S 6 RA 328/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 RA 328/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 B 8/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Entschädigung der Antragstellerin wird auf ... Euro festgesetzt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Mit Beweisanordnung vom 11.07.2005, die durch Beschlüsse vom 22.09.2005, 26.09.2005, 07.10.2005, 07.11.2005 und 17.11.2005 unter Benennung weiterer bzw. anderer Sachverständiger geändert wurde, ordnete das Gericht die Begutachtung der Antragstellerin durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Massing, den Dipl.-Psychologen Bongers, die Leitende Oberärztin der Klinik für Augenheilkunde des Krankenhauses Köln-Merheim Dr. Röckl-Müller und den Chefarzt der Klinik für HNO-Heilkunde des Waldkrankenhauses Bonn Dr. Strohm an. Die Beweisanordnung wurde der Antragstellerin mit einem Anschreiben übersandt, in diesem gebeten wurde, auf Aufforderung des Sachverständigen zur Untersuchung zu erscheinen. Dem Schreiben waren Formulare, unter anderem betreffend einen "Antrag auf Erstattung von Kosten", sowie "Hinweise zur Entschädigung" beigefügt. Dort hieß es unter Ziff. 5.

"Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er nicht binnen 3 Monaten nach Beendigung der Vernehmung bzw. der Zuziehung geltend gemacht wird."

Die Antragstellerin wurde am 08.09.2005 und am 06.10.2005 von Dr. Massing, am 17.10.2005 von Herrn Bongers, am 30.03.2006 von Dr. Röckl-Müller und am 03.07.2006 von Dr. Strohm untersucht. Die von den Sachverständigen erstatteten Gutachten gingen am 30.08.2006 bei Gericht ein und wurden mit Verfügung vom 01.09.2006 an die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin versandt. Mit Schriftsatz vom 31.10.2006 erkannte die Beklagte einen Anspruch der Antragstellerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer aufgrund eines Leistungsfalls am 21.01.2004 an. Mit 27.11.2006 bei Gericht eingegangene Schreiben nahm die Antragstellerin das Anerkenntnis der Beklagten an.

Mit am 24.11.2006 bei Gericht eingegangenem Schreiben beantragte die Antragstellerin die Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von ... Euro, die ihr durch die Wahrnehmung der Untersuchungen durch die Sachverständigen entstanden waren. Die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts lehnte den Antrag mit Entscheidung vom 01.12.2006 wegen Verfristung nach § 2 JVEG ab.

Die Antragstellerin hat daraufhin mit am 13.12.2006 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 12.12.2006 eingewandt, es könne nicht ihr zu Lasten gelegt werden, dass sich die Begutachtung so lange hingezögert habe, da die Gutachter dauernd gewechselt hätten. Außerdem habe sie nicht gewusst, dass die Begutachtung bereits zu Ende sei, da der Hauptgutachter Dr. Massing noch einen Termin in Aussicht gestellt habe, falls bei den Zusatzgutachten neue Erkenntnisse heraus kämen. Erst als ihre Prozessbevollmächtigte ihr die gesamten Gutachten im November 2006 zugesandt habe, sei klar gewesen, dass die Untersuchungen beendet seien. Falls erforderlich, beantrage sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Über die von ihr zunächst beantragten Fahrtkosten hinaus beanspruche sie nunmehr zusätzlich einen Pauschbetrag von ... Euro, da sie bei der Untersuchung durch Frau Dr. Röckl-Müller mehr als 8 Stunden von zu Hause abwesend gewesen sei, sonstige Aufwendungen in Höhe von ... Euro sowie Entschädigung für Nachteilsausgleich bei der Haushaltsführung in Höhe von insgesamt ... Euro.

Die Urkundsbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen.

II.

Das Schreiben der Antragstellerin vom 12.12.2006 ist als Antrag auf richterliche Festsetzung der Entschädigung gemäß § 191 1. Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 1 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) auszulegen. Hierüber entscheidet das Gericht gemäß § 4 Abs. 7 Satz 3 JVEG ohne Mitwirkung durch ehrenamtliche Richter.

1. Der Anspruch der Antragstellerin auf die beantragte Entschädigung ist erloschen.

Nach § 191 SGG werden einem Beteiligten, wie hier der Antragstellerin, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeuge vergütet, wenn sein persönliches Erscheinen, wie hier zur Untersuchung durch die Sachverständigen, angeordnet worden ist. Damit sind die Vorschriften des JVEG über die Entschädigung von Zeugen anwendbar, d.h. auch die Vorschrift des § 2 JVEG. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG erlischt der Anspruch auf Entschädigung, wenn er nicht binnen 3 Monaten bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat, geltend gemacht wird. Dies ist hier für den von der Antragstellerin geltend gemachten Entschädigungsanspruch der Fall, weil die Antragstellerin ihren Anspruch nicht binnen 3 Monaten nach dem Ende der jeweiligen Untersuchung bei den einzelnen Sachverständigen geltend gemacht hat. Ihr Antrag ist vielmehr selbst mehr als 4 Monate nach der letzten Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. Strohm bei Gericht eingegangen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin begann die Frist von 3 Monaten nach § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG mit der Beendigung der Untersuchung durch den jeweiligen Sachverständigen. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG. Danach beginnt die Frist im Falle der Vernehmung als Sachverständige oder Zeuge oder der Zuziehung als Dolmetscher mit der Beendigung der Vernehmung oder Hinzuziehung. Als "Beendigung der Vernehmung oder Zuziehung" ist der Zeitpunkt der Beendigung der Untersuchung beim jeweiligen medizinischen Sachverständigen zu verstehen, weil damit die konkrete Maßnahme, zu der das persönliche Erscheinen der Antragstellerin angeordnet war, beendet worden ist (so Bayerisches Landessozialgericht, Kostenbeschluss vom 19.07.2006, Az.: L 16 R 489/04.Ko; Kostenbeschluss vom 01.09.2006, Az.: L 17 U 184/05.Ko; Meyer-Ladewig/Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 191 Rn. 8 m.w.N.). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift und ergibt sich darüber hinaus aus dem Sinn und Zweck der Fristbestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG. Diese Vorschrift bezweckt, der Staatskasse binnen kurzer Frist Klarheit über die Höhe der Kosten zu verschaffen (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.12.2004, Az.: L 4 SF 21/04). Dieser Zweck ist auch im Hinblick auf die Kosten eines Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen zur Untersuchung bei einem medizinischen Sachverständigen angeordnet ist, einschlägig. Ob und in welcher Höhe bei der jeweiligen Untersuchung durch einen medizinischen Sachverständigen dem Beteiligten Kosten entstehen, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab (Entfernung des Untersuchungsortes vom Wohnort des Beteiligten; Wahl des Verkehrsmittels; Entstehen von Verdienstausfall etc.). Insoweit steht hinsichtlich jeder einzelnen Untersuchung ein Interesse der Staatskasse, binnen kurzer Frist Klarheit über die jeweiligen Kosten zu bekommen. Dies gilt umso mehr, als hinsichtlich der Höhe der Kosten weitere Ermittlungen notwendig sein können, z.B. in Gestalt einer Nachfrage beim Sachverständigen über Dauer der Untersuchung. Eine Aufklärung solche Umstände ist in der Regel nach Ablauf längerer Zeit nicht mehr möglich oder erheblich erschwert. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass möglicherweise ein weiterer Entschädigungsanspruch des Beteiligten entsteht, wenn sein persönliches Erscheinen zu einem weiteren Untersuchungstermin oder zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung angeordnet wird (hierauf abstellend aber Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.12.2004, Az.: L 4 SF 21/04). Ein etwaiger weiterer Entschädigungsanspruch ändert nichts daran, dass hinsichtlich des konkreten Entschädigungsanspruchs wegen der einzelnen Untersuchungen ein Bedürfnis nach Klarheit über die Höhe der Kosten innerhalb kurzer Frist besteht.

2. Der Antragstellerin kann nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gewährt das Gericht dem Berechtigten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er ohne sein Verschulden an der Einhaltung einer Frist nach § 2 Abs. 1 gehindert war und er innerhalb von 2 Wochen nach Beseitigung des Hindernisses den Anspruch beziffert und die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung begründen. Unabhängig davon, ob die Antragstellerin die 2-Wochen-Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in vorigen Stand eingehalten hat, liegen diese Voraussetzungen nicht vor, weil die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der 3-Monats-Frist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG gehindert war. Die Antragstellerin ist durch die "Hinweise zur Entschädigung", die dem ihr übersandten Antragsformular auf Erstattung von Kosten beigefügt waren, unter Ziff. 5. eindeutig und unmissverständlich über die Frist zur Geltendmachung des Anspruch auf Entschädigung aufgeklärt worden. Hätte die Antragstellerin diesen Hinweis ordnungsgemäß gelesen, hätte sie erkannt, dass sie ihren Antrag auf Entschädigung innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung der jeweiligen Untersuchung bei Gericht einreichen muss (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Kostenbeschluss vom 19.07.2006, Az.: L 16 R 489/04.Ko). Zumindest hätte sie bei Gericht nachfragen können.
Rechtskraft
Aus
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