S 4 U 354/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 354/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Fahrfehler begründen regelmäßig keine selbstgeschaffene Gefahr mit der Folge, dass Unfallversicherungsschutz fortbesteht
Der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Unfall des Klägers vom 30. Juni 2005 auf der Landstraße L 1125 zwischen Öschelbronn und Niefern als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass es sich bei dem von ihm am 30. Juni 2005 erlittenen Verkehrsunfall um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Der am 03. April 1979 geborene Kläger befuhr am 30. Juni 2005 gegen 11.50 Uhr mit einem Pkw Toyota Yaris die L 1125 zwischen Öschelbronn und Niefern, ohne angegurtet zu sein. Dabei geriet er auf gerade Strecke auf die Gegenfahrspur und kollidierte dort mit einem entgegen kommenden Pkw der Marke Volvo. Bei dem Pkw-Frontalzusammenstoß wurde der Kläger aus dem Fahrzeug geschleudert. Dabei erlitt er laut Durchgangsarztbericht des Unfallchirurgen Dr. S. vom 30. Juni 2005, 13.02 Uhr, erstdiagnostisch folgende Verletzungen: Polytrauma mit Schädelhirntrauma, Kantenabsprengung ventral am Foramen ovale mit Verlagerung einer knöchernen Spange in das Mark des Hirnstamms, geschlossene Oberschenkelfraktur rechts, geschlossene Oberarmfraktur links, geschlossene laterale Claviculafraktur rechts, ausgedehnte Schädel-Hinterhaupts-Weichteil-Verletzung (noch nicht wundversorgt), Hand-Weichteil-Verletzung links, Wunde rechte Schulter ventral und Hypothermie. Vom Klinikum Pforzheim wurde der Kläger noch am Unfalltag in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen verlegt. Im Entlassungsbericht der BG Klinik Ludwigshafen vom 01. August 2005 teilte Dr. M. mit, der Kläger habe sich vom 30. Juni bis zum 28. Juli 2005 in stationärer Behandlung befunden. Die Diagnosen seien folgende: Zustand nach Verkehrsunfall mit Schädelhirntrauma und kleiner Kontusion frontal links, Nervus Trochlearis Parese linkes Auge, Skalpierungsverletzung, laterale Clavikulafraktur rechts, Armplexusparese links, Humerusschaftfraktur links Typ 12 B 3, Oberschenkelschaftfraktur rechts Typ 32 B 3, Lungenkontusion beidseitig. Ob der Kläger in der Lage sein werde, seinen bisherigen Beruf als Busfahrer weiter auszuüben, bleibe fraglich.

In der Unfallanzeige vom 07. Juli 2005 gab das Reisebüro W., vertreten durch den Bruder des Klägers, an, der Kläger sei bei der Fahrt von Öschelbronn nach Niefern beim Bremsen in den Gegenverkehr gefahren. Die W. GmbH als Arbeitgeber des Klägers machte gegenüber der Beklagten unter dem 04. August 2005 folgende Angaben zu den GmbH-Verhältnissen: Die GmbH sei am 23. Juli 1987 ins Handelsregister eingetragen worden; ihr Stammkapital betrage 100.000 DM, Gesellschafter der GmbH seien der Vater des Klägers mit 40.000 DM, die beiden Geschwister des Klägers mit je 20.000 DM und der Kläger selbst mit ebenfalls 20.000 DM. Der Kläger sei bei der GmbH für ein monatliches Bruttoentgelt von 2.260,58 Euro zuzüglich eines Sachbezugs von 239,42 Euro durch Arbeitsvertrag vom 01. Juni 2002 als Busfahrer angestellt. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers betrage 40 Stunden; der Kläger könne seine Tätigkeit nicht frei bestimmen; er arbeite nach Weisung und müsse sich Urlaub genehmigen lassen. Es gelte die gesetzliche Kündigungsfrist.

Im Bericht des Berufshelfers H. vom 23. September 2005 hieß es, der Kläger befinde sich derzeit in der Gehschule bei 20 kg Teilbelastung mit Gehwagen. Auf Stationsebene sei er noch auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Wenn ausreichende Mobilität für den häuslichen Bereich vorliege, sei die Entlassung aus der stationären Behandlung geplant, voraussichtlich in der 40. Kalenderwoche. Ab der 42. Kalenderwoche sei eine erneute Behandlung in Karlsbad-Langensteinbach angedacht. Der Kläger sei zuletzt im Betrieb der Eltern tätig gewesen. Das Unternehmen bestehe aus einem Reisebüro für Busreisen sowie dem Fuhrpark, mit dem eigene Busreisen organisiert und durchgeführt würden. Als gelernter Kfz-Mechaniker sei der Kläger für die Wartung und Instandhaltung der Fahrzeuge zuständig gewesen, daneben habe er Dienstpläne erstellt und sei auch selber Schulbus gefahren. Der Bruder habe die kaufmännische Leitung, die Schwester solle nach abgeschlossener Ausbildung das Reisebüro übernehmen. Die Führung des Betriebes obliege derzeit dem Vater. Der Kläger sei derzeit auf die Einnahme von Oxygesic angewiesen und schon deshalb fahruntüchtig. Der weitere Verlauf des Heilverfahrens sei abzuwarten, insbesondere der Funktionsgewinn im linken Arm und die Schmerzproblematik. Auf die bislang widersprüchlichen Aussagen vom Unfallhergang befragt, habe ihm der Kläger mitgeteilt, dass er sich mit dem Pkw auf dem Weg zu seiner Großmutter befunden habe. Üblicherweise fahre der Kläger ca. zwei- bis dreimal pro Woche mittags vom Betrieb zu seiner Großmutter, um dort zu Mittag zu essen. Auf diesem üblichen Weg zu seiner Großmutter habe er sich zum Umfallzeitpunkt am 30. Juni 2005 befunden. Im weiteren Zwischenbericht der BG Klinik Ludwigshafen vom 12. Oktober 2005 führte Dr. M. aus, der Kläger sei nach wie vor nur im Rollstuhl mobilisiert. Die Funktion des linken Arms habe sich leicht verbessert, es kämen langsam motorische Funktionen zurück. Die Beweglichkeit im Bereich des rechten Hüftgelenks und Kniegelenks sei noch eingeschränkt. Die Fortführung der neurologischen Früh-Reha im Klinikum Karlsbad-Langensteinbach sei ab dem 17. Oktober 2005 geplant. Es bleibe weiter fraglich, ob der Kläger wieder in seinen Beruf als Busfahrer zurückkehren könne; die Berufshilfe sei bereits eingeschaltet.

Mit Fax vom 02. Dezember 2006 teilte die zuständige Polizeidirektion , Verkehrspolizei, der Beklagten auf Anfrage mit, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt nicht den Verdacht auf Alkoholeinfluss erweckt habe; die gleichwohl erfolgte Blutalkoholwertkontrolle habe einen BAK von 0 ergeben. Anhaltspunkte für ein Vergehen der abstrakten oder konkreten Straßenverkehrsgefährdung seien nicht gegeben gewesen.

Im weiteren Zwischenbericht der BG Unfallklinik Ludwigshafen teilte Dr. Z. unter dem 28. Dezember 2005 der Beklagten mit, seit zwei Wochen laufe der Kläger ohne Gehstützen. Dies sei derzeit problemlos möglich. Schmerzen bestünden vor allem noch in der linken Hand. In Ruhe habe er im Bereich des Oberschenkels keine Probleme mehr. Die aktuellen Röntgenaufnahmen des Oberschenkels in zwei Ebenen zeigten einen weiterhin gut einliegenden Oberschenkelmarknagel. Es finde sich auch eine zunehmende Konsolidierung der Fraktur. Eine Schraube der Derotationsplatte sei abgebrochen.

Im weiteren Verlauf zog die Beklagte die von der Polizeidirektion aufgenommene Verkehrsunfallanzeige vom 07. Dezember 2005 bei. Darin hieß es, der Kläger habe den Unfall verursacht, indem er auf gerader Strecke auf der L 1125 von Öschelbronn in Richtung Niefern aus nicht bekannten Gründen eine Vollbremsung eingeleitet habe. Nach ca. 56 m sei das Fahrzeug des Klägers auf die Gegenfahrbahn geraten und dort mit einem ordnungsgemäß fahrenden Pkw frontal zusammen gestoßen. Infolge des Aufpralls sei der Pkw des Klägers rechts von der Fahrbahn geschleudert worden. Der Kläger, der nicht angegurtet gewesen sei, sei aus dem Fahrzeug geschleudert und lebensgefährlich verletzt worden. In der weiter von der Beklagten beigezogenen und in der Polizeidirektion aufgenommenen Geschädigtenvernehmung vom 09. September 2005 gab der vom Kläger geschädigte Unfallteilnehmer das Folgende zur Sache an: zur Unfallzeit sei er mit seinem Pkw von Niefern in Richtung Öschelbronn gefahren. Kurz vor Öschelbronn sei ihm ein schwarzer Pkw entgegen gekommen. Er könne nur noch sagen, dass er das Quietschen von Bremsen gehört und er Rauch gesehen habe. Der Pkw sei anschließend auf seine Fahrbahn geraten und dort mit seinem Fahrzeug zusammen gestoßen. Anschließend sei er weg gewesen und wisse nichts mehr. Bei dem Unfall habe er eine Fraktur des rechten Knies erlitten. Außerdem habe ihm ein Schleimbeutel entfernt werden müssen. Er habe sich zunächst sechs und dann nochmals acht Tage wegen des Unfalls im Krankenhaus befunden.

Im weiter von der Beklagten beigezogenen und von der Verkehrspolizei Pforzheim in Auftrag gegebenen verkehrstechnischen Gutachten des Diplomingenieurs K., , vom 16. August 2005 hieß es zusammenfassend, die technische Untersuchung des Pkw Toyota des Klägers habe ergeben, dass unfallursächliche Mängel an der Bremsanlage des Fahrzeuges nicht hätten festgestellt werden können. Aus der Spurenanlage in Verbindung mit der technischen Untersuchung ergebe sich vielmehr, dass der Kläger des Pkw im Fahrbetrieb die Handbremse betätigt habe. Aus der Endstellung, den Verformungsstrukturen sowie dem vorkollisionären Bremsweg, der durch die Reifenspuren dokumentiert sei, könne die Annährungsgeschwindigkeit des Pkw des Klägers mit ca. 100-103 km/h errechnet werden.

Mit Bescheid vom 23. Februar 2006 lehnte es die Beklagte ab, den vom Kläger am 30. Juli 2005 verursachten Pkw-Verkehrsunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung hieß es, den Ermittlungen zufolge sei der Kläger am Unfalltag als Arbeitnehmer und im Auftrag seines Arbeitgebers in einem Pkw auf dem Weg von Niefern nach Öschelbronn gewesen, als er die Kontrolle über den Pkw verloren und in den Gegenverkehr geraten sei, wo er frontal mit einem entgegenkommenden Pkw zusammengestoßen sei. Dabei habe der Kläger erhebliche Verletzungen erlitten. Laut Unfallprotokoll der Polizeidirektion vom 05. Juli 2005 und dem daraufhin erstellten Gutachten des Ingenieurbüros K. vom 16. August 2005 habe der Kläger auf gerader Strecke und trockener Fahrbahn zwischen Niefern und Öschelbronn bei einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h nur mit der Handbremse einen Bremsvorgang eingeleitet, obwohl die Bremsanlage des Fahrzeugs funktionstüchtig gewesen sei. Dabei hätten die Hinterräder blockiert und der Kläger sei mit seinem Fahrzeug nach über 50 m Bremsweg in den Gegenverkehr geraten und dort mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidiert. Das vorsätzliche Bremsen mit der Feststellbremse bei einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h auf gerader trockener Strecke ohne erkennbare Ursache könne nicht mehr einer versicherten Tätigkeit zugerechnet werden. Es stelle eine selbstgeschaffene Gefahr dar, die betriebliche Umstände soweit zurückdränge, dass diese keine wesentliche Bedingung mehr für den Unfall gebildet hätten. Zudem sei das Verhalten des Klägers in hohem Maße vernunftwidrig und gefährlich, besonders, da er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in der Kfz-Werkstatt der Arbeitgeberin über das notwendige technische Wissen verfüge, um Gefahren und die Folgen des eingeleiteten Bremsvorgangs von vornherein zu erkennen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit sei damit nicht mehr gegeben. Deshalb liege kein Arbeitsunfall vor.

Den vom Kläger dagegen am 13. März 2006 erhobenen Widerspruch begründet er damit, dass an seinem Fahrzeug ein Mangel vorgelegen haben müsse. An der Bremsanlage (Hauptbremszylinder) müsse etwas nicht in Ordnung gewesen sein. Auch die Möglichkeit, dass das Gaspedal auf Vollgas hängengeblieben sei, könne nicht ausgeschlossen werden. Durch eine Bremsspur von 50 m Länge, die nur geradeaus gegangen sei, könne man ausschließen, dass nur mit der Handbremse gebremst worden sei. Handbremskontrollen würden im Übrigen stets auf dem Betriebsgelände und nicht auf offener Straße durchgeführt. Im Übrigen wisse er als Kfz-Mechaniker, dass man eine Handbremse bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h nicht grundlos benutze.

Im weiteren Verlauf legte der Bevollmächtigte des Klägers eine gutachtliche Stellungnahme des Diplomingenieurs M. , vom 27. März 2006 vor. Diese im Auftrag der Arbeitgeberin des Klägers erstellte gutachtliche Stellungnahme kommt im Hinblick auf das stattgehabte Unfallereignis vom 30. Juni 2005 zu folgenden Erkenntnissen: Die Reibspuren an den Belägen für die Feststellbremse und an der entsprechenden Bremstrommel seien entgegen der Auffassung des Ingenieurbüros K. kein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Feststellbremse bei dem Unfall durch den Kläger betätigt worden sei. Der Sachverständige Kurz habe übersehen, dass solche Spuren auch bei der Überprüfung der Feststellbremse z.B. auf dem Rollenprüfstand entstanden sein könnten oder beim Betätigen der Feststellbremse, wenn das Fahrzeug noch eine geringe Eigengeschwindigkeit habe. Die Spuren könnten auch schon vor dem Unfall vorhanden gewesen sein. Seien die Hinterräder eines Pkws blockiert, könnten sie die notwendigen Seitenführungskräfte nicht mehr aufbauen, um das Fahrzeug in stabiler Geradeausfahrt zu halten. Es komme deshalb zum Ausbrechen des Fahrzeughecks. Die 50 m lange Bremsblockierspur verlaufe bis kurz vor die Kollisionsstelle geradlinig. Dies spreche gegen die Annahme des Sachverständigen K., das Fahrzeug sei über diese Wegstrecke nur mit der Feststellbremse abgebremst worden. In diesem Fall wäre es nämlich sogleich instabil geworden und es wäre zumindest eine wellenförmige Spurzeichnung aufgetreten. Eine solche sei aber nicht vorhanden. Der Umstand, dass die Blockierspur bis kurz vor ihrem Ende geradlinig verlaufe, spreche also dagegen, dass das Fahrzeug nur mit der Feststellbremse abgebremst worden sei. Weiter sei nicht nachzuvollziehen, wie der Sachverständige K. zu der Aussage gelange, unfallursächliche Mängel der Bremsanlage hätten nicht festgestellt werden können. Aus dem Gutachten des Ingenieurbüros K. gehe nämlich nicht hervor, wie es zum Verlust der Bremsflüssigkeit im Bremsflüssigkeitsvorratsbehälter gekommen sei. Im Endstand habe sich das Fahrzeug in einer Position befunden, die nicht zum Auslaufen der Bremsflüssigkeit aus dem Vorratsbehälter habe führen können. Der Hauptbremszylinder sei offenbar nicht überprüft worden, eine Hoch- und Niederdruckprüfung habe ebenso wenig stattgefunden. Zu den für die Beurteilung eines technischen Mangels wesentlichen Fragen der Undichtigkeit des Betriebsbremssystems, des Vorhandenseins von Bremsflüssigkeit in den entsprechenden Radbremszylindern und der Überprüfung der Übertragungswege fänden sich im Gutachten des Ingenieurbüros K. keine Aussagen.

Unter dem 04. Oktober 2006 ließ der Kläger der Beklagten mitteilen, dass eine Reparaturrechnung für den von ihm am 30. Juni 2005 verunfallten Pkw Toyota nicht vorliege, weil dieser nicht repariert worden sei. Die Fahrzeughalterin habe den Fahrzeugschaden durch ihre Kaskoversicherung ersetzt erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Ablehnungsbescheid vom 23. Februar 2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung hieß es: Die unfallbringende Verrichtung (Bremsen mit der Feststellbremse) bei einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h stelle ein in hohem Maße vernunftwidriges und gefährliches Handeln dar, das nicht betriebsdienlichen Zwecken gedient habe, so dass es im vorliegenden Fall an einem inneren Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit mangele. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht unter Berücksichtigung der Darlegung des Diplomingenieurs M. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 27. März 2006. Soweit darin im Wesentlichen darauf abgestellt werde, dass die Bremsblockierspur bis kurz vor der Kollisionsstelle gradlinig verlaufen sei und dies dagegen spreche, dass das Fahrzeug über diese Wegstrecke nur mit einer Feststellbremse abgebremst worden sei, sei anzumerken, dass ein Pkw, der - wie der Unfall-Pkw - mit ABS ausgerüstet sei, grundsätzlich keine Blockierspuren hinterlasse. Es seien zum Teil nur sogenannte Regelflecken sichtbar. Ein normales Bremsen habe demnach offensichtlich nicht stattgefunden. Von keinem der technischen Sachverständigen werde zudem erwähnt, dass es Anhaltspunkte dafür gebe, dass das ABS des Fahrzeugs ausgefallen sei. Im Übrigen sei festzuhalten, dass das Fahrzeug bei normaler Bremsung oder Bremsung mit ABS zum Kollisionszeitpunkt nahezu hätte zum Stillstand kommen müssen und bei einem Bremsweg von 50 m nicht - wie geschehen - noch eine Kollisionsgeschwindigkeit von 69-74 km/h vorgelegen hätte. Der Widerspruchsbescheid wurde am 22. Dezember 2006 zur Post gegeben.

Am 19. Januar 2007 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.

Der Kläger ist weiter der Auffassung, die Feststellungen des Sachverständigen K. im Gutachten vom 16. August 2005 seien nicht geeignet, die Schlussfolgerungen der Beklagten für die Unfallursache zu stützen. Eine detaillierte Untersuchung des Hauptbremszylinders - etwa durch eine Druckprüfung - und der elektronischen ABS-Einheit habe nicht stattgefunden. Es sei somit insbesondere auch nicht aufgeklärt, ob vor dem Unfall ein Defekt des Hauptbremszylinders eingetreten gewesen sei, der zu einem Ausfall oder einer wesentlichen Beeinträchtigung der durch das Fußpedal zu bedienenden Bremsanlage geführt habe. Es sei auch nicht aufgeklärt worden, ob sich im Hauptbremszylinder oder in den Radbremszylindern noch Bremsflüssigkeit befunden habe oder nicht. Das Fehlen von Bremsflüssigkeit in den Zylindern wäre ein wichtiges Indiz dafür gewesen, dass das Bremssystem schon vor der Kollision undicht gewesen sei. Im Übrigen sei die Annahme des dem Kläger unterstellten Verhaltens - Nutzung einer Handbremse aus einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h heraus - völlig lebensfremd. Der Kläger sei erfahrender Kfz-Mechaniker und wisse, dass ein nur mit der Feststellbremse gebremstes Fahrzeug - schon bei wesentlich geringeren Geschwindigkeiten - unweigerlich ausbreche und nicht mehr zu beherrschen sei. Es gäbe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aus freien Stücken ein solches Bremsmanöver eingeleitet habe. Suizidale Tendenzen seien beim Kläger nicht vorhanden. Das Fahrzeug müsse vielmehr einen technischen Defekt aufgewiesen haben. Jedenfalls sei die Annahme eines technischen Defekts des Fahrzeugs unter Würdigung aller Umstände sehr viel naheliegender und wahrscheinlicher als die Unterstellung, der Kläger habe "einfach so" bei 100 km/h die Handbremse gezogen und das Fahrzeug nur mit dieser Bremse verzögern wollen. Bei ausschließlicher Betätigung der Betriebsbremse werde bei einem mit ABS ausgestatteten Fahrzeug in der Regel zwar keine Bremsspur gezeichnet. Dies gelte aber nicht, wenn die Betriebsbremse und die Feststellbremse zusammen betätigt würden, was bei einem Gefahrenfall, wie einem Bremsendefekt, nicht ausgeschlossen werden könne und als Panikreaktion auch nicht vorwerfbar sei. Im Übrigen sei nicht erwiesen, dass die ABS-Einheit des Unfallfahrzeugs funktioniert habe. Ebenso wenig sei untersucht worden, ob die Öldruckkontrollleuchte zum Unfallzeitpunkt funktionsfähig gewesen sei. Bei einem plötzlichen Druckabfall hätte das Aufleuchten der Öldruckkontrollleuchte nicht mehr zu einer rechtzeitigen Warnung führen können. Im Übrigen spreche die Öldruckkontrollleuchte bei einem Defekt des Hauptbremszylinders, der mit einem "Durchtreten" des Bremspedals und dem erheblichen Nachlassen der Bremswirkung einhergehe, nicht an.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den vom Kläger verursachten und erlittenen Pkw-Unfall vom 30. Juni 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Das erkennende Gericht hat durch schriftliche sachverständige Befragung des Diplomingenieurs K. Beweis erhoben. Unter dem 12. Dezember 2007 hat der Sachverständige Kurz gutachtlich wie folgt Stellung genommen: Ein mit einem funktionierenden ABS-System ausgerüsteter Pkw zeichne beim normalen Abbremsen keine Bremsspuren. Das ABS-System regele die Bremskräfte. Bei Einleitung einer Vollbremsung würden die Räder bis zur Blockiergrenze abgebremst. Bei Erreichen der Blockiergrenze erfolge eine Reduzierung der Bremskraft, die nachfolgend wiederum aufgebaut werde bis zur Blockiergrenze. Dies geschehe in äußerst kurzer Zeit und werde bei der Einleitung einer Vollbremsung vom Fahrer durch ein "pulsierendes" Bremspedal verspürt. Bei Ausfall des ABS-Systems bremse ein Fahrzeug in konventioneller Weise ab. Es verzögere wie ein Fahrzeug, das nicht mit einem ABS-System ausgerüstet sei. Bei Einleitung einer Vollbremsung sei eine Bremsspur zu erwarten. Die Bremsspur, die von den Hinterrädern des klägerischen Fahrzeugs gezeichnet worden sei, sei jedoch nicht auf den Ausfall des ABS-Systems, sondern auf das Betätigen der Feststellbremse zurückzuführen. Die Kollisionsgeschwindigkeit des klägerischen Pkws sei anhand der Beschädigungen, der Ein- und Auslaufrichtungen sowie der Auslaufstrecken mit ca. 69-74 km/h zu ermitteln gewesen. Aus dem vorkollisionären Spurverlauf ergebe sich, dass es sich eindeutig um Hinterradspuren handele. Hierfür würde ein Verzögerungswert von ca. 4 m/s2 angesetzt, woraus sich eine Annäherungsgeschwindigkeit des Fahrzeugs von ca. 100 bis 103 km/h ermitteln lasse. Die Annäherungsgeschwindigkeit sei somit anhand der Bremsstrecke von ca. 50 m und der für die Hinterradbremsung anzusetzenden Bremsverzögerung von ca. 4 m/s2 zu ermitteln. Die Ausgangsgeschwindigkeit von ca. 100 bis 103 km/h beziehe sich somit auf das konkrete Spurenbild und die zuordenbare Bremsverzögerung von ca. 4 m/s2. Der Bremsweg aus einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h bei Einleitung einer Vollbremsung mit Verzögerungswerten von ca. 7 bis 8 m/s2 ermittele sich so zu ca. 48 bis 55 m. Bei Einleitung einer Vollbremsung wäre das klägerische Fahrzeug demnach vorkollisionär zum Stehen gekommen oder nur noch mit einer geringen Restgeschwindigkeit kollidiert. Im Rahmen der Untersuchung des Fahrzeugs seien die einzelnen Radbremsen hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit überprüft worden. Es sei dabei festgestellt worden, dass der Vorratsbehälter abgerissen sei. Hierdurch sei es zum Flüssigkeitsverlust gekommen. In den Radbremszylindern habe sich noch Bremsflüssigkeit befunden. Die Funktionsfähigkeit der Bremsen an sich sei gegeben gewesen. Der Bremskraftregler sei ausgebaut worden. Es habe daran kein Mangel festgestellt werden können. Der verunfallte Pkw sei im Juli 2005 untersucht worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die Feststellbremse extrem angezogen gewesen sei. Zur Durchführung der Untersuchung sei es zunächst erforderlich gewesen, das Bremsseil zu lösen. In Verbindung mit der Spurenanlage ergebe sich eindeutig, dass im Fahrbetrieb die Handbremse angezogen gewesen sei. Hierdurch sei das Fahrzeug im weiteren Verlauf instabil geworden. Die Bremsstrecke von ca. 50 m lasse sich bei gleichmäßig ziehenden Hinterradbremsen problemlos in einer Zeit von ca. 2 s bewerkstelligen.

Auf das Gutachten hat der Kläger durch die Vorlage eines von ihm privat in Auftrag gegebenen und nach Aktenlage verfassten Gutachtens des Diplomingenieurs D., vom 04. Februar 2008 reagiert. Zusammenfassend führt Diplomingenieur D. darin aus, die Untersuchung der Bremsanlage durch den Sachverständigen Kurz auf technische Mängel sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Es seien insbesondere nicht alle Bremsbauteile ordnungsgemäß überprüft worden. Im Wesentlichen sei allein der Bremskraftverstärker untersucht worden. Der Tandembremszylinder sei nicht überprüft worden. Der ABS-Bremskraftregler sei zwar ausgebaut, jedoch nicht auf einem vorgeschriebenen Prüfstand untersucht worden. Auch der ABS-Fehlerspeicher sei nicht ausgelesen worden und die ABS-Steuereinheit sei ebenfalls nicht überprüft worden. Aus diesem Grund sei die Kernaussage des Gutachtens des Sachverständigen K. bezüglich der ordnungsgemäßen Funktion der gegenständlichen Betriebsbremsanlage nicht zutreffend, da wesentliche Betriebsbremsanlagenbauteile nicht geprüft worden seien. Auch die Berechnung des Sachverständigen K. bezüglich der Kollisions- und Ausgangsgeschwindigkeiten könnten so nicht nachvollzogen werden, weil das Gutachten des Sachverständigen Kurz keine vollständigen Angaben über die Kollisionsanalyse beinhalte. Außerdem seien bei der Ermittlung der Ausgangsgeschwindigkeit/Annäherungsgeschwindigkeit das im gegenständlichen Unfallbereich vorliegende Gefälle nicht angegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und den Inhalt der Gerichtsakten (S 4 U 354/07) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Unfallereignis vom 30. Juni 2005 ist als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit des Klägers als Kfz-Mechaniker und Busfahrer und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls (Pkw-Fahrt von Öschelbronn nach Niefern) ist zwischen den Beteiligten aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers bei der Firma Wolf GmbH dem Grunde nach unstreitig. Die Beklagte sieht die versicherte Tätigkeit aber durch eine sogenannte selbstgeschaffene Gefahr des Klägers vorliegend als derart in den Hintergrund gedrängt an, dass allein die selbstgeschaffene Gefahr als rechtlich wesentliche Ursache anzusehen sei. Ein "normales" Selbstverschulden schließt den Versicherungsschutz grundsätzlich nicht aus, der Versicherungsschutz einer versicherten Tätigkeit entfällt jedoch ausnahmsweise dann, wenn ein Versicherter sich derart sorglos und unvernünftig verhält, dass für den Eintritt des Unfalls nicht mehr die versicherte Tätigkeit, sondern allein die selbstgeschaffene Gefahr als die rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen ist (vgl. BSGE 14, 64, 67; 37, 38, 41 f.; 42, 42, 47; Schmitt, SGB VII, Kommentar, 2. Auflage, 2004, § 8 Rdnr. 102 m.w.N.). Der Begriff der selbstgeschaffenen Gefahr ist nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eng auszulegen und nur mit größter Zurückhaltung anzuwenden. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Versicherte sich bewusst einer höheren Gefahr aussetzt und dadurch zu Schaden kommt, gibt es nicht. Auch leichtsinniges unbedachtes Verhalten beseitigt den bestehenden sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls nicht. Dabei hat das Bundessozialgericht stets klargestellt, dass ein absolut sorgloses und unvernünftiges Verhalten den Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall nicht ausschließt, wenn der Versicherte ausschließlich betriebliche Zwecke verfolgt, die selbstgeschaffene Gefahr bekommt also erst dann Bedeutung, wenn ihr betriebsfremde Motive zugrunde liegen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. April 2005, BSGE 94, 262, 266 f. = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14 = Juris Rdnr. 22; bestätigt durch Urteil vom 05. September 2006, B 2 U 24/05 R, Juris Rdnr. 19). Erst wenn betriebliche Umstände durch eine selbstgeschaffene Gefahr so weit in den Hintergrund gedrängt werden, dass Letztere als die rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen sind, kann demnach der ursächliche Zusammenhang zwischen Arbeitsverrichtung und Unfallereignis verneint werden. Die selbstgeschaffene Gefahr ist daher kein besonderes Rechtsprinzip oder eigenständiger Rechtssatz zur Zusammenhangsbeurteilung beim Arbeitsunfall, sondern nur im Rahmen der Abwägung zwischen der versicherten und der nichtversicherten Ursache als Element der Letzteren bei der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen der versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis zu berücksichtigen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. April 2005, BSGE 94, 262, 266 f. = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14 = Juris Rdnr. 25).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann die Anerkennung des Pkw-Unfalls des Klägers vom 30. Juni 2005 als Arbeitsunfall nicht mit dem Argument abgelehnt werden, der Kläger sei einer sogenannten selbstgeschaffenen Gefahr erlegen. Der Kläger befuhr die L 1125 zwar, ohne angegurtet zu sein mit einer Geschwindigkeit von 100 oder etwas mehr km/h und hat auf gerader Strecke einen Bremsvorgang eingeleitet, an dessen Ende eine Frontalkollision auf der Gegenfahrbahn gestanden hat. Zur Überzeugung des Gerichts steht dabei fest, dass der Kläger bei diesem Bremsvorgang jedenfalls auch die Feststellbremse betätigt hat. Der das Kraftfahrzeug untersuchende Sachverständige, Diplomingenieur K., hat bei seiner Untersuchung nämlich festgestellt, dass die Feststellbremse extrem angezogen gewesen ist und zur Durchführung der Untersuchung deshalb zunächst es erforderlich gewesen ist, das Bremsseil zu lösen. Damit ist aber noch nichts dazu gesagt, ob der Kläger - nachgerade aberwitzigerweise - ausschließlich mit der Feststellbremse aus einer Geschwindigkeit von 100 km/h das Fahrzeug hat bremsen wollen, oder ob er nicht vielmehr gleichzeitig auch die nicht oder nicht regelgerecht funktionierende Fußbremse getreten hat. Die entstandene 50 m lange Bremsspur könnte zwar von der Feststellbremse herrühren, ebenso, so der Sachverständige K. in seiner gutachtlichen Äußerung gegenüber dem Gericht vom 12. Dezember 2007, könnte sie aber auch von der getretenen Fußbremse herrühren, sollte das ABS-System zuvor ausgefallen sein. Auffällig ist jedenfalls der gradlinige Verlauf der Bremsspur bis kurz vor der Kollisionsstelle. Wäre das frontangetriebene Fahrzeug über die immerhin ca. 50 Meter lange Bremsspur hinweg allein mit der Handbremse gebremst worden, hätte es infolge des instabilen Fahrverhaltens wohl zu einer wellenförmigen Bremsspur kommen müssen (so überzeugend der sachverständige Dipl.-Ing. M., gutachtliche Stellungnahme vom 27. März 2006).

Offen geblieben bei der Untersuchung des verunfallten und vom Kläger gesteuerten Pkw ist aber vor allem, ob dessen Antiblockiersystem (ABS-System) funktioniert hat oder nicht. Denn der Sachverständige Kurz hat sich damit begnügt, im Rahmen der Untersuchung des Fahrzeugs die einzelnen Radbremsen hinsichtlich ihrer Funktionsfähigkeit zu überprüfen und den Bremskraftregler auszubauen. Er hat es aber, wie von Diplomingenieur D. mit privatgutachtlicher Stellungnahme vom 04. Februar 2008 zu Recht beanstandet, versäumt, Bremskraftverstärker, Tandembremszylinder und ABS-Bremskraftregler prüfstandgemäß zu überprüfen und den ABS-Fehlerspeicher wie die ABS-Steuereinheit auszulesen. Erst nach Durchführung dieser leider unterbliebenen Maßnahmen hätte die Schlussfolgerung des Sachverständigen Kurz, die technische Untersuchung des verunfallten Pkws habe ergeben, dass unfallursächliche Mängel an der Bremsanlage des Fahrzeugs nicht vorhanden gewesen seien, die für das gerichtliche Verfahren hinreichende Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit erlangt. Die unterbliebenen Untersuchungen am Pkw sind auch nicht mehr nachholbar, da der Pkw schon lange entsorgt ist.

Die Nichterweislichkeit der Tatsache, ob die Bremsanlage des vom Kläger am Unfalltag gesteuerten Pkws technisch einwandfrei funktioniert hat oder nicht, geht angesichts der Prozesssituation zu Lasten der Beklagten. Denn die Beklagte beruft sich darauf, der Kläger habe eine selbstgeschaffene Gefahr geschaffen; damit ist die Beklagte für die Behauptung dieser Tatsache auch beweispflichtig, d.h. sie hat die betriebsfremden Zwecke und Motive des Handelns des Versicherten gerichtsfest nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 05. September 2006, B 2 U 24/05 R, Juris Rdnr. 22). Die Beweisführung hierzu ist der Beklagten nicht gelungen. Sie kann ihr auch nicht mehr gelingen, weil der verunfallte Pkw inzwischen entsorgt worden ist.

Allein den Umstand, dass der im Übrigen fahrtüchtige - und insbesondere nicht alkoholisierte - Kläger nach § 21a Abs. 1 S. 1 StVO verbotswidrig ohne einen Sicherheitsgurt anzulegen, das verunfallte Fahrzeug gesteuert hat, begründet kein Verhalten, das einer selbstgeschaffenen Gefahr gleichkommt (vgl. BSGE 53, 173 f.). Denn allein verbotswidriges Handeln und das eine Gefahr erhöhende Verhalten eines Versicherten vermag einen Versicherungsfall nicht auszuschließen (§ 7 Abs. 2 SGB VII; vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. April 2005, BSGE 94, 262, 266 f. = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14 = Juris Rdnr. 23). Auch die weitere Tatsache, dass er, auch als Kfz-Mechaniker, bei dem fraglichen Bremsvorgang, der zu dem schweren Pkw-Unfall geführt hat, wohl neben der Fußbremse, sicher auch die Handbremse betätigt hat, ändert an der rechtlichen Beurteilung des Falles nichts. Dies kann auf eine Panikreaktion des Klägers infolge der mangelnden Abbremsung des Fahrzeugs geschehen sein. Mit einem besonders sorg- und achtlosen sowie in über alle Maßen unvernünftigen Verhalten im Sinne der Schaffung einer betriebsfremden Gefahr hat dies alles aber nichts zu tun.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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