Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
21
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 21 SO 10/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Kostenerstattung für die vollstationäre Unterbringung im Hilfefall des Beigeladenen.
Der Beigeladene und seine Familie erhielten vom Kläger in der Vergangenheit ab dem Jahr 1997 aufgrund schwieriger Familienverhältnisse wiederholt Kinder- bzw. Jugendhilfen. Der Beigeladene war ab 1997 außerhalb seiner Herkunftsfamilie in einer Pflegefamilie, in Tagesgruppen und in den Jahren 2000 bis 2001 im Kinderheim betreut worden. Der Beigeladene stand in psychiatrischer Behandlung bei dem Kinder- und Jugendpsychiater ... In seinem Bericht vom 23.10.2000 teilte ...mit, es bestehe bei dem Beigeladenen der Verdacht auf leichte Intelligenzminderung, eine Störung des Sozialverhaltens und emotionaler Vernachlässigung in der Kindheit. Nach den Untersuchungen handele es sich um ein geistig behindertes Kind. Im Test HAWIK 3 habe sich ein IQ von 61 mit Senke im Bereich des Verbalteils IQ 57 ergeben. Die Werte würden für eine geistige Behinderung sprechen, die sich jedoch nicht mit dem klinischen Eindruck decke. In einem weiteren Bericht vom 11.1.2001 teilte der Arzt mit, in der Testpsychologie (AID) erreiche der Beigeladene einen IQ von 63, was die bisherigen Befunde einer geistigen Behinderung bestätige. Da der Beigeladene im Bereich der geistigen Behinderung anzusiedeln sei, komme für ihn § 39 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Betracht. Der Beigeladene bedürfe einer heilpädagogischen Atmosphäre mit enger, gut strukturierter und personalaufwendiger und vollstationärer Betreuung. Die Unterbringung im Heim wurde im Jahr ... auf Wunsch der Eltern des Beigeladenen beendet.
Der Beigeladene besuchte die ...Schule (Schule für Geistigbehinderte) in ... (Schule für geistig Behinderte). In dem Bericht der Schule vom ... wird aufgeführt, die Eltern des Beigeladenen seien mit der Erziehung vollkommen überfordert.
In den Jahren ... und ... kam es von Seiten des Beigeladenen zu sexuellen Übergriffen auf seine Schwestern und auf ein Mädchen im Schulbus. Des weiteren kam es zu häufigen Fehlzeiten und erheblichen Verhaltensauffälligkeiten des Beigeladenen (Gewalt gegen Mitschüler, Lehrer, Diebstahl etc.) in der Schule (Aktennotiz der Schule vom ...). Der Schulbesuch wurde teilweise von den Eltern als Strafmaßnahme (Hausarrest) unterbunden, zudem sind Gewalttätigkeiten des Vaters gegenüber den Beigeladenen als Erziehungsmaßnahmen beschrieben.
Von ... bis ... ist der Beigeladene in einem heilpädagogischen Heim in ... betreut worden. Im Juli ... und September ... ist bei dem Beigeladenen eine jugendpsychiatrische Diagnostik von Dr ..., Facharzt für Kinder und Jugendpsychiatrie durchgeführt worden. Der Arzt stellte in seinem Bericht vom ... fest, es bestünde eine Störung des Sozialverhaltens und eine leichte intellektuelle Minderbegabung mit Verhaltensauffälligkeiten (leichte geistige Behinderung, HAWIK III IQ 65). Der Besuch der GB-Schule sei adäquat.
Im März ... bis Mai ... befand sich der Beigeladene stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Rheinischen Kliniken ... wegen zunehmender Unbeschulbarkeit. Die dortige Behandlung wurde abgebrochen, weil die Eltern nicht mitwirkten. Im Entlassungsbericht vom 2.7.2005 wurden folgende Diagnosen aufgeführt: hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens, leichte geistige Behinderung, Enuresis nocturna. Die Ärzte empfahlen bei Entlassung eine ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Weiterbehandlung des Beigeladenen.
In der Folgezeit nach Entlassung aus den Rheinischen Kliniken ... besuchte der Beigeladene die Schule nicht mehr. Nach einem erneuten sexuellen Übergriff des Beigeladenen auf seine 10jährigen Zwillingsschwestern im Juni ... wurde er vom Kläger am 29.6.2005 in Obhut genommen und vorübergehend im ...-Haus ... (Regelgruppe) untergebracht. Ab ... wurde der Beigeladene im Heilpädagogischen Eingliederungszentrum (HPZ) der Lebenshilfe in ... zur Betreuung aufgenommen und in einer Wohngruppe mit geistig und mehrfachbehinderten Bewohnern betreut. In dem Zwischenbericht des Rehazentrums des HPZ Zülpich-Bürvenich vom ... wird ausgeführt, Grund der Aufnahme sei die Inobhutnahme des Beigeladenen wegen sexueller Übergriffe auf die Geschwister. Nach dem Eindruck des Jugendamtes sei es den Eltern nicht möglich gewesen, dem Beigeladenen Grenzen, Regeln und Strukturen zu vermitteln, die er für eine positive Entwicklung benötige. Die Diagnosen lauteten: leichte Intelligenzminderung, Enuresis, hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens und depressive Störung des Sozialverhaltens, emotionale Vernachlässigung in der Familie. Als Ziele der Behandlung waren formuliert worden: Begleitung bei der Ablösung vom Elternhaus, Vermittlung von Grenzen, Akzeptanz von Regeln und Normen, Bearbeitung des Themas Sexualität, Ermittlung weiteren Hilfebedarfs. Im lebenspraktischen Bereich sei der Beigeladene weitgehend selbständig. Da sich seine familiäre Situation sehr schwierig gestalte und seine Eltern jeglichen Kontakt mit ihm ablehnten, sei seine dauerhafte Fremdunterbringung unumgänglich.
Mit Schreiben vom ...bat der Kläger den Beklagten um Übernahme der Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe mit der Begründung, bei dem Beigeladenen liege eine geistige Behinderung vor.
Seit dem ... wurde der Beigeladene in einer Wohngruppe der Evangelischen ... in ... betreut (Leistungstyp 7: Wohnangebote der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit schweren Mehrfachbehinderungen). Die Einrichtung betreut in der Regel Kinder und Jugendliche mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Der Beigeladene besuchte die heiminterne Sonderschule für geistig Behinderte die ...Schule/ ...
Das ... legte mit Datum vom ... einen Abschlussbericht vor. Darin wird wiederholend ausgeführt, der Beigeladene sei in allen lebenspraktischen Anforderungen sehr selbständig. Seine kognitiven Fähigkeiten seien als gut zu bewerten, sein Potential in dieser Hinsicht bei weitem nicht ausgeschöpft. Er sei ein Jugendlicher der über viele Kompetenzen verfüge. Sein problematisches Sozialverhalten habe sich durch konsequentes Aufarbeiten seiner Defizite erheblich verbessert. Er brauche weiterhin klare, nachvollziehbare Strukturen und Abläufe. Eine langfristige Fremdunterbringung sei unumgänglich, da die familiäre Situation erheblich belastet sei. Eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Elternhaus sei nicht möglich gewesen, der Vater habe angegeben, mit dem Sohn nichts mehr zu tun haben zu wollen. Die Mutter habe nur angerufen, wenn der Beigeladene Zeitungen austragen sollte, dem sei von Seiten der Einrichtung nicht zugestimmt worden.
Der Beklagte legte die Unterlagen seinem medizinisch-psychologischen Dienst (MPD) vor. Mit Stellungnahme vom ... stellte der MPD fest, es läge bei dem Beigeladenen eine Lernbehinderung, aber keine geistige bzw. wesentliche Behinderung vor. Die Verhaltensauffälligkeiten seien Folge von Erziehungsdefiziten. Emotionale Vernachlässigung, Druck und Gewalt würden wiederholt thematisiert und es herrsche Konsens, dass der Beigeladene außerhalb seiner Familie unterzubringen sei. Aufgrund der Intelligenzminderung allein wäre eine Heimunterbringung nicht erforderlich. Es sei erkennbar, dass die zum Wohle des Kindes entsprechende Erziehung in der Familie nicht gewährleistet gewesen sei. Es handele sich um Hilfe zur Erziehung.
Der Beklagte lehnte daraufhin mit Schreiben vom ... gegenüber dem Kläger die Übernahme des Hilfefalls ab.
Mit Bescheid vom ... bewilligte der Kläger dem Beigeladenen rückwirkend ab dem ... als unzuständiger Träger Eingliederungshilfe gemäß §§ 102 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz- (SGB X) in Verbindung mit § 35a Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Achtes Buch -Kinder- und Jugendhilfe- (SGB VIII). Der Beklagte als zuständiger Träger sei bislang nicht tätig geworden. Da der Beigeladene prinzipiell einen Anspruch auf Sozialleistungen habe, erkläre er sich bereit gemäß § 43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch –Allgemeiner Teil- (SGB I) vorläufig tätig zu werden. Der Beigeladene gehöre zu den Menschen mit einer geistigen Behinderung. Seine Unterbringung in einer geeigneten Einrichtung sei vonnöten, da er nicht mehr in den Haushalt der Eltern zurückkehren könne. Es sei erforderlich, dass er aufgrund seiner Gesamtpersönlichkeit in einem strukturierten und auf seine Bedürfnisse abgestimmten Umfeld lebe.
Das Amtsgericht ... entzog den Eltern des Beigeladenen am ... die Gesundheitsfürsorge und übertrug diese dem Kläger.
Der Kläger hat am 23.1.2007 Klage erhoben. Er macht geltend, bei dem Beigeladenen handele es sich um eine wesentlich geistig behinderte Person, der in erheblichem Umfang in seiner Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt sei. Die Ärzte Dr ... und Herr ... hätten eine geistige Behinderung bei dem Beigeladenen festgestellt. Da der Beigeladene aufgrund der geistigen Behinderung einen Anspruch auf Eingliederungshilfe habe, besteht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch –Teilhabe und Rehabilitation schwerbehinderter Menschen- (SGB IIX) (aF) ein Vorrang der Sozialhilfe. Die Auffassung des Beklagten, dass laut Diagnostik von Dr. Hellmann die Verhaltensauffälligkeiten im Vordergrund stünden, könne nicht nachvollzogen werden, denn der Arzt habe sowohl eine Störung des Sozialverhaltens als auch eine leichte intellektuelle Minderbegabung mit Verhaltensauffälligkeiten diagnostiziert. Es handele sich um gleichwertige Diagnosen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm die Aufwendungen für die Heimunterbringung des Beigeladenen für die Zeit ab 29.6.2005 bis zum 8.2.2008 zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, ausschlaggebend für die Aufnahme des Beigeladenen in verschiedenen Heimen sei nicht die Notwendigkeit gewesen, dem Beigeladenen als behinderter Mensch nach § 53 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -Sozialhilfe- (SGB XII) spezielle Maßnahmen der Eingliederungshilfe zu gewähren. Die Aufnahmen seien notwendig geworden, weil die Eltern für die Betreuung und Erziehung des Beigeladenen nicht in Betracht gekommen seien und insoweit ein Erziehungs- und Betreuungsdefizit bestanden habe. Dass die Überforderung der Eltern durch die Behinderung des Hilfeempfängers ausgelöst worden sei, sei zugestanden. Dies spiele aber für die Qualifizierung der in den Heimen zugewandten Leistungen der Erziehungshilfe keine Rolle.
Der Kläger hat erwidert, schon im Jahr ... hätten Fachkräfte eine Unterbringung des Beigeladenen in einer geeigneten Einrichtung für behinderte Menschen empfohlen. Seit dem ... befinde sich der Beigeladene in der Einrichtung ..., es handele sich hierbei um eine Einrichtung nach dem SGB XII und Ziel der Einrichtung sei die Überwindung, Linderung und Verhütung von Verschlimmerung behinderungsbedingter Beeinträchtigungen des behinderten Jugendlichen und seine Eingliederung in die Gesellschaft. Die Heimunterbringung sei im Hinblick auf die Behinderung erfolgt, nicht wegen des Bestehens eines Erziehungs- bzw. Betreuungsdefizits. Die vorrangige Zuständigkeit des Beklagten sei wegen der Mehrfachbehinderung des Beigeladenen gegeben. Voraussetzung für die vorrangige Zuständigkeit nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB IX sei allein das Vorliegen einer geistigen oder körperlichen Behinderung. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe in seiner Entscheidung vom 23.9.1999 klargestellt, dass nicht auf den Schwerpunkt in Bezug auf eine der beiden möglichen Hilfeleistungen abzustellen sei, sondern allein auf die miteinander konkurrierenden Leistungen. Deshalb sei der Beklagte für die Eingliederungshilfe zuständig, selbst wenn der Beigeladene neben oder wegen seiner geistigen Behinderung auch von einer seelischen Behinderung bedroht sein sollte.
Der Beklagte hat erwidert, es sei keine vorrangige Leistungsverpflichtung des Sozialhilfeträgers gegeben. Das bloße Vorliegen einer wesentlichen geistigen Behinderung bzw. das Drohen einer solchen Behinderung begründe nicht den Vorrang der Eingliederungshilfe. Es müsse ein Anspruch auf Jugendhilfe und auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen müssten gleich, gleichartig, einander entsprechende, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sein. Die Unterbringung und Betreuung des Beigeladenen in der Heimeinrichtung sei ausschließlich der Hilfe zur Erziehung zuzuordnen.
Nach Eintritt der Volljährigkeit ist der Kläger in der Einrichtung ... verblieben und hat von dem Kläger Hilfe für junge Volljährige erhalten. Mit Wirkung zum ... ist die Hilfegewährung eingestellt worden.
Der Kläger hat das Gutachten von Frau Dr ..., Ärztin für Sozialmedizin und Psychotherapie aus ... vom ...und die Bestellungsurkunde des Amtsgerichts ... vom ..., mit der für den Beigeladenen ein Betreuer bestimmt worden ist, vorgelegt. In dem Gutachten vom ... wird ausgeführt, bei dem Beigeladenen liege eine Minderbegabung im Sinne einer leichtgradigen geistigen Behinderung vor, wobei sich das Wissen in lebenspraktischen alltäglichen Dingen als gut darstelle.
Das Gericht hat den Beigeladenen von Dr ..., Arzt für Neurologie und Psychiatrie untersuchen lassen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom ... als Diagnosen eine primäre Minderbegabung (IQ 70) und eine komplexe Störung im Sozialverhalten mit depressiver, selbstunsicher, ängstlich und hochgradig vermeidender Symptomatik und schwerer psychosexueller Reifungsstörung auf dem Boden einer lang anhaltenden psychosozialen Traumatisierung im Kindes- und Jugendalter dargelegt. Die psychische Problematik werde durch den faktischen Analphabetismus und die Akalkulie und die sehr geringe soziale Kompetenz verstärkt bzw. unterhalten. Bei der testpsychologischen Untersuchung habe sich der IQ 70 bei ansonsten unauffälligen Ergebnissen gezeigt. Der Beigeladene sei sowohl geistig als auch seelisch wesentlich behindert. Es liege eine Mehrfachbehinderung vor. Die bereits von Herrn Fernholz früh festgestellte Notwendigkeit einer Integration in ein heilpädagogisches Heim sei notwendig und eher viel zu spät erfolgt.
Der Kläger hat vorgetragen, die erheblich behindernde Kombination aus geistiger und seelischer Beeinträchtigung in Form der Mehrfachbehinderung mache die Heimunterbringung außerhalb der Familie notwendig.
Der Beklagte hat vorgetragen, nach dem Urteil des OVG NRW vom 20.2.2002 sei bei einem IQ von 70 bis 84 eine geistige Behinderung nicht anzunehmen. § 53 SGB XII verlange aber eine wesentliche Behinderung. Von einer solchen könne bei dem Beigeladenen nicht ausgegangen werden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von der Klägerin beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig (1), aber unbegründet (2).
(1) Das Begehren des Klägers ist gerichtet auf Erstattung der von ihm aufgewendeten Kosten für die Heimunterbringung des Beigeladenen. Der Kläger stützt sein Erstattungsbegehren auf die Vorschrift des § 102 SGB X. Die Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff SGB X sind durch reine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz –SGG-) geltend zu machen. Der Zulässigkeit der Leistungsklage steht nicht entgegen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung sein Erstattungsbegehren betragsmäßig nicht zu beziffern wusste und seinen Leistungsantrag unter Angabe des Zeitraums ... bis ... eingegrenzt hat. Denn bei den Beteiligten als juristische Personen des öffentlichen Rechts wäre auch eine (bloße) Feststellungsklage gemäß § 55 SGG statthaft, da wegen deren Bindung an Recht und Gesetz eine Befriedigung in der Regel auch ohne Leistungsurteil mit Vollstreckungsdruck anzunehmen ist (Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, SGG, § 55 Rdn. 19c). Dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmbarkeit des Klageantrages ist hinreichend Genüge getan, weil der Betrag der streitbefangenen Heimkosten für den angegebenen Zeitraum von den Beteiligten nachträglich ermittelt werden könnte.
(2) In der Sache hat die Klage keinen Erfolg. Der Kläger dringt mit seinem Erstattungsbegehren nicht durch. Ein Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen aus § 102 SGB X steht dem Kläger gegenüber dem Beklagten nicht zu. Nach dieser Vorschrift ist in dem Fall, dass ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Leistung erbracht hat, der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Ausweislich des Bewilligungsbescheides vom 28.2.2006 hat der Kläger dem Beigeladenen Eingliederungshilfe vorläufig nach § 43 SGB I bewilligt mit der Begründung, prinzipiell habe der Beigeladene einen Anspruch auf Eingliederungshilfe und daher werde er vorläufig tätig. Der Wille des Klägers, die Leistungen lediglich vorläufig erbringen zu wollen, ist damit deutlich nach außen erkennbar gemacht worden (vgl. von Wulffen, SGB X, § 102 Rdn. 6). Eine Erstattungspflicht des Beklagten scheidet aber aus, weil er für den Hilfefall des Beigeladenen nicht der leistungsverpflichtete Leistungsträger ist.
Vorliegend kann das Gericht unter Berücksichtigung der maßgebenden Vor- und Nachrangregelung des § 10 Abs. 2 SGB VIII (alte Fassung –aF- bis zum 30.9.2005) bzw. § 10 Abs. 4 SGB VIII eine vorrangige Leistungsverpflichtung des Beklagten für den streitgegenständlichen Hilfefall nicht feststellen, es besteht vielmehr die Zuständigkeit des Klägers als Jugendhilfeträger. Denn bei der dem Beigeladenen gewährten Hilfe in Form der Heimunterbringung handelt es sich um Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII (ggf. auch um Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a SGB VIII), nicht aber um Eingliederungshilfe wegen einer geistigen Behinderung nach §§ 53 ff SGB XII.
Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII hat ein Personenberechtigter bei der Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung ist nicht gewährleistet, wenn ein erzieherischer Bedarf des Kindes im Einzelfall vorliegt und diese Mangellage durch die Erziehungsleistung der Eltern nicht behoben wird (Erziehungsdefizit). Es genügt der objektive Ausfall von Erziehungsleistung im elterlichen Erziehungsbereich. In der Erziehung müssen die Grundbedürfnisse des Kindes wie Liebe, Zuwendung, Akzeptanz, stabile Bindung, Versorgung, Körperpflege, Gesundheitsfürsorge, Schutz vor Gefahren sowie geistige, emotionale und soziale Bildung befriedigt werden. Werden die in der konkreten Familiensituation erreichbaren Standards für eine gelungene geistige, körperliche oder seelische Entwicklung des Kindes nicht erreicht und ist dadurch das Kindeswohl gefährdet, liegt ein Erziehungsdefizit vor. Grundsätzlich können auch geistig behinderte Kinder in der Herkunftsfamilie erzogen werden, wobei stets die individuellen Umstände des Einzelfalls maßgebend sind. Eine Erziehung in der Familie wird zum Beispiel in Betracht kommen können, wenn bei dem betroffenen Kind eine leichte geistige Behinderung bzw. eine Lernbehinderung vorliegt, die vorrangig eine besondere Beschulung erfordert. Es kann auch bei diesen Kindern ein Erziehungsdefizit vorliegen, das einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII auslöst. Die notwendige Hilfe zur Erziehung kann gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in Form der Heimerziehung in Einrichtungen über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform erbracht werden, wobei die Hilfe Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern soll. Sie soll entsprechend dem Alter und dem Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie u.a. eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Zum Verhältnis zu anderen Leistungen bestimmt § 10 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII aF bzw. § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, dass Leistungen nach dem SGB VIII Leistungen nach dem SGB XII vorgehen. Andererseits gehen gemäß Satz 2 der Vorschrift Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich und geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen nach dem SGB VIII vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes setzt diese Regelung notwendig voraus, dass sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe (Eingliederungshilfe) besteht und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (BVerwG Urteil vom 23.9.1999 -5 C 26/98-). Dieser Rechtsprechung hat sich das BSG in seiner Entscheidung vom 24.3.2009 angeschlossen (BSG Urteil vom 24.3.2009 –B 8 SO 29/07 R-). Es bleibt zu beachten, dass die Vor- und Nachrangregelung in § 10 Abs. 2 SGB VIII (aF) bzw. § 10 Abs. 4 SGB VIII nicht auf den Schwerpunkt in Bezug auf eine der beiden Hilfeleistungen abstellt, sondern allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen. Für den Fall einer Heimunterbringung bedeutet dies, dass die Notwendigkeit der Heimerziehung nach dem Kinder- und Jugendhilferecht mit der Notwendigkeit der Gewährung von Eingliederungshilfe wegen einer geistigen oder körperlichen Behinderung in einem Heim nach dem Sozialhilferecht gegeben sein muss. Nur in diesem Fall konkurrieren Jugendhilfeleistungen zur Unterbringung in einem Heim mit gleichartigen Sozialhilfeleistungen. Es muss eine Schnittmenge der Hilfebedarfe vorliegen, erforderlich ist insoweit, dass sich die Leistungen in qualifizierter Weise überschneiden bzw. gleichartig sind (Hessisches LSG 18.2.2008 –L 9 SO 44/07-; OVG Saarland 11.7.2007 -3 Q 104/06-). Wenn der Kläger meint, Voraussetzung für die vorrangige Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII (aF) bzw. § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII sei allein das Vorliegen einer geistigen oder körperlichen Behinderung, kann das Gericht dieser Auffassung nicht beitreten. Es reicht nicht aus, dass eine geistige Behinderung vorliegt, die einen irgendwie gearteten Bedarf an Eingliederungshilfe begründet, um den Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers auszulösen und einen Erstattungsanspruch zu begründen (vgl. OVG Saarland, aaO). Vielmehr müssen die sich gegenüberstehenden Bedarfe gleichartig sein. Für den Fall der Heimunterbringung bedeutet dies, dass sowohl ein jugendhilferechtlicher Bedarf als auch ein Eingliederungsbedarf in Bezug auf eine Heimunterbringung gegeben sein muss, also eine doppelte Leistungspflicht (so BSG, aaO) in Bezug auf eine Heimunterbringung bestehen muss. Ist aber die bei dem Hilfeempfänger vorliegende geistige Behinderung weder wesentlich im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und besteht aufgrund der geistigen Behinderung keine Notwendigkeit zur Unterbringung in einer Eingliederungseinrichtung für geistig behinderte Menschen, entsteht auf der Bedarfs- bzw. Anspruchsseite keine Konkurrenzsituation, so dass die Vor- und Nachrangregelung des § 10 Abs. 2 SGB VIII aF bzw. § 10 Abs. 4 SGB VIII nicht zum Tragen kommt. So liegt es hier.
Die bei dem Beigeladenen in den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen für die streitgegenständliche Zeit ... bis ... beschriebene leichte geistige Behinderung im Sinne einer leichten Intelligenzminderung hat nach Auffassung des Gerichtes keinen Bedarf zur Unterbringung des Beigeladenen in einem Heim zur Eingliederung geistig (bzw. mehrfach-)behinderter Menschen ausgelöst. Die Heimunterbringung des Beigeladenen ab dem ... war notwendig wegen des in seiner Herkunftsfamilie bestehenden Erziehungs- und Betreuungsdefizits, ggf. auch wegen seiner seelischen Behinderung, wofür allerdings auch der Kläger als Jugenhilfeträger der zuständige Leistungsträger wäre (§ 35 a SGB VIII). Es fehlt daher an zwei gleich gerichtete Unterbringungsbedarfe auf Seiten des Klägers als Jugendhilfeträgers und des Beklagten als Sozialhilfeträgers, die in Konkurrenz zu einander stehen könnten.
Für die rechtliche Einordnung einer beanspruchten und gewährten Leistung sind deren Ursache, Zweck und ihr (überwiegender) Charakter maßgeblich. Der Beigeladene ist im Juni ... vom Jugendamt des Klägers in Obhut genommen und zunächst in einer Kinder- und Jugendeinrichtung (Regelgruppe) und kurz darauf für mehrere Monate im ... und ab dem ... fortlaufend in der Einrichtung ... Mettmann betreut worden. Anlass für die stationäre Aufnahme war die Inobhutnahme des Beigeladenen durch das Jugendamt im Juni 2005 wegen eines (wiederholten) sexuellen Übergriffs des Beigeladenen auf seine Zwillingsschwestern vor dem Hintergrund schwieriger Familienverhältnisse verbunden mit einem Erziehungs- und Betreuungsdefizit in der Herkunftsfamilie. Der Beigeladene war auch in den Jahren zuvor wiederholt außerhalb seiner Herkunftsfamilie in einer Pflegefamilie, in Tagesgruppen bzw. in einem Kinderheim betreut worden wegen der schwierigen Familienverhältnisse und der Überforderung der Eltern mit der Erziehung des Beigeladenen. Die Überforderung der Eltern ist in den aktenkundigen Unterlagen mehrfach dokumentiert, so hat die Schulleitung der ...Schule/ ... in ihrem Bericht vom ... dargelegt, die Eltern seien mit der Erziehung des Beigeladenen vollkommen überfordert. Aus einer weiteren Notiz der Schule vom ... ergibt sich, dass bei dem Beigeladenen massive Verhaltensauffälligkeiten in der Schule zu Tage traten und der Schulbesuch von den Eltern als Strafmaßnahme (Hausarrest) unterbunden wurde mit der Folge, dass für den Beigeladenen erhebliche Fehlzeiten in der Schule bestanden. Die Eltern waren offensichtlich nicht in der Lage, den Verhaltensauffälligkeiten des Beigeladenen mit adäquaten Erziehungsmethoden zu begegnen. In den aktenkundigen Unterlagen finden sich zudem Hinweise auf wiederholte Gewalttätigkeiten des Vaters gegenüber dem Beigeladenen als Erziehungsmaßnahmen. Schließlich wird von Seiten der ...Schule, den Rheinischen Kliniken ... und dem ... mitgeteilt, dass die Eltern des Beigeladenen mit der Schule, den Ärzten und den Einrichtungen nicht zusammengearbeitet haben. Dass ein Erziehungs- und Betreuungsdefizit die Aufnahme des Beigeladenen in einer Heimeinrichtung und sein dortiges Verbleiben erforderlich gemacht hat und daher die Heimbetreuung als Hilfe zur Erziehung im Sinne von § 27 SGB VIII zu werten ist, verdeutlichen die Ausführungen in den Berichten des ... vom ... und ... Dort wird ausgeführt, dass im Fall des Beigeladenen eine emotionale Vernachlässigung in der Familie bestand und es den Eltern nicht möglich war, ihm Grenzen, Regeln und Strukturen zu vermitteln, die er für eine positive Entwicklung benötigt. Die in der Rehabilitation angestrebten Ziele wie Vermittlung von Grenzen, die Akzeptanz von Regeln und Normen, die Bearbeitung des Themas Sexualität sprechen für einen vorrangig pädagogischen bzw. erzieherischen Bedarf bei dem Beigeladenen. Wenn das ... als Ergebnis der sieben Monate andauernden Betreuung des Beigeladenen feststellt, dass das problematische Sozialverhalten des Beigeladenen gebessert werden konnte, er aber weiterhin klare, nachvollziehbare Strukturen und Abläufe benötigt, um das Verinnerlichte zu festigen, wobei eine langfristige Fremdunterbringung unumgänglich ist, weil die familiäre Situation erheblich belastet ist bzw. sich sehr schwierig gestaltet, ergibt sich hieraus, dass in der Herkunftsfamilie eine dem Wohl des Beigeladenen dienende Erziehung bzw. Betreuung nicht gewährleistet werden konnte. Der Erziehungs- und Betreuungsauftrag war daher von staatlicher Seite zu übernehmen und Hilfe zur Erziehung in Form der Heimunterbringung zu gewähren. Auch haben die Eltern sich von dem Beigeladenen in der Zeit ab Heimaufnahme im Juni ... weitestgehend abgewandt und den Kontakt zu ihm abgebrochen und damit nach außer erkennbar gemacht, dass sie die Übernahme bzw. Erfüllung (verbliebener) elterlicher Aufgaben verweigern. Auch ist den Eltern später das Sorgerecht für den Beigeladenen in Bezug auf die Gesundheitsvorsorge entzogen und dem Kläger übertragen worden. All dies macht deutlich, dass im Fall des Beigeladenen bedingt durch die schwierige familiäre Situation ein Erziehungs- und Betreuungsdefizit bestand. Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass die Überforderung der Eltern mit der Erziehung und Betreuung des Beigeladenen ihre Ursache in der Intelligenzminderung bzw. leichten geistigen Behinderung des Beigeladenen hatte. Dagegen spricht, dass das ... in seinem Bericht vom ... festgestellt hat, dass der Beigeladene in einem strukturiertem, ihm Wertschätzung und Halt gebenden Umfeld in der Lage ist, ein adäquates Sozialverhalten zu zeigen und in der Einrichtung die aggressiven und sexuellen Auffälligkeiten, die in der Herkunftsfamilie auftraten, in der Einrichtung nicht beobachtet worden sind. Schließlich bleibt anzuführen, dass auch in der Einrichtung ... durchgeführte Maßnahmen sich als Erziehungsmaßnahmen wegen Regelverstößen (Gewalt gegen Dritte, unerlaubtes Entfernen aus der Wohngruppe, Rauchen und Alkohlkonsum, Diebstahl etc.) darstellen (vgl. Aktennotiz vom ..., Kurzbericht –ohne Datum-, Maßnahmeplan vom ...).
Ob eine Heimbetreuung in der streitgegenständlichen Zeit auch wegen der psychiatrischen Erkrankungen (hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens und depressive Störung des Sozialverhaltens, vgl. Bericht der Rheinischen Kliniken Viersen vom ... und Berichte des ... vom ... und ...) bzw. einer wesentlichen seelischen Behinderung des Beigeladenen (vgl. Gutachten Dr ... vom ...) erforderlich geworden ist und insoweit ein Eingliederungsbedarf im Sinne des § 35a Abs. 2 SGB VIII bestanden hat, kann dahin stehen, da für die Erbringung dieser Leistung ebenfalls der Kläger als Jugendhilfeträger zuständig gewesen wäre. Es bleibt insoweit allerdings darauf hinzuweisen, dass die Rheinischen Kliniken ..., wo der Beigeladene kurz vor der Inobhutnahme durch den Kläger im März bis Mai ... stationär behandelt worden ist, als Abschlussempfehlung eine ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Weiterbehandlung ausgesprochen haben, dagegen eine Unterbringung des Beigeladenen in eine Eingliederungseinrichtung für seelisch oder mehrfachbehinderte Menschen nicht für notwendig erachtet hat.
Eine Zuständigkeit des Beklagten für die Heimbetreuung des Beigeladenen kann nicht, auch nicht aufgrund einer Mehrfachbehinderung (seelische und geistige Behinderungen) wie sie Dr ... in seinem Gutachten vom ... vertreten hat, angenommen werden. Denn die Voraussetzungen eines entsprechenden Eingliederungsbedarfs gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII lagen nicht vor. Bei dem Beigeladenen kann bereits keine wesentliche geistige Behinderung im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII festgestellt werden. Die Ärzte, die den Beigeladenen in Vergangenheit untersucht haben, haben überwiegend eine leichte Intelligenzminderung bzw. leichte geistige Behinderung attestiert. Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr ... hat in seinen Berichten vom ... und ... nach Testung eine leichte Intelligenzminderung und einen IQ von 61 bzw. 63 mitgeteilt. Ähnliches ergibt sich aus dem Bericht des Kinder- und Jugendpsychiaters Dr ... vom ..., in dem dieser eine leichte intellektuelle Minderbegabung und nach Testung einen IQ von 65 mitteilt. Der Sachverständige Dr ... hat nach seiner testpsychologischen Untersuchung im Januar ... einen IQ von 70 festgestellt. Aufgrund dieser IQ-Werte kann von einer wesentlich geistigen Behinderung bei dem Beigeladenen nicht gesprochen werden. Wesentlich geistig behindert sind Personen gemäß § 2 Eingliederungshilfe-Verordnung (VO) die infolge einer Schwäche ihrer geistigen Kräfte in erheblichen Umfang in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt sind. Das lag bei dem Beigeladenen nach den aktenkundigen Unterlagen zu keinem Zeitpunkt vor. Das ergibt sich zum einen deutlich aufgrund der durch testpsychologische Untersuchungen festgestellten IQ-Werte. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW besteht bei einem Kind mit einem IQ von 55 bis 69 eine leichte geistige Retardierung, die im Allgemeinen Lernbehinderung genannt wird. Mit diesem Begriff wird ausgedrückt, dass ein Kind mit einem IQ von 55 bis 69 zwar im Lernen behindert ist, aber doch in nicht zu großen Schulklassen von Sonderpädagogen in den Stand gebracht werden kann, ein einigermaßen selbständiges Leben zu führen. Bei den oberhalb dieser Stufe, mit einem IQ zwischen 70 und 84 anzusiedelnden Personen kann von einer geistigen Behinderung nicht mehr gesprochen werden (OVG NRW Urteil vom 20.2.2002 -12 A 5322/00- mit Verweis auf Kehrer, Geistige Behinderung und Autisumus, Verlag Trias 1995, S. 16). Nach diesen Maßstäben bestand bei dem Beigeladenen zu keiner Zeit eine wesentliche geistige Behinderung, sondern lediglich eine leichte geistige Behinderung in Form einer Lernbehinderung. Auch war der Beigeladene nicht vom Eintritt einer wesentlichen geistigen Behinderung bedroht wie seine weitere Entwicklung zeigt. Der Sachverständige Dr ... konnte bei seiner testpsychologischen Untersuchung im Jahr ... einen IQ von 70 und damit einen höheren IQ als in der Vergangenheit feststellen. Dieses Testergebnis lässt zum jetzigen Zeitpunkt die Bejahung selbst einer leichten geistigen Behinderung nicht mehr zu. Zum anderen war der Beigeladene aufgrund der leichten Intelligenzminderung nicht in erheblichem Umfang an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Das ergibt sich insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die lebenspraktischen Fähigkeiten des Beigeladenen gut entwickelt sind und er in den Verrichtungen des alltäglichen Lebens weitestgehend selbständig ist. So hat Frau Dr ... in ihrem Gutachten vom ... festgestellt, dass bei dem Beigeladenen eine Minderbegabung besteht, wobei sich das Wissen in lebenspraktischen, alltäglichen Dingen aber als gut darstellt. Die Auffassungsgabe, das Abstraktionsvermögen sowie das Denkvermögen sind lediglich für komplexere Sachverhalte eingeschränkt. In den Berichten des ... vom ... und ..., denen das Gericht insoweit entscheidendes Gewicht zumisst, weil der Kläger dort nach Inobhutnahme durch das Jugendamt monatelang zur Beobachtung aufgenommen und in einer Gruppe von geistig- und mehrfachbehinderten Bewohnern betreut worden ist, wird mitgeteilt, dass der Beigeladene in allen lebenspraktischen Anforderungen sehr selbstständig ist. Die Körperhygiene erledigt der Kläger selbst, er kann mit Geld umgehen, kann einkaufen, die Uhr lesen, verfügt über gute Kenntnisse und Fähigkeiten im hauswirtschaftlichen Bereich, er arbeitet auffallend strukturiert und zielgerichtet, seine Auffassungsgabe ist dabei sehr gut, er hat ein gutes Situationsverständnis und kann gute Tranferleistungen erbringen, er verfügt über gute sprachliche Fähigkeiten. Einschränkungen zeigen sich bei dem Beigeladenen vorrangig in Form einer Schreib- und Rechenschwäche; er verfügt lediglich über rudimentäre Kenntnisse im Leben und Schreiben und beherrscht auch die Grundrechenarten nur lückenhaft. Die Schreib- und Rechenschwäche stellt eine Beeinträchtigung der Teilhabe dar, vor dem Hintergrund der gut ausgeprägten lebenspraktischen Fähigkeiten des Beigeladenen wird die Teilhabe des Beigeladenen am Leben in der Gemeinschaft dadurch aber nicht in erheblichem Umfang beeinträchtigt. Die Lernbehinderung erforderte zudem nach Auffassung des Gerichtes keine vollstationäre Unterbringung und Förderung des Beigeladenen in einer Eingliederungseinrichtung für geistig (oder mehrfach) Behinderte, wenngleich es sich um eine solche Einrichtung bei der ... handelte. Der Lernbehinderung konnte durch eine entsprechende Beschulung in einer Förderschule adäquat begegnet werden. Das ergibt sich aus dem Bericht des Kinder- und Jugendpsychiaters Dr ... vom ..., wonach im Fall des Beigeladenen der Besuch der geistig Behinderten Schule von fachärztlicher Sicht für adäquat erachtet wurde. Da eine weitergehende Aufsichts- Betreuungs- bzw. Hilfebedürftigkeit des Beigeladenen in Bezug auf die Verrichtungen des alltäglichen Lebens nicht bestand, führte die Lernbehinderung nicht zur Notwendigkeit der vollstationären Betreuung des Beigeladenen durch besonders ausgebildetes Betreuungs- und Pflegepersonal in einer Eingliederungseinrichtung.
Nach alledem hat der Kläger die Leistungen im Hilfefall des Beigeladenen als zur Leistung verpflichteter Leistungsträger aufgebracht und kann daher von dem Beklagten keine Erstattung seiner Aufwendungen verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Kostenerstattung für die vollstationäre Unterbringung im Hilfefall des Beigeladenen.
Der Beigeladene und seine Familie erhielten vom Kläger in der Vergangenheit ab dem Jahr 1997 aufgrund schwieriger Familienverhältnisse wiederholt Kinder- bzw. Jugendhilfen. Der Beigeladene war ab 1997 außerhalb seiner Herkunftsfamilie in einer Pflegefamilie, in Tagesgruppen und in den Jahren 2000 bis 2001 im Kinderheim betreut worden. Der Beigeladene stand in psychiatrischer Behandlung bei dem Kinder- und Jugendpsychiater ... In seinem Bericht vom 23.10.2000 teilte ...mit, es bestehe bei dem Beigeladenen der Verdacht auf leichte Intelligenzminderung, eine Störung des Sozialverhaltens und emotionaler Vernachlässigung in der Kindheit. Nach den Untersuchungen handele es sich um ein geistig behindertes Kind. Im Test HAWIK 3 habe sich ein IQ von 61 mit Senke im Bereich des Verbalteils IQ 57 ergeben. Die Werte würden für eine geistige Behinderung sprechen, die sich jedoch nicht mit dem klinischen Eindruck decke. In einem weiteren Bericht vom 11.1.2001 teilte der Arzt mit, in der Testpsychologie (AID) erreiche der Beigeladene einen IQ von 63, was die bisherigen Befunde einer geistigen Behinderung bestätige. Da der Beigeladene im Bereich der geistigen Behinderung anzusiedeln sei, komme für ihn § 39 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Betracht. Der Beigeladene bedürfe einer heilpädagogischen Atmosphäre mit enger, gut strukturierter und personalaufwendiger und vollstationärer Betreuung. Die Unterbringung im Heim wurde im Jahr ... auf Wunsch der Eltern des Beigeladenen beendet.
Der Beigeladene besuchte die ...Schule (Schule für Geistigbehinderte) in ... (Schule für geistig Behinderte). In dem Bericht der Schule vom ... wird aufgeführt, die Eltern des Beigeladenen seien mit der Erziehung vollkommen überfordert.
In den Jahren ... und ... kam es von Seiten des Beigeladenen zu sexuellen Übergriffen auf seine Schwestern und auf ein Mädchen im Schulbus. Des weiteren kam es zu häufigen Fehlzeiten und erheblichen Verhaltensauffälligkeiten des Beigeladenen (Gewalt gegen Mitschüler, Lehrer, Diebstahl etc.) in der Schule (Aktennotiz der Schule vom ...). Der Schulbesuch wurde teilweise von den Eltern als Strafmaßnahme (Hausarrest) unterbunden, zudem sind Gewalttätigkeiten des Vaters gegenüber den Beigeladenen als Erziehungsmaßnahmen beschrieben.
Von ... bis ... ist der Beigeladene in einem heilpädagogischen Heim in ... betreut worden. Im Juli ... und September ... ist bei dem Beigeladenen eine jugendpsychiatrische Diagnostik von Dr ..., Facharzt für Kinder und Jugendpsychiatrie durchgeführt worden. Der Arzt stellte in seinem Bericht vom ... fest, es bestünde eine Störung des Sozialverhaltens und eine leichte intellektuelle Minderbegabung mit Verhaltensauffälligkeiten (leichte geistige Behinderung, HAWIK III IQ 65). Der Besuch der GB-Schule sei adäquat.
Im März ... bis Mai ... befand sich der Beigeladene stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Rheinischen Kliniken ... wegen zunehmender Unbeschulbarkeit. Die dortige Behandlung wurde abgebrochen, weil die Eltern nicht mitwirkten. Im Entlassungsbericht vom 2.7.2005 wurden folgende Diagnosen aufgeführt: hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens, leichte geistige Behinderung, Enuresis nocturna. Die Ärzte empfahlen bei Entlassung eine ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Weiterbehandlung des Beigeladenen.
In der Folgezeit nach Entlassung aus den Rheinischen Kliniken ... besuchte der Beigeladene die Schule nicht mehr. Nach einem erneuten sexuellen Übergriff des Beigeladenen auf seine 10jährigen Zwillingsschwestern im Juni ... wurde er vom Kläger am 29.6.2005 in Obhut genommen und vorübergehend im ...-Haus ... (Regelgruppe) untergebracht. Ab ... wurde der Beigeladene im Heilpädagogischen Eingliederungszentrum (HPZ) der Lebenshilfe in ... zur Betreuung aufgenommen und in einer Wohngruppe mit geistig und mehrfachbehinderten Bewohnern betreut. In dem Zwischenbericht des Rehazentrums des HPZ Zülpich-Bürvenich vom ... wird ausgeführt, Grund der Aufnahme sei die Inobhutnahme des Beigeladenen wegen sexueller Übergriffe auf die Geschwister. Nach dem Eindruck des Jugendamtes sei es den Eltern nicht möglich gewesen, dem Beigeladenen Grenzen, Regeln und Strukturen zu vermitteln, die er für eine positive Entwicklung benötige. Die Diagnosen lauteten: leichte Intelligenzminderung, Enuresis, hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens und depressive Störung des Sozialverhaltens, emotionale Vernachlässigung in der Familie. Als Ziele der Behandlung waren formuliert worden: Begleitung bei der Ablösung vom Elternhaus, Vermittlung von Grenzen, Akzeptanz von Regeln und Normen, Bearbeitung des Themas Sexualität, Ermittlung weiteren Hilfebedarfs. Im lebenspraktischen Bereich sei der Beigeladene weitgehend selbständig. Da sich seine familiäre Situation sehr schwierig gestalte und seine Eltern jeglichen Kontakt mit ihm ablehnten, sei seine dauerhafte Fremdunterbringung unumgänglich.
Mit Schreiben vom ...bat der Kläger den Beklagten um Übernahme der Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe mit der Begründung, bei dem Beigeladenen liege eine geistige Behinderung vor.
Seit dem ... wurde der Beigeladene in einer Wohngruppe der Evangelischen ... in ... betreut (Leistungstyp 7: Wohnangebote der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit schweren Mehrfachbehinderungen). Die Einrichtung betreut in der Regel Kinder und Jugendliche mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Der Beigeladene besuchte die heiminterne Sonderschule für geistig Behinderte die ...Schule/ ...
Das ... legte mit Datum vom ... einen Abschlussbericht vor. Darin wird wiederholend ausgeführt, der Beigeladene sei in allen lebenspraktischen Anforderungen sehr selbständig. Seine kognitiven Fähigkeiten seien als gut zu bewerten, sein Potential in dieser Hinsicht bei weitem nicht ausgeschöpft. Er sei ein Jugendlicher der über viele Kompetenzen verfüge. Sein problematisches Sozialverhalten habe sich durch konsequentes Aufarbeiten seiner Defizite erheblich verbessert. Er brauche weiterhin klare, nachvollziehbare Strukturen und Abläufe. Eine langfristige Fremdunterbringung sei unumgänglich, da die familiäre Situation erheblich belastet sei. Eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Elternhaus sei nicht möglich gewesen, der Vater habe angegeben, mit dem Sohn nichts mehr zu tun haben zu wollen. Die Mutter habe nur angerufen, wenn der Beigeladene Zeitungen austragen sollte, dem sei von Seiten der Einrichtung nicht zugestimmt worden.
Der Beklagte legte die Unterlagen seinem medizinisch-psychologischen Dienst (MPD) vor. Mit Stellungnahme vom ... stellte der MPD fest, es läge bei dem Beigeladenen eine Lernbehinderung, aber keine geistige bzw. wesentliche Behinderung vor. Die Verhaltensauffälligkeiten seien Folge von Erziehungsdefiziten. Emotionale Vernachlässigung, Druck und Gewalt würden wiederholt thematisiert und es herrsche Konsens, dass der Beigeladene außerhalb seiner Familie unterzubringen sei. Aufgrund der Intelligenzminderung allein wäre eine Heimunterbringung nicht erforderlich. Es sei erkennbar, dass die zum Wohle des Kindes entsprechende Erziehung in der Familie nicht gewährleistet gewesen sei. Es handele sich um Hilfe zur Erziehung.
Der Beklagte lehnte daraufhin mit Schreiben vom ... gegenüber dem Kläger die Übernahme des Hilfefalls ab.
Mit Bescheid vom ... bewilligte der Kläger dem Beigeladenen rückwirkend ab dem ... als unzuständiger Träger Eingliederungshilfe gemäß §§ 102 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch -Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz- (SGB X) in Verbindung mit § 35a Abs. 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Achtes Buch -Kinder- und Jugendhilfe- (SGB VIII). Der Beklagte als zuständiger Träger sei bislang nicht tätig geworden. Da der Beigeladene prinzipiell einen Anspruch auf Sozialleistungen habe, erkläre er sich bereit gemäß § 43 Sozialgesetzbuch Erstes Buch –Allgemeiner Teil- (SGB I) vorläufig tätig zu werden. Der Beigeladene gehöre zu den Menschen mit einer geistigen Behinderung. Seine Unterbringung in einer geeigneten Einrichtung sei vonnöten, da er nicht mehr in den Haushalt der Eltern zurückkehren könne. Es sei erforderlich, dass er aufgrund seiner Gesamtpersönlichkeit in einem strukturierten und auf seine Bedürfnisse abgestimmten Umfeld lebe.
Das Amtsgericht ... entzog den Eltern des Beigeladenen am ... die Gesundheitsfürsorge und übertrug diese dem Kläger.
Der Kläger hat am 23.1.2007 Klage erhoben. Er macht geltend, bei dem Beigeladenen handele es sich um eine wesentlich geistig behinderte Person, der in erheblichem Umfang in seiner Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt sei. Die Ärzte Dr ... und Herr ... hätten eine geistige Behinderung bei dem Beigeladenen festgestellt. Da der Beigeladene aufgrund der geistigen Behinderung einen Anspruch auf Eingliederungshilfe habe, besteht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch –Teilhabe und Rehabilitation schwerbehinderter Menschen- (SGB IIX) (aF) ein Vorrang der Sozialhilfe. Die Auffassung des Beklagten, dass laut Diagnostik von Dr. Hellmann die Verhaltensauffälligkeiten im Vordergrund stünden, könne nicht nachvollzogen werden, denn der Arzt habe sowohl eine Störung des Sozialverhaltens als auch eine leichte intellektuelle Minderbegabung mit Verhaltensauffälligkeiten diagnostiziert. Es handele sich um gleichwertige Diagnosen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm die Aufwendungen für die Heimunterbringung des Beigeladenen für die Zeit ab 29.6.2005 bis zum 8.2.2008 zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht geltend, ausschlaggebend für die Aufnahme des Beigeladenen in verschiedenen Heimen sei nicht die Notwendigkeit gewesen, dem Beigeladenen als behinderter Mensch nach § 53 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -Sozialhilfe- (SGB XII) spezielle Maßnahmen der Eingliederungshilfe zu gewähren. Die Aufnahmen seien notwendig geworden, weil die Eltern für die Betreuung und Erziehung des Beigeladenen nicht in Betracht gekommen seien und insoweit ein Erziehungs- und Betreuungsdefizit bestanden habe. Dass die Überforderung der Eltern durch die Behinderung des Hilfeempfängers ausgelöst worden sei, sei zugestanden. Dies spiele aber für die Qualifizierung der in den Heimen zugewandten Leistungen der Erziehungshilfe keine Rolle.
Der Kläger hat erwidert, schon im Jahr ... hätten Fachkräfte eine Unterbringung des Beigeladenen in einer geeigneten Einrichtung für behinderte Menschen empfohlen. Seit dem ... befinde sich der Beigeladene in der Einrichtung ..., es handele sich hierbei um eine Einrichtung nach dem SGB XII und Ziel der Einrichtung sei die Überwindung, Linderung und Verhütung von Verschlimmerung behinderungsbedingter Beeinträchtigungen des behinderten Jugendlichen und seine Eingliederung in die Gesellschaft. Die Heimunterbringung sei im Hinblick auf die Behinderung erfolgt, nicht wegen des Bestehens eines Erziehungs- bzw. Betreuungsdefizits. Die vorrangige Zuständigkeit des Beklagten sei wegen der Mehrfachbehinderung des Beigeladenen gegeben. Voraussetzung für die vorrangige Zuständigkeit nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB IX sei allein das Vorliegen einer geistigen oder körperlichen Behinderung. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe in seiner Entscheidung vom 23.9.1999 klargestellt, dass nicht auf den Schwerpunkt in Bezug auf eine der beiden möglichen Hilfeleistungen abzustellen sei, sondern allein auf die miteinander konkurrierenden Leistungen. Deshalb sei der Beklagte für die Eingliederungshilfe zuständig, selbst wenn der Beigeladene neben oder wegen seiner geistigen Behinderung auch von einer seelischen Behinderung bedroht sein sollte.
Der Beklagte hat erwidert, es sei keine vorrangige Leistungsverpflichtung des Sozialhilfeträgers gegeben. Das bloße Vorliegen einer wesentlichen geistigen Behinderung bzw. das Drohen einer solchen Behinderung begründe nicht den Vorrang der Eingliederungshilfe. Es müsse ein Anspruch auf Jugendhilfe und auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen müssten gleich, gleichartig, einander entsprechende, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sein. Die Unterbringung und Betreuung des Beigeladenen in der Heimeinrichtung sei ausschließlich der Hilfe zur Erziehung zuzuordnen.
Nach Eintritt der Volljährigkeit ist der Kläger in der Einrichtung ... verblieben und hat von dem Kläger Hilfe für junge Volljährige erhalten. Mit Wirkung zum ... ist die Hilfegewährung eingestellt worden.
Der Kläger hat das Gutachten von Frau Dr ..., Ärztin für Sozialmedizin und Psychotherapie aus ... vom ...und die Bestellungsurkunde des Amtsgerichts ... vom ..., mit der für den Beigeladenen ein Betreuer bestimmt worden ist, vorgelegt. In dem Gutachten vom ... wird ausgeführt, bei dem Beigeladenen liege eine Minderbegabung im Sinne einer leichtgradigen geistigen Behinderung vor, wobei sich das Wissen in lebenspraktischen alltäglichen Dingen als gut darstelle.
Das Gericht hat den Beigeladenen von Dr ..., Arzt für Neurologie und Psychiatrie untersuchen lassen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom ... als Diagnosen eine primäre Minderbegabung (IQ 70) und eine komplexe Störung im Sozialverhalten mit depressiver, selbstunsicher, ängstlich und hochgradig vermeidender Symptomatik und schwerer psychosexueller Reifungsstörung auf dem Boden einer lang anhaltenden psychosozialen Traumatisierung im Kindes- und Jugendalter dargelegt. Die psychische Problematik werde durch den faktischen Analphabetismus und die Akalkulie und die sehr geringe soziale Kompetenz verstärkt bzw. unterhalten. Bei der testpsychologischen Untersuchung habe sich der IQ 70 bei ansonsten unauffälligen Ergebnissen gezeigt. Der Beigeladene sei sowohl geistig als auch seelisch wesentlich behindert. Es liege eine Mehrfachbehinderung vor. Die bereits von Herrn Fernholz früh festgestellte Notwendigkeit einer Integration in ein heilpädagogisches Heim sei notwendig und eher viel zu spät erfolgt.
Der Kläger hat vorgetragen, die erheblich behindernde Kombination aus geistiger und seelischer Beeinträchtigung in Form der Mehrfachbehinderung mache die Heimunterbringung außerhalb der Familie notwendig.
Der Beklagte hat vorgetragen, nach dem Urteil des OVG NRW vom 20.2.2002 sei bei einem IQ von 70 bis 84 eine geistige Behinderung nicht anzunehmen. § 53 SGB XII verlange aber eine wesentliche Behinderung. Von einer solchen könne bei dem Beigeladenen nicht ausgegangen werden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von der Klägerin beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig (1), aber unbegründet (2).
(1) Das Begehren des Klägers ist gerichtet auf Erstattung der von ihm aufgewendeten Kosten für die Heimunterbringung des Beigeladenen. Der Kläger stützt sein Erstattungsbegehren auf die Vorschrift des § 102 SGB X. Die Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff SGB X sind durch reine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz –SGG-) geltend zu machen. Der Zulässigkeit der Leistungsklage steht nicht entgegen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung sein Erstattungsbegehren betragsmäßig nicht zu beziffern wusste und seinen Leistungsantrag unter Angabe des Zeitraums ... bis ... eingegrenzt hat. Denn bei den Beteiligten als juristische Personen des öffentlichen Rechts wäre auch eine (bloße) Feststellungsklage gemäß § 55 SGG statthaft, da wegen deren Bindung an Recht und Gesetz eine Befriedigung in der Regel auch ohne Leistungsurteil mit Vollstreckungsdruck anzunehmen ist (Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, SGG, § 55 Rdn. 19c). Dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmbarkeit des Klageantrages ist hinreichend Genüge getan, weil der Betrag der streitbefangenen Heimkosten für den angegebenen Zeitraum von den Beteiligten nachträglich ermittelt werden könnte.
(2) In der Sache hat die Klage keinen Erfolg. Der Kläger dringt mit seinem Erstattungsbegehren nicht durch. Ein Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen aus § 102 SGB X steht dem Kläger gegenüber dem Beklagten nicht zu. Nach dieser Vorschrift ist in dem Fall, dass ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Leistung erbracht hat, der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. Ausweislich des Bewilligungsbescheides vom 28.2.2006 hat der Kläger dem Beigeladenen Eingliederungshilfe vorläufig nach § 43 SGB I bewilligt mit der Begründung, prinzipiell habe der Beigeladene einen Anspruch auf Eingliederungshilfe und daher werde er vorläufig tätig. Der Wille des Klägers, die Leistungen lediglich vorläufig erbringen zu wollen, ist damit deutlich nach außen erkennbar gemacht worden (vgl. von Wulffen, SGB X, § 102 Rdn. 6). Eine Erstattungspflicht des Beklagten scheidet aber aus, weil er für den Hilfefall des Beigeladenen nicht der leistungsverpflichtete Leistungsträger ist.
Vorliegend kann das Gericht unter Berücksichtigung der maßgebenden Vor- und Nachrangregelung des § 10 Abs. 2 SGB VIII (alte Fassung –aF- bis zum 30.9.2005) bzw. § 10 Abs. 4 SGB VIII eine vorrangige Leistungsverpflichtung des Beklagten für den streitgegenständlichen Hilfefall nicht feststellen, es besteht vielmehr die Zuständigkeit des Klägers als Jugendhilfeträger. Denn bei der dem Beigeladenen gewährten Hilfe in Form der Heimunterbringung handelt es sich um Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII (ggf. auch um Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a SGB VIII), nicht aber um Eingliederungshilfe wegen einer geistigen Behinderung nach §§ 53 ff SGB XII.
Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII hat ein Personenberechtigter bei der Erziehung eines Kindes oder Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung ist nicht gewährleistet, wenn ein erzieherischer Bedarf des Kindes im Einzelfall vorliegt und diese Mangellage durch die Erziehungsleistung der Eltern nicht behoben wird (Erziehungsdefizit). Es genügt der objektive Ausfall von Erziehungsleistung im elterlichen Erziehungsbereich. In der Erziehung müssen die Grundbedürfnisse des Kindes wie Liebe, Zuwendung, Akzeptanz, stabile Bindung, Versorgung, Körperpflege, Gesundheitsfürsorge, Schutz vor Gefahren sowie geistige, emotionale und soziale Bildung befriedigt werden. Werden die in der konkreten Familiensituation erreichbaren Standards für eine gelungene geistige, körperliche oder seelische Entwicklung des Kindes nicht erreicht und ist dadurch das Kindeswohl gefährdet, liegt ein Erziehungsdefizit vor. Grundsätzlich können auch geistig behinderte Kinder in der Herkunftsfamilie erzogen werden, wobei stets die individuellen Umstände des Einzelfalls maßgebend sind. Eine Erziehung in der Familie wird zum Beispiel in Betracht kommen können, wenn bei dem betroffenen Kind eine leichte geistige Behinderung bzw. eine Lernbehinderung vorliegt, die vorrangig eine besondere Beschulung erfordert. Es kann auch bei diesen Kindern ein Erziehungsdefizit vorliegen, das einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII auslöst. Die notwendige Hilfe zur Erziehung kann gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in Form der Heimerziehung in Einrichtungen über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform erbracht werden, wobei die Hilfe Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern soll. Sie soll entsprechend dem Alter und dem Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie u.a. eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Zum Verhältnis zu anderen Leistungen bestimmt § 10 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII aF bzw. § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, dass Leistungen nach dem SGB VIII Leistungen nach dem SGB XII vorgehen. Andererseits gehen gemäß Satz 2 der Vorschrift Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich und geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Leistungen nach dem SGB VIII vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes setzt diese Regelung notwendig voraus, dass sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe (Eingliederungshilfe) besteht und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (BVerwG Urteil vom 23.9.1999 -5 C 26/98-). Dieser Rechtsprechung hat sich das BSG in seiner Entscheidung vom 24.3.2009 angeschlossen (BSG Urteil vom 24.3.2009 –B 8 SO 29/07 R-). Es bleibt zu beachten, dass die Vor- und Nachrangregelung in § 10 Abs. 2 SGB VIII (aF) bzw. § 10 Abs. 4 SGB VIII nicht auf den Schwerpunkt in Bezug auf eine der beiden Hilfeleistungen abstellt, sondern allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen. Für den Fall einer Heimunterbringung bedeutet dies, dass die Notwendigkeit der Heimerziehung nach dem Kinder- und Jugendhilferecht mit der Notwendigkeit der Gewährung von Eingliederungshilfe wegen einer geistigen oder körperlichen Behinderung in einem Heim nach dem Sozialhilferecht gegeben sein muss. Nur in diesem Fall konkurrieren Jugendhilfeleistungen zur Unterbringung in einem Heim mit gleichartigen Sozialhilfeleistungen. Es muss eine Schnittmenge der Hilfebedarfe vorliegen, erforderlich ist insoweit, dass sich die Leistungen in qualifizierter Weise überschneiden bzw. gleichartig sind (Hessisches LSG 18.2.2008 –L 9 SO 44/07-; OVG Saarland 11.7.2007 -3 Q 104/06-). Wenn der Kläger meint, Voraussetzung für die vorrangige Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers nach § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII (aF) bzw. § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII sei allein das Vorliegen einer geistigen oder körperlichen Behinderung, kann das Gericht dieser Auffassung nicht beitreten. Es reicht nicht aus, dass eine geistige Behinderung vorliegt, die einen irgendwie gearteten Bedarf an Eingliederungshilfe begründet, um den Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers auszulösen und einen Erstattungsanspruch zu begründen (vgl. OVG Saarland, aaO). Vielmehr müssen die sich gegenüberstehenden Bedarfe gleichartig sein. Für den Fall der Heimunterbringung bedeutet dies, dass sowohl ein jugendhilferechtlicher Bedarf als auch ein Eingliederungsbedarf in Bezug auf eine Heimunterbringung gegeben sein muss, also eine doppelte Leistungspflicht (so BSG, aaO) in Bezug auf eine Heimunterbringung bestehen muss. Ist aber die bei dem Hilfeempfänger vorliegende geistige Behinderung weder wesentlich im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und besteht aufgrund der geistigen Behinderung keine Notwendigkeit zur Unterbringung in einer Eingliederungseinrichtung für geistig behinderte Menschen, entsteht auf der Bedarfs- bzw. Anspruchsseite keine Konkurrenzsituation, so dass die Vor- und Nachrangregelung des § 10 Abs. 2 SGB VIII aF bzw. § 10 Abs. 4 SGB VIII nicht zum Tragen kommt. So liegt es hier.
Die bei dem Beigeladenen in den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen für die streitgegenständliche Zeit ... bis ... beschriebene leichte geistige Behinderung im Sinne einer leichten Intelligenzminderung hat nach Auffassung des Gerichtes keinen Bedarf zur Unterbringung des Beigeladenen in einem Heim zur Eingliederung geistig (bzw. mehrfach-)behinderter Menschen ausgelöst. Die Heimunterbringung des Beigeladenen ab dem ... war notwendig wegen des in seiner Herkunftsfamilie bestehenden Erziehungs- und Betreuungsdefizits, ggf. auch wegen seiner seelischen Behinderung, wofür allerdings auch der Kläger als Jugenhilfeträger der zuständige Leistungsträger wäre (§ 35 a SGB VIII). Es fehlt daher an zwei gleich gerichtete Unterbringungsbedarfe auf Seiten des Klägers als Jugendhilfeträgers und des Beklagten als Sozialhilfeträgers, die in Konkurrenz zu einander stehen könnten.
Für die rechtliche Einordnung einer beanspruchten und gewährten Leistung sind deren Ursache, Zweck und ihr (überwiegender) Charakter maßgeblich. Der Beigeladene ist im Juni ... vom Jugendamt des Klägers in Obhut genommen und zunächst in einer Kinder- und Jugendeinrichtung (Regelgruppe) und kurz darauf für mehrere Monate im ... und ab dem ... fortlaufend in der Einrichtung ... Mettmann betreut worden. Anlass für die stationäre Aufnahme war die Inobhutnahme des Beigeladenen durch das Jugendamt im Juni 2005 wegen eines (wiederholten) sexuellen Übergriffs des Beigeladenen auf seine Zwillingsschwestern vor dem Hintergrund schwieriger Familienverhältnisse verbunden mit einem Erziehungs- und Betreuungsdefizit in der Herkunftsfamilie. Der Beigeladene war auch in den Jahren zuvor wiederholt außerhalb seiner Herkunftsfamilie in einer Pflegefamilie, in Tagesgruppen bzw. in einem Kinderheim betreut worden wegen der schwierigen Familienverhältnisse und der Überforderung der Eltern mit der Erziehung des Beigeladenen. Die Überforderung der Eltern ist in den aktenkundigen Unterlagen mehrfach dokumentiert, so hat die Schulleitung der ...Schule/ ... in ihrem Bericht vom ... dargelegt, die Eltern seien mit der Erziehung des Beigeladenen vollkommen überfordert. Aus einer weiteren Notiz der Schule vom ... ergibt sich, dass bei dem Beigeladenen massive Verhaltensauffälligkeiten in der Schule zu Tage traten und der Schulbesuch von den Eltern als Strafmaßnahme (Hausarrest) unterbunden wurde mit der Folge, dass für den Beigeladenen erhebliche Fehlzeiten in der Schule bestanden. Die Eltern waren offensichtlich nicht in der Lage, den Verhaltensauffälligkeiten des Beigeladenen mit adäquaten Erziehungsmethoden zu begegnen. In den aktenkundigen Unterlagen finden sich zudem Hinweise auf wiederholte Gewalttätigkeiten des Vaters gegenüber dem Beigeladenen als Erziehungsmaßnahmen. Schließlich wird von Seiten der ...Schule, den Rheinischen Kliniken ... und dem ... mitgeteilt, dass die Eltern des Beigeladenen mit der Schule, den Ärzten und den Einrichtungen nicht zusammengearbeitet haben. Dass ein Erziehungs- und Betreuungsdefizit die Aufnahme des Beigeladenen in einer Heimeinrichtung und sein dortiges Verbleiben erforderlich gemacht hat und daher die Heimbetreuung als Hilfe zur Erziehung im Sinne von § 27 SGB VIII zu werten ist, verdeutlichen die Ausführungen in den Berichten des ... vom ... und ... Dort wird ausgeführt, dass im Fall des Beigeladenen eine emotionale Vernachlässigung in der Familie bestand und es den Eltern nicht möglich war, ihm Grenzen, Regeln und Strukturen zu vermitteln, die er für eine positive Entwicklung benötigt. Die in der Rehabilitation angestrebten Ziele wie Vermittlung von Grenzen, die Akzeptanz von Regeln und Normen, die Bearbeitung des Themas Sexualität sprechen für einen vorrangig pädagogischen bzw. erzieherischen Bedarf bei dem Beigeladenen. Wenn das ... als Ergebnis der sieben Monate andauernden Betreuung des Beigeladenen feststellt, dass das problematische Sozialverhalten des Beigeladenen gebessert werden konnte, er aber weiterhin klare, nachvollziehbare Strukturen und Abläufe benötigt, um das Verinnerlichte zu festigen, wobei eine langfristige Fremdunterbringung unumgänglich ist, weil die familiäre Situation erheblich belastet ist bzw. sich sehr schwierig gestaltet, ergibt sich hieraus, dass in der Herkunftsfamilie eine dem Wohl des Beigeladenen dienende Erziehung bzw. Betreuung nicht gewährleistet werden konnte. Der Erziehungs- und Betreuungsauftrag war daher von staatlicher Seite zu übernehmen und Hilfe zur Erziehung in Form der Heimunterbringung zu gewähren. Auch haben die Eltern sich von dem Beigeladenen in der Zeit ab Heimaufnahme im Juni ... weitestgehend abgewandt und den Kontakt zu ihm abgebrochen und damit nach außer erkennbar gemacht, dass sie die Übernahme bzw. Erfüllung (verbliebener) elterlicher Aufgaben verweigern. Auch ist den Eltern später das Sorgerecht für den Beigeladenen in Bezug auf die Gesundheitsvorsorge entzogen und dem Kläger übertragen worden. All dies macht deutlich, dass im Fall des Beigeladenen bedingt durch die schwierige familiäre Situation ein Erziehungs- und Betreuungsdefizit bestand. Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass die Überforderung der Eltern mit der Erziehung und Betreuung des Beigeladenen ihre Ursache in der Intelligenzminderung bzw. leichten geistigen Behinderung des Beigeladenen hatte. Dagegen spricht, dass das ... in seinem Bericht vom ... festgestellt hat, dass der Beigeladene in einem strukturiertem, ihm Wertschätzung und Halt gebenden Umfeld in der Lage ist, ein adäquates Sozialverhalten zu zeigen und in der Einrichtung die aggressiven und sexuellen Auffälligkeiten, die in der Herkunftsfamilie auftraten, in der Einrichtung nicht beobachtet worden sind. Schließlich bleibt anzuführen, dass auch in der Einrichtung ... durchgeführte Maßnahmen sich als Erziehungsmaßnahmen wegen Regelverstößen (Gewalt gegen Dritte, unerlaubtes Entfernen aus der Wohngruppe, Rauchen und Alkohlkonsum, Diebstahl etc.) darstellen (vgl. Aktennotiz vom ..., Kurzbericht –ohne Datum-, Maßnahmeplan vom ...).
Ob eine Heimbetreuung in der streitgegenständlichen Zeit auch wegen der psychiatrischen Erkrankungen (hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens und depressive Störung des Sozialverhaltens, vgl. Bericht der Rheinischen Kliniken Viersen vom ... und Berichte des ... vom ... und ...) bzw. einer wesentlichen seelischen Behinderung des Beigeladenen (vgl. Gutachten Dr ... vom ...) erforderlich geworden ist und insoweit ein Eingliederungsbedarf im Sinne des § 35a Abs. 2 SGB VIII bestanden hat, kann dahin stehen, da für die Erbringung dieser Leistung ebenfalls der Kläger als Jugendhilfeträger zuständig gewesen wäre. Es bleibt insoweit allerdings darauf hinzuweisen, dass die Rheinischen Kliniken ..., wo der Beigeladene kurz vor der Inobhutnahme durch den Kläger im März bis Mai ... stationär behandelt worden ist, als Abschlussempfehlung eine ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Weiterbehandlung ausgesprochen haben, dagegen eine Unterbringung des Beigeladenen in eine Eingliederungseinrichtung für seelisch oder mehrfachbehinderte Menschen nicht für notwendig erachtet hat.
Eine Zuständigkeit des Beklagten für die Heimbetreuung des Beigeladenen kann nicht, auch nicht aufgrund einer Mehrfachbehinderung (seelische und geistige Behinderungen) wie sie Dr ... in seinem Gutachten vom ... vertreten hat, angenommen werden. Denn die Voraussetzungen eines entsprechenden Eingliederungsbedarfs gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII lagen nicht vor. Bei dem Beigeladenen kann bereits keine wesentliche geistige Behinderung im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII festgestellt werden. Die Ärzte, die den Beigeladenen in Vergangenheit untersucht haben, haben überwiegend eine leichte Intelligenzminderung bzw. leichte geistige Behinderung attestiert. Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr ... hat in seinen Berichten vom ... und ... nach Testung eine leichte Intelligenzminderung und einen IQ von 61 bzw. 63 mitgeteilt. Ähnliches ergibt sich aus dem Bericht des Kinder- und Jugendpsychiaters Dr ... vom ..., in dem dieser eine leichte intellektuelle Minderbegabung und nach Testung einen IQ von 65 mitteilt. Der Sachverständige Dr ... hat nach seiner testpsychologischen Untersuchung im Januar ... einen IQ von 70 festgestellt. Aufgrund dieser IQ-Werte kann von einer wesentlich geistigen Behinderung bei dem Beigeladenen nicht gesprochen werden. Wesentlich geistig behindert sind Personen gemäß § 2 Eingliederungshilfe-Verordnung (VO) die infolge einer Schwäche ihrer geistigen Kräfte in erheblichen Umfang in ihrer Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt sind. Das lag bei dem Beigeladenen nach den aktenkundigen Unterlagen zu keinem Zeitpunkt vor. Das ergibt sich zum einen deutlich aufgrund der durch testpsychologische Untersuchungen festgestellten IQ-Werte. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW besteht bei einem Kind mit einem IQ von 55 bis 69 eine leichte geistige Retardierung, die im Allgemeinen Lernbehinderung genannt wird. Mit diesem Begriff wird ausgedrückt, dass ein Kind mit einem IQ von 55 bis 69 zwar im Lernen behindert ist, aber doch in nicht zu großen Schulklassen von Sonderpädagogen in den Stand gebracht werden kann, ein einigermaßen selbständiges Leben zu führen. Bei den oberhalb dieser Stufe, mit einem IQ zwischen 70 und 84 anzusiedelnden Personen kann von einer geistigen Behinderung nicht mehr gesprochen werden (OVG NRW Urteil vom 20.2.2002 -12 A 5322/00- mit Verweis auf Kehrer, Geistige Behinderung und Autisumus, Verlag Trias 1995, S. 16). Nach diesen Maßstäben bestand bei dem Beigeladenen zu keiner Zeit eine wesentliche geistige Behinderung, sondern lediglich eine leichte geistige Behinderung in Form einer Lernbehinderung. Auch war der Beigeladene nicht vom Eintritt einer wesentlichen geistigen Behinderung bedroht wie seine weitere Entwicklung zeigt. Der Sachverständige Dr ... konnte bei seiner testpsychologischen Untersuchung im Jahr ... einen IQ von 70 und damit einen höheren IQ als in der Vergangenheit feststellen. Dieses Testergebnis lässt zum jetzigen Zeitpunkt die Bejahung selbst einer leichten geistigen Behinderung nicht mehr zu. Zum anderen war der Beigeladene aufgrund der leichten Intelligenzminderung nicht in erheblichem Umfang an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Das ergibt sich insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die lebenspraktischen Fähigkeiten des Beigeladenen gut entwickelt sind und er in den Verrichtungen des alltäglichen Lebens weitestgehend selbständig ist. So hat Frau Dr ... in ihrem Gutachten vom ... festgestellt, dass bei dem Beigeladenen eine Minderbegabung besteht, wobei sich das Wissen in lebenspraktischen, alltäglichen Dingen aber als gut darstellt. Die Auffassungsgabe, das Abstraktionsvermögen sowie das Denkvermögen sind lediglich für komplexere Sachverhalte eingeschränkt. In den Berichten des ... vom ... und ..., denen das Gericht insoweit entscheidendes Gewicht zumisst, weil der Kläger dort nach Inobhutnahme durch das Jugendamt monatelang zur Beobachtung aufgenommen und in einer Gruppe von geistig- und mehrfachbehinderten Bewohnern betreut worden ist, wird mitgeteilt, dass der Beigeladene in allen lebenspraktischen Anforderungen sehr selbstständig ist. Die Körperhygiene erledigt der Kläger selbst, er kann mit Geld umgehen, kann einkaufen, die Uhr lesen, verfügt über gute Kenntnisse und Fähigkeiten im hauswirtschaftlichen Bereich, er arbeitet auffallend strukturiert und zielgerichtet, seine Auffassungsgabe ist dabei sehr gut, er hat ein gutes Situationsverständnis und kann gute Tranferleistungen erbringen, er verfügt über gute sprachliche Fähigkeiten. Einschränkungen zeigen sich bei dem Beigeladenen vorrangig in Form einer Schreib- und Rechenschwäche; er verfügt lediglich über rudimentäre Kenntnisse im Leben und Schreiben und beherrscht auch die Grundrechenarten nur lückenhaft. Die Schreib- und Rechenschwäche stellt eine Beeinträchtigung der Teilhabe dar, vor dem Hintergrund der gut ausgeprägten lebenspraktischen Fähigkeiten des Beigeladenen wird die Teilhabe des Beigeladenen am Leben in der Gemeinschaft dadurch aber nicht in erheblichem Umfang beeinträchtigt. Die Lernbehinderung erforderte zudem nach Auffassung des Gerichtes keine vollstationäre Unterbringung und Förderung des Beigeladenen in einer Eingliederungseinrichtung für geistig (oder mehrfach) Behinderte, wenngleich es sich um eine solche Einrichtung bei der ... handelte. Der Lernbehinderung konnte durch eine entsprechende Beschulung in einer Förderschule adäquat begegnet werden. Das ergibt sich aus dem Bericht des Kinder- und Jugendpsychiaters Dr ... vom ..., wonach im Fall des Beigeladenen der Besuch der geistig Behinderten Schule von fachärztlicher Sicht für adäquat erachtet wurde. Da eine weitergehende Aufsichts- Betreuungs- bzw. Hilfebedürftigkeit des Beigeladenen in Bezug auf die Verrichtungen des alltäglichen Lebens nicht bestand, führte die Lernbehinderung nicht zur Notwendigkeit der vollstationären Betreuung des Beigeladenen durch besonders ausgebildetes Betreuungs- und Pflegepersonal in einer Eingliederungseinrichtung.
Nach alledem hat der Kläger die Leistungen im Hilfefall des Beigeladenen als zur Leistung verpflichteter Leistungsträger aufgebracht und kann daher von dem Beklagten keine Erstattung seiner Aufwendungen verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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