl. Nolte, Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 319 SGB V, Rdnr. 3 unter Hinweis auf BT-Drucks. 16/12256, Seite 67; Becker/Lang, a.a.O., Rdnr. 2).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
&8195;
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