S 4 VJ 6010/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 VJ 6010/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines wiederholenden Antrags nach § 109 Abs. 1 SGG
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten.

Die 1952 geborene Klägerin wurde am 28. Juli 2005 in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums ... nach einer Weichteilverletzung mit einem rostigen Nagel am Kopf gegen Tetanus geimpft. Sie erhielt dabei eine Simultanimpfung mit Td-Rix und Tetagam i. m.

Am 11. August 2005 wurde die Klägerin im Wege der Notfallmedizin im Kreiskrankenhaus ... behandelt. Dabei gab sie an, seit zwei bis drei Tagen an atemabhängigen Schmerzen linksthorakal zu leiden. Eine im Kreiskrankenhaus ... durchgeführte Thoraxaufnahme in zwei Ebenen förderte folgenden Befund zu Tage: Zwerchfell glatt begrenzt, Herz nicht vergrößert, keine Zeichen für Lungenstauungen, keine Ergüsse oder pneumonische Infiltrate, keinen Anhalt für einen Pneumothorax, geringe Aortenelongation im Bereich des Aortenbogens, oberes Mediastinum nicht verbreitert, Trachea mittelständig, Spondylose der Brustwirbelsäule.

Im Folgenden stellte sich die Klägerin am 9. und 16. Dezember 2005 sowie am 20. Januar 2006 im Robert-Bosch-Krankenhaus ..., ..., vor. Prof. Dr. diagnostizierte einen Verdacht auf stattgehabte Pleuritis im Juli 2005 bei Mitralinsuffizienz I. Hinweise auf einen Perikarderguss hätten sich nicht ergeben. In der retrospektiven Zusammenschau der Befunde, insbesondere aufgrund der EKG-Veränderungen vom 1. Juli 2005 sei am ehesten an eine Myokarditis zu denken, die nun im Abklingen sei.

Am 31. Januar 2006 stellte sich die Klägerin ambulant im Universitätsklinikum ..., Abteilung Innere Medizin VI, vor. Im Behandlungsbericht vom 17. Februar 2006 stellte Prof. Dr. folgende Diagnosen: Verdacht auf beginnenden systemischen Lupus erythematodes (Wolfsröte) sowie Verdacht auf rheumatoide Reaktion nach Tetanol/Tetagam-Impfung am 28. Juli 2005. Bei der Klägerin sei es nach einer Tetanol/Tetagam-Impfung zu Arthralgien und einer Pleuropericarditis gekommen. Letztere habe rezidiviert. Nach weiterer ambulanter Untersuchung der Klägerin am 9. März 2006 führte Prof. Dr ..., Universitätsklinikum ..., unter dem 13. April 2006 aus, die Klägerin leide an einer rezidivierenden Pleuropericarditis bei Verdacht auf beginnenden systemischen Lupus erythematodes bei Zustand nach rheumatoider Reaktion auf Tetanol/Tetagam-Impfung am 28. Juli 2005.

Am 24. April 2006 beantragte die Klägerin beim Beklagten, ihr Versorgung wegen Impfschäden nach dem Infektionsschutzgesetz zu gewähren. Daraufhin veranlasste der Beklagte eine versor-gungsärztliche Stellungnahme, die Dr. P. unter dem 24. Oktober 2006 erstattete. Darin führte Dr. P. aus, die zeitliche Zuordnung der Arthralgien sei wenig glaubhaft. Die Arthralgien seien überhaupt erst fünf Monate nach der Impfung anamnestisch und retrospektiv erwähnt worden. Außerdem habe es blutchemisch keine Hinweise für ein rheumatisches Geschehen gegeben. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Impfung am 28. Juli 2005 und dem beginnenden SLE sei nach allgemein-medizinischem Wissenstand nicht bekannt. Die bei der Klägerin zur Diskussion stehende linksthorakale Symptomatik, die 14 Tage nach der Impfung aufgetreten und im weiteren Verlauf zur Diagnose einer (fraglichen) Pleuropericarditis geführt habe, gehöre nach der Liste des Paul-Ehrlich-Instituts zu den selteneren Impfreaktionen. Das seltene Vorkommen dieser Impfreaktion lasse einen ursächlichen Zusammenhang fraglich erscheinen. Weiter spreche gegen einen Impfschaden, dass die Pleuropericarditis wahrscheinlich eines von drei Kriterien eines noch nicht ausdiagnostizieren systemischen Lupus erythematodes sei. Dementsprechend sei ein Impfschaden nach IfSG nicht zu befürworten.

Im Folgenden zog der Beklagte die Schwerbehindertenakte über die Klägerin bei. In der vom Landratsamt ... geführten Akte fand sich ein weiterer Behandlungsbericht des Universitäts-klinikums ... vom 24. Juli 2006, in dem Prof. Dr. bei der Klägerin eine weiter rezidivierende Pleuropericarditis bei Verdacht auf beginnendem SLE mit jetzt vier ACR-Kriterien diagnostizierte: Arthralgien, ANA, Pleuropericarditis und Sonnenempfindlichkeit. Mit dem jetzt aufgetretenen Sonnenexanthem erfülle die Klägerin vier ACR-Kriterien für die Diagnose eines SLE. Das Landratsamt ... stellte daraufhin mit Abhilfebescheid vom 12. September 2006 den GdB der Klägerin für die Zeit ab dem 28. Juli 2006 mit 50 fest. Dem legte es folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: Kollagenose und systemischer Lupus erythematodes.

Mit weiterer versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 30. Januar 2007 führte Dr. P. sodann aus, der dokumentierte Krankheitsverlauf zeige nunmehr weitere Symptome, die zu einer zunehmenden Manifestation des Lupus erythematodes führten. Retrospektiv sei davon auszugehen, dass die Krankheitserscheinungen wie Pleuropericarditis, Arthralgien, Sonnenempfindlichkeit und entzündliche Blutbildveränderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Krankheitsbild Lupus erythematodes zuzuordnen seien und nicht der stattgehabten Tetanusschutzimpfung. Dass die Symptome des SLE die in kurzem zeitlichen Abstand nach der Tetanusimpfung aufgetreten seien, sei rein zufällig. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den vorgenannten Symptomen und der Tetanusimpfung könne nach allgemeinen medizinisch und wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht hergestellt werden.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2007 lehnte das Landratsamt ... den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem IfSG ab. Zur Begründung hieß es unter Berücksichtigung des dokumentierten Krankheitsverlaufs sei davon auszugehen, dass die Krank-heitserscheinungen wie Pleuropericarditis, Arthralgien, Sonnenempfindlichkeit und entzündliche Blutbildveränderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Krankheitsbild eines systemischen Lupus erythematodes zuzuordnen seien und nicht der stattgehabten Tetanus-schutzimpfung.

Den dagegen am 9. Juli 2007 erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium ... - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2007 als unbegründet zurück.

Am 17. Dezember 2007 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erheben lassen.

Die Klägerin ist weiter der Auffassung in der Folge einer am 28. Juli 2005 im Klinikum ... erfolgten Tetanusimpfung an entschädigungspflichtigen Gesundheitsstörungen zu leiden. Am 11. August 2005 habe sie sich wegen damals seit zwei bis drei Tagen bestehender linksseitiger atemabhängiger Schmerzen in die notfallmäßige stationäre Behandlung ins Kreiskrankenhaus ... begeben müssen. Der Sachverhalt sei weiter aufzuklären.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Landratsamts ... vom 26. Juni 2007 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids des Regierungspräsidiums ... - Landesversorgungsamt - vom 22. November 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten (IfSG) aufgrund einer am 28. Juli 2005 erfolgten Tetanusschutzimpfung in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat zunächst die die Klägerin behandelnden Ärzte im Wege schriftlicher sachver-ständiger Aussagen vernommen.

Der Internist und Rheumatologe Prof. Dr. L., ..., hat dem Gericht unter dem 9. Mai 2008 mitgeteilt, die Klägerin habe sich bei ihm erstmals auf Veranlassung des Amtsärztlichen Dienstes ... am 13. September 2007 vorgestellt. Am 19. Februar 2008 habe eine Kontrolluntersuchung stattgefunden. Nach den medizinischen Unterlagen habe sich bei der Klägerin im Anschluss an eine Tetanusimpfung ein schwerwiegendes Krankheitsbild mit starker Lymphknotenschwellung, Schmerzhaftigkeit in großen und kleinen Gelenken und Schmerzen in der linken unteren Thoraxregion entwickelt. Die daraufhin von Prof. Dr. P., Uniklinikum ... gestellte Diagnose eines systemischen Lupus erythematodes könne er sich nicht anschließen. Diese Erkrankung gehe, insbesondere bei derartig aktiver Verlaufsform, mit klassisch immunologischen Werten hochtitrigen Autoantikörpern und einem Verbrauch der Komplement-Kaskade einher. Die erhobenen laborchemischen Untersuchungen hätten aber keine Auffälligkeiten im Bereich dieser serologischen Parameter ergeben. Dementsprechend sei ein SLE nicht nachweisbar. Bei der Klägerin bestehe vielmehr eine rheumatologisch-immunologische Erkrankung, die zumindest für den Zeitraum zwischen Juli 2005 und Sommer 2007 als sehr schwer einzuordnen sei. Diese rheumatologisch-immunologische Erkran-kung stehe nach seiner Überzeugung in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Tetanusimpfung im Juli 2005.

Der Internist und Hausarzt Dr. St., ..., hat dem Gericht unter dem 19. Mai 2008 berichtet, die Klägerin seit Dezember 2000 hausärztlich zu betreuen. Sie sei im Zeitraum seit Juli 2005 zunächst im Krankenhaus ... und sodann im Krankenhaus ... behandelt worden. Er selbst habe sie ab dem 12. August 2005 aufgrund von Brustbeschwerden und Stenokardien behandelt. Im weiteren Verlauf sei eine Pleuritis mit Pleuraerguss sowie eine Pericarditis und eine Myocarditis diagnostiziert worden. Aufgrund von zusätzlich bestehenden Arthralgien und Sonnenempfindlichkeit bestehe bei laborchemisch nachgewiesenen antinuklären Antikörpern vier der sogenannten ACR-Kriterien für einen systemischen Lupus erythematodes. Anamnestisch bestehe ein eindeutiger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Tetanusimpfung und der Erkrankung der Patientin, die zuvor niemals über ähnliche Beschwerden geklagt habe. Bei der Tetanusimpfung sei auch keine reine Tetanusauffrischung mit einem Tetanusadsorbatimpfstoff, sondern simultan zusätzlich zu dieser Adsorbatimpfung die Injektion von Tetagam durchgeführt worden, das menschliche Eiweiße aus einem großen Pool von Blut- und Plasmaspendern enthalte. Der aktuelle Bericht über die Behandlung der Klägerin im Universitätsklinikum ... vom 4. April 2007 (Prof. Dr. P.) werde beige-fügt.

Im Folgenden hat die Klägerin das von dem Chirurgen Dr. S. für die Bayerische Beamtenver-sicherung erstattete freie unfallchirurgisch/orthopädische Gutenachten vom 29. März 2007 vorgelegt. Darin hat Dr. S. einen Zusammenhang zwischen der stattgehabten Tetanusimpfung und dem Krankheitsbild der Klägerin auf internistisch-rheumatologischem Fachgebiet aus chirurgisch/orthopädischer Sicht verneint. Gleichzeitig hat Dr. S. aber darauf hingewiesen, eine internistisch-rheumatologische Begutachtung für erforderlich zu halten.

Der Beklagte hat mit versorgungsärztlicher Stellungnahme von Dr. G. vom 26. August 2008 Stellung genommen. Darin verneint Dr. G. abermals einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen der Klägerin und der Tetanusschutzimpfung.

Im Weiteren Verlauf ist die Klägerin auf Veranlassung der Bayerischen Versicherung durch den sie (mit-)behandelnden Internisten und Rheumatologen Prof. Dr. L., ..., ambulant gutachtlich untersucht worden (Gutachten vom 26. November 2008). Darin führt Prof. Dr. L. aus, das schwere, teils lebensbedrohliche Krankheitsbild der Klägerin entspreche nach dem klinischen Bild durchaus einem akuten Schub eines systemischen Lupus erythematodes. Der schlussendliche Beleg dieser Erkrankung sei jedoch zu keinem Zeitpunkt der langjährigen Verlaufsbeobachtung gelungen. Insbesondere seien Antikörper gegen ds-DNA nachzuweisen gewesen. Aus seiner Sicht handele es sich deshalb bei der Klägerin nicht um einen systemischen Lupus erythematodes. Die Klägerin, bei der seit 1993 eine nachgewiesene Allergie gegenüber Wespen- und Hornissenstichen bekannt sei, leide vielmehr an einem rheumatologisch immunologischen Krankheitsbild, das auf die klinisch notwendige Tetanusimpfung vom 28. Juli 2005 zurückzuführen sei. Bei der Klägerin habe sich eine latente Virusinfektion durch die Aktivierung des Immunsystems in ihrer immunologischen Reaktivität "vitalisiert". Aufgrund der allgemeinen Aktivierung des Immunsystems durch den Impfvorgang sei es dann zu einer Überreaktion gekommen. Dafür sei insbesondere die Kombinationsimpfung verantwortlich zu machen, die bei der Klägerin durchgeführt worden sei.

Im Folgenden hat die Klägerin einen weiteren Befundbericht des behandelnden Hausarztes Dr. St. vom 11. Mai 2009 vorgelegt.

Daraufhin hat sich der Beklagte abermals mit versorgungsärztlicher Stellungnahme von Dr. G. vom 19. Juni 2009 geäußert. Dr. G. hält weiter die diagnostische Einschätzung der Universitätsklinik ... für viel wahrscheinlicher als die Annahmen von Prof. Dr. L ... Hinsichtlich der Einschätzung von Prof. Dr. L., es sei zu einer viralen Erkrankung gekommen, sei nach Aktenlage darauf hinzuweisen, dass eine klinisch relevante Immunsuppresion durch die Impfung nicht belegt sei.

Nunmehr hat das Gericht die ambulante gutachtliche Untersuchung der Klägerin durch PD Dr. J., Universitätsklinikum ..., ..., veranlasst. Im am 13. Juli 2010 bei Gericht eingegangenen Gutachten führt PD Dr. J. aus, die Diagnose einer rheumatischen/autoimmunen Erkrankung oder eines SLE sei nicht stellbar. Insbesondere die Tatsache, dass es unter Absetzen jeglicher immunsuppressiver Therapie zu einer kontinuierlichen Besserung der Beschwerden gekommen sei, die auch gegenwärtig noch anhalte, spreche gegen eine Autoimmunerkrankung. Die sogenannten "Schübe" ließen sich keinem autoimmunen und auch keinem infektiösem Krankheitsbild zuordnen, sondern seien am ehesten in den reaktiv psychosomatischen Beschwerdekreis einzuordnen. Die Klägerin bestätige, dass durch die lange Phase der erfolglosen Diagnosefindung und eine intensive Beschäftigung mit dem Krankheitsbild des systemischen Lupus erythematodes starke Ängste und Befürchtungen bei ihr ausgelöst worden seien, die bei leichten körperlichen Beschwerden wieder voll reaktiviert würden. Insbesondere die Schilderung der Symptomatik mit starken Angstgefühlen ließe eine psychosomatische Ursache der momentan noch bestehenden Beschwerden wahrscheinlich erscheinen. Eine anhaltende gesundheitliche Folgeschädigung, ausgelöst durch die Tetanusimpfung liege aller Wahrscheinlichkeit nicht vor. Zwar könnte die geschilderte Schwellung des Armes nach der Impfung als Impfreaktion diskutiert werden. Eine solche lokale Reaktion auf eine Tetanusimpfung (Rötung, Schwellung, Lymphknotenschwellung) sei aber lediglich als Impfreaktion zu bewerten. Diese habe keinen Krankheitswert und sei nicht als Impfkomplikation oder Impffolgeschaden zu bewerten. Da nach hinreichender Wahrscheinlichkeit kein Impf- oder Impffolgeschaden vorliege, könne auch kein GdS vorgeschlagen werden. Die Theorie einer Reaktivierung oder Chronifizierung einer Virusinfektion durch die Tetanusimpfung als Ursache der Erkrankung, die Prof. Dr. L. diskutiere, sei weder theoretisch noch im Hinblick auf klinische Erfahrungen oder mit wissenschaftlichen Studien nachzuvollziehen.

Die Klägerin hat daraufhin eine wahlärztliche ambulante gutachtliche Untersuchung durch den sie behandelnden Arzt Prof. Dr. L., ..., angeregt und beantragt. Gleichzeitig hat sie sich unter Vorlage einer Stellungnahme zum Gutachten von PD Dr. J.durch ihren Hausarzt Dr. St. vom 8. Oktober 2010 geäußert. Hierauf wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die dem Gericht vorliegenden Behördenakten (Schwerbehindertenakte und Versorgungsakte) sowie die Prozessakte (S 4 VJ 6010/07) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Bescheid des Landratsamts ... vom 26. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums ... - Landesversorgungsamt - vom 22. November 2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz.

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erhält derjenige, der durch eine Schutzimpfung oder eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen oder aufgrund dieses Gesetzes angeordnet wurde oder gesetzlich vorgeschrieben war oder aufgrund der Verordnung zur Ausführung der internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

Die rechtliche Beurteilung einer Verursachung des eingetretenen Schadens durch die Schutzimpfung richtet sich nach der versorgungsrechtlichen Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung. Sie gilt auch im Recht der Impfschadenentschädigung (vgl. nur Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juli 2006, L 8 VJ 847/04, JURIS Rn. 34 und Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Juni 2007, L 4 VJ 3/04, JURIS Rn. 27 f.). Eine Ursache ist dann wesentlich, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs im Verhältnis zu den übrigen Umständen mindestens annähernd gleichwertig ist (ständige Rechtsprechung seit BSGE 1, 72, 76). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Impfung und dem Gesundheitsschaden voraus und in einem zweiten wertenden Schritt, dass die Impfung für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st.Rspr.: BSGE 1, 72, 76; 1, 150, 156 f; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 13). Gab es neben der Impfung noch konkurrierende Ursachen, z.B. Krankheitsanlagen, so war die Impfung wesentlich, solange die konkurrierende Ursache nicht von überragender Bedeutung war (vgl. BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO, SozR Nr. 69 zu § 542 RVO a.F.). Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte ( BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10 S 30). War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (so BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 15 und BSG, Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 18/00 R, HVBG-Info 2001, 1713-1720 zum Recht der gesetzlichen Unfallversicherung).

An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, teilt das Gericht aufgrund eigener Überzeugungsbildung die Folgerungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen PD Dr. J. im Gutachten vom 13. Juli 2010. Danach ist eine retrospektive Diagnosestellung im zeitlichen Zusammenhang mit den im Rahmen der Tetanusimpfung der Klägerin am 28. Juli 2005 aufgetretenen Gesundheitsstörungen nach den in sich folgerichtigen und schlüssigen Feststellungen des Gerichtsgutachters PD Dr. J. nicht möglich. Darauf kommt es aber auch nicht entscheidungserheblich an. Als Folge der Tetanusimpfung der Klägerin ist für das Gericht nämlich allein eine lokale Reaktion durch Rötung, Schwellung und Lymphknotenschwellung glaubhaft gemacht. Eine solche lokale Reaktion hat aber keinen Krankheitswert und ist nicht als Impfkomplikation oder als Impf- oder Impffolgeschaden zu bewerten. Dementsprechend liegt eine durch die Impfung ausgelöste anhaltende Gesundheitsfolgeschädigung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vor. Da nach hinreichender Wahrscheinlichkeit kein Impf- oder Impffolgeschaden vorliegt, ist auch kein GdS vorzuschlagen.

Die von der Klägerin behauptete Fehlerhaftigkeit von Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen PD Dr. J. ist dem Gericht nicht nachvollziehbar. Soweit sich die Klägerin dazu auf die aktuellste Stellungnahme ihres Hausarztes Dr. St., vom 8. Oktober 2010, bezieht, ist das Folgende anzumerken: Wenn Dr. St. nunmehr ausführt, bei der Klägerin sei es direkt im Anschluss an die Tetanuskombinationsimpfung am 28. Juli 2005 zu einer Pleuritis mit Pleuraerguss sowie einer Pericarditis und eine Myocarditis gekommen, so setzt er sich hiermit in Widerspruch zu seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 19. Mai 2008. In dieser Zeugenaussage vom 19. Mai 2008 hat Dr. St. nämlich noch ausgeführt, dass er die Klägerin erst ab dem 12. August 2008 wegen thorakaler Beschwerden und Atemnot behandelt habe und dann erst im weiteren Verlauf eine Pleuritis mit Pleuraerguss sowie eine Pericarditis und eine Myocarditis diagnostiziert habe werden können. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist dem Gericht, wenn Dr. St. unter dem 8. Oktober 2010 nunmehr davon spricht, bei der Klägerin seien bereits einen Tag nach der Impfung lokale Beschwerden am linken Arm aufgetreten, die zwei Tage nach der Impfung um linksthorakale Beschwerden und Atemnot gesteigert worden seien. Hier stellt sich für das Gericht die Frage, auf welcher objektiven Datengrundlage Dr. St. diese Befunde gesichert hat. In seiner Zeugenaussage vom 19. Mai 2008 hat Dr. St. noch ausgeführt, die Klägerin wegen dieser Beschwerden erst ab dem 12. August 2005 - also 16 Tage nach dem hier angeschuldigten Impfereignis vom 28. Juli 2005 - behandelt zu haben.

Der beantragten wahlärztlichen Begutachtung der Klägerin durch Prof. Dr. L. gemäß § 109 Abs. 1 SGG ist nicht nachzugehen gewesen. Prof. Dr. L.hat sich im vorliegenden Rechtsstreit bereits wiederholt und mittelbar geäußert. Zunächst liegt eine Stellungnahme als sachverständiger Zeuge vom 9. Mai 2008 vor. Darüber hinaus hat die Klägerin das von Prof. Dr. L. gegenüber der Bayerischen Beamtenversicherung unter dem 26. November 2008 nach ambulanter Untersuchung erstattete Sachverständigengutachten in das vorliegende Verfahren eingeführt. Darin setzt sich Prof. Dr. L. eingehend mit der möglichen Ursächlichkeit der Tetanusschutzimpfung im Hinblick auf die Folgeerkrankungen der Klägerin auseinander. Dementsprechend erachtet das erkennende Gericht den Antrag der Klägerin auf wahlärztliche Untersuchung und Begutachtung durch Prof. Dr. L. als sogenannten wiederholenden Antrag im Sinne von § 109 Abs. 1 SGG. Einem solchen wiederholenden Antrag muss nach ständiger Rechtsprechung nur entsprochen werden, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen (vgl. näher Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2008, § 109 Rn. 10b m. w. N. der Rspr.). Ein besonderer Umstand, der die wiederholte Anhörung desselben Gutachters rechtfertigt, kann z. B. darin liegen, dass sich der Gutachter zu bestimmten entscheidungserheblichen Fragen nicht oder nur unvollständig geäußert hat oder sich zusätzliche rechtserhebliche Tatsachen ergeben haben, aus denen Gesundheitsstörungen entstanden sind, zu denen eine Stellungnahme erforderlich ist. Daran fehlt es vorliegend. Insbesondere das im Nachgang von PD Dr. J. ergangene Gutachten vom 13. Juli 2010 macht eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. L. schon deshalb entbehrlich, weil PD Dr. J. nicht in den Diagnosenstreit zwischen Prof. Dr. L. einerseits und Prof. Dr. P. (Universitätsklinikum ...) andererseits eintritt.

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin beruht auf § 193 SGG.

Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Rechtskraft
Aus
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