S 1 KR 102/11

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
SG Lübeck (SHS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 1 KR 102/11
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Gabe von Rituximab bei einem systemischen lupus erythematodes (SLE) im Krankenhaus rechtfertigt die
Abrechnung des Zusatzentgelts ZE 85.01, wenn die Voraussetzungen für einen off-label-use vorliegen.
Die Behandlung des SLE mit Cyclophosphamid steht als Therapie dann nicht zur Verfügung, wenn es sich um
eine junge Frau mit einem Kinderwunsch handelt, deren Gebärfähigkeit durch die Gabe dieses Medikaments
Sgeufcähhwrdoertt eis:t.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.568,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. November 2010 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 2.568,67 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung einer vollstationären Krankenhausbehandlung.

In dem Klinikum der Klägerin wurde die 1978 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin vom 10. bis zum 19. September 2009 wegen der Autoimmunerkrankung systemischer lupus erythematodes (SLE) mit cerebraler Aktivität und Komplementverbrauch vollstationär behandelt. Die Klägerin stellte für den Aufenthalt einen Betrag von 4.643,33 Euro der Beklagten am 26. Oktober 2009 in Rechnung. Die Gabe von Rituximab wurde als Zusatzentgelt ZE 82.05 mit 2.041,20 Euro berechnet.

Die Beklagte beauftragte am 2. November 2009 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung, ob das Zusatzentgelt für den OPS 6-001.64 einen Off-lable-use darstelle.

Der MDK stellte in seinem Gutachten vom 29. April 2010 fest, dass Rituximab für die Indikation des SLE arzneimittelrechtlich nicht zugelassen sei. Aus medizinischer Sicht hätten auch andere zugelassene Arzneimittel zur Verfügung gestanden, so zum Beispiel eine Azathioprin-Therapie.

Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin am 6. Mai 2010 mit, dass es aufgrund des nun vorliegenden MDK-Gutachtens nicht möglich sei, die Kosten der stationären Behandlung in voller Höhe zu übernehmen. Sie erbat die Übersendung einer korrigierten Abrechnung. Am 28. Mai 2010 verweigerte die Klägerin eine Änderung und wandte ein, die Patientin habe die Cyclophosphamidtherapie nicht grundlos abgelehnt, sondern im Hinblick auf ihren dadurch gefährdeten Kinderwunsch. Azathioprin komme als lediglich mittelpotentes Medikament bei einer ZNS-Beteiligung nicht gut in Betracht. Demgegenüber habe Rituximab in einigen Fallserien eine Wirksamkeit beim SLE nachgewiesen und sei auch bei früherer Gelegenheit bei der Patientin wirksam gewesen. Die Beklagte hat in der Folge einen Betrag von 2.568,67 Euro verrechnet. Vorherige Aufforderungen an die Klägerin, die Rechnung zu stornieren und eine korrigierte Rechnung zu übersenden, haben nach Aktenlage nicht vorgelegen. Ebenso lässt sich dem Verwaltungsvorgang nicht entnehmen, wieso bei einem streitigen ZE von 2.041,20 ein Betrag von 2.568,67 verrechnet worden ist.

Dagegen richtet sich die am 22. Februar 2011 bei dem Sozialgericht Lübeck erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte statt der Kosten für das Zusatzentgelt in Höhe von 2.041,20 Euro einen Betrag von 2.568,67 Euro verrechnet habe. Der Abzug sei mit dem Zusatzentgelt begründet worden und nicht berechtigt. Die Ablehnung des Medikamentes Cyclophosphamid sei bei bestehendem Kinderwusch von der Patientin nicht grundlos erfolgt. Die Klägerin sei auch berechtigt gewesen, die Patientin mit Rituximab zu behandeln.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.568,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf das Gutachten des MDK Nord vom 4. Mai 2011.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlich begründeten medizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. (14. April 2014). Die Beklagte hat diesem Gutachten nicht zu folgen vermocht, da tatsächlich eine lebensbedrohliche Krankheit nicht vorgelegen habe und auch noch andere medikamentöse Therapien verfügbar gewesen seien. Die Klägerin tritt dieser Ausführung entgegen und wendet ein, der Gutachter habe sehr wohl von einer lebensbedrohlichen Krankheit gesprochen. Die Beklagte bagatellisiere die Erkrankung. Der Gutachter habe auch ausgeführt, dass die Gabe von Rituximab medizinisch indiziert gewesen sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Kranken- und die Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte vorgelegen. Darauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, denn es geht bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch einen Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und es hätte der Einlegung eines Widerspruchs nicht bedurft. Die Einhaltung einer Klagefrist war ebenfalls nicht geboten. Die Klage ist auch begründet, denn die Rechnung der Klägerin ist nicht zu beanstanden. Insbesondere konnte die Klägerin auch die Gabe von Rituximab berechnen. Worauf die weitergehende Kürzung der Vergütung zurückzuführen ist, kann dahinstehen, da die dem MDK zur Prüfung vorgelegte Frage allein die Gabe von Rituximab betraf und der MDK auch keine weitergehenden Ausführungen zu der Vergütung der vollstationären Krankenhausbehandlung gemacht hat.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs des Klägers ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit den entsprechenden Pflegesatzvereinbarungen für das Jahr 2009. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in den §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (BSGE 86, 166, 168; BSGE 90, 1, 2).

Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen bei dem Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen. Letztere ist im vorliegenden Fall nicht streitig und die Beklagte hat keine Einwände dagegen erhoben, sodass die Differenz zwischen dem berechneten ZE 85.01 von 2.041,20 und dem gekürzten Betrag von 2.568,67 Euro nicht erklärbar und unplausibel ist. der Krankenhausärzte, die eine weitere vollstationäre Behandlung befürwortet hatten, für ausreichend angesehen, einen Vergütungsanspruch zu begründen.

Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses entsteht also unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, jedoch nur dann, wenn dessen Behandlung im Krankenhaus hinsichtlich aller Behandlungsmaßnahmen medizinisch objektiv notwendig gewesen ist. Ob dies der Fall war, ist nicht im Wege einer nachträglichen (ex post) Betrachtung, sondern im Wege einer Vorausschau (ex ante) zu beantworten; es ist somit von dem im Behandlungszeitraum verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des Aufnehmenden oder – während der Behandlung – behandelnden Krankenhausarztes auszugehen (BSG, Urteil vom 7. Juli 2005, B 3 KR 40/04 R). So hat das Krankenhaus nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V bei Aufnahme und während der Behandlung des Versicherten die Voraussetzungen der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zu prüfen. Daraus folgen für den aufnehmenden oder behandelnden Krankenhausarzt jedoch keine Einschätzungsprärogative und kein Beurteilungsspielraum im Sinne eines Entscheidungsfreiraums, der von der Krankenkasse oder dem Gericht nur in vermindertem Umfang kontrolliert werden könnte (Großer Senat des BSG, Beschluss vom 25. September 2007, GS 1/06 NJW 2800, Seite 1980).

Vielmehr muss die Annahme der Voraussetzung auch für die Berechnung des ZE 85.01 objektiv vertretbar sein. Die Vertretbarkeit orientiert sich dabei nicht allein an medizinischen Gesichtspunkten sondern muss sich an dem in § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V niedergelegten Wirtschaftlichkeitsgebots ausrichten. Danach müssen Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des notwendigen nicht überschreiten. Maßgeblich ist daher, ob es unter medizinischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbar war, dass der einweisende oder behandelnde Krankenhausarzt in seiner vorausschauenden Betrachtung die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung annahm (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 13. Juni 2007, L5 KR 61/05).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere unter Zugrundelegung des eingeholten Gerichtsgutachtens, war die Gabe von Rituximab im Rahmen der vollstationären Behandlung der Versicherten in der Klinik der Klägerin medizinisch notwendig und der geltend gemachte Betrag von der Beklagten zu erstatten, auch wenn es sich um einen Off-lable-use gehandelt hat.

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Gabe von Rituximab bei dem vorliegenden Krankheitsbild einem Off-lable-use entspricht. Dies hat auch der Sachverständige bestätigt. Die Gabe von Rituximab war jedoch dennoch zulässig und das ZE 85.01 von der Beklagten zu erstatten, da die Voraussetzungen für einen Off-lable-use, wie sie von dem Bundessozialgericht in ständiger Rechtssprechung konstituiert worden sind, bei der Versicherten vorlagen.

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat in seiner Entscheidung vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R, BSGE 89, 184 ff.) ausgeführt, dass ein zugelassenes Arzneimittel grundsätzlich nicht zu Lasten der Krankenversicherung in einem Anwendungsgebiet verordnet werden darf, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt. Eine Ausnahme hat der 1. Senat nur unter bestimmten Voraussetzungen zu sehen vermocht, die er wie folgt definierte.

1. Es geht um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen) oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung, 2. Es ist keine andere Therapie verfügbar, 3. Aufgrund der Datenlage besteht die begründete Aussicht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Um Erfolgsaussicht anzunehmen, müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Davon kann nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase 3 (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlich sind oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlich sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.

Dieser Fall betraf die Behandlung eines Prostatakarzinoms mit einer interstitiellen Brachitherapie mit Permanent Seeds Im Krankenhaus. Für diese Behandlung hatte der gemeinsame Bundesausschuss bisher keine positive Empfehlung über den Nutzen der Methode abgegeben. Der 1. Senat hat ausgeführt, dass die gewünschte Behandlung in ambulanter Form mangels Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135 Abs. 1 SGB V rechtmäßig nur als ambulante Krankenhausbehandlung nach § 116 b Abs. 2 bis 4 SGB V in Betracht kommt und die rechtlichen Grenzen, die § 135 Abs. 1 SGB V bei vertragsärztlichen Leistungen ziehe, nicht in gleicher Weise gelten.

Auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 17. Januar 2007, L 11 KR 6/06) hat entschieden, dass die fehlende Anerkennung einer Methode deren Inanspruchnahme im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht entgegensteht und nach geltendem Recht für die Leistungsverbringung im ambulanten und stationären Bereich grundsätzlich rechtliche Unterschiede bestehen: Während für die ambulante Versorgung nach § 135 Abs. 1 SGB V ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gilt, sodass neue Behandlungsmethoden erst dann vom Leistungskatalog der GKV umfasst sind, wenn sie der Bundesausschuss positiv bewertet hat, bedürfen nach § 137 c SGB V neuartige Behandlungsmethoden im Krankenhaus keine Anerkennung durch den Bundesausschuss und sind nur dann ausgeschlossen, wenn der Bundesausschuss eine negative Stellungnahme abgegeben hat (vgl. auch BSG SozR4-2500, § 137 c Nr. 1; BSG Urteil vom 4. April 2006 – B 1 KR 12/05 R). Auch das Landessozialgericht Berlin hat in dem Urteil, auf das sich der Kläger bezieht, diese Rechtsauffassung übernommen und ausgeführt es spiele keine Rolle, dass es sich bei der Gabe des Medikaments um ein Off-lable-use handele und es ausreiche, wenn das Medikament (dort Cyclophosphamid) zur Behandlung (dort Multiple Sklerose) für die stationäre Versorgung nicht ausgeschlossen wurde. Das SG Lübeck hat deshalb am 6. November 2011 (S 1 KR 920/10) aufgrund der fehlenden Übertragbarkeit der aus der ambulanten Behandlung resultierenden Grundsätze des off-label-uses auf den stationären Bereich die dortige Berechnung der ZE 15.0 (Docetaxel) und ZE 23.0. (Oxiplatin) für rechtmäßig angesehen.

Allerdings hat der 3. Senat des BSG am 21. März 2013 ( B 3 KR 2/12 R in BSGE 113, 167 – 177 ) die Unterschiede eines off-label-use im ambulanten und stationären Bereich nivelliert und ausgeführt, aus der ausdrücklichen Regelung in § 137 c SGB 5, wann eine Methode im Rahmen der Krankenhausbehandlung ausgeschlossen ist, nicht gefolgert werden kann, dass ausgeschlossene Methoden ohne weitere Prüfung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden können. Dies widerspreche der Systematik des Gesetzes, die eine Leistungspflicht der GKV gerade nicht uneingeschränkt für jede Art der medizinischen Versorgung vorsieht. Vielmehr seien auch im Krankenhaus die in den §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB 5 für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen zu erfüllen (BSG a.a.O. RdNr. 20 ). Er hat als Leitsatz formuliert, dass eine nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode auch dann nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden kann, wenn Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) kein Negativvotum zu ihr abgegeben hat. Das auch vorliegend fehlende Negativvotum des GBA allein vermag nach diesem Urteil nicht (mehr) zu einer Leistungspflicht der Beklagten zu führen.

Diese liegt dennoch vor, denn die Voraussetzungen für einen off-label-use werden erfüllt. Der Gerichtsgutachter hat ausgeführt, dass es aufgrund der zerebralen Beteiligung mit Cephalgien, Depressionen und Eiweißnachweis im Liquor bei der Patientin um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt. Zur Behandlung werde immer häufiger Rituximab mit gutem Effekt eingesetzt. Diese Erkrankung sei trotz zunehmend besserer Therapien noch heute mit einer verminderten Überlebensrate zu kalkulieren. Im streitigen Behandlungszeitraum seien die Medikamente Prednisolon, Antimalarika (zum Beispiel Hydroxcychloroquin), Azathioprin und Cyclophosphamid zugelassen. Dabei sei Prednisolon bereits oberhalb der sogenannten Cushing-Grenze eingesetzt worden und eine Hydroxcychloroquin-Basistherapie hätte die Patientin bereits mehrfach und erneut begonnen. Azathioprin habe bereits mehrfach keinen ausreichenden Effekt gezeigt und eine Cyclophosphamid-Therapie sei von der Patientin aufgrund des bestehenden Kinderwunsches und der Gefahr einer Ovarialinsuffizienz und damit irreversiblen Verlust der Gebärfahigkeit abgelehnt worden. Deshalb sei eine sogenannte Off-lable-Therapie indiziert gewesen. Auch wenn Rituximab weiterhin eine Off-lable-Therapie bei dem systemischen Lupus erythematodes darstelle, werde die Wirksamkeit in den letzten Jahren erforscht und eine Zulassung zur Therapie sei zu erhoffen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für den off-label-use hat der medizinische Sachverständige somit bestätigt, denn er hat zunächst ausgeführt, dass es sich bei der Erkrankung der Versicherten um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt (zur Beweisfrage 1) und der SLE trotz zunehmend besserer Therapien SLE als schwerwiegende als auch die Lebensqualität auf Dauer bis zur Lebensbedrohlichkeit einschränkende Erkrankung gesehen (zur Beweisfrage 4). Dabei trifft der Einwand der Beklagten nicht zu, diese Einstufung handele mit einer erstmöglichen Nierenerkrankung zusammen, denn der Gutachter hat die Lebensbedrohlichkeit allein auf die zerebrale Beteiligung mit Cephalgien, Depressionen und Eiweißnachweis im Liquor sowie einer anhaltenden Proteinurie gestützt.

Der Gutachter hat auch bestätigt, dass keine andere Therapie verfügbar ist und dabei alle für die Behandlung der Erkrankung zugelassenen Medikamente gewürdigt. Zwar steht als weiteres zugelassenes Medikament zur Behandlung des SLE Cyclophosphamid zur Verfügung, die Patientin musste sich darauf jedoch als 30-jährige Frau nicht verweisen lassen. Die Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass sie diese Therapie aufgrund des bestehenden Kinderwunsches und der Gefahr einer Ovarialinsuffizienz und damit irreversiblen Verlustes der Gebärfähigkeit ablehnen durfte. Dabei geht die Beklagte fehl in ihrer Annahme, dass Cyclophosphamid und Rituximab in gleichem Maße bei einer Schwangerschaft nicht gegeben werden dürften. Um diese Frage geht es nämlich vorliegend nicht, sondern allein darum, ob die Gefahr des Verlustes der Gebärfähigkeit aufgrund der Gabe eines Medikamentes eine Ablehnung rechtlich zu begründen vermag und damit ein Off-lable-use kostenauslösend begründen kann. Diese Frage wird von der Kammer positiv beantwortet.

In der Beweisfrage 5 ist er letztlich zum Schluss gekommen, dass eine Off-lable-use-Therapie indiziert gewesen sei. Der Gutachter hat auch eine begründete Annahme eines Behandlungserfolges gesehen (vergleiche Beweisfrage 8), auch wenn – wie auch nicht absehbar bei den anderen Medikamenten – ein Heilungserfolg der chronischen Erkrankung von ihm nicht angenommen wurde. Sein Hinweis darauf, dass in der medizinischen Vergangenheit der Patientin diese ein gutes Ansprechen auf Rituximab gezeigt habe und eine Remissionsinduktion erreicht werden konnte, lässt die Annahme dieses Behandlungserfolges zu. Dass diese nicht bereits nach der ersten Gabe dieses Medikaments zu erwarten ist und weitere drei Infusionszyklen durchzuführen sind, beseitigt nicht die Annahme eines Behandlungserfolges.

Da die Patientin zutreffend die Gabe von Cyclophosphamid abgelehnt hat und der Gutachter die Gabe im Off-lable-use von Rituximab als medizinisch indiziert angesehen hat, darüber hinaus die Voraussetzungen für den Off-lable-use vorlagen, war der Klage in vollem Umfang stattzugeben, auch wenn die Klägerin für das Präparat Rituximab das ZE 85.01 lediglich in Höhe von 2.041,20 Euro der Beklagten in Rechnung gestellt hat und der Streitwert der Klage sich auf 2.568,67 Euro (zuzüglich Zinsen ) beläuft. Denn weitere Einwände gegen die Richtigkeit der Rechnung hat die Beklagte nicht vorgebracht und diese sind auch nicht ersichtlich. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Kammer Erkenntnisse darüber vorliegen, dass andere Krankenkassen bei dem SLE das Zusatzentgelt ZE 85 übernehmen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus der zwischen den Beteiligten geschlossenen Pflegesatzvereinbarung für 2009, die bei Zahlungsverzug Zinsen in Höhe von 2 %-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab Fälligkeit vorsehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts richtet sich nach § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG, wobei Zinsen als Nebenforderungen bei der Festsetzung nicht berücksichtigt werden können (§ 43 Abs. 1 GKG).

Der Vorsitzende der 1. Kammer gez. Direktor des Sozialgerichts
Rechtskraft
Aus
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