S 33 R 1128/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 33 R 1128/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 898/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 09.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 4313,44 EUR zu zahlen. Die Kosten werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Eigenanteil für ein Hörgerät i.H.v. 4313,44 EUR zu zahlen.

Die am 29. 10. 1950 geborene Klägerin ist Lehrerin an einer Grundschule.

Am 12.01.2011 beantragte sie bei der Beigeladenen die Übernahme der Kosten für ein hochwertiges Hörgerät für ihren Beruf als Lehrerin. Sie sei auf ihr Hörgerät angewiesen, um in ihrem Beruf weiter arbeiten zu können. Es handelte sich um das erste Hörgerät der Klägerin.

Der medizinische Dienst der Beigeladenen hatte bereits im Dezember 2010 eine Prüfung vorgenommen. Das Beratungsblatt für den MDK enthielt bereits den Hinweis, dass das normale Hörgerät nicht ausreichen würde und die Frage, ob ein hochwertiges Hörgerät medizinisch notwendig sei. Aufgrund der bei der Klägerin bestehenden leicht- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit meinte der medizinische Dienst am 23. 12. 2010, Gründe für eine höherwertige Hörgeräteversorgung seien nicht erkennbar. Zudem fehlte damals noch der Anpassungsbericht. Mit Schreiben vom 24.01.2012 teilte die Beigeladene der Klägerin mit, dass die Entscheidung des Bundessozialgerichts für eine höherwertige Hörgeräteversorgung durch die Krankenkasse sich nur auf den Personenkreis der Schwerstschwerhörigen beziehe und auf die Klägerin, die eine leicht- bis mittelgradige Schwerhörigkeit habe, nicht anwendbar sei. Sie möge die im Rahmen der Festbetragsregelung zur Verfügung stehenden Hörgeräte testen.

Unter dem 24.01.2011 leitete die Beigeladene den Antrag an die Beklagte weiter. Sie vertrat die Auffassung, die Entscheidung des Bundessozialgerichts für eine höherwertige Hörgeräteversorgung durch die Krankenkasse beziehe sich nur auf den Personenkreis der Schwerstschwerhörigen. Die Klägerin leide hingegen lediglich unter einer leicht- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit.

Mit Bescheid vom 09.02.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf eine Hörgeräteversorgung ab. Die Klägerin sei angesichts der bestehenden Hörschädigung generell auf das Tragen einer Hörhilfe aus medizinischen Gründen angewiesen. Sie benötige das Hilfsmittel im privaten wie auch im beruflichen Lebensbereich. Bei der Versorgung dieses Grundbedarfes handele es sich um eine Krankenbehandlung im Sinne des Krankenversicherungsrechts. Eine den medizinischen Erfordernissen entsprechende zweckmäßige Ausstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung sei auch bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Lehrerin ausreichend. Arbeitsplatzbezogene berufstypische Anforderungen lägen nicht vor. Die Hörgeräte dienten vielmehr dem unmittelbaren Behinderungsausgleich.

Hiergegen erhob die Klägerin am 23. Februar 2011 Widerspruch. Sie führte aus, sie käme im außerberuflichen Leben möglicherweise noch ohne Hörgerät zurecht, nicht aber in den nicht schallgedämpften Klassenräumen mit den hellen Kinderstimmen.

Mit Widerspruchbescheid vom 20.06.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Grundschullehrerin lägen keine speziellen beruflichen Anforderungen an das Hörvermögen vor, die eine Hörgeräteversorgung über die durch die gesetzliche Krankenversicherung zu leistende medizinische Grundversorgung erforderten. Die berufliche Tätigkeit der Klägerin könne uneingeschränkt mit einer Hörgeräteversorgung ausgeübt werden, die auch für die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft erforderlich sei. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.12.2009, Aktenzeichen B 3 KR 20/08 R sei Ziel des unmittelbaren Behinderungsausgleiches durch die Krankenkasse, der möglichst vollständige Behinderungsausgleich im Sinne des Gleichziehens mit einem Gesunden. Dazu gehöre auch das Hören in größeren Räumen und Personengruppen auch unter ungünstigen Umgebungsbedingungen und störenden Umgebungsgeräuschen.

Hiergegen richtet sich die am 20.07.2011 erhobene Klage. Die Klägerin behauptet, die Hörgeräte seien zum Ausgleich am Arbeitsplatz erforderlich. Sie müsse helle Kinderstimmen verstehen können. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides hatte sie sich am 29.07.2011 das Hörgerät Passion 440 angeschafft, das sie am 17. August 2011 bezahlte.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 09.02.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 20.06.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten in Höhe von 4313,44 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, die typischen Anforderungen der Klägerin in ihrem Beruf stellten keine spezifischen Anforderungen an das Hörvermögen dar. Der Klägerin sei keine ausreichende eigenanteilsfreie Hörgeräteversorgung vom Akustiker angeboten worden.

Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie meint, es bestünden keine Gründe für ein höherwertiges Hörgerät. Die Klägerin habe erklärt, dass sie sich für eine Versorgung mit privatem Eigenanteil entschieden habe und eine eigenanteilsfreie Versorgung nicht gewünscht habe. Vor diesem Hintergrund sei ausgeschlossen, dass ein über den Festbetrag hinausgehender Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene bestehen könnte.

Das Gericht hat Befundberichte des behandelnden HNO Arzt Dr. X und des Hörgeräteakustikers eingeholt. Dieser bestätigte, dass die Klägerin das Hörgerät Passion 440 ausgewählt habe, weil das gewählte Hörsystem mit Abstand das angenehmste und gleichzeitig auch dasjenige war, dass der Klägerin das beste Sprachverstehen ermöglichte.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die genannten Unterlagen verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kostenerstattung für den Eigenanteil für die von ihr bereits beschafften Hörgeräte in Höhe von 4313,44 EUR.

Der beklagte Rentenversicherungsträger ist nach § 14 Abs. 2 S. 3 in Verbindung mit S. 1 SGB IX im Verhältnis zur Klägerin zu Prüfung aller in Betracht zu ziehenden rehabilitationsrechtlichen Anspruchsgrundlagen verpflichtet. Nach dieser Vorschrift verliert der materiell-rechtlich – eigentlich – zuständige Rehabilitationsträger, hier die Beigeladene, im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine originäre Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald er den Antrag weiterleitet. In einem derartigen Fall geht dann die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet wurde, hier die Beklagte, über. Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 S. 1 und 3 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet wurde, auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind. Die nach § 14 SGB IX begründete Zuständigkeit ist endgültig. § 14 SGB IX soll nicht nur im Interesse des behinderten Menschen Zuständigkeitszweifel beseitigen; die Vorschrift soll vielmehr auch Rechtssicherheit schaffen, indem eine – im Außenverhältnis – einmal begründete Zuständigkeit erhalten bleibt (BSG, Urteil vom 19. 9. 2009 – B 8 SO 19/08 R, juris). Die Vorschrift trägt dem Bedürfnis Rechnung, im Interesse Behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (BSG Urteil vom 20.10.2009, B 5 R 5/07 R, juris).

Zu den Rechtsgrundlagen, die bei einer sich aus § 14 SGB X ergebenden Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers zu prüfen sind, gehören auch die Vorschriften im SGB V. Dem steht nicht entgegen, dass die Krankenkassen Hilfsmittel als Krankenbehandlung (§ 27 Absatz 1 S. 2 Nr. 3 SGB V) und nicht als medizinische Rehabilitationsleistung erbringen (BSG Urteil vom 21.08.2008, B 13 R 33/07 R mit weiteren Nachweisen, juris). Ein solcher Anspruch auf Krankenbehandlung ist im vorliegenden Fall sogar vorrangig zu prüfen, da die Klägerin bislang noch gar nicht mit einem Hörgerät versorgt ist. Außerdem sind die Auswirkungen bei der oder auf die Berufsausübung für die Hilfsmittelgewährung nach dem SGB V unbeachtlich (BSG Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, juris).

Ein Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach den §§ 9, 10, 11, 15 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 26 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 und § 31 SGB IX ist demgegenüber nachrangig. Ein solcher Anspruch kommt nur in Betracht, wenn entweder ein berufsbedingter Mehrbedarf vorhanden ist, der über die allgemeine Hörgeräteversorgung hinausgeht, oder die Hörgeräte nur für die Berufsausübung erforderlich sind. Für die Leistungen zur Teilhabe ist das zu anderen Leistungen im Gesetz geregelt. Nach § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 SGB IX können unter bestimmten Voraussetzungen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch Kosten für Hilfsmittel umfassen, es sei denn, dass solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können.

Anspruchsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten ist § 13 Abs. 3 S. 1 2. Fall SGB V (vergleiche BSG Urteil vom 07.12.2009, Aktenzeichen B 3 KR 20/08 R, juris). Danach besteht der Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruches rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn zudem ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat. Diese Anspruchsvoraussetzungen liegen hier vor.

Die Beklagte hat die Leistung zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin hatte einen Anspruch auf eigenanteilsfreie Versorgung mit den begehrten Hörgeräten. Nach § 33 SGB V haben Versicherte unter anderem Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Die in § 33 SGB V enthaltenen Ausnahmetatbestände (soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind) sind hier nicht einschlägig. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Hörgeräte waren bei der Klägerin auch erforderlich, um die Behinderung auszugleichen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und wird auch durch den eingeholten Befundbericht des HNO Arztes Dr. X bestätigt. Die Klägerin leidet unter einer Schallempfindungsschwerhörigkeit, weswegen Hörgeräte ärztlich verordnet wurden. Die Hörgeräteversorgung dient dem unmittelbaren Behinderungsausgleich. Die Krankenversicherung schuldet die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Hörgesunder nach dem Stand der Hörgerätetechnik, soweit dies im Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil bietet. Dazu gehört auch das Hören in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen (BSG Urteil vom 07.12.2009, Aktenzeichen B 3 KR 20/08 R, juris).

Die selbstbeschafften Hörgeräte ergaben ausweislich des Messergebnisses des Hörgeräteakustikers das beste Hörvermögen. Mit ihnen erzielte die Klägerin ein Sprachverstehen von 70 % bei einem Störschall von 55 dB (anstatt nur 40 bzw. 45 % bei den Vergleichsgeräten) sowie ein Sprachverstehen von 90 Prozent bei einem Störschall von 65 dB (anstatt nur 81 bzw. 80 % bei den Vergleichsgeräten). Darüber hinaus hat der Hörgeräteakustiker in seinem Schreiben, das am 13.01.2012 bei Gericht eingegangen ist, bestätigt, dass das von der Klägerin gewählte Hörsystem mit Abstand am angenehmsten war und gleichzeitig auch am Besten das Sprachverstehen ermöglichte.

Der Beschaffungsweg ist ebenfalls eingehalten. Die Klägerin hat sich erst nach ablehnendem Bescheid die Hörgeräte auf eigene Kosten beschafft. Maßgeblich ist der Bescheid der Beklagten, da diese allein zuständiger Rehabilitationsträger für die Klägerin war. Die Kosten der Klägerin sind ihr demnach kausal durch die Ablehnung der Beklagten entstanden. Anhaltspunkte dafür, dass die Versorgung mit den beschafften Hörgeräten unangemessen war, ergeben sich nicht.

Im Außenverhältnis zur Klägerin ist nämlich nicht relevant, ob der Akustiker seine Verpflichtungen aus seinen Verträgen mit der Krankenkasse eingehalten hat. Ob die Krankenkasse im Innenverhältnis mit ihren Hilfsmittellieferanten Verträge abschließt, kann im Außenverhältnis zum Versicherten nicht zu Einschränkungen von gesetzlichen Ansprüchen führen (vergleiche SG Oldenburg, Urteil vom 04.07.2012, S 81 R 84/11 mit weiteren Nachweisen, juris). Festbetragsregelungen ermächtigen nicht zu Einschränkungen des GKV-Leistungskatalog (BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, juris). Ob es der Beigeladenen gegenüber eine Vertragsverletzung nach dem Vertrag der Akustiker mit den Krankenkassen darstellt, ist im Außenverhältnis zu Klägerin nicht von Relevanz (vergleiche BSG Urteil vom 07.12.2009, Aktenzeichen B 3 KR 20/08 R, juris). Die Festbetragsregelung entbindet die Krankenkasse nicht von der Pflicht im Rahmen ihrer Sachleistung Verantwortung für eine ausreichende Versorgung der Versicherten Sorge zu tragen, wenn vor allem bei anpassungsbedürftigen Hilfsmitteln der notwendige Überblick über die Marktlage und über geeignete Angebote auch bei zumutbarer Anstrengung für Versicherte schwierig zu erlangen ist. Dass im Übrigen der Markt für die Hörgeräteversorgung durch ein hohes Maß an Intransparenz gekennzeichnet ist, bedeutet nicht, dass Krankenkassen auf der Grundlage des geltenden Rechtes zu Leistungseinschränkungen befugt sind oder hierzu durch eine Festbetragsregelung ermächtigt werden. Die Beklagte hätte dann für eigene Kenntnisnahme und für eine adäquate Beratung der Klägerin über einen konkreten Weg zu den gesetzlich möglichen Leistungen sorgen müssen (vgl. auch SG Münster, Urteil vom 14.08.2012, S 14 R 534/10, juris) und dabei gegebenenfalls die Hilfe der Beigeladenen einfordern müssen.

Die Beklagte kann sich darüber hinaus nicht darauf berufen, sie habe nicht gewusst, dass die Klägerin die Geräte nicht eigenanteilsfrei angeboten bekommen habe. Durch den Antrag der Klägerin auf Versorgung mit einem hochwertigen Hörgerät wurde die Beklagte unmissverständlich davon unterrichtet, dass die Klägerin eine Versorgung mit Hörgeräten wünscht und davon ausgeht, dass Festbetragsgeräte nicht ausreichend sind. Letztlich war auch dem medizinischen Dienst der Beigeladenen bereits seit Dezember 2010 bekannt, dass ein normales Hörgeräten nach Auffassung der Klägerin nicht ausreicht. Dies ergibt sich aus der Stellungnahme des MDK vom Dezember 2010 (Bl. 69 der Gerichtsakte).

Dem Antrag der Klägerin auf Erstattung des über die Versorgung pauschal hinausgehenden Eigenanteils steht auch nicht entgegen, dass sie unterschrieben hat, sie sei über das Angebot einer eigenanteilsfreie Versorgung informiert worden und habe sich für eine Versorgung mit Eigenanteil entschieden. Denn diese Belehrung ist unvollständig und kann daher Ansprüche nicht ausschließen. Die Klägerin ist, wie der Text der Belehrung ausweist und auch die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ergeben haben, gerade nicht darüber aufgeklärt worden, dass sie den Anspruch hatte, genau die von ihr begehrten Geräte, die die besten Messergebnisse erzielten, eigenanteilsfrei zu erhalten. Sie ist dahingehend beraten worden, dass sie schlechtere Geräte eigenanteilsfrei erhalten kann und den Zuschuss für die besseren Geräte nur bekommen könne, wenn sie die Angaben zur zuzahlungspflichtigen Versorgung unterschreibt. Diese Beratung ist fehlerhaft. Sie entspricht auch nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach der Versicherte Anspruch auf Versorgung mit den Geräten hat, die eine bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder gewährleisten. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Hörgeräteakustiker als Hilfsmittellieferant im Lager der Krankenversicherung steht und diese sich sein Fehlverhalten im Verhältnis zum Versicherten daher grundsätzlich zurechnen lassen muss (vergleiche SG Oldenburg, Beschluss vom 20.03.2012, S 61 KR 6/12 ER, juris).

Hinzu kommt allerdings die definitiv auch von der Beigeladenen gegenüber der Klägerin vorgenommene fehlerhafte Beratung. Noch mit Schreiben vom 24.01.2011 (Bl. 75 der Gerichtsakte) teilte die Beigeladene der Klägerin selbst ausdrücklich mit, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgericht im Urteil vom 17.12.2009, Aktenzeichen B 3 KR 20/08 R) für eine höherwertige Hörgeräteversorgung durch die Krankenkassen sich lediglich auf den Personenkreis der Schwerstschwerhörigen beziehe, nicht aber auf die Klägerin übertragbar sei, da diese lediglich unter einer leicht- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit leide. Damit kann bereits dahinstehen, ob die Klägerin tatsächlich auch von ihrem Hörgeräteakustiker fehlerhaft oder unzureichend beraten worden ist, denn unabhängig davon ist sie durch das Schreiben der Beigeladenen vom 24. Januar 2011 ebenso fehlerhaft beraten worden. Hierdurch wurde die dazu veranlasst, sich für eine Versorgung mit Eigenanteil zu entscheiden. Dieses Fehlverhalten muss sich die Beklagte ebenfalls zurechnen lassen, §§ 14, 15 SGB I. Von der Beklagten wurde sie hingegen lediglich auf die Leistungspflicht der Beigeladenen verwiesen.

Der der Klägerin damit gegenüber der Beklagten zustehende Sachleistungsanspruch auf Versorgung hat sich im vorliegenden Fall in einen Kostenerstattungsanspruch auf Erstattung der Kosten für die selbstbeschafften Hörgeräte gewandelt, da die Klägerin die Geräte inzwischen gekauft und die Rechnung in Höhe des Eigenanteils beglichen hat. Der Umfang des Kostenerstattungsanspruches richtet sich nach den tatsächlich angefallenen Kosten für die von der Klägerin beschafften Hörgeräte in Höhe von 4313,44 EUR.

Ein Anspruch der Klägerin auf ein Hörgerät ohne Festbetragsbindung als Leistung der medizinischen Rehabilitation nach den §§ 9, 10, 11, 15 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 26 Absatz 1, 2 Nr. 6 und § 31 SGB IX besteht nicht, da ein berufsbedingter Mehrbedarf, der über die allgemeine Hörgeräteversorgung hinausgeht, nicht vorhanden ist. Demzufolge besteht erst recht kein Anspruch in Form von Teilhabeleistungen. Zum Aufgabengebiet der Klägerin als Grundschullehrerin gehören im Wesentlichen die Kommunikation mit Kindern auch unter Störgeräuschen und Erwachsenen und gegebenenfalls auch Telefonate. Diese Anforderung an das Hörvermögen gehen nicht über die Anforderungen hinaus, die auch im privaten Alltag zu bewältigen sind. Die Klägerin ist weder aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit noch aufgrund der besonderen Verhältnisse am Arbeitsplatz auf eine besonders gute Hörfähigkeit angewiesen. Dies zeigt sich schon daran, dass sie ihre Berufstätigkeit seit langem – wenn auch in letzter Zeit zunehmend schlechter – ohne Hörgeräteversorgung hat bewältigen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kosten waren der Beklagten aufzuerlegen, da sie den Anspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt von § 14 SGB IX nicht geprüft hat und diese vielmehr an die Krankenkasse verwiesen hat.
Rechtskraft
Aus
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