Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 3352/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme und Rückforderung von Sozialhilfeleistungen sowie gegen einen Kostenersatz für zu Unrecht erbrachte Leistungen.
Der am ... 1981 geborene Kläger, dessen am ... 2004 geborener Sohn sowie seine damalige Lebensgefährtin bezogen im Zeitraum vom 23. November 2003 bis zum 31. Dezember 2004 von der Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz - BSHG -. Für die damals aus dem Kläger, seinem Sohn und seiner damaligen Lebensgefährtin bestehende Bedarfsgemeinschaft gewährte die Beklagte während des vorgenannten Zeitraums laufende Hilfeleistungen in Höhe von 1.608,83 EUR an den Kläger, 1.498,08 EUR für dessen Sohn und 2.061,75 EUR für die damalige Lebensgefährtin, die Kindsmutter. In der Vermögenserklärung, die dem Sozialhilfeantrag des Klägers vom 10. November 2003 anlag, hatte sich der Kläger zu seinem Vermögen wie folgt geäußert: Guthaben und Bargeld - verneint, Prämien, Bausparvertrag, Sparvertrag - verneint, Lebensversicherung/Rückkaufswerte - verneint, Wertpapiere - verneint, Wohnungseigentum (3-Zimmer-Wohnung) - bejaht.
Im November 2006 erhielt das Sozialamt der Beklagten die Wohngeldstelle der Beklagten Kenntnis darüber, der Kläger habe bei der Beantragung von Sozialhilfe nicht angegeben, dass sein Vater Lebensversicherungen für ihn abgeschlossen habe. Ferner wurde die Überweisung einer Eigenheimzulage im Jahre 2003 oder 2004 an den Kläger bekannt.
Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger unter dem 12. Januar 2007 auf, ihr Unterlagen über die bei der ... und bei der ... Lebensversicherung - jeweils unter Benennung der konkreten Versicherungsnummern - geführten Versicherungen, insbesondere über den Stand der Rückkaufswerte einschließlich der Überschussbeteiligungen für die Jahre 2002 und 2004 vorzulegen. Außerdem wurde der Kläger gebeten, Kontoauszüge der Lebensversicherungen für die betreffenden Jahre einzureichen. Weiterhin bat die Beklagte den Kläger um Mitteilung, wann die Eigenheimzulage für das Jahr 2003 überwiesen worden sei. Evtl. sei das Datum der Überweisung auf Seite 2 des Bewilligungsbescheids vom 29. Januar 2004 ersichtlich. Schließlich wurde der Kläger gebeten, weitere Kontoauszüge für die Jahre 2003 und 2004 betreffend etwaiges weiteres Vermögen in Form von Lebensversicherungen, Bausparverträgen, Sparverträgen oder ähnlichem vorzulegen.
Daraufhin meldete sich der Vater des Klägers, Dr. S., unter dem 25. Januar 2007 schriftlich bei der Beklagten, um sich zu erkundigen, nach welcher Rechtsgrundlage und wie die Lebensversicherungen und die Eigenheimzulage auf die Sozialhilfe angerechnet würden.
Daraufhin wandte sich die Beklagte erneut unter dem 13. Februar 2007 an den Kläger persönlich. Sie teilte dem Kläger mit, Bezug nehmend auf die Nachfrage seines Vaters, dass Sozialhilfe generell nur in einer Notlage zu gewähren sei. Folglich sei es notwendig, im Rahmen der Sozialhilfeantragstellung sämtliches Einkommen und Vermögen dem Hilfeträger mitzuteilen. Zum Einkommen gehörten - mit wenigen Ausnahmen - alle Einnahmen. Erfolge die Beitragszahlung einer Lebensversicherung eines Hilfeempfängers durch Dritte, so seien diese Zahlungen folglich (wie Unterhaltszahlungen) im Zuflussmonat als Einkommen zu berücksichtigen. Ein Ausnahmetatbestand liege nicht vor. Die Eigenheimzulage stelle ebenfalls anzurechnendes Einkommen dar und werde, da es sich hier um einmalige Einnahmen handele, ab dem Zuflussmonat in Höhe von jeweils 1/12 der monatlichen Sozialhilfeberechnung berücksichtigt. Des Weiteren habe ein Hilfeempfänger zunächst grundsätzlich das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen, um sich von der Sozialhilfe unabhängig zu machen. Lebensversicherungen gelten grundsätzlich als verwertbares Vermögen. Sie seien generell in Höhe des Rückkaufswerts zzgl. Überschussbeteiligung als Vermögen zu berücksichtigen. Es bestehe allerdings eine Vermögensfreigrenze, die im Fall des Klägers bis zum 01. April 2004 1.893,- EUR und ab 02. April 2004 (Geburt des Kindes) 2.149,- EUR habe. Da in der Behörde keine Kenntnis über den Bestand der Lebensversicherungen bei der ... und der ... bekannt sei, werde nunmehr um die Vorlage einer Bescheinigung der beiden Versicherungsunternehmen über den Stand der Rückkaufswerte inkl. der Überschussbeteiligungen für die Jahre 2003 und 2004 gebeten. Außerdem seien die entsprechenden Kontoauszüge vorzulegen. Ferner werde gebeten, Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgehe, wann die Eigenheimzulage für das Jahr 2003 überwiesen worden sei. Frist zur Vorlage der Unterlagen werde bis zum 27. Februar 2007 gesetzt.
Daraufhin meldete sich unter dem 18. März 2007 erneut der Vater des Klägers bei der Beklagten. In seinem Schreiben vertrat er die Auffassung, dass sogar elterliche Lebensversicherungszahlungen für einen jungen Vater diesem als Vermögen angerechnet würden, lasse ihm die Haare zu Berge stehen. Sein Sohn sei derzeit noch nicht in der Lage, fürs Alter vorzusorgen. Gleichzeitig legte der Vater des Klägers die von der Beklagten erbetenen Mitteilungen zum Stand der Lebensversicherungen einschließlich Überschussbeteiligungen vor. Der Wert der ersten Lebensversicherung betrug zum 31. Dezember 2004 950,78 EUR; der Rückkaufswert belief sich auf 1.075,- EUR. Der Wert der zweiten Lebensversicherung belief sich im Hinblick auf einen Rückkaufswert im Jahre 2004 noch auf 0,- EUR. Weiter teilte der Vater des Klägers der Beklagten mit, zum Thema Eigenheimzulage habe sich sein Sohn mit der Behörde bereits besprochen.
Daraufhin wandte sich die Beklagte erneut, unter dem 30. März 2007, an den Kläger persönlich und bat ihn abermals, die Kontoauszüge der beiden Lebensversicherungen für die Jahre 2003 und 2004 vorzulegen. Allein aus diesen Kontoauszügen seien die monatlichen Beitragszahlungen ersichtlich. Außerdem erinnerte die Beklagte den Kläger daran, dass immer noch entsprechende Unterlagen bzw. Kontoauszüge nicht vorgelegt worden seien, aus denen hervorgehe, wann die Eigenheimzulage für das Jahr 2003 überwiesen worden sei. Es werde nunmehr unter Fristsetzung zum 13. April 2007 gebeten, die Unterlagen vorzulegen.
Unter dem 08. Mai 2007 hörte die Beklagte den Kläger schriftlich zur geplanten Rückforderung von überzahlter Hilfe zum Lebensunterhalt an. Dabei teilte sie dem Kläger mit, nachdem er mehrmals angeforderte Unterlagen immer noch nicht vorgelegt habe, eine Hilfebedürftigkeit für den Bezugszeitraum von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt von November 2003 bis Dezember 2004 sei nicht nachgewiesen. Mangels Vorlage der erforderlichen Unterlagen seien die Beitragszahlungen an die Lebensversicherung zu schätzen. Die aufgrund der nicht angerechneten Eigenheimzulage 2003 entstandene Überzahlung sei ebenfalls zurückzufordern. Der Kläger erhalte Gelegenheit, sich bis zum 22. Mai 2007 zu äußern.
Eine schriftliche Äußerung des Klägers gegenüber der Beklagten erfolgte nach Aktenlage nicht mehr. Daraufhin verfügte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Bescheiden vom 19. September 2007 zum einen die Rücknahme und Erstattung der dem Kläger selbst gewährten Sozialhilfe im Bezugszeitraum von November 2003 bis Dezember 2004 und zum anderen einen Kostenersatzbescheid für zu Unrecht zu Gunsten des Sohnes des Klägers und seiner damaligen Lebensgefährtin erbrachten Sozialhilfeleistungen im nämlichen Bezugszeitraum von November 2003 bis Dezember 2004.
Im Rücknahmebescheid vom 19. September 2007 lautete der Tenor:
1. Die Verwaltungsakte über die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen in Form der Bescheide vom 08.01.2004 für die Zeit vom 23.11.2003 bis 31.01.2004, vom 08.01.2004/02.09.2004 für die Zeit vom 01.02.2004 bis 30.09.2004, vom 05.10.2004 für die Zeit vom 01.10.2004 bis 31.10.2004, vom 08.10.2004 für die Zeit vom 01.11.2004 bis zum 31.12.2004 und in Form von Überweisungen für die Monate November 2003 bis Dezember 2004 werden zurückgenommen. 2. Die unrechtmäßig gewährten Sozialhilfeleistungen in Höhe von 1.608,83 EUR sind zu erstatten. 3. Dieser Bescheid ergeht gemäß § 64 Abs. 2 SGB X gebührenfrei.
Zur Begründung hieß es: Der Kläger habe bei der Beantragung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt für sich, seinen Sohn und seine damalige Lebensgefährtin Einkommen verschwiegen. Er habe insbesondere die monatlichen Beitragszahlungen seines Vaters für auf ihn abgeschlossene Lebensversicherungen bei der ... und der ... bei der Beantragung von Sozialhilfe nicht angegeben. Außerdem habe er es versäumt, den Empfang der Eigenheimzulage 2003 der Beklagten zum Auszahlungszeitpunkt zu Beginn des Jahres 2004 mitzuteilen. Damit seien die Tatbestandsvoraussetzungen für die Rücknahme und Erstattungsentscheidung erfüllt. Die Entscheidung ergehe im pflichtgemäßen Ermessen des Sozialhilfeträgers. Die Angemessenheitsprüfung sei sorgfältig durchgeführt worden. Der Kläger habe die Beklagte nicht darüber informiert, dass er während des Hilfebezugs eine Lebensversicherung sowie eine Rentenversicherung besessen habe, auf die sein Vater (zumindest teilweise) monatliche Beitragszahlungen geleistet habe. Außerdem habe der Kläger sodann die von ihm angeforderten Unterlagen nicht oder nicht vollständig vorgelegt. Insofern sei eine Hilfebedürftigkeit im Bezugszeitraum nicht nachgewiesen. Es seien vom Kläger auch keine Gründe dargelegt worden, warum die geforderten Unterlagen nicht hätten vorgelegt werden können. Damit habe der Kläger zumindest grob fahrlässig gehandelt. Die wirtschaftliche Situation des Klägers werde durch die Rückzahlung nicht unangemessen beeinträchtigt, weil Ratenzahlungen in Abhängigkeit des aktuellen Einkommens gewährt werden könnten. Angesichts des in der öffentlichen Verwaltung geltenden Grundsatzes sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung der Tatsache, dass der vorliegende Sachverhalt und die persönliche Situation des Klägers keine Anhaltspunkte dafür erkennen ließen, von einer Rücknahmeentscheidung abzusehen.
Mit weiterem Bescheid vom 19. September 2007 verfügte die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Kostenersatz gemäß § 104 SGB XII (vormals § 92a Abs. 1 und 4 BSHG alte Fassung) in Höhe von 3.560,64 EUR für die von der Beklagten für seinen Sohn und seine damalige Lebensgefährtin im Zeitraum zwischen November 2003 und Dezember 2004 aufgewendeten Sozialhilfeleistungen. Zur Begründung hieß es, gemäß § 104 SGB XII sei zum Ersatz der Kosten zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialhilfe verpflichtet, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres die Voraussetzungen für die Gewährung der Sozialhilfe an sich selbst oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt habe oder wer als leistungsberechtigte Person oder als deren Vertreter die Rechtswidrigkeit des der Leistung zugrunde liegenden Verwaltungsaktes gekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Zum Kostenersatz und zur Erstattung derselben Kosten nach § 50 SGB X Verpflichtete hafteten als Gesamtschuldner. Der Kläger habe Sozialhilfeleistungen an seine unterhaltsberechtigten Angehörigen im Zeitraum zwischen November 2003 und Dezember 2004 erhalten, weil er ihm in dieser Zeit zugeflossene Einnahmen auf Beitragszahlungen für die Lebensversicherungen und die Auszahlung einer Eigenheimzulage für das Jahr 2003 gegenüber dem Hilfeträger verschwiegen habe. Außerdem habe er nicht zur Klärung seiner Vermögensverhältnisse im Zeitraum des Hilfebezugs beigetragen. Damit habe er zumindest grob fahrlässig die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen herbeigeführt. Die in Folge dessen notwendig gewordene Neuberechnung des Sozialhilfeanspruchs seines Sohnes und seiner damaligen Lebensgefährtin ergebe eine Überzahlung von insgesamt 3.560,64 EUR. Bereits erbrachte Leistungen seien zu erstatten.
Den dagegen am 23. Oktober 2007 vom Kläger erhobenen Widerspruch begründete dieser wie folgt: Sein Vater verfüge allein über die Kontoauszüge für die Lebensversicherungen, sodass er hier keine weiteren Unterlagen vorlegen habe können. Das Überweisungsdatum für die Eigenheimzulage 2003 habe er bereits im März 2007 mündlich der Beklagten mitgeteilt. Dass er von der Beklagten wegen nicht vorgelegter Kontoauszüge und einer fehlenden Vermögenserklärung über nicht existente Vermögen eines "grob fahrlässigen" Handelns bezichtigt werde, empfinde er als unverhältnismäßig. Er habe nie arglistig, vorsätzlich oder gar grob fahrlässig gehandelt. Er sei heute alleinerziehender Vater eines dreieinhalbjährigen Sohnes und habe sein Studium als Bauingenieur zu bewältigen. Er lebe von den Zuwendungen seiner Eltern und habe keinen einzigen Euro übrig, um die geltend gemachten Forderungen zu bedienen.
Daraufhin wandte sich die Beklagte unter dem 15. Januar 2008 erneut an den Kläger und bat um Vorlage der Nachweise zu den monatlichen Beitragszahlungen für die Lebensversicherungen. Diese Beitragszahlungen seien entsprechend den Ausführungen im Rückforderungsbescheid vom 19. September 2007 im Rahmen der Sozialhilfegewährung als Einkommen anzurechnen. Der Kläger sei daher wiederholt gebeten worden, die entsprechenden Kontoauszüge vorzulegen, damit ersichtlich sei, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe die Beitragszahlungen von seinem Vater übernommen worden seien. Hierzu bedürfe es natürlich nicht der Vorlage privater Kontoauszüge des Vaters des Klägers. Es sei lediglich um die Jahreskontoauszüge für 2003 und 2004 der beiden Versicherungen gebeten worden. Sollten die Versicherungsunternehmen nicht automatisch solche Jahreskontoauszüge erstellen, könnten diese ersatzweise bei den einzelnen Versicherungsunternehmen angefordert werden. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass der Nachweis über die von Dritten geleisteten Beitragszahlungen im Rahmen der Einkommensüberprüfung benötigt werde. Entgegen seinen Ausführungen im Widerspruchsschreiben habe der Kläger in dem von ihm angesprochenen, am 11. Mai 2007 stattgehabten Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Beklagten lediglich angefragt, welche Unterlagen er vorlegen solle. Ein Überweisungsdatum der Eigenheimzulage für 2003 habe der Kläger während dieses Telefonats nicht benannt. Nachdem der der Beklagten vorliegende Bescheid über die Gewährung der Eigenheimzulage 2003 vom 29. Januar 2004 stamme, sei es möglich, dass die Eigenheimzulage bereits vor dem 15. März 2004 überwiesen worden sei. Dies gehe aus der lediglich vorliegenden ersten Seite des Bescheides aber nicht hervor. Es werde also um Nachweis gebeten, entweder per Kontoauszug, per Kopie des Bewilligungsbescheids oder in anderer Form. Der Kläger werde gebeten, die angeforderten Unterlagen nunmehr bis zum spätestens 19. Februar 2008 vorzulegen.
Daraufhin legte der Kläger am 22. Februar 2008 von den Lebensversicherungen ausgestellte Bescheinigungen über die Beitragszahlungen zu beiden Versicherungen zwischen November 2003 und Dezember 2004 vor. Danach entrichtete der Vater des Klägers für die erste Versicherung zwischen November 2003 und November 2004 monatlich jeweils 50,46 EUR und im Dezember 2004 52,99 EUR. Für die zweite Lebensversicherung entrichtete der Vater folgende Beiträge: 14 x 49,85 EUR.
Daraufhin verfügte die Beklagte unter dem 01. Juli 2008 zwei Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheide, einerseits im Hinblick auf die Rücknahme und Erstattung dem Kläger zu Unrecht gewährter Sozialhilfe und andererseits im Hinblick auf den Kostenersatz für den Sohn des Klägers und der damaligen Lebensgefährtin des Klägers zu Unrecht erbrachter Sozialhilfeleistungen.
Mit Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid betreffend die Rücknahme und Rückforderung der dem Kläger persönlich unrechtmäßig gewährter Sozialhilfe entschied die Beklagte, den Bescheid vom 19. September 2007 insoweit aufzuheben, als nach Vorlage der geforderten Unterlagen der Rückforderungsbetrag nunmehr in Höhe von 1.335,80 EUR neu festgesetzt werde. Im Übrigen werde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Sozialhilfebescheids sei § 45 SGB X. Im November 2006 habe die Beklagte festgestellt, dass der Kläger im Zeitraum der Hilfegewährung Lebensversicherungen besessen habe, die er im Rahmen des Sozialhilfeantrags nicht angegeben und auch während des Hilfebezugs nicht mitgeteilt habe. Weiterhin habe die Beklagte am 12. Januar 2007 festgestellt, dass dem Kläger gemäß Bescheid vom 29. Januar 2004 für das Jahr 2003 eine Eigenheimzulage gewährt worden sei, deren Erhalt der Kläger ebenfalls nicht zeitnah mitgeteilt habe. Auch die dann erforderlichen Unterlagen habe der Kläger während des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens nur sehr zögerlich vorgelegt. Sowohl bei den Beitragszahlungen für die Lebensversicherung, auch wenn sie vom Vater des Klägers geleistet worden seien, handele es sich um monatlich anrechenbares Einkommen, ebenso wie bei der Eigenheimzulage, die dem Kläger 2004 zugeflossen ist. Die Vermögensfreibetragsgrenze für die damals bestehende Bedarfsgemeinschaft des Klägers, seines Sohnes und seiner damaligen Lebensgefährtin habe bis Januar 2004 1.893,- EUR und ab Februar 2004 2.149,-EUR betragen. Es stehe außer Frage, dass die Beitragszahlungen zu den Lebensversicherungen, auch wenn sie vom Vater des Klägers geleistet worden seien, wie Unterhaltszahlungen anzurechnen seien. Das Argument, dass er jetzt frühzeitig für die Altersvorsorge zahle, damit er später "dem Staat nicht auf der Tasche liege" sei nicht stichhaltig. Der Kläger sei nämlich in der Zeit von November 2003 bis Dezember 2004 bedürftig gewesen und habe dementsprechend auch Sozialhilfe bezogen. Der Grundgedanke der Sozialhilfe liege aber darin, jemanden aus einer Notlage zu helfen, allerdings nur dann, wenn er sich nicht selbst helfen könne. Selbst helfen könne sich aber, wer über eigenes Einkommen oder Vermögen verfüge (Nachrangprinzip). Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit beruhe darauf, dass der Kläger während des Hilfebezugs Einkommen nicht mitgeteilt und auf die fehlende Anrechnung der Eigenheimzulage 2003 in der Sozialhilfebedarfsberechnung nicht hingewiesen habe. Das Problem der fehlenden Unterlagen habe lediglich bewirkt, dass für die Rückforderung keine Anrechnungsmöglichkeit gegeben gewesen sei, wären die Unterlagen vorgelegt worden, wäre eben nur die aufgrund der monatlichen Beitragszahlungen und Berücksichtigung der Eigenheimzulage 2003 entstandene Überzahlung zurückgefordert worden. Die Entscheidung über die Aufhebung der Verwaltungsakte stehe im Ermessen der Beklagten. Die Rücknahme der Bescheide sei aber geeignet, um rechtswidrig ergangene Sozialhilfebescheide aufheben zu können. Sie sei auch erforderlich, da keine andere Möglichkeit bestehe, die den Kläger weniger beeinträchtige. Die Rückforderung sei auch angesichts der Einzelfallumstände im Fall des Klägers angemessen. Die Anrechnung der monatlichen Beitragszahlungen der Lebensversicherungen und die Anrechnung der 2004 ausgezahlten Eigenheimzulage 2003 führe zu einer Neuberechnung des Sozialhilfeanspruchs. Die Überzahlung betrage gerechnet entsprechend den erst im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen nunmehr nur noch 1.335,80 EUR anstatt 1.680,- EUR (Ausgangsbescheid). Diese Überzahlung habe der Kläger rückzuerstatten.
Mit weiterem Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 01. Juli 2008 verfügte die Beklagte den Kostenersatzbescheid vom 19. September 2007 insofern aufzuheben, als nach Vorlage der geforderten Unterlagen der für den Zeitraum zwischen dem 23. November 2003 und dem 30. November 2003 sowie für den weiteren Zeitraum zwischen dem 01. Oktober 2004 und dem 30. November 2004 kein Kostenersatz mehr gefordert werde und die Höhe des Kostenersatzes nach dieser Neuberechnung nunmehr nur noch in Höhe von 1.077,79 EUR neu festgesetzt werde. Im Übrigen werde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Am 29. Juli 2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.
Der Kläger trägt schriftlich vor, er halte die angefochtenen Bescheide für widersinnig. Er sei überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass die Vorsorgeleistungen seines Vaters Vermögen sein könnten. Sie seien ihm weder zugeflossen noch hätten reale Rückkaufswerte bestanden. Ferner sei seinem Altersverstand nicht begreiflich, wieso gerade Vorsorgeaufwendungen als sozialhilfeschädliches Einkommen angesehen würden. Diese Vorsorgeaufwendungen hätten ja die Aufgabe, ihn später von staatlichen Sozialleistungen unabhängig zu machen. Aus eigenen Mitteln hätte er keine Vorsorge treffen können. Außerdem diene speziell die Lebensversicherung auch der Absicherung seines Sohnes R ... Bei alledem sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Versicherungsleistungen um seine einzige Altersvorsorge handele. Eine Lebensversicherung könne zwar für einen ledigen jungen Mann noch warten, nicht aber für einen jungen Vater. Deshalb seien diese Versicherungsbeiträge nach Grund und Höhe angemessen und müssten deshalb als Schonvermögen anerkannt werden. Er sei kein Jurist, sondern ein junger Vater ohne eigenes Einkommen. Er sei gelernter Schreiner, der jetzt ein Fulltime-Studium zum Bauingenieur zu absolvieren habe und aus freien Stücken von seinen Eltern dabei unterstützt werde. Er habe nie grob fahrlässig gehandelt, sich wohl aber mehrfach an den Kopf gelangt und daher auch erst nach einigen Ermahnungen des Sozialamts die geforderten Auskünfte geliefert.
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 19. September 2007 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 01. Juli 2008 sowie den Kostenersatzbescheid des Beklagten vom 19. September 2007 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 01. Juli 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, vorliegend handele es sich bei den Beiträgen zu den Lebensversicherungen des Klägers weder um Beiträge, die gesetzlich vorgeschrieben seien, noch um geförderte Altersvorsorgebeiträge. Ferner seien die Beiträge auch weder dem Grunde noch der Höhe nach angemessen. Gerade bei Lebensversicherungen sei der Grundsatz zu berücksichtigen, dass es nicht zu den Aufgaben des Sozialstaats gehöre, dem Hilfeempfänger einen besseren Versicherungsschutz zu ermöglichen, als ihn der Gesetzgeber für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung als ausreichend ansehe. Sozialhilfe habe im Übrigen nicht die Aufgabe, eine Kapitalansammlung zu finanzieren. Dies müsse nach Auffassung der Beklagten erst recht auch für vom Vater des Klägers geleistete Beiträge gelten. Es sei in Anbetracht des noch jungen Alters des Klägers davon auszugehen, dass diesem in seinem künftigen Arbeitsleben noch genügend Gelegenheit verbleibe, eine ausreichende Altersvorsorge aus eigener Kraft aufzubauen. Bei der Eigenheimzulage für 2003 - der Kläger sei Eigentümer einer von ihm selbst bewohnten und von daher Schonvermögen darstellenden Eigentumswohnung - handele es sich ebenfalls um im Rahmen der Hilfegewährung zu berücksichtigendes Einkommen. Hätte die Beklagte zum Zeitpunkt der Hilfegewährung Kenntnis von den angeführten Vermögens- und Einkommenspositionen gehabt, hätte dies im Rahmen der Hilfeberechnung zu einer entsprechenden Absenkung des Leistungsanspruchs des Klägers geführt. Insbesondere wäre die erhaltene Eigenheimzulage auf einen Zeitraum von 12 Monaten anteilig als Einkommen aufzuteilen gewesen. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Er habe infolge der Verletzung seiner gesetzlichen Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten grob fahrlässig gehandelt. Er habe die erzielten Einnahmen weder bei seinem Sozialhilfeantrag deklariert noch während des folgenden Zeitraums des Hilfebezugs entsprechende Angaben nachgeholt. Er habe die Angaben vielmehr gänzlich verschwiegen. Teile ein Hilfeempfänger wesentliche Tatsachen nicht mit, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen sei und auch unmissverständlich über seine Pflicht belehrt worden sei, liege nach der Rechtsprechung in der Regel grobe Fahrlässigkeit vor. Die jeweils fehlerhafte Bewilligung der Sozialleistungen habe auch auf den unterlassenen Angaben des Klägers beruht. Hinsichtlich des Rücknahme- und Rückforderungsbescheids betreffend den Kläger persönlich gewährten Sozialhilfe habe die Beklagte auch das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Hinsichtlich des Kostenersatzanspruchs für den Sohn des Klägers und seine damalige Lebensgefährtin zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen handele es sich um eine gebundene Verwaltungsentscheidung, die die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Kostenersatz nach § 104 SGB XII lägen im Fall des Klägers vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakten und den Inhalt der Prozessakte (S 4 SO 3352/08) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 19. September 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 01. Juli 2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die dem Kläger im Zeitraum zwischen November 2003 und Dezember 2004 bewilligte Sozialhilfe nach Maßgabe des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 01. Juli 2008 in Höhe von 1.335,80 EUR zu Recht zurückgenommen und zurückgefordert. Ebenso rechtmäßig hat die Beklagte den Kläger zum Kostenersatz für an seinen Sohn und seine damalige Lebensgefährtin im Zeitraum zwischen November 2003 und November 2004 in Höhe von 1.077,79 EUR herangezogen.
1. Die Beklagte stützt sich bei ihrem Forderungsbegehren in Sachen des Rücknahme- und Erstattungsbescheids auf § 50 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift können bereits erbrachte Leistungen dann zurückgefordert werden, wenn der der Leistungserbringung zugrunde liegende Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Denn der die Leistungspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger konkretisierende Verwaltungsakt ist unmittelbar der Rechtsgrund für die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt und damit für das Behaltendürfen der Leistungen gewesen. Damit eine Rückforderung der Leistungen geltend gemacht werden kann, muss zunächst die Rechtsgrundlage für die Leistungsgewährung in rechtswirksamer Weise beseitigt werden.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nach dessen Unanfechtbarkeit ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 des § 45 SGB X zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur noch unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X aber nicht berufen, soweit
1. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 2. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Entscheidung über die rückwirkende Rücknahme ist durch das Merkmal "wird mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen" nicht binden vorgegeben. "Wird" bedeutet keine Verpflichtung zur Rücknahme, sodass die Beklagte Ermessen auszuüben hat (vgl. Schütze, in von Wulfen, SGB X, Kommentar, 2008, § 45 Rdnr. 79 m.w.N.).
Dem Kläger ist von der Beklagten auf seinen Antrag vom 07. November 2003 mit Bescheid vom 08. Januar 2004 für die Zeit ab November 2003 bis auf Weiteres laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährt worden, weil er seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus eigenem Einkommen und Vermögen, nicht hat sicherstellen können. Damit hat der Beklagte gegenüber dem Kläger einen begünstigenden Verwaltungsakt erlassen. Aufgrund dieses den Kläger begünstigenden Leistungsbescheids ist laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ganz überwiegend rechtswidrig geleistet worden, weil der Kläger gegenüber der Beklagten zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben zu seinem Einkommen im Bezugszeitraum gemacht hat. Zum Einkommen gehören nach § 82 Abs. 1 SGB XII (vormals bis zum 31. Dezember 2004: Inhaltsgleich geregelt in § 76 BSHG) alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB XII, des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Für die Frage, wie Geld und Geldeswert dem Einkommen zuzurechnen ist, ist regelmäßig der Zeitpunkt des Zuflusses entscheidend (vgl. BVerwGE 108, 296 und BVerwG, info also 2001, 220). Erfolgt der Zufluss im Bedarfszeitraum, ist er nach § 82 SGB XII i. V. m. der DCO zu § 82 SGB XII zu behandeln. Dabei ist unerheblich, ob Identität der Zweckbestimmung zwischen Einkünften und Bedarf vorliegt, und ob Identität des Bedarfszeitraums mit dem Zeitraum vorliegt, für den die Einkünfte bestimmt sind. Ohne Bedeutung ist schließlich die Form des Zuflusses (z.B. Sparkonto, Versicherungskonto, Girokonto, Bargeld). Einkommen sind ferner Zuflüsse aus Eigenheimzulagen (vgl. SHR Baden-Württemberg, Rn. 82.09).
Im Hinblick auf die vom Vater des Klägers geleisteten Beiträge für die Lebensversicherungen in monatlicher Höhe von 50,46 EUR bzw. 52,99 EUR für die ... und 49,85 EUR für die ... handelt es sich offenkundig um Einkünfte im Sinne von § 82 Abs. 1 SGB XII bzw. § 76 BSHG. Im Bedarfszeitraum sind dem Kläger monatlich laufende Geldeswerte von über 100 EUR auf die Versicherungskonten ( ... und ...) zugeflossen; außerdem hat er eine Einmalzahlung von über 1.200 EUR (Eigenheimzulage 2003, ausgezahlt 2004) erhalten, die auf zwölf Monate verteilt anzurechnen ist. Diese Geldeswerte und Zahlungen haben auch allein dem Kläger zugestanden.
Die ihm zustehenden regelmäßigen Versicherungsbeiträge hat der Kläger gegenüber der Beklagten verschwiegen, obgleich er in den Antragsformularen darüber belehrt worden war, wahre und vollständige Angaben insbesondere zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen und deren jeweiligen Änderungen zu machen und ihm die Merkblätter der Vorschriften über die Mitwirkungspflichten bei der Feststellung von Sozialleistungen ausgehändigt worden sind. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vom Kläger erhobene Einwendung, er habe zum Zeitpunkt der Beantragung und des Bezugs der Sozialhilfe keine Kenntnis von den von seinem Vater für ihn monatlich eingezahlten Lebensversicherungsbeiträgen gehabt, wertet das erkennende Gericht als nachträgliche Schutzbehauptung. Diese Einlassung ist unglaubhaft, vor allem weil sie im Widerspruch zu den bisherigen schriftlichen Einlassungen des Klägers steht, insbesondere zu den auf Bl. 1 seiner Klageschrift vom 24. Juli 2008 ("Ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass diese Vorsorgeleistungen meines Vaters Vermögen sein könnten.").
Der Kläger hat auf den Bestand des ihn größtenteils rechtswidrig begünstigenden Bewilligungsbescheids auch nicht vertrauen dürfen, weil er grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht und zudem auch Teilrechtswidrigkeit nur in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Grob fahrlässig handelt, wer objektiv und subjektiv die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders krasser Art und Weise außer Acht lässt. Das Bundessozialgericht fordert für die Annahme von grober Fahrlässigkeit in Fällen der Nichtbeachtung von Belehrungen der Verwaltung über Anzeigepflichten (BSG 42, 184) und der Unterlassung der Mitteilung entscheidungserheblicher Tatsachen (BSG a.a.O., 47, 28, 33; 47, 180, 182), dass der Leistungsempfänger unter Berücksichtigung seiner individuellen Urteils- und Kritikfähigkeit seine Sorgfaltspflicht in außergewöhnlich großem Maße, d.h. in einem das gewöhnliche Maß einer Fahrlässigkeit in erheblichen übersteigendem Ausmaß verletzt (vgl. Bundessozialgericht, Urt. vom 14. Juni 1984, RKg 21/83, HVInfo 1984, Nr. 15 10-17).
An diesem Maßstab orientiert, sieht das erkennende Gericht beim Kläger grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf das Verschweigen sowohl der vom Vater geleisteten Versicherungsbeiträge in monatlicher Höhe von jeweils über 100,- EUR als auch im Verschweigen der dem Kläger im Januar 2004 zugeflossenen Eigenheimzulage von über 1.200,- EUR als erfüllt an. Auf die angefochtenen Bescheide, insbesondere den Widerspruchsbescheid vom 01. Juli 2008 wird Bezug genommen.
Nachdem der Beklagten der Sachverhalt durch Abgleich der Wohngeldstelle im November 2006 bekannt geworden ist, hat sie den Kläger von der beabsichtigten Rücknahme und Rückforderung formgerecht nach § 24 SGB X angehört, ihm Fachfristen zur Vorlage der erforderlichen Unterlagen gewährt und sodann mit Bescheid vom 19. September 2007 - und damit innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X - den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid verfügt. Das Ermessen hat die Beklagte bei der Entscheidung über die Rücknahme beanstandungsfrei ausgeübt. Auf die zutreffenden und ausführlichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 01. Juli 2008 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG).
2. Auch der gegen den Kläger verfügte Kostenersatzbescheid vom 19. September 2007 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 01. Juli 2008 in Höhe von 1.077,79 EUR ist rechtlich in keiner Weise zu beanstanden. Nach § 104 SGB XII (vormals § 92a Abs. 4 BSHG) ist zum Ersatz der Kosten für zu Unrecht erbrachte Leistungen der Sozialhilfe in entsprechender Anwendung des § 103 SGB XII verpflichtet, wer die Leistungen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat. Zum Kostenersatz nach Satz 1 der Vorschrift und zur Erstattung derselben Kosten nach § 50 SGB X Verpflichtete haften dabei als Gesamtschuldner.
Nach § 103 Abs. 1 SGB XII ist zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres für sich oder andere durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten die Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe herbeigeführt hat. Zum Kostenersatz ist auch verpflichtet, wer als leistungsberechtigte Person oder als deren Vertreter die Rechtswidrigkeit des (der Leistung) zugrunde liegenden Verwaltungsakts gekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. (Von der) Heranziehung vom Kostenersatz kann abgesehen werden, soweit sie eine Härte bedeuten würde (§ 103 Abs. 1 Satz 3 SGB XII).
Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts durch grob fahrlässiges Verhalten die Gewährung von Sozialhilfe an sein unterhaltsberechtigtes Kind und seine damalige Lebensgefährtin herbeigeführt. Dies ist durch die Nichtanzeige vorhandenen Einkommens - Prämienzahlungen für zwei Lebensversicherungen in monatlicher Höhe von jeweils über 100,- EUR durch den Vater des Klägers und Verschweigen einer 2004 ausgezahlten Eigenheimzulage für das Jahr 2003 - geschehen. Die Beitragszahlungen sowie die erstattete Eigenheimzulage sind von der Beklagten zutreffend als Einkommen bewertet und bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt worden. Die abweichende Argumentation des Klägers verkennt, dass Sozialhilfe allein gegenwärtige Notlagenhilfe ist. Sozialhilfe dient nicht dazu, Altersvorsorgevermögen aufzubauen. Aus Mitteln der Sozialhilfe darf überhaupt kein Vermögen aufgebaut werden. Dementsprechend kann es auch nicht darum gehen, den Staat von einem auf der Tasche liegen des Klägers in ferner Zukunft durch die Ansparung von Altersvorsorgemitteln aus Mitteln der Sozialhilfe zu ersparen. Sozialhilfe hat allein die Aufgabe gegenwärtige Notlagen zu beseitigen. Dies hat die Beklagte im Zeitraum zwischen November 2003 und Dezember 2004 getan, weil sie von den Einkommensquellen des Klägers keine Kenntnis gehabt hat und der Kläger ihr diese Einkommensquellen grob fahrlässig verschwiegen hat. Auf die unter 1. dargelegten Ausführungen wird Bezug genommen.
Die Kostenersatzrückforderungsentscheidung ist eine gebundene Entscheidung. Der Kläger haftet für die seinem Sohn und seiner damaligen Lebensgefährtin erbrachten Sozialhilfeleistungen als Gesamtschuldner. Gründe dafür, von einem Kostenersatz aufgrund eines Härtefalls abzusehen vermag auch das Gericht nicht zu erkennen. Der Begriff der Härte, der als unbestimmter Rechtsbegriff nach § 103 Abs. 1 Satz 3 SGB XII der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt, erfordert eine Atypik, die es rechtfertigt, von der grundsätzlichen Verpflichtung zum Kostenersatz abzuweichen. Ein in diesem Sinne atypischer Sachverhalt ist nur gegeben, wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, die eine Heranziehung zum Kostenersatz auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, den Nachrang der Sozialhilfe wiederherzustellen, als unzumutbar und unbillig erscheinen lassen. Bloße ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse des Ersatzpflichtigen genügen jedoch nicht (vgl. näher Schoenfeld, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2. Auflage 2008, § 103 Nr. 18 m.w.N.). Eine solche Härtesituation vermag das Gericht beim Kläger ebenso wenig zu erkennen, wie die Beklagte dies getan hat. Der tatsächlichen Rückführung der gegen den Kläger zu Recht bestehenden Forderungen kann durch vorläufige Stundung und spätere Ratenzahlungsvereinbarung hinreichend Rechnung getragen werden. Auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid wird im Übrigen Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme und Rückforderung von Sozialhilfeleistungen sowie gegen einen Kostenersatz für zu Unrecht erbrachte Leistungen.
Der am ... 1981 geborene Kläger, dessen am ... 2004 geborener Sohn sowie seine damalige Lebensgefährtin bezogen im Zeitraum vom 23. November 2003 bis zum 31. Dezember 2004 von der Beklagten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz - BSHG -. Für die damals aus dem Kläger, seinem Sohn und seiner damaligen Lebensgefährtin bestehende Bedarfsgemeinschaft gewährte die Beklagte während des vorgenannten Zeitraums laufende Hilfeleistungen in Höhe von 1.608,83 EUR an den Kläger, 1.498,08 EUR für dessen Sohn und 2.061,75 EUR für die damalige Lebensgefährtin, die Kindsmutter. In der Vermögenserklärung, die dem Sozialhilfeantrag des Klägers vom 10. November 2003 anlag, hatte sich der Kläger zu seinem Vermögen wie folgt geäußert: Guthaben und Bargeld - verneint, Prämien, Bausparvertrag, Sparvertrag - verneint, Lebensversicherung/Rückkaufswerte - verneint, Wertpapiere - verneint, Wohnungseigentum (3-Zimmer-Wohnung) - bejaht.
Im November 2006 erhielt das Sozialamt der Beklagten die Wohngeldstelle der Beklagten Kenntnis darüber, der Kläger habe bei der Beantragung von Sozialhilfe nicht angegeben, dass sein Vater Lebensversicherungen für ihn abgeschlossen habe. Ferner wurde die Überweisung einer Eigenheimzulage im Jahre 2003 oder 2004 an den Kläger bekannt.
Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger unter dem 12. Januar 2007 auf, ihr Unterlagen über die bei der ... und bei der ... Lebensversicherung - jeweils unter Benennung der konkreten Versicherungsnummern - geführten Versicherungen, insbesondere über den Stand der Rückkaufswerte einschließlich der Überschussbeteiligungen für die Jahre 2002 und 2004 vorzulegen. Außerdem wurde der Kläger gebeten, Kontoauszüge der Lebensversicherungen für die betreffenden Jahre einzureichen. Weiterhin bat die Beklagte den Kläger um Mitteilung, wann die Eigenheimzulage für das Jahr 2003 überwiesen worden sei. Evtl. sei das Datum der Überweisung auf Seite 2 des Bewilligungsbescheids vom 29. Januar 2004 ersichtlich. Schließlich wurde der Kläger gebeten, weitere Kontoauszüge für die Jahre 2003 und 2004 betreffend etwaiges weiteres Vermögen in Form von Lebensversicherungen, Bausparverträgen, Sparverträgen oder ähnlichem vorzulegen.
Daraufhin meldete sich der Vater des Klägers, Dr. S., unter dem 25. Januar 2007 schriftlich bei der Beklagten, um sich zu erkundigen, nach welcher Rechtsgrundlage und wie die Lebensversicherungen und die Eigenheimzulage auf die Sozialhilfe angerechnet würden.
Daraufhin wandte sich die Beklagte erneut unter dem 13. Februar 2007 an den Kläger persönlich. Sie teilte dem Kläger mit, Bezug nehmend auf die Nachfrage seines Vaters, dass Sozialhilfe generell nur in einer Notlage zu gewähren sei. Folglich sei es notwendig, im Rahmen der Sozialhilfeantragstellung sämtliches Einkommen und Vermögen dem Hilfeträger mitzuteilen. Zum Einkommen gehörten - mit wenigen Ausnahmen - alle Einnahmen. Erfolge die Beitragszahlung einer Lebensversicherung eines Hilfeempfängers durch Dritte, so seien diese Zahlungen folglich (wie Unterhaltszahlungen) im Zuflussmonat als Einkommen zu berücksichtigen. Ein Ausnahmetatbestand liege nicht vor. Die Eigenheimzulage stelle ebenfalls anzurechnendes Einkommen dar und werde, da es sich hier um einmalige Einnahmen handele, ab dem Zuflussmonat in Höhe von jeweils 1/12 der monatlichen Sozialhilfeberechnung berücksichtigt. Des Weiteren habe ein Hilfeempfänger zunächst grundsätzlich das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen, um sich von der Sozialhilfe unabhängig zu machen. Lebensversicherungen gelten grundsätzlich als verwertbares Vermögen. Sie seien generell in Höhe des Rückkaufswerts zzgl. Überschussbeteiligung als Vermögen zu berücksichtigen. Es bestehe allerdings eine Vermögensfreigrenze, die im Fall des Klägers bis zum 01. April 2004 1.893,- EUR und ab 02. April 2004 (Geburt des Kindes) 2.149,- EUR habe. Da in der Behörde keine Kenntnis über den Bestand der Lebensversicherungen bei der ... und der ... bekannt sei, werde nunmehr um die Vorlage einer Bescheinigung der beiden Versicherungsunternehmen über den Stand der Rückkaufswerte inkl. der Überschussbeteiligungen für die Jahre 2003 und 2004 gebeten. Außerdem seien die entsprechenden Kontoauszüge vorzulegen. Ferner werde gebeten, Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgehe, wann die Eigenheimzulage für das Jahr 2003 überwiesen worden sei. Frist zur Vorlage der Unterlagen werde bis zum 27. Februar 2007 gesetzt.
Daraufhin meldete sich unter dem 18. März 2007 erneut der Vater des Klägers bei der Beklagten. In seinem Schreiben vertrat er die Auffassung, dass sogar elterliche Lebensversicherungszahlungen für einen jungen Vater diesem als Vermögen angerechnet würden, lasse ihm die Haare zu Berge stehen. Sein Sohn sei derzeit noch nicht in der Lage, fürs Alter vorzusorgen. Gleichzeitig legte der Vater des Klägers die von der Beklagten erbetenen Mitteilungen zum Stand der Lebensversicherungen einschließlich Überschussbeteiligungen vor. Der Wert der ersten Lebensversicherung betrug zum 31. Dezember 2004 950,78 EUR; der Rückkaufswert belief sich auf 1.075,- EUR. Der Wert der zweiten Lebensversicherung belief sich im Hinblick auf einen Rückkaufswert im Jahre 2004 noch auf 0,- EUR. Weiter teilte der Vater des Klägers der Beklagten mit, zum Thema Eigenheimzulage habe sich sein Sohn mit der Behörde bereits besprochen.
Daraufhin wandte sich die Beklagte erneut, unter dem 30. März 2007, an den Kläger persönlich und bat ihn abermals, die Kontoauszüge der beiden Lebensversicherungen für die Jahre 2003 und 2004 vorzulegen. Allein aus diesen Kontoauszügen seien die monatlichen Beitragszahlungen ersichtlich. Außerdem erinnerte die Beklagte den Kläger daran, dass immer noch entsprechende Unterlagen bzw. Kontoauszüge nicht vorgelegt worden seien, aus denen hervorgehe, wann die Eigenheimzulage für das Jahr 2003 überwiesen worden sei. Es werde nunmehr unter Fristsetzung zum 13. April 2007 gebeten, die Unterlagen vorzulegen.
Unter dem 08. Mai 2007 hörte die Beklagte den Kläger schriftlich zur geplanten Rückforderung von überzahlter Hilfe zum Lebensunterhalt an. Dabei teilte sie dem Kläger mit, nachdem er mehrmals angeforderte Unterlagen immer noch nicht vorgelegt habe, eine Hilfebedürftigkeit für den Bezugszeitraum von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt von November 2003 bis Dezember 2004 sei nicht nachgewiesen. Mangels Vorlage der erforderlichen Unterlagen seien die Beitragszahlungen an die Lebensversicherung zu schätzen. Die aufgrund der nicht angerechneten Eigenheimzulage 2003 entstandene Überzahlung sei ebenfalls zurückzufordern. Der Kläger erhalte Gelegenheit, sich bis zum 22. Mai 2007 zu äußern.
Eine schriftliche Äußerung des Klägers gegenüber der Beklagten erfolgte nach Aktenlage nicht mehr. Daraufhin verfügte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Bescheiden vom 19. September 2007 zum einen die Rücknahme und Erstattung der dem Kläger selbst gewährten Sozialhilfe im Bezugszeitraum von November 2003 bis Dezember 2004 und zum anderen einen Kostenersatzbescheid für zu Unrecht zu Gunsten des Sohnes des Klägers und seiner damaligen Lebensgefährtin erbrachten Sozialhilfeleistungen im nämlichen Bezugszeitraum von November 2003 bis Dezember 2004.
Im Rücknahmebescheid vom 19. September 2007 lautete der Tenor:
1. Die Verwaltungsakte über die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen in Form der Bescheide vom 08.01.2004 für die Zeit vom 23.11.2003 bis 31.01.2004, vom 08.01.2004/02.09.2004 für die Zeit vom 01.02.2004 bis 30.09.2004, vom 05.10.2004 für die Zeit vom 01.10.2004 bis 31.10.2004, vom 08.10.2004 für die Zeit vom 01.11.2004 bis zum 31.12.2004 und in Form von Überweisungen für die Monate November 2003 bis Dezember 2004 werden zurückgenommen. 2. Die unrechtmäßig gewährten Sozialhilfeleistungen in Höhe von 1.608,83 EUR sind zu erstatten. 3. Dieser Bescheid ergeht gemäß § 64 Abs. 2 SGB X gebührenfrei.
Zur Begründung hieß es: Der Kläger habe bei der Beantragung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt für sich, seinen Sohn und seine damalige Lebensgefährtin Einkommen verschwiegen. Er habe insbesondere die monatlichen Beitragszahlungen seines Vaters für auf ihn abgeschlossene Lebensversicherungen bei der ... und der ... bei der Beantragung von Sozialhilfe nicht angegeben. Außerdem habe er es versäumt, den Empfang der Eigenheimzulage 2003 der Beklagten zum Auszahlungszeitpunkt zu Beginn des Jahres 2004 mitzuteilen. Damit seien die Tatbestandsvoraussetzungen für die Rücknahme und Erstattungsentscheidung erfüllt. Die Entscheidung ergehe im pflichtgemäßen Ermessen des Sozialhilfeträgers. Die Angemessenheitsprüfung sei sorgfältig durchgeführt worden. Der Kläger habe die Beklagte nicht darüber informiert, dass er während des Hilfebezugs eine Lebensversicherung sowie eine Rentenversicherung besessen habe, auf die sein Vater (zumindest teilweise) monatliche Beitragszahlungen geleistet habe. Außerdem habe der Kläger sodann die von ihm angeforderten Unterlagen nicht oder nicht vollständig vorgelegt. Insofern sei eine Hilfebedürftigkeit im Bezugszeitraum nicht nachgewiesen. Es seien vom Kläger auch keine Gründe dargelegt worden, warum die geforderten Unterlagen nicht hätten vorgelegt werden können. Damit habe der Kläger zumindest grob fahrlässig gehandelt. Die wirtschaftliche Situation des Klägers werde durch die Rückzahlung nicht unangemessen beeinträchtigt, weil Ratenzahlungen in Abhängigkeit des aktuellen Einkommens gewährt werden könnten. Angesichts des in der öffentlichen Verwaltung geltenden Grundsatzes sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung der Tatsache, dass der vorliegende Sachverhalt und die persönliche Situation des Klägers keine Anhaltspunkte dafür erkennen ließen, von einer Rücknahmeentscheidung abzusehen.
Mit weiterem Bescheid vom 19. September 2007 verfügte die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Kostenersatz gemäß § 104 SGB XII (vormals § 92a Abs. 1 und 4 BSHG alte Fassung) in Höhe von 3.560,64 EUR für die von der Beklagten für seinen Sohn und seine damalige Lebensgefährtin im Zeitraum zwischen November 2003 und Dezember 2004 aufgewendeten Sozialhilfeleistungen. Zur Begründung hieß es, gemäß § 104 SGB XII sei zum Ersatz der Kosten zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialhilfe verpflichtet, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres die Voraussetzungen für die Gewährung der Sozialhilfe an sich selbst oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt habe oder wer als leistungsberechtigte Person oder als deren Vertreter die Rechtswidrigkeit des der Leistung zugrunde liegenden Verwaltungsaktes gekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Zum Kostenersatz und zur Erstattung derselben Kosten nach § 50 SGB X Verpflichtete hafteten als Gesamtschuldner. Der Kläger habe Sozialhilfeleistungen an seine unterhaltsberechtigten Angehörigen im Zeitraum zwischen November 2003 und Dezember 2004 erhalten, weil er ihm in dieser Zeit zugeflossene Einnahmen auf Beitragszahlungen für die Lebensversicherungen und die Auszahlung einer Eigenheimzulage für das Jahr 2003 gegenüber dem Hilfeträger verschwiegen habe. Außerdem habe er nicht zur Klärung seiner Vermögensverhältnisse im Zeitraum des Hilfebezugs beigetragen. Damit habe er zumindest grob fahrlässig die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen herbeigeführt. Die in Folge dessen notwendig gewordene Neuberechnung des Sozialhilfeanspruchs seines Sohnes und seiner damaligen Lebensgefährtin ergebe eine Überzahlung von insgesamt 3.560,64 EUR. Bereits erbrachte Leistungen seien zu erstatten.
Den dagegen am 23. Oktober 2007 vom Kläger erhobenen Widerspruch begründete dieser wie folgt: Sein Vater verfüge allein über die Kontoauszüge für die Lebensversicherungen, sodass er hier keine weiteren Unterlagen vorlegen habe können. Das Überweisungsdatum für die Eigenheimzulage 2003 habe er bereits im März 2007 mündlich der Beklagten mitgeteilt. Dass er von der Beklagten wegen nicht vorgelegter Kontoauszüge und einer fehlenden Vermögenserklärung über nicht existente Vermögen eines "grob fahrlässigen" Handelns bezichtigt werde, empfinde er als unverhältnismäßig. Er habe nie arglistig, vorsätzlich oder gar grob fahrlässig gehandelt. Er sei heute alleinerziehender Vater eines dreieinhalbjährigen Sohnes und habe sein Studium als Bauingenieur zu bewältigen. Er lebe von den Zuwendungen seiner Eltern und habe keinen einzigen Euro übrig, um die geltend gemachten Forderungen zu bedienen.
Daraufhin wandte sich die Beklagte unter dem 15. Januar 2008 erneut an den Kläger und bat um Vorlage der Nachweise zu den monatlichen Beitragszahlungen für die Lebensversicherungen. Diese Beitragszahlungen seien entsprechend den Ausführungen im Rückforderungsbescheid vom 19. September 2007 im Rahmen der Sozialhilfegewährung als Einkommen anzurechnen. Der Kläger sei daher wiederholt gebeten worden, die entsprechenden Kontoauszüge vorzulegen, damit ersichtlich sei, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe die Beitragszahlungen von seinem Vater übernommen worden seien. Hierzu bedürfe es natürlich nicht der Vorlage privater Kontoauszüge des Vaters des Klägers. Es sei lediglich um die Jahreskontoauszüge für 2003 und 2004 der beiden Versicherungen gebeten worden. Sollten die Versicherungsunternehmen nicht automatisch solche Jahreskontoauszüge erstellen, könnten diese ersatzweise bei den einzelnen Versicherungsunternehmen angefordert werden. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass der Nachweis über die von Dritten geleisteten Beitragszahlungen im Rahmen der Einkommensüberprüfung benötigt werde. Entgegen seinen Ausführungen im Widerspruchsschreiben habe der Kläger in dem von ihm angesprochenen, am 11. Mai 2007 stattgehabten Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Beklagten lediglich angefragt, welche Unterlagen er vorlegen solle. Ein Überweisungsdatum der Eigenheimzulage für 2003 habe der Kläger während dieses Telefonats nicht benannt. Nachdem der der Beklagten vorliegende Bescheid über die Gewährung der Eigenheimzulage 2003 vom 29. Januar 2004 stamme, sei es möglich, dass die Eigenheimzulage bereits vor dem 15. März 2004 überwiesen worden sei. Dies gehe aus der lediglich vorliegenden ersten Seite des Bescheides aber nicht hervor. Es werde also um Nachweis gebeten, entweder per Kontoauszug, per Kopie des Bewilligungsbescheids oder in anderer Form. Der Kläger werde gebeten, die angeforderten Unterlagen nunmehr bis zum spätestens 19. Februar 2008 vorzulegen.
Daraufhin legte der Kläger am 22. Februar 2008 von den Lebensversicherungen ausgestellte Bescheinigungen über die Beitragszahlungen zu beiden Versicherungen zwischen November 2003 und Dezember 2004 vor. Danach entrichtete der Vater des Klägers für die erste Versicherung zwischen November 2003 und November 2004 monatlich jeweils 50,46 EUR und im Dezember 2004 52,99 EUR. Für die zweite Lebensversicherung entrichtete der Vater folgende Beiträge: 14 x 49,85 EUR.
Daraufhin verfügte die Beklagte unter dem 01. Juli 2008 zwei Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheide, einerseits im Hinblick auf die Rücknahme und Erstattung dem Kläger zu Unrecht gewährter Sozialhilfe und andererseits im Hinblick auf den Kostenersatz für den Sohn des Klägers und der damaligen Lebensgefährtin des Klägers zu Unrecht erbrachter Sozialhilfeleistungen.
Mit Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid betreffend die Rücknahme und Rückforderung der dem Kläger persönlich unrechtmäßig gewährter Sozialhilfe entschied die Beklagte, den Bescheid vom 19. September 2007 insoweit aufzuheben, als nach Vorlage der geforderten Unterlagen der Rückforderungsbetrag nunmehr in Höhe von 1.335,80 EUR neu festgesetzt werde. Im Übrigen werde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Sozialhilfebescheids sei § 45 SGB X. Im November 2006 habe die Beklagte festgestellt, dass der Kläger im Zeitraum der Hilfegewährung Lebensversicherungen besessen habe, die er im Rahmen des Sozialhilfeantrags nicht angegeben und auch während des Hilfebezugs nicht mitgeteilt habe. Weiterhin habe die Beklagte am 12. Januar 2007 festgestellt, dass dem Kläger gemäß Bescheid vom 29. Januar 2004 für das Jahr 2003 eine Eigenheimzulage gewährt worden sei, deren Erhalt der Kläger ebenfalls nicht zeitnah mitgeteilt habe. Auch die dann erforderlichen Unterlagen habe der Kläger während des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens nur sehr zögerlich vorgelegt. Sowohl bei den Beitragszahlungen für die Lebensversicherung, auch wenn sie vom Vater des Klägers geleistet worden seien, handele es sich um monatlich anrechenbares Einkommen, ebenso wie bei der Eigenheimzulage, die dem Kläger 2004 zugeflossen ist. Die Vermögensfreibetragsgrenze für die damals bestehende Bedarfsgemeinschaft des Klägers, seines Sohnes und seiner damaligen Lebensgefährtin habe bis Januar 2004 1.893,- EUR und ab Februar 2004 2.149,-EUR betragen. Es stehe außer Frage, dass die Beitragszahlungen zu den Lebensversicherungen, auch wenn sie vom Vater des Klägers geleistet worden seien, wie Unterhaltszahlungen anzurechnen seien. Das Argument, dass er jetzt frühzeitig für die Altersvorsorge zahle, damit er später "dem Staat nicht auf der Tasche liege" sei nicht stichhaltig. Der Kläger sei nämlich in der Zeit von November 2003 bis Dezember 2004 bedürftig gewesen und habe dementsprechend auch Sozialhilfe bezogen. Der Grundgedanke der Sozialhilfe liege aber darin, jemanden aus einer Notlage zu helfen, allerdings nur dann, wenn er sich nicht selbst helfen könne. Selbst helfen könne sich aber, wer über eigenes Einkommen oder Vermögen verfüge (Nachrangprinzip). Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit beruhe darauf, dass der Kläger während des Hilfebezugs Einkommen nicht mitgeteilt und auf die fehlende Anrechnung der Eigenheimzulage 2003 in der Sozialhilfebedarfsberechnung nicht hingewiesen habe. Das Problem der fehlenden Unterlagen habe lediglich bewirkt, dass für die Rückforderung keine Anrechnungsmöglichkeit gegeben gewesen sei, wären die Unterlagen vorgelegt worden, wäre eben nur die aufgrund der monatlichen Beitragszahlungen und Berücksichtigung der Eigenheimzulage 2003 entstandene Überzahlung zurückgefordert worden. Die Entscheidung über die Aufhebung der Verwaltungsakte stehe im Ermessen der Beklagten. Die Rücknahme der Bescheide sei aber geeignet, um rechtswidrig ergangene Sozialhilfebescheide aufheben zu können. Sie sei auch erforderlich, da keine andere Möglichkeit bestehe, die den Kläger weniger beeinträchtige. Die Rückforderung sei auch angesichts der Einzelfallumstände im Fall des Klägers angemessen. Die Anrechnung der monatlichen Beitragszahlungen der Lebensversicherungen und die Anrechnung der 2004 ausgezahlten Eigenheimzulage 2003 führe zu einer Neuberechnung des Sozialhilfeanspruchs. Die Überzahlung betrage gerechnet entsprechend den erst im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen nunmehr nur noch 1.335,80 EUR anstatt 1.680,- EUR (Ausgangsbescheid). Diese Überzahlung habe der Kläger rückzuerstatten.
Mit weiterem Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 01. Juli 2008 verfügte die Beklagte den Kostenersatzbescheid vom 19. September 2007 insofern aufzuheben, als nach Vorlage der geforderten Unterlagen der für den Zeitraum zwischen dem 23. November 2003 und dem 30. November 2003 sowie für den weiteren Zeitraum zwischen dem 01. Oktober 2004 und dem 30. November 2004 kein Kostenersatz mehr gefordert werde und die Höhe des Kostenersatzes nach dieser Neuberechnung nunmehr nur noch in Höhe von 1.077,79 EUR neu festgesetzt werde. Im Übrigen werde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Am 29. Juli 2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.
Der Kläger trägt schriftlich vor, er halte die angefochtenen Bescheide für widersinnig. Er sei überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass die Vorsorgeleistungen seines Vaters Vermögen sein könnten. Sie seien ihm weder zugeflossen noch hätten reale Rückkaufswerte bestanden. Ferner sei seinem Altersverstand nicht begreiflich, wieso gerade Vorsorgeaufwendungen als sozialhilfeschädliches Einkommen angesehen würden. Diese Vorsorgeaufwendungen hätten ja die Aufgabe, ihn später von staatlichen Sozialleistungen unabhängig zu machen. Aus eigenen Mitteln hätte er keine Vorsorge treffen können. Außerdem diene speziell die Lebensversicherung auch der Absicherung seines Sohnes R ... Bei alledem sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Versicherungsleistungen um seine einzige Altersvorsorge handele. Eine Lebensversicherung könne zwar für einen ledigen jungen Mann noch warten, nicht aber für einen jungen Vater. Deshalb seien diese Versicherungsbeiträge nach Grund und Höhe angemessen und müssten deshalb als Schonvermögen anerkannt werden. Er sei kein Jurist, sondern ein junger Vater ohne eigenes Einkommen. Er sei gelernter Schreiner, der jetzt ein Fulltime-Studium zum Bauingenieur zu absolvieren habe und aus freien Stücken von seinen Eltern dabei unterstützt werde. Er habe nie grob fahrlässig gehandelt, sich wohl aber mehrfach an den Kopf gelangt und daher auch erst nach einigen Ermahnungen des Sozialamts die geforderten Auskünfte geliefert.
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 19. September 2007 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 01. Juli 2008 sowie den Kostenersatzbescheid des Beklagten vom 19. September 2007 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 01. Juli 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, vorliegend handele es sich bei den Beiträgen zu den Lebensversicherungen des Klägers weder um Beiträge, die gesetzlich vorgeschrieben seien, noch um geförderte Altersvorsorgebeiträge. Ferner seien die Beiträge auch weder dem Grunde noch der Höhe nach angemessen. Gerade bei Lebensversicherungen sei der Grundsatz zu berücksichtigen, dass es nicht zu den Aufgaben des Sozialstaats gehöre, dem Hilfeempfänger einen besseren Versicherungsschutz zu ermöglichen, als ihn der Gesetzgeber für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung als ausreichend ansehe. Sozialhilfe habe im Übrigen nicht die Aufgabe, eine Kapitalansammlung zu finanzieren. Dies müsse nach Auffassung der Beklagten erst recht auch für vom Vater des Klägers geleistete Beiträge gelten. Es sei in Anbetracht des noch jungen Alters des Klägers davon auszugehen, dass diesem in seinem künftigen Arbeitsleben noch genügend Gelegenheit verbleibe, eine ausreichende Altersvorsorge aus eigener Kraft aufzubauen. Bei der Eigenheimzulage für 2003 - der Kläger sei Eigentümer einer von ihm selbst bewohnten und von daher Schonvermögen darstellenden Eigentumswohnung - handele es sich ebenfalls um im Rahmen der Hilfegewährung zu berücksichtigendes Einkommen. Hätte die Beklagte zum Zeitpunkt der Hilfegewährung Kenntnis von den angeführten Vermögens- und Einkommenspositionen gehabt, hätte dies im Rahmen der Hilfeberechnung zu einer entsprechenden Absenkung des Leistungsanspruchs des Klägers geführt. Insbesondere wäre die erhaltene Eigenheimzulage auf einen Zeitraum von 12 Monaten anteilig als Einkommen aufzuteilen gewesen. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Er habe infolge der Verletzung seiner gesetzlichen Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten grob fahrlässig gehandelt. Er habe die erzielten Einnahmen weder bei seinem Sozialhilfeantrag deklariert noch während des folgenden Zeitraums des Hilfebezugs entsprechende Angaben nachgeholt. Er habe die Angaben vielmehr gänzlich verschwiegen. Teile ein Hilfeempfänger wesentliche Tatsachen nicht mit, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen sei und auch unmissverständlich über seine Pflicht belehrt worden sei, liege nach der Rechtsprechung in der Regel grobe Fahrlässigkeit vor. Die jeweils fehlerhafte Bewilligung der Sozialleistungen habe auch auf den unterlassenen Angaben des Klägers beruht. Hinsichtlich des Rücknahme- und Rückforderungsbescheids betreffend den Kläger persönlich gewährten Sozialhilfe habe die Beklagte auch das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Hinsichtlich des Kostenersatzanspruchs für den Sohn des Klägers und seine damalige Lebensgefährtin zu Unrecht erbrachte Sozialleistungen handele es sich um eine gebundene Verwaltungsentscheidung, die die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Kostenersatz nach § 104 SGB XII lägen im Fall des Klägers vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Behördenakten und den Inhalt der Prozessakte (S 4 SO 3352/08) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 19. September 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 01. Juli 2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die dem Kläger im Zeitraum zwischen November 2003 und Dezember 2004 bewilligte Sozialhilfe nach Maßgabe des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 01. Juli 2008 in Höhe von 1.335,80 EUR zu Recht zurückgenommen und zurückgefordert. Ebenso rechtmäßig hat die Beklagte den Kläger zum Kostenersatz für an seinen Sohn und seine damalige Lebensgefährtin im Zeitraum zwischen November 2003 und November 2004 in Höhe von 1.077,79 EUR herangezogen.
1. Die Beklagte stützt sich bei ihrem Forderungsbegehren in Sachen des Rücknahme- und Erstattungsbescheids auf § 50 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift können bereits erbrachte Leistungen dann zurückgefordert werden, wenn der der Leistungserbringung zugrunde liegende Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Denn der die Leistungspflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger konkretisierende Verwaltungsakt ist unmittelbar der Rechtsgrund für die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt und damit für das Behaltendürfen der Leistungen gewesen. Damit eine Rückforderung der Leistungen geltend gemacht werden kann, muss zunächst die Rechtsgrundlage für die Leistungsgewährung in rechtswirksamer Weise beseitigt werden.
Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nach dessen Unanfechtbarkeit ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 des § 45 SGB X zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur noch unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X aber nicht berufen, soweit
1. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 2. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Entscheidung über die rückwirkende Rücknahme ist durch das Merkmal "wird mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen" nicht binden vorgegeben. "Wird" bedeutet keine Verpflichtung zur Rücknahme, sodass die Beklagte Ermessen auszuüben hat (vgl. Schütze, in von Wulfen, SGB X, Kommentar, 2008, § 45 Rdnr. 79 m.w.N.).
Dem Kläger ist von der Beklagten auf seinen Antrag vom 07. November 2003 mit Bescheid vom 08. Januar 2004 für die Zeit ab November 2003 bis auf Weiteres laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährt worden, weil er seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus eigenem Einkommen und Vermögen, nicht hat sicherstellen können. Damit hat der Beklagte gegenüber dem Kläger einen begünstigenden Verwaltungsakt erlassen. Aufgrund dieses den Kläger begünstigenden Leistungsbescheids ist laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ganz überwiegend rechtswidrig geleistet worden, weil der Kläger gegenüber der Beklagten zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben zu seinem Einkommen im Bezugszeitraum gemacht hat. Zum Einkommen gehören nach § 82 Abs. 1 SGB XII (vormals bis zum 31. Dezember 2004: Inhaltsgleich geregelt in § 76 BSHG) alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB XII, des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Für die Frage, wie Geld und Geldeswert dem Einkommen zuzurechnen ist, ist regelmäßig der Zeitpunkt des Zuflusses entscheidend (vgl. BVerwGE 108, 296 und BVerwG, info also 2001, 220). Erfolgt der Zufluss im Bedarfszeitraum, ist er nach § 82 SGB XII i. V. m. der DCO zu § 82 SGB XII zu behandeln. Dabei ist unerheblich, ob Identität der Zweckbestimmung zwischen Einkünften und Bedarf vorliegt, und ob Identität des Bedarfszeitraums mit dem Zeitraum vorliegt, für den die Einkünfte bestimmt sind. Ohne Bedeutung ist schließlich die Form des Zuflusses (z.B. Sparkonto, Versicherungskonto, Girokonto, Bargeld). Einkommen sind ferner Zuflüsse aus Eigenheimzulagen (vgl. SHR Baden-Württemberg, Rn. 82.09).
Im Hinblick auf die vom Vater des Klägers geleisteten Beiträge für die Lebensversicherungen in monatlicher Höhe von 50,46 EUR bzw. 52,99 EUR für die ... und 49,85 EUR für die ... handelt es sich offenkundig um Einkünfte im Sinne von § 82 Abs. 1 SGB XII bzw. § 76 BSHG. Im Bedarfszeitraum sind dem Kläger monatlich laufende Geldeswerte von über 100 EUR auf die Versicherungskonten ( ... und ...) zugeflossen; außerdem hat er eine Einmalzahlung von über 1.200 EUR (Eigenheimzulage 2003, ausgezahlt 2004) erhalten, die auf zwölf Monate verteilt anzurechnen ist. Diese Geldeswerte und Zahlungen haben auch allein dem Kläger zugestanden.
Die ihm zustehenden regelmäßigen Versicherungsbeiträge hat der Kläger gegenüber der Beklagten verschwiegen, obgleich er in den Antragsformularen darüber belehrt worden war, wahre und vollständige Angaben insbesondere zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen und deren jeweiligen Änderungen zu machen und ihm die Merkblätter der Vorschriften über die Mitwirkungspflichten bei der Feststellung von Sozialleistungen ausgehändigt worden sind. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vom Kläger erhobene Einwendung, er habe zum Zeitpunkt der Beantragung und des Bezugs der Sozialhilfe keine Kenntnis von den von seinem Vater für ihn monatlich eingezahlten Lebensversicherungsbeiträgen gehabt, wertet das erkennende Gericht als nachträgliche Schutzbehauptung. Diese Einlassung ist unglaubhaft, vor allem weil sie im Widerspruch zu den bisherigen schriftlichen Einlassungen des Klägers steht, insbesondere zu den auf Bl. 1 seiner Klageschrift vom 24. Juli 2008 ("Ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass diese Vorsorgeleistungen meines Vaters Vermögen sein könnten.").
Der Kläger hat auf den Bestand des ihn größtenteils rechtswidrig begünstigenden Bewilligungsbescheids auch nicht vertrauen dürfen, weil er grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht und zudem auch Teilrechtswidrigkeit nur in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Grob fahrlässig handelt, wer objektiv und subjektiv die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders krasser Art und Weise außer Acht lässt. Das Bundessozialgericht fordert für die Annahme von grober Fahrlässigkeit in Fällen der Nichtbeachtung von Belehrungen der Verwaltung über Anzeigepflichten (BSG 42, 184) und der Unterlassung der Mitteilung entscheidungserheblicher Tatsachen (BSG a.a.O., 47, 28, 33; 47, 180, 182), dass der Leistungsempfänger unter Berücksichtigung seiner individuellen Urteils- und Kritikfähigkeit seine Sorgfaltspflicht in außergewöhnlich großem Maße, d.h. in einem das gewöhnliche Maß einer Fahrlässigkeit in erheblichen übersteigendem Ausmaß verletzt (vgl. Bundessozialgericht, Urt. vom 14. Juni 1984, RKg 21/83, HVInfo 1984, Nr. 15 10-17).
An diesem Maßstab orientiert, sieht das erkennende Gericht beim Kläger grobe Fahrlässigkeit im Hinblick auf das Verschweigen sowohl der vom Vater geleisteten Versicherungsbeiträge in monatlicher Höhe von jeweils über 100,- EUR als auch im Verschweigen der dem Kläger im Januar 2004 zugeflossenen Eigenheimzulage von über 1.200,- EUR als erfüllt an. Auf die angefochtenen Bescheide, insbesondere den Widerspruchsbescheid vom 01. Juli 2008 wird Bezug genommen.
Nachdem der Beklagten der Sachverhalt durch Abgleich der Wohngeldstelle im November 2006 bekannt geworden ist, hat sie den Kläger von der beabsichtigten Rücknahme und Rückforderung formgerecht nach § 24 SGB X angehört, ihm Fachfristen zur Vorlage der erforderlichen Unterlagen gewährt und sodann mit Bescheid vom 19. September 2007 - und damit innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X - den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid verfügt. Das Ermessen hat die Beklagte bei der Entscheidung über die Rücknahme beanstandungsfrei ausgeübt. Auf die zutreffenden und ausführlichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 01. Juli 2008 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG).
2. Auch der gegen den Kläger verfügte Kostenersatzbescheid vom 19. September 2007 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheids vom 01. Juli 2008 in Höhe von 1.077,79 EUR ist rechtlich in keiner Weise zu beanstanden. Nach § 104 SGB XII (vormals § 92a Abs. 4 BSHG) ist zum Ersatz der Kosten für zu Unrecht erbrachte Leistungen der Sozialhilfe in entsprechender Anwendung des § 103 SGB XII verpflichtet, wer die Leistungen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat. Zum Kostenersatz nach Satz 1 der Vorschrift und zur Erstattung derselben Kosten nach § 50 SGB X Verpflichtete haften dabei als Gesamtschuldner.
Nach § 103 Abs. 1 SGB XII ist zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres für sich oder andere durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten die Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe herbeigeführt hat. Zum Kostenersatz ist auch verpflichtet, wer als leistungsberechtigte Person oder als deren Vertreter die Rechtswidrigkeit des (der Leistung) zugrunde liegenden Verwaltungsakts gekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. (Von der) Heranziehung vom Kostenersatz kann abgesehen werden, soweit sie eine Härte bedeuten würde (§ 103 Abs. 1 Satz 3 SGB XII).
Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts durch grob fahrlässiges Verhalten die Gewährung von Sozialhilfe an sein unterhaltsberechtigtes Kind und seine damalige Lebensgefährtin herbeigeführt. Dies ist durch die Nichtanzeige vorhandenen Einkommens - Prämienzahlungen für zwei Lebensversicherungen in monatlicher Höhe von jeweils über 100,- EUR durch den Vater des Klägers und Verschweigen einer 2004 ausgezahlten Eigenheimzulage für das Jahr 2003 - geschehen. Die Beitragszahlungen sowie die erstattete Eigenheimzulage sind von der Beklagten zutreffend als Einkommen bewertet und bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt worden. Die abweichende Argumentation des Klägers verkennt, dass Sozialhilfe allein gegenwärtige Notlagenhilfe ist. Sozialhilfe dient nicht dazu, Altersvorsorgevermögen aufzubauen. Aus Mitteln der Sozialhilfe darf überhaupt kein Vermögen aufgebaut werden. Dementsprechend kann es auch nicht darum gehen, den Staat von einem auf der Tasche liegen des Klägers in ferner Zukunft durch die Ansparung von Altersvorsorgemitteln aus Mitteln der Sozialhilfe zu ersparen. Sozialhilfe hat allein die Aufgabe gegenwärtige Notlagen zu beseitigen. Dies hat die Beklagte im Zeitraum zwischen November 2003 und Dezember 2004 getan, weil sie von den Einkommensquellen des Klägers keine Kenntnis gehabt hat und der Kläger ihr diese Einkommensquellen grob fahrlässig verschwiegen hat. Auf die unter 1. dargelegten Ausführungen wird Bezug genommen.
Die Kostenersatzrückforderungsentscheidung ist eine gebundene Entscheidung. Der Kläger haftet für die seinem Sohn und seiner damaligen Lebensgefährtin erbrachten Sozialhilfeleistungen als Gesamtschuldner. Gründe dafür, von einem Kostenersatz aufgrund eines Härtefalls abzusehen vermag auch das Gericht nicht zu erkennen. Der Begriff der Härte, der als unbestimmter Rechtsbegriff nach § 103 Abs. 1 Satz 3 SGB XII der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt, erfordert eine Atypik, die es rechtfertigt, von der grundsätzlichen Verpflichtung zum Kostenersatz abzuweichen. Ein in diesem Sinne atypischer Sachverhalt ist nur gegeben, wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, die eine Heranziehung zum Kostenersatz auch mit Rücksicht auf den Gesetzeszweck, den Nachrang der Sozialhilfe wiederherzustellen, als unzumutbar und unbillig erscheinen lassen. Bloße ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse des Ersatzpflichtigen genügen jedoch nicht (vgl. näher Schoenfeld, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2. Auflage 2008, § 103 Nr. 18 m.w.N.). Eine solche Härtesituation vermag das Gericht beim Kläger ebenso wenig zu erkennen, wie die Beklagte dies getan hat. Der tatsächlichen Rückführung der gegen den Kläger zu Recht bestehenden Forderungen kann durch vorläufige Stundung und spätere Ratenzahlungsvereinbarung hinreichend Rechnung getragen werden. Auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid wird im Übrigen Bezug genommen (§ 136 Abs. 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Aus
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