Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
29
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 29 KR 1174/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Der Streitwert wird endgültig auf 15.283,84 ? festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 15.283,84 ?.
Der Kläger ist Träger des LVR-Klinikums ???? ... Der am ???? geborene Herr ??????. wurde in der Zeit vom 23.05.2007 bis 07.08.2007 in der Allgemeinen Psychiatrie des LVR-Klinikums ????. vollstationär behandelt.
Herr ????. war bis zum 31.12.1994 und vom 31.01.2008 bis 31.03.2010 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.1995 bis 30.01.2008 ist der Versichertenstatus des Herrn ????. ungeklärt.
Am 13.06.2007 unterzeichnete Herr ????? in Bezug auf die Beklagte eine Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Mit Schreiben vom 15.08.2007 teilte der Betreuer des ??? ... dem Kläger mit, dass Herr ?? ... vor seinem Aufenthalt in Untersuchungshaft gewesen sei. Davor habe er ca. 10 Jahre als Obdachloser auf der Straße gelebt. Die Betreuung sei zum 22.05.2007 eingerichtet worden. Herr ... habe keinerlei Einkommen. Ein Antrag auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sei gestellt. Der Antrag sei bisher nicht abschließend bearbeitet worden, weil noch klärungsbedürftige Fragen zurzeit nicht geklärt werden könnten, da sich Herr ???. trotz Unterbringungsbeschlusses für die geschlossene Abteilung bis zum 21.08.2007 am 07.08.2007 der weiteren Behandlung entzogen habe. Bisher sei er untergetaucht. Die polizeiliche Fahndung laufe. Unter dem 02.11.2007 zeigte Herr ?? ... vertreten durch seinen Betreuer Herrn ??? gegenüber der Beklagten erneut eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V an. Das Formular blieb weitestgehend unausgefüllt und enthielt den Vermerk ?kann zurzeit nicht beantwortet werden?.
Die ARGE ???? teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15.12.2009 mit, dass Herr ???. in der Zeit vom 23.05.2007 bis 07.08.2007 keine Leistungen nach dem SGB II bezogen habe. Mit Schreiben vom 21.12.2011 führte das Amt für Soziale Sicherung und Integration der Stadt ???. aus, dass ein Leistungsbezug von Herrn ??? nicht feststellbar sei. Dies gelte auch für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 29.02.2008.
Die Beklagte stellte dem Kläger für den stationären Aufenthalt des Herrn ???. mit Schreiben vom 22.12.2011 einen Betrag in Höhe von 15.283,84 ? in Rechnung. Die Beklagte lehnte eine Übernahme der Behandlungskosten ab. Sie verwies darauf, dass ein Versicherungsverhältnis zwischen ihr und Herrn???. im strittigen Zeitraum nicht bestanden habe.
Am 28.12.2011 hat der Kläger Klage erhoben. Er vertritt die Ansicht, Herr ???. sei bei der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum gesetzlich pflichtversichert gewesen. Eine Versicherungspflicht folge aus § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. b) SBG V. Vor Entstehen einer Mitgliedschaft bei der Beklagten sei Herr ??? nicht gesetzlich oder privat krankenversichert gewesen. Auch habe Herr ??? keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gehabt. Ein Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), der ein gesetzliches Krankenversicherungsverhältnis zur Folge gehabt hätte, habe nicht bestanden. Dieses Krankenversicherungsverhältnis sei kraft Gesetzes entstanden. Eines Antrags auf Aufnahme in die Krankenversicherung habe es nicht bedurft. Die erforderliche Anzeige des Herrn ... gegenüber der Beklagten sei erfolgt. Herr ?? ... habe ein Wahlrecht gehabt, bei welcher Krankenversicherung er sich pflichtversichert. Dieses Wahlrecht habe er mit der Anzeige zur Pflichtversicherung bei der Beklagten eindeutig ausgeübt. Allein der Beklagten, aber nicht dem Kläger sei es möglich beispielsweise durch Einholung von Erkundigungen bei der Deutschen Rentenversicherung festzustellen, ob der Versicherte bereits anderweitig gesetzlich krankenversichert gewesen ist. Die letztbekannte Krankenversicherung, bei der eine Mitgliedschaft des Herrn ??. bestanden habe, sei die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgänger gewesen. Wenn ein anderer Krankenversicherer nicht ermittelbar sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die letzte Versicherung vor dem Zustandekommen einer Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sei. Der Nachweis, dass Herr ??? in einer anderen gesetzlichen Versicherung als der Beklagten versichert gewesen ist, sei durch die Beklagte zu führen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm 15.283,84 ? nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, dass Herr ... für den angegebenen Zeitraum der Krankenhausbehandlung bei der Beklagten nicht gesetzlich krankenversichert gewesen sei.
Mit Schriftsatz vom 08.05.2012 hat die Deutsche Rentenversicherung Rheinland dem Gericht mitgeteilt, dass bei Herrn ... in der Zeit vom 15.09.1997 bis 25.12.1998 Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bestanden habe. Eine Krankenkasse könne nicht ermittelt werden. Mit Schriftsatz vom 09.06.2012 hat der ehemalige Betreuer des Herrn ..., Herr ???, gegenüber dem Gericht ausgeführt, dass Herr ... seit November 2007 nicht mehr von ihm betreut wird. Die Betreuungsstelle der Stadt ... hat das Gericht mit Schreiben vom 18.07.2012 darauf hingewiesen, dass der Aufenthalt des Herrn ... gegenwärtig unbekannt sei. Am 09.08.2012 hat sich das Einwohnermeldeamt der Stadt ... gleichlautend geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1.) Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (vgl. BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az.: B 3 KR 33/99 R; BSG, Urteil vom 10.04.2008, Az.: B 3 KR 19/05 R; BSG, Urteil vom 20.11.2008, Az.: B 3 KN 4/08 KR R).
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 15.283,84 ?.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Vergütungsanspruch, dessen Höhe rechnerisch nicht angegriffen wird, ist § 109 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 7 Satz 1 Nr. 2 Krankhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie dem zwischen den Beteiligten geltenden Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.
Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser im Sinne von § 109 Abs. 4 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 3 KR 12/08 R).
Das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus ist dabei zu trennen vom Behandlungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Versichertem sowie vom Versicherungsverhältnis, kraft dessen der Versicherte die Krankenhausbehandlung als Naturalleistung verlangen kann. Für das Abrechnungsverhältnis gilt: die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Das bedeutet vor allem, dass beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen müssen (vgl. BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az.: B 3 KR 33/99 R).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann eine Zahlungspflicht der Beklagten nicht angenommen werden. Es existieren keine feststellbaren Tatsachen, die belastbar für das Bestehen einer Krankenversicherung des Herrn ... bei der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum sprechen.
Grundsätzlich bedürfen beweispflichtige Tatsachen des Vollbeweises, d.h. der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 128 SGG, 10. Auflage 2012, § 128 Rn. 3 ff. m.w.N.).
Hiernach konnte insbesondere nicht ermittelt werden, dass Herr ... gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (i.d.F. vom 01.04.2007) bei der Beklagten versicherungspflichtig gewesen ist. Nach dieser Vorschrift sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs. 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.
Nicht erwiesen ist, dass Herr ... zum Zeitpunkt seiner stationären Aufnahme am 23.05.2007 als ?zuletzt gesetzlich krankenversichert? anzusehen ist. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass in der Zwischenzeit nach Beendigung seines gesetzlichen Krankenversicherungsverhältnisses zum 01.01.1995 ein privates Krankenversicherungsverhältnis begründet worden ist. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, ist weiter unklar, ob das letzte gesetzliche Krankenversicherungsverhältnis des Herrn ... bei der Beklagten bestanden hat. Nicht auszuschließen ist, dass Herr ... zum 01.01.1995 oder später zu einer anderen gesetzlichen Krankenversicherung gewechselt ist.
Aus dem Schreiben des ehemaligen Betreuers des Herrn ..., Herrn ..., vom 15.08.2007 an den Kläger geht zwar hervor, dass Herr ... nach Informationen des Betreuungsbüros bisher nicht krankenversichert war. Diese Angaben sind nicht glaubhaft. Tatsächlich war Herr ... bis 1994 insgesamt über 10 Jahre bei der Beklagten krankenversichert. Die Ausführungen des ehemaligen Betreuers sind daher nicht stichhaltig. Dies wird unterstrichen durch seine Angaben in der Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gegenüber der Beklagten am 02.11.2007, in der er im Wesentlichen vermerkte, dass eine Beantwortung der für die Prüfung der Versicherungspflicht wesentlichen Fragen nicht erfolgen könne.
Ein Versicherungsverhältnis wurde nicht durch die am 02.11.2007 erfolgte Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V begründet. Die Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist keine Antragsversicherung. Eine Anzeige ist lediglich auf deklaratorische Feststellung der Versicherungspflicht gerichtet, löst die Amtsermittlungspflicht der angegangenen Krankenkasse gem. § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aus und mündet in eine Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Versicherungspflicht. Die Versicherungspflicht selbst entsteht kraft Gesetzes bei einer bestimmten Krankenkasse mit dem Eintritt der Voraussetzungen, ohne dass es eines Antrags oder einer Anzeige bedarf.
Es ist nicht nach den Grundsätzen zum Beweis des ersten Anscheins (sog. prima facie - Beweis) anzunehmen, dass Herr ... zuletzt bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war. Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren. Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist. Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (Vgl. m.w.N. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.04.2012, Az.: L 18 KN 82/10). Von einem solchen typischen Geschehensablauf ist hier nicht auszugehen. Es ist nicht fernab jeder Lebensrealität, dass Herr ... im Zeitraum vom 01.01.1995 bis 30.01.2008 bei einer anderen Krankenversicherung gesetzlich oder privat krankenversichert war. Die Vermutung, dass bei Beendigung eines Versicherungstatbestandes im Jahre 1995 bis 2008 keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfalle bestanden hat, drängt sich nicht auf.
Sind nach Ausschöpfen aller Ermittlungsmöglichkeiten die Tatsachen, die die Versicherungspflicht begründen, nicht erwiesen, geht dies zu Lasten des Klägers.
Auch in Verfahren mit Amtsermittlung ist nach den geltenden Grundsätzen der objektiven Beweis- bzw. Feststellungslast zu entscheiden, wenn sich entscheidungserhebliche Tatsachen nicht mehr feststellen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1992, Az.: 7 RAr 38/92). Die Regeln über die objektive Beweislast dürfen indessen erst angewendet werden, wenn alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind (vgl. BSG, Urteil vom 29.06.1967, Az.: 2 RU 198/64) und entheben den Tatrichter nicht seiner insbesondere durch § 103 und § 128 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begründeten Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und zur sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise. Die Frage der Beweislastverteilung stellt sich also erst, wenn es nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nicht gelungen ist, die bestehende Ungewissheit zu beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1992, Az.: 7 RAr 38/92). Vorliegend sind alle Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts erschöpft. Insbesondere konnte eine zeugenschaftliche Vernehmung des Herrn ... nicht erfolgen. Der Aufenthalt des Herrn ... ist ausweislich der Schreiben der Betreuungsstelle der Stadt ???? vom 18.07.2012 und des Einwohnermeldeamts der Stadt ... vom 09.08.2012 unbekannt. Es wird polizeilich nach ihm gefahndet.
Die Tatsachen, die die Versicherungspflicht begründen, sind vom Kläger zu beweisen.
Allgemein gilt, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zu Lasten des Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet. Wer ein Recht in Anspruch nimmt, trägt danach im Zweifel die Beweislast für die rechtsbegründende Tatsache, wer ein Recht leugnet, die Beweislast für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Tatsachen. Wie sich die objektive Beweislast verteilt, also welche Tatbestandsmerkmale rechtsbegründend und welche rechtshindernd sind, ist der für den Rechtsstreit maßgeblichen Norm, in der Regel einer Norm des materiellen Rechts zu entnehmen. Ist die objektive Beweislast nicht unmittelbar selbst und eindeutig vom Gesetz bestimmt, ist letztlich maßgeblich, welche Seite nach dem Plan des Gesetzgebers, hilfsweise nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, mit dem potentiellen Unrecht belastet werden kann. Es sind dabei nicht nur der Zweck der Norm, sondern auch ihre Stellung sowie Erfordernisse wirksamen Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Anhaltspunkte für die Abgrenzung bieten so unterschiedliche Kriterien wie Regel und Ausnahme, die Zumutbarkeit der Belastung mit einem Beweisnachteil und die Zurechenbarkeit der Ungewissheit bzw. Unaufklärbarkeit zur Verantwortungssphäre der einen oder anderen Seite (vgl. hierzu m.w.N. BSG, Beschluss vom 06.03.2012, Az.: B 1 KR 14/11 R; BSG, Urteil vom 26.11.1992, Az.: 7 RAr 38/92).
Hiernach trifft die objektive Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V den Kläger; denn das Bestehen eines Versicherungsverhältnis zwischen Herrn ... und der Beklagten hat zur Folge, dass die Beklagte zur Vergütung des streitgegenständlichen Krankenhausaufenthaltes des Herrn ... verpflichtet ist. Dementsprechend unterstreicht das LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 14.07.2011, Az.: L 10 U 47/09 m.w.N.), dass die Beweislast für die Tatsachen, die Versicherungspflicht begründen, allgemein derjenige trägt, der sich auf die Versicherungspflicht beruft. Dieses Ergebnis ist sachgerecht. Herr ... befand sich im Zeitraum vom 23.05.2007 bis 07.08.2007 im Hause des Klägers. Er war gehalten alle in Betracht kommenden Quellen zu nutzen, um den die Versicherungspflicht begründenden Sachverhalt aufzuklären. Als Quellen kommen in erster Linie der Patient selbst und seine Angehörigen bzw. sein Betreuer in Betracht (ebenso Flachsbarth, Krankenhausvergütung bei mittellosen Patienten, in: Pflege- & Krankenhausrecht 2012, 2, 4).
Soweit das SG Aachen (Urteil vom 24.11.2009, Az.: S 20 SO 95/08) die Auffassung vertritt, dass für den Fall in dem andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen, die Versicherungspflicht und/oder die zuständige Krankenkasse allein anhand der bekannten Umstände festgestellt werden, schließt sich die Kammer dem nicht an. Die zitierte Auffassung ist nicht begründet worden und steht in Widerspruch zu den ? vorstehend dargelegten ? Grundsätzen der Beweislastverteilung im sozialgerichtlichen Verfahren.
Die Voraussetzungen einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Klägers liegen nicht vor. Ein solcher Fall ist insbesondere gegeben, wenn eine Behörde schuldhaft Beweise vereitelt hat (vgl. m.w.N. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 05.06.2012, Az.: L 2 V 4/09). Die Voraussetzungen einer solchen Beweisvereitelung mit dem Ziel, einen prozessualen Vorteil zu erlangen, liegen bei der Beklagten jedoch nicht vor.
2.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
3.) Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 15.283,84 ?.
Der Kläger ist Träger des LVR-Klinikums ???? ... Der am ???? geborene Herr ??????. wurde in der Zeit vom 23.05.2007 bis 07.08.2007 in der Allgemeinen Psychiatrie des LVR-Klinikums ????. vollstationär behandelt.
Herr ????. war bis zum 31.12.1994 und vom 31.01.2008 bis 31.03.2010 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.1995 bis 30.01.2008 ist der Versichertenstatus des Herrn ????. ungeklärt.
Am 13.06.2007 unterzeichnete Herr ????? in Bezug auf die Beklagte eine Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Mit Schreiben vom 15.08.2007 teilte der Betreuer des ??? ... dem Kläger mit, dass Herr ?? ... vor seinem Aufenthalt in Untersuchungshaft gewesen sei. Davor habe er ca. 10 Jahre als Obdachloser auf der Straße gelebt. Die Betreuung sei zum 22.05.2007 eingerichtet worden. Herr ... habe keinerlei Einkommen. Ein Antrag auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sei gestellt. Der Antrag sei bisher nicht abschließend bearbeitet worden, weil noch klärungsbedürftige Fragen zurzeit nicht geklärt werden könnten, da sich Herr ???. trotz Unterbringungsbeschlusses für die geschlossene Abteilung bis zum 21.08.2007 am 07.08.2007 der weiteren Behandlung entzogen habe. Bisher sei er untergetaucht. Die polizeiliche Fahndung laufe. Unter dem 02.11.2007 zeigte Herr ?? ... vertreten durch seinen Betreuer Herrn ??? gegenüber der Beklagten erneut eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V an. Das Formular blieb weitestgehend unausgefüllt und enthielt den Vermerk ?kann zurzeit nicht beantwortet werden?.
Die ARGE ???? teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15.12.2009 mit, dass Herr ???. in der Zeit vom 23.05.2007 bis 07.08.2007 keine Leistungen nach dem SGB II bezogen habe. Mit Schreiben vom 21.12.2011 führte das Amt für Soziale Sicherung und Integration der Stadt ???. aus, dass ein Leistungsbezug von Herrn ??? nicht feststellbar sei. Dies gelte auch für den Zeitraum vom 01.04.2007 bis 29.02.2008.
Die Beklagte stellte dem Kläger für den stationären Aufenthalt des Herrn ???. mit Schreiben vom 22.12.2011 einen Betrag in Höhe von 15.283,84 ? in Rechnung. Die Beklagte lehnte eine Übernahme der Behandlungskosten ab. Sie verwies darauf, dass ein Versicherungsverhältnis zwischen ihr und Herrn???. im strittigen Zeitraum nicht bestanden habe.
Am 28.12.2011 hat der Kläger Klage erhoben. Er vertritt die Ansicht, Herr ???. sei bei der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum gesetzlich pflichtversichert gewesen. Eine Versicherungspflicht folge aus § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. b) SBG V. Vor Entstehen einer Mitgliedschaft bei der Beklagten sei Herr ??? nicht gesetzlich oder privat krankenversichert gewesen. Auch habe Herr ??? keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gehabt. Ein Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), der ein gesetzliches Krankenversicherungsverhältnis zur Folge gehabt hätte, habe nicht bestanden. Dieses Krankenversicherungsverhältnis sei kraft Gesetzes entstanden. Eines Antrags auf Aufnahme in die Krankenversicherung habe es nicht bedurft. Die erforderliche Anzeige des Herrn ... gegenüber der Beklagten sei erfolgt. Herr ?? ... habe ein Wahlrecht gehabt, bei welcher Krankenversicherung er sich pflichtversichert. Dieses Wahlrecht habe er mit der Anzeige zur Pflichtversicherung bei der Beklagten eindeutig ausgeübt. Allein der Beklagten, aber nicht dem Kläger sei es möglich beispielsweise durch Einholung von Erkundigungen bei der Deutschen Rentenversicherung festzustellen, ob der Versicherte bereits anderweitig gesetzlich krankenversichert gewesen ist. Die letztbekannte Krankenversicherung, bei der eine Mitgliedschaft des Herrn ??. bestanden habe, sei die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgänger gewesen. Wenn ein anderer Krankenversicherer nicht ermittelbar sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die letzte Versicherung vor dem Zustandekommen einer Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sei. Der Nachweis, dass Herr ??? in einer anderen gesetzlichen Versicherung als der Beklagten versichert gewesen ist, sei durch die Beklagte zu führen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm 15.283,84 ? nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, dass Herr ... für den angegebenen Zeitraum der Krankenhausbehandlung bei der Beklagten nicht gesetzlich krankenversichert gewesen sei.
Mit Schriftsatz vom 08.05.2012 hat die Deutsche Rentenversicherung Rheinland dem Gericht mitgeteilt, dass bei Herrn ... in der Zeit vom 15.09.1997 bis 25.12.1998 Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bestanden habe. Eine Krankenkasse könne nicht ermittelt werden. Mit Schriftsatz vom 09.06.2012 hat der ehemalige Betreuer des Herrn ..., Herr ???, gegenüber dem Gericht ausgeführt, dass Herr ... seit November 2007 nicht mehr von ihm betreut wird. Die Betreuungsstelle der Stadt ... hat das Gericht mit Schreiben vom 18.07.2012 darauf hingewiesen, dass der Aufenthalt des Herrn ... gegenwärtig unbekannt sei. Am 09.08.2012 hat sich das Einwohnermeldeamt der Stadt ... gleichlautend geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1.) Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (vgl. BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az.: B 3 KR 33/99 R; BSG, Urteil vom 10.04.2008, Az.: B 3 KR 19/05 R; BSG, Urteil vom 20.11.2008, Az.: B 3 KN 4/08 KR R).
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 15.283,84 ?.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Vergütungsanspruch, dessen Höhe rechnerisch nicht angegriffen wird, ist § 109 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 7 Satz 1 Nr. 2 Krankhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie dem zwischen den Beteiligten geltenden Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.
Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser im Sinne von § 109 Abs. 4 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 3 KR 12/08 R).
Das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus ist dabei zu trennen vom Behandlungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Versichertem sowie vom Versicherungsverhältnis, kraft dessen der Versicherte die Krankenhausbehandlung als Naturalleistung verlangen kann. Für das Abrechnungsverhältnis gilt: die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Das bedeutet vor allem, dass beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen müssen (vgl. BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az.: B 3 KR 33/99 R).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann eine Zahlungspflicht der Beklagten nicht angenommen werden. Es existieren keine feststellbaren Tatsachen, die belastbar für das Bestehen einer Krankenversicherung des Herrn ... bei der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum sprechen.
Grundsätzlich bedürfen beweispflichtige Tatsachen des Vollbeweises, d.h. der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 128 SGG, 10. Auflage 2012, § 128 Rn. 3 ff. m.w.N.).
Hiernach konnte insbesondere nicht ermittelt werden, dass Herr ... gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (i.d.F. vom 01.04.2007) bei der Beklagten versicherungspflichtig gewesen ist. Nach dieser Vorschrift sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs. 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.
Nicht erwiesen ist, dass Herr ... zum Zeitpunkt seiner stationären Aufnahme am 23.05.2007 als ?zuletzt gesetzlich krankenversichert? anzusehen ist. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass in der Zwischenzeit nach Beendigung seines gesetzlichen Krankenversicherungsverhältnisses zum 01.01.1995 ein privates Krankenversicherungsverhältnis begründet worden ist. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, ist weiter unklar, ob das letzte gesetzliche Krankenversicherungsverhältnis des Herrn ... bei der Beklagten bestanden hat. Nicht auszuschließen ist, dass Herr ... zum 01.01.1995 oder später zu einer anderen gesetzlichen Krankenversicherung gewechselt ist.
Aus dem Schreiben des ehemaligen Betreuers des Herrn ..., Herrn ..., vom 15.08.2007 an den Kläger geht zwar hervor, dass Herr ... nach Informationen des Betreuungsbüros bisher nicht krankenversichert war. Diese Angaben sind nicht glaubhaft. Tatsächlich war Herr ... bis 1994 insgesamt über 10 Jahre bei der Beklagten krankenversichert. Die Ausführungen des ehemaligen Betreuers sind daher nicht stichhaltig. Dies wird unterstrichen durch seine Angaben in der Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gegenüber der Beklagten am 02.11.2007, in der er im Wesentlichen vermerkte, dass eine Beantwortung der für die Prüfung der Versicherungspflicht wesentlichen Fragen nicht erfolgen könne.
Ein Versicherungsverhältnis wurde nicht durch die am 02.11.2007 erfolgte Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V begründet. Die Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist keine Antragsversicherung. Eine Anzeige ist lediglich auf deklaratorische Feststellung der Versicherungspflicht gerichtet, löst die Amtsermittlungspflicht der angegangenen Krankenkasse gem. § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aus und mündet in eine Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Versicherungspflicht. Die Versicherungspflicht selbst entsteht kraft Gesetzes bei einer bestimmten Krankenkasse mit dem Eintritt der Voraussetzungen, ohne dass es eines Antrags oder einer Anzeige bedarf.
Es ist nicht nach den Grundsätzen zum Beweis des ersten Anscheins (sog. prima facie - Beweis) anzunehmen, dass Herr ... zuletzt bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war. Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren. Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist. Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (Vgl. m.w.N. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.04.2012, Az.: L 18 KN 82/10). Von einem solchen typischen Geschehensablauf ist hier nicht auszugehen. Es ist nicht fernab jeder Lebensrealität, dass Herr ... im Zeitraum vom 01.01.1995 bis 30.01.2008 bei einer anderen Krankenversicherung gesetzlich oder privat krankenversichert war. Die Vermutung, dass bei Beendigung eines Versicherungstatbestandes im Jahre 1995 bis 2008 keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfalle bestanden hat, drängt sich nicht auf.
Sind nach Ausschöpfen aller Ermittlungsmöglichkeiten die Tatsachen, die die Versicherungspflicht begründen, nicht erwiesen, geht dies zu Lasten des Klägers.
Auch in Verfahren mit Amtsermittlung ist nach den geltenden Grundsätzen der objektiven Beweis- bzw. Feststellungslast zu entscheiden, wenn sich entscheidungserhebliche Tatsachen nicht mehr feststellen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1992, Az.: 7 RAr 38/92). Die Regeln über die objektive Beweislast dürfen indessen erst angewendet werden, wenn alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind (vgl. BSG, Urteil vom 29.06.1967, Az.: 2 RU 198/64) und entheben den Tatrichter nicht seiner insbesondere durch § 103 und § 128 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begründeten Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und zur sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise. Die Frage der Beweislastverteilung stellt sich also erst, wenn es nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts nicht gelungen ist, die bestehende Ungewissheit zu beseitigen (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1992, Az.: 7 RAr 38/92). Vorliegend sind alle Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts erschöpft. Insbesondere konnte eine zeugenschaftliche Vernehmung des Herrn ... nicht erfolgen. Der Aufenthalt des Herrn ... ist ausweislich der Schreiben der Betreuungsstelle der Stadt ???? vom 18.07.2012 und des Einwohnermeldeamts der Stadt ... vom 09.08.2012 unbekannt. Es wird polizeilich nach ihm gefahndet.
Die Tatsachen, die die Versicherungspflicht begründen, sind vom Kläger zu beweisen.
Allgemein gilt, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zu Lasten des Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet. Wer ein Recht in Anspruch nimmt, trägt danach im Zweifel die Beweislast für die rechtsbegründende Tatsache, wer ein Recht leugnet, die Beweislast für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Tatsachen. Wie sich die objektive Beweislast verteilt, also welche Tatbestandsmerkmale rechtsbegründend und welche rechtshindernd sind, ist der für den Rechtsstreit maßgeblichen Norm, in der Regel einer Norm des materiellen Rechts zu entnehmen. Ist die objektive Beweislast nicht unmittelbar selbst und eindeutig vom Gesetz bestimmt, ist letztlich maßgeblich, welche Seite nach dem Plan des Gesetzgebers, hilfsweise nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, mit dem potentiellen Unrecht belastet werden kann. Es sind dabei nicht nur der Zweck der Norm, sondern auch ihre Stellung sowie Erfordernisse wirksamen Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Anhaltspunkte für die Abgrenzung bieten so unterschiedliche Kriterien wie Regel und Ausnahme, die Zumutbarkeit der Belastung mit einem Beweisnachteil und die Zurechenbarkeit der Ungewissheit bzw. Unaufklärbarkeit zur Verantwortungssphäre der einen oder anderen Seite (vgl. hierzu m.w.N. BSG, Beschluss vom 06.03.2012, Az.: B 1 KR 14/11 R; BSG, Urteil vom 26.11.1992, Az.: 7 RAr 38/92).
Hiernach trifft die objektive Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V den Kläger; denn das Bestehen eines Versicherungsverhältnis zwischen Herrn ... und der Beklagten hat zur Folge, dass die Beklagte zur Vergütung des streitgegenständlichen Krankenhausaufenthaltes des Herrn ... verpflichtet ist. Dementsprechend unterstreicht das LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 14.07.2011, Az.: L 10 U 47/09 m.w.N.), dass die Beweislast für die Tatsachen, die Versicherungspflicht begründen, allgemein derjenige trägt, der sich auf die Versicherungspflicht beruft. Dieses Ergebnis ist sachgerecht. Herr ... befand sich im Zeitraum vom 23.05.2007 bis 07.08.2007 im Hause des Klägers. Er war gehalten alle in Betracht kommenden Quellen zu nutzen, um den die Versicherungspflicht begründenden Sachverhalt aufzuklären. Als Quellen kommen in erster Linie der Patient selbst und seine Angehörigen bzw. sein Betreuer in Betracht (ebenso Flachsbarth, Krankenhausvergütung bei mittellosen Patienten, in: Pflege- & Krankenhausrecht 2012, 2, 4).
Soweit das SG Aachen (Urteil vom 24.11.2009, Az.: S 20 SO 95/08) die Auffassung vertritt, dass für den Fall in dem andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen, die Versicherungspflicht und/oder die zuständige Krankenkasse allein anhand der bekannten Umstände festgestellt werden, schließt sich die Kammer dem nicht an. Die zitierte Auffassung ist nicht begründet worden und steht in Widerspruch zu den ? vorstehend dargelegten ? Grundsätzen der Beweislastverteilung im sozialgerichtlichen Verfahren.
Die Voraussetzungen einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Klägers liegen nicht vor. Ein solcher Fall ist insbesondere gegeben, wenn eine Behörde schuldhaft Beweise vereitelt hat (vgl. m.w.N. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 05.06.2012, Az.: L 2 V 4/09). Die Voraussetzungen einer solchen Beweisvereitelung mit dem Ziel, einen prozessualen Vorteil zu erlangen, liegen bei der Beklagten jedoch nicht vor.
2.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
3.) Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.
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