Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 4114/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird in der Vergangenheit auf den Bedarf angerechnetes Einkommen (hier: Existenzgründungszuschuss) zurückgefordert, besteht kein Anspruch auf nachträglich höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere nicht auf Rücknahme oder Aufhebung der ergangenen Bewilligungsbescheide nach § 44 oder § 48 SGB X. Dies gilt auch dann, wenn für das angerechnete Einkommen und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dieselbe Behörde zuständig ist.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die nachträgliche Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhalts nach dem SGB II wegen der Rückforderung auf seinen Bedarf angerechneten Einkommens.
Seit 2005 wurden ihm und den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt, auf die u.a. ein seit dem 01.06.2005 gewährter Existenzgründungszuschuss angerechnet wurde.
Mit Bescheid vom 04.04.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.06.2007 und 25.08.2008 wurden dem Kläger 287,59 EUR für Mai 2007, 331,70 EUR für Juni 2007 und monatlich 332,76 EUR von Juli bis Oktober 2007 bewilligt. Mit Bescheid vom 29.10.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31.01.2008, 14.03.2008 und 25.08.2008 wurden dem Kläger 200,44 EUR für November 2007, 10,66 EUR für Dezember 2007, 11,49 EUR für Januar 2008 und 0 EUR von Februar bis April 2008 bewilligt.
Mit Bescheid vom 22.05.2007 bewilligte die Beklagte die Weitergewährung des Existenz-gründungszuschusses nach § 421l SGB III vom 01.06.2007 bis 31.05.2008 in Höhe von monatlich 240 EUR. Mit Bescheid vom 11.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2008 hob sie den Bescheid ab dem 15.10.2007 wegen Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auf und machte die Erstattung des vom 15.10.2007 bis 29.02.2008 gezahlten Zuschusses in Höhe von 1.088 EUR geltend. Ein Antrag auf Überprüfung dieser Rückforderung hatte weder im Verwaltungsverfahren (Bescheid vom 25.02.2009 und Widerspruchsbescheid vom 07.04.2009) noch im gerichtlichen Verfahren Erfolg, der Kläger nahm seine Klage (S 16 AL 1986/09) zurück.
Mit Schreiben vom 18.03.2008 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bescheide über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 26.10.2005, 04.04.2006, 20.09.2006, 04.04.2007 und 29.10.2007 nach § 44 SGB X.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14.01.2009 ab. Weder sei das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden, da es sich bei dem Einkommen aus Existenzgründungszuschuss um zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11 SGB II handele.
Der Kläger legte am 21.01.2009 Widerspruch ein, den er damit begründete, dass das Geld angerechnet worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2009 zurück. Es sei nichts vorgebracht worden für die Unrichtigkeit der Entscheidung noch ergäben sich sonst neue Erkenntnisse dafür.
Der Kläger hat durch seinen Prozessbevollmächtigten am 17.09.2009 Klage beim SG Karlsruhe erhoben. Es sei zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen im Widerspruchsbescheid vom 17.06.2008 der Existenzgründungszuschuss zu Unrecht bewilligt worden sei. Zu Unrecht bewilligte Leistungen könnten bei der Berechnung der Leistungshöhe zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht herangezogen werden. Sofern sich dies erst zu einem späteren Zeitpunkt herausstelle, sei eine Rückabwicklung gemäß § 44 SGB X zwingend erforderlich. Es sei widersinnig, wenn er gewissermaßen doppelt durch den Existenzgründungszuschuss belastet würde, einerseits wegen dessen Rückforderung, andererseits wegen dessen Anrechnung. Er sei durch eine entsprechende Nachzahlung der Beklagten, zumindest zum großen Teil, zu erstatten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14.01.2009 in Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 03.09.2009 zu verpflichten, den Bewilligungsbescheid vom 04.04.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.06.2007 und 25.08.2008 sowie den Bewilligungsbescheid vom 29.10.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31.01.2008, 14.03.2008 und 25.08.2008 zurückzunehmen, und zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Rückforderung stelle keinen neuen Sachverhalt dar. Das Geld habe dem Kläger faktisch zur Bestreitung seines Lebensunterhalts und zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit zur Verfügung gestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die zum Teil (Bände IV und V, Seiten 782 bis 968) beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 18.05.2010, B 7 AL 49/08 R) zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Rücknahme ergangener Bewilligungsbescheide.
Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 44 SGB X (i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 1 SGB III). Nach dessen Abs. 1 Satz 1 ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Vom Kläger geltend gemacht und allein als erörterungsbedürftig ersichtlich sind die Auswirkungen der Bewilligung und späteren Rückforderung des Existenzgründungszuschusses nach § 421l SGB III. Dieser ist bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 06.12.2007, B 14/7b AS 16/06 R), was vom Kläger im Grundsatz auch nicht bestritten wird.
Unabhängig davon, dass die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses nicht von Anfang an rechtswidrig gewesen, sondern sie nur wegen der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aufgehoben worden ist, wäre selbst bei einer materiell zu Unrecht erfolgten Bewilligung die Anrechnung rechtmäßig und das Recht von der Beklagten nicht – bei Erlass des zu überprüfenden Bescheids als im Rahmen des § 44 SGB X maßgeblichem Zeitpunkt (Schütze in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 44 Rn. 5 und 9) – "unrichtig angewandt" worden. Dies ist Folge der Bindungswirkung des § 77 SGG. Danach ist (vorbehaltlich einer hier nicht ersichtlichen anderweitigen Regelung) ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, wenn der gegen ihn gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Unabhängig davon, ob man zwischen der Beklagten in ihrer Eigenschaft als SGB-II-Leistungsträgerin und als für den Existenzgründungszuschuss zuständigen Behörde differenziert, ist sie "beteiligt" im Sinne von § 77 SGG. Dies sind nicht stets nur die den Verwaltungsakt erlassende Behörde und sein Adressat, sondern "vielmehr jeder, den ‚die Sache‘, die durch den Verwaltungsakt geregelt wird, unmittelbar betrifft, dh in dessen Rechtssphäre der Verwaltungsakt eingreift. Unbeschadet dessen, ob der Verwaltungsakt ausdrücklich an sie gerichtet worden ist, sind alle der Sache nach davon Betroffenen Beteiligte im Sinne des § 77 SGG" (BSG, Urteil vom 01.07.1985, 1 RA 35/84, zitiert nach juris). In diesem Sinne betroffen ist die Beklagte auch in ihrer Eigenschaft als SGB-II-Leistungsträgerin, da die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses für ihre Entscheidung (infolge der Anrechenbarkeit als Einkommen) von Bedeutung ist. Andernfalls wäre die Beklagte gehalten, stets die Rechtsgültigkeit einer Einkommenserzielung zu prüfen, um das Recht "richtig anzuwenden". Ein solches Erfordernis könnte nicht nur für andere durch Verwaltungsakt bewilligte Leistungen gelten, sondern müsste sich auf sämtliche Einnahmen, z.B. auch aus rein privaten Beschäftigungsverhältnissen beziehen. Ein derartiger Prüfungsauftrag – etwa gerichtet auf die Rechtmäßigkeit von Arbeitsvergütung – ist der Beklagten nach Auffassung der Kammer nicht zuzumuten.
Die Beklagte ist insoweit auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Dies beurteilt sich im Vergleich der Sachlage, wie sie dem zu überprüfenden Verwaltungsakt zu Grunde gelegt worden ist, und wie sie sich bei seinem Erlass bei nachträglicher Betrachtung im Zeitpunkt der Überprüfung rückschauend tatsächlich darstellt (Schütze, aaO, Rn. 6). Bei Erlass der beiden zu überprüfenden Bewilligungsbescheide vom 04.04.2007 und 29.10.2007 (in der Fassung der jeweiligen Änderungsbescheide) ist dem Kläger ein Existenzgründungszuschuss bewilligt gewesen und zunächst auch entsprechend zugeflossen. Diese Annahme stellt sich auch nicht bei nachträglicher Betrachtung als unzutreffend heraus. Die Aufhebung der Bewilligung des Existenzgründungszuschusses und seine Rückforderung können allenfalls zu einer nachträglichen, unter Umständen auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkenden Rechtswidrigkeit der beiden Bewilligungsbescheide geführt haben. In einem solchen Fall kann eine Korrektur aber nicht nach § 44 SGB X, sondern allenfalls nach § 48 SGB X erfolgen (Schütze, aaO, Rn. 9; vgl. BSG, Urteil vom 03.10.1989, 10 RKg 7/89: "Die Vorschriften der §§ 44 und 45 SGB X regeln die Rücknahme von Verwaltungsakten, die von Anfang an rechtswidrig sind, also bereits bei ihrem Erlaß nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmen ... § 48 SGB X will dagegen die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten ermöglichen, die zwar zunächst rechtmäßig sind, also der materiellen Rechtslage entsprechen, aber wegen einer nach ihrem Erlaß eintretenden Änderung der Sach- oder Rechtslage im Widerspruch zu dem (dann) geltenden Recht stehen".).
Aber auch § 48 SGB X stützt das Begehren des Klägers nicht. Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X (i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III) ist ein solcher Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit die unter Nr. 1 bis 4 beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind. In Betracht kommt allein Satz 2 Nr. 1 wegen Änderung zugunsten des Betroffenen, während Satz 1 das Begehren des Klägers schon deshalb nicht stützen kann, da er nur eine Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft ermöglicht, so dass schon aus diesem Grund weder der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11.03.2008 noch eine spätere Rückzahlung des Existenzgründungszuschusses Auswirkungen haben können für die Bewilligungsbescheide vom 04.04.2007 und 29.10.2007.
Es fehlt jedoch an einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse. Insoweit ist zu prüfen, ob "eine Änderung in den rechtlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung eingetreten ist, so daß ein solcher Bewilligungsbescheid nunmehr - also im Gegensatz zum früheren Rechtszustand - nicht mehr erlassen werden dürfte" (BSG, aaO).
Dies ist nicht der Fall, die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses wäre weiterhin zu Recht erfolgt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Für die Berechnung des Einkommens aus Einnahmen aus Sozialleistungen ist nach § 4 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (sowohl in der bis 31.12.2007 als auch in der danach gültigen Fassung) § 2 der Verordnung entsprechend anzuwenden, nach dessen Abs. 2 Satz 1 laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen. Die Kammer schließt sich der Einschätzung der Beklagten an, dass unabhängig von der Bewilligung eines Existenzgründungszuschusses allein seine tatsächliche Gewährung von Bedeutung ist für die Frage, ob er bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Einkommen zu berücksichtigen ist. Bereits die faktische Zurverfügungstellung ermöglicht die Bedarfsdeckung und die Sicherung des Lebensunterhalts. Diese für die Bewilligungsbescheide vom 04.04.2007 und 29.10.2007 (in der Fassung der jeweiligen Änderungsbescheide) allein maßgebliche Verfügungsmöglichkeit ist auch nicht nachträglich entfallen. Unabhängig davon, dass der Kläger den Betrag von 1.088 EUR noch nicht erstattet hat – die Stundung der Erstattungsforderung ist ihm im Verfahren S 16 AL 1986/09 zugesagt worden –, änderte eine Erstattung nichts daran, dass der Kläger im Überprüfungszeitraum auf den Zuschuss hat zurückgreifen können. Das Gericht hält im Übrigen an seiner Einschätzung fest, dass eine andere als faktische Betrachtung, d.h. eine Verpflichtung zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Einnahmezuflusses, von der Beklagten nicht erwartet werden kann.
Andere Rechtsgrundlagen für das Begehren des Klägers sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann ein Anspruch auf nachträglich höhere Leistungen nicht losgelöst von der Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 04.04.2007 und 29.10.2007 (in der Fassung der jeweiligen Ände-rungsbescheide) auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch oder den gemäß § 202 SGG, § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ebenfalls zu prüfenden § 812 BGB gestützt werden. Im Verfahren S 13 AS 5629/09 hat der dortige Kläger (allerdings nach Erstattung der anderweitig zurückgeforderten Leistung) ein ähnliches Begehren wie hier verfolgt mit der Begründung, dass die dortige Beklagte zu Unrecht "Ausgaben ‚erspart‘" habe und daher entsprechende Bereicherungs- bzw. Erstattungsansprüche bestünden. Die Kammer hat dazu mit Gerichtsbescheid vom 09.09.2010 unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.05.1987 (7 RAr 62/85) entschieden, dass sich die Bindungswirkung von Bewilligungsbescheiden (hier: vom 04.04.2007 und 29.10.2007 in der Fassung der jeweiligen Änderungsbescheide) nicht nur beschränkt auf die in ihnen geregelte Leistung selbst und auch nicht nur als Rechtsgrund für das Behaltendürfen der darauf gezahlten Leistungen Bestand hat. Vielmehr hat sie zur Folge, dass die durch einen Bewilligungsbescheid getroffene Regelung unabhängig von seinen rechtlichen Voraussetzungen und einem ihm anhaftenden Rechtsmangel grundsätzlich Bestand hat und ihrem materiellen Gehalt nach verbindlich ist, so dass – solange die erwähnten Bewilligungsbescheide Bestand haben – verbindlich geregelt ist, in welcher Höhe Leistungen zustehen, eine "Ersparung" von Ausgaben daher mit Rechtsgrund erfolgt ist, der bis zur (wie dargelegt nicht nach § 44 oder § 48 SGB X zu beanspruchenden) Aufhebung oder Abänderung der Bewilligungsbescheide fortbesteht. Das Gericht hält an dieser Auffassung fest.
Es verkennt nicht die Härte dieses Ergebnisses für den Kläger. Insoweit muss jedoch berücksichtigt werden, dass jemand, der über seinen Bedarf voll deckendes Einkommen verfügt hat, ohne daneben noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu beziehen, im Falle einer Rückzahlung jenes Einkommens (etwa, weil andere Sozialleistungen zurückgefordert worden sind), auch nicht die Möglichkeit hat, nunmehr rückwirkend zur Milderung der Folgen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu beziehen. Einem entsprechendem Begehren stünde entgegen, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zwar steht das Antragserfordernis einem Erfolg der Klage nicht entgegen. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum der Kläger das Risiko, rechtswidrig oder (nachträglich) rechtsgrundlos Einkommen bezogen zu haben, durch nachträgliche Leistungen der Beklagten soll mildern können und besser dastehen soll als jemand, der zum Zeitpunkt der Einkommenserzielung gar keine (ergänzenden) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen hat. Das Risiko, dass anderweitig erzieltes Einkommen zurückgefordert wird, verbleibt daher beim Einkommens-bezieher und kann nicht auf die Beklagte abgewälzt werden. Ein Schutz der Interessen des Klägers ist im Übrigen ausreichend gewährleistet (gewesen) durch die einschränkenden Voraussetzungen, die bei einer Aufhebung von begünstigenden Verwaltungsakten erfüllt sein müssen. Insoweit werden im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11.03.2008 jedoch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X bejaht. Der Kläger hätte insoweit auch die Möglichkeit gehabt, die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sogleich mitzuteilen, mit der Folge, dass sogleich die Zahlung des Existenzgründungszuschusses eingestellt worden wäre oder er jedenfalls nicht mehr für die Vergangenheit hätte zurückgefordert werden können, da § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X dann nicht erfüllt gewesen wäre. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass dieselbe Behörde für die Gewährung des Existenzgründungszuschusses und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuständig gewesen ist. Die Anrechenbarkeit von Einkommen und die (Nicht-)Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 44 ff. SGB X sind unabhängig von derartigen "Zufälligkeiten" zu würdigen. Es handelt sich um verschiedene, rechtlich eigenständig zu würdigende Leistungen. Auch die Verrechnung des Existenzgründungszuschusses, auf die der Kläger hingewiesen hat, ändert daran nichts.
Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Kammer geht von einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aus. Ob unabhängig von der Rechtmäßigkeit allein die tatsächliche Erzielung anderweitigen Einkommens und nicht seine nachträgliche Rückforderung für die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Bedeutung sind, ist soweit ersichtlich nicht geklärt. Unabhängig davon, ob die Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG beschränkt ist, wird sie daher vorsorglich nach Abs. 2 Nr. 1 zugelassen (vgl. zu dieser Möglichkeit Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 144 Rn. 46).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die nachträgliche Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhalts nach dem SGB II wegen der Rückforderung auf seinen Bedarf angerechneten Einkommens.
Seit 2005 wurden ihm und den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt, auf die u.a. ein seit dem 01.06.2005 gewährter Existenzgründungszuschuss angerechnet wurde.
Mit Bescheid vom 04.04.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.06.2007 und 25.08.2008 wurden dem Kläger 287,59 EUR für Mai 2007, 331,70 EUR für Juni 2007 und monatlich 332,76 EUR von Juli bis Oktober 2007 bewilligt. Mit Bescheid vom 29.10.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31.01.2008, 14.03.2008 und 25.08.2008 wurden dem Kläger 200,44 EUR für November 2007, 10,66 EUR für Dezember 2007, 11,49 EUR für Januar 2008 und 0 EUR von Februar bis April 2008 bewilligt.
Mit Bescheid vom 22.05.2007 bewilligte die Beklagte die Weitergewährung des Existenz-gründungszuschusses nach § 421l SGB III vom 01.06.2007 bis 31.05.2008 in Höhe von monatlich 240 EUR. Mit Bescheid vom 11.03.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2008 hob sie den Bescheid ab dem 15.10.2007 wegen Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auf und machte die Erstattung des vom 15.10.2007 bis 29.02.2008 gezahlten Zuschusses in Höhe von 1.088 EUR geltend. Ein Antrag auf Überprüfung dieser Rückforderung hatte weder im Verwaltungsverfahren (Bescheid vom 25.02.2009 und Widerspruchsbescheid vom 07.04.2009) noch im gerichtlichen Verfahren Erfolg, der Kläger nahm seine Klage (S 16 AL 1986/09) zurück.
Mit Schreiben vom 18.03.2008 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bescheide über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 26.10.2005, 04.04.2006, 20.09.2006, 04.04.2007 und 29.10.2007 nach § 44 SGB X.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14.01.2009 ab. Weder sei das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden, da es sich bei dem Einkommen aus Existenzgründungszuschuss um zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11 SGB II handele.
Der Kläger legte am 21.01.2009 Widerspruch ein, den er damit begründete, dass das Geld angerechnet worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2009 zurück. Es sei nichts vorgebracht worden für die Unrichtigkeit der Entscheidung noch ergäben sich sonst neue Erkenntnisse dafür.
Der Kläger hat durch seinen Prozessbevollmächtigten am 17.09.2009 Klage beim SG Karlsruhe erhoben. Es sei zu berücksichtigen, dass nach den Feststellungen im Widerspruchsbescheid vom 17.06.2008 der Existenzgründungszuschuss zu Unrecht bewilligt worden sei. Zu Unrecht bewilligte Leistungen könnten bei der Berechnung der Leistungshöhe zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht herangezogen werden. Sofern sich dies erst zu einem späteren Zeitpunkt herausstelle, sei eine Rückabwicklung gemäß § 44 SGB X zwingend erforderlich. Es sei widersinnig, wenn er gewissermaßen doppelt durch den Existenzgründungszuschuss belastet würde, einerseits wegen dessen Rückforderung, andererseits wegen dessen Anrechnung. Er sei durch eine entsprechende Nachzahlung der Beklagten, zumindest zum großen Teil, zu erstatten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14.01.2009 in Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 03.09.2009 zu verpflichten, den Bewilligungsbescheid vom 04.04.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.06.2007 und 25.08.2008 sowie den Bewilligungsbescheid vom 29.10.2007 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31.01.2008, 14.03.2008 und 25.08.2008 zurückzunehmen, und zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung des Existenzgründungszuschusses zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Rückforderung stelle keinen neuen Sachverhalt dar. Das Geld habe dem Kläger faktisch zur Bestreitung seines Lebensunterhalts und zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit zur Verfügung gestanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die zum Teil (Bände IV und V, Seiten 782 bis 968) beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 18.05.2010, B 7 AL 49/08 R) zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Rücknahme ergangener Bewilligungsbescheide.
Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 44 SGB X (i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 1 SGB III). Nach dessen Abs. 1 Satz 1 ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Vom Kläger geltend gemacht und allein als erörterungsbedürftig ersichtlich sind die Auswirkungen der Bewilligung und späteren Rückforderung des Existenzgründungszuschusses nach § 421l SGB III. Dieser ist bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 06.12.2007, B 14/7b AS 16/06 R), was vom Kläger im Grundsatz auch nicht bestritten wird.
Unabhängig davon, dass die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses nicht von Anfang an rechtswidrig gewesen, sondern sie nur wegen der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aufgehoben worden ist, wäre selbst bei einer materiell zu Unrecht erfolgten Bewilligung die Anrechnung rechtmäßig und das Recht von der Beklagten nicht – bei Erlass des zu überprüfenden Bescheids als im Rahmen des § 44 SGB X maßgeblichem Zeitpunkt (Schütze in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 44 Rn. 5 und 9) – "unrichtig angewandt" worden. Dies ist Folge der Bindungswirkung des § 77 SGG. Danach ist (vorbehaltlich einer hier nicht ersichtlichen anderweitigen Regelung) ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, wenn der gegen ihn gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Unabhängig davon, ob man zwischen der Beklagten in ihrer Eigenschaft als SGB-II-Leistungsträgerin und als für den Existenzgründungszuschuss zuständigen Behörde differenziert, ist sie "beteiligt" im Sinne von § 77 SGG. Dies sind nicht stets nur die den Verwaltungsakt erlassende Behörde und sein Adressat, sondern "vielmehr jeder, den ‚die Sache‘, die durch den Verwaltungsakt geregelt wird, unmittelbar betrifft, dh in dessen Rechtssphäre der Verwaltungsakt eingreift. Unbeschadet dessen, ob der Verwaltungsakt ausdrücklich an sie gerichtet worden ist, sind alle der Sache nach davon Betroffenen Beteiligte im Sinne des § 77 SGG" (BSG, Urteil vom 01.07.1985, 1 RA 35/84, zitiert nach juris). In diesem Sinne betroffen ist die Beklagte auch in ihrer Eigenschaft als SGB-II-Leistungsträgerin, da die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses für ihre Entscheidung (infolge der Anrechenbarkeit als Einkommen) von Bedeutung ist. Andernfalls wäre die Beklagte gehalten, stets die Rechtsgültigkeit einer Einkommenserzielung zu prüfen, um das Recht "richtig anzuwenden". Ein solches Erfordernis könnte nicht nur für andere durch Verwaltungsakt bewilligte Leistungen gelten, sondern müsste sich auf sämtliche Einnahmen, z.B. auch aus rein privaten Beschäftigungsverhältnissen beziehen. Ein derartiger Prüfungsauftrag – etwa gerichtet auf die Rechtmäßigkeit von Arbeitsvergütung – ist der Beklagten nach Auffassung der Kammer nicht zuzumuten.
Die Beklagte ist insoweit auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Dies beurteilt sich im Vergleich der Sachlage, wie sie dem zu überprüfenden Verwaltungsakt zu Grunde gelegt worden ist, und wie sie sich bei seinem Erlass bei nachträglicher Betrachtung im Zeitpunkt der Überprüfung rückschauend tatsächlich darstellt (Schütze, aaO, Rn. 6). Bei Erlass der beiden zu überprüfenden Bewilligungsbescheide vom 04.04.2007 und 29.10.2007 (in der Fassung der jeweiligen Änderungsbescheide) ist dem Kläger ein Existenzgründungszuschuss bewilligt gewesen und zunächst auch entsprechend zugeflossen. Diese Annahme stellt sich auch nicht bei nachträglicher Betrachtung als unzutreffend heraus. Die Aufhebung der Bewilligung des Existenzgründungszuschusses und seine Rückforderung können allenfalls zu einer nachträglichen, unter Umständen auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkenden Rechtswidrigkeit der beiden Bewilligungsbescheide geführt haben. In einem solchen Fall kann eine Korrektur aber nicht nach § 44 SGB X, sondern allenfalls nach § 48 SGB X erfolgen (Schütze, aaO, Rn. 9; vgl. BSG, Urteil vom 03.10.1989, 10 RKg 7/89: "Die Vorschriften der §§ 44 und 45 SGB X regeln die Rücknahme von Verwaltungsakten, die von Anfang an rechtswidrig sind, also bereits bei ihrem Erlaß nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmen ... § 48 SGB X will dagegen die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten ermöglichen, die zwar zunächst rechtmäßig sind, also der materiellen Rechtslage entsprechen, aber wegen einer nach ihrem Erlaß eintretenden Änderung der Sach- oder Rechtslage im Widerspruch zu dem (dann) geltenden Recht stehen".).
Aber auch § 48 SGB X stützt das Begehren des Klägers nicht. Nach Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X (i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III) ist ein solcher Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit die unter Nr. 1 bis 4 beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind. In Betracht kommt allein Satz 2 Nr. 1 wegen Änderung zugunsten des Betroffenen, während Satz 1 das Begehren des Klägers schon deshalb nicht stützen kann, da er nur eine Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft ermöglicht, so dass schon aus diesem Grund weder der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11.03.2008 noch eine spätere Rückzahlung des Existenzgründungszuschusses Auswirkungen haben können für die Bewilligungsbescheide vom 04.04.2007 und 29.10.2007.
Es fehlt jedoch an einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse. Insoweit ist zu prüfen, ob "eine Änderung in den rechtlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung eingetreten ist, so daß ein solcher Bewilligungsbescheid nunmehr - also im Gegensatz zum früheren Rechtszustand - nicht mehr erlassen werden dürfte" (BSG, aaO).
Dies ist nicht der Fall, die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses wäre weiterhin zu Recht erfolgt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Für die Berechnung des Einkommens aus Einnahmen aus Sozialleistungen ist nach § 4 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (sowohl in der bis 31.12.2007 als auch in der danach gültigen Fassung) § 2 der Verordnung entsprechend anzuwenden, nach dessen Abs. 2 Satz 1 laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen. Die Kammer schließt sich der Einschätzung der Beklagten an, dass unabhängig von der Bewilligung eines Existenzgründungszuschusses allein seine tatsächliche Gewährung von Bedeutung ist für die Frage, ob er bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Einkommen zu berücksichtigen ist. Bereits die faktische Zurverfügungstellung ermöglicht die Bedarfsdeckung und die Sicherung des Lebensunterhalts. Diese für die Bewilligungsbescheide vom 04.04.2007 und 29.10.2007 (in der Fassung der jeweiligen Änderungsbescheide) allein maßgebliche Verfügungsmöglichkeit ist auch nicht nachträglich entfallen. Unabhängig davon, dass der Kläger den Betrag von 1.088 EUR noch nicht erstattet hat – die Stundung der Erstattungsforderung ist ihm im Verfahren S 16 AL 1986/09 zugesagt worden –, änderte eine Erstattung nichts daran, dass der Kläger im Überprüfungszeitraum auf den Zuschuss hat zurückgreifen können. Das Gericht hält im Übrigen an seiner Einschätzung fest, dass eine andere als faktische Betrachtung, d.h. eine Verpflichtung zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Einnahmezuflusses, von der Beklagten nicht erwartet werden kann.
Andere Rechtsgrundlagen für das Begehren des Klägers sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann ein Anspruch auf nachträglich höhere Leistungen nicht losgelöst von der Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 04.04.2007 und 29.10.2007 (in der Fassung der jeweiligen Ände-rungsbescheide) auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch oder den gemäß § 202 SGG, § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ebenfalls zu prüfenden § 812 BGB gestützt werden. Im Verfahren S 13 AS 5629/09 hat der dortige Kläger (allerdings nach Erstattung der anderweitig zurückgeforderten Leistung) ein ähnliches Begehren wie hier verfolgt mit der Begründung, dass die dortige Beklagte zu Unrecht "Ausgaben ‚erspart‘" habe und daher entsprechende Bereicherungs- bzw. Erstattungsansprüche bestünden. Die Kammer hat dazu mit Gerichtsbescheid vom 09.09.2010 unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.05.1987 (7 RAr 62/85) entschieden, dass sich die Bindungswirkung von Bewilligungsbescheiden (hier: vom 04.04.2007 und 29.10.2007 in der Fassung der jeweiligen Änderungsbescheide) nicht nur beschränkt auf die in ihnen geregelte Leistung selbst und auch nicht nur als Rechtsgrund für das Behaltendürfen der darauf gezahlten Leistungen Bestand hat. Vielmehr hat sie zur Folge, dass die durch einen Bewilligungsbescheid getroffene Regelung unabhängig von seinen rechtlichen Voraussetzungen und einem ihm anhaftenden Rechtsmangel grundsätzlich Bestand hat und ihrem materiellen Gehalt nach verbindlich ist, so dass – solange die erwähnten Bewilligungsbescheide Bestand haben – verbindlich geregelt ist, in welcher Höhe Leistungen zustehen, eine "Ersparung" von Ausgaben daher mit Rechtsgrund erfolgt ist, der bis zur (wie dargelegt nicht nach § 44 oder § 48 SGB X zu beanspruchenden) Aufhebung oder Abänderung der Bewilligungsbescheide fortbesteht. Das Gericht hält an dieser Auffassung fest.
Es verkennt nicht die Härte dieses Ergebnisses für den Kläger. Insoweit muss jedoch berücksichtigt werden, dass jemand, der über seinen Bedarf voll deckendes Einkommen verfügt hat, ohne daneben noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu beziehen, im Falle einer Rückzahlung jenes Einkommens (etwa, weil andere Sozialleistungen zurückgefordert worden sind), auch nicht die Möglichkeit hat, nunmehr rückwirkend zur Milderung der Folgen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu beziehen. Einem entsprechendem Begehren stünde entgegen, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zwar steht das Antragserfordernis einem Erfolg der Klage nicht entgegen. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum der Kläger das Risiko, rechtswidrig oder (nachträglich) rechtsgrundlos Einkommen bezogen zu haben, durch nachträgliche Leistungen der Beklagten soll mildern können und besser dastehen soll als jemand, der zum Zeitpunkt der Einkommenserzielung gar keine (ergänzenden) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen hat. Das Risiko, dass anderweitig erzieltes Einkommen zurückgefordert wird, verbleibt daher beim Einkommens-bezieher und kann nicht auf die Beklagte abgewälzt werden. Ein Schutz der Interessen des Klägers ist im Übrigen ausreichend gewährleistet (gewesen) durch die einschränkenden Voraussetzungen, die bei einer Aufhebung von begünstigenden Verwaltungsakten erfüllt sein müssen. Insoweit werden im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11.03.2008 jedoch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X bejaht. Der Kläger hätte insoweit auch die Möglichkeit gehabt, die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sogleich mitzuteilen, mit der Folge, dass sogleich die Zahlung des Existenzgründungszuschusses eingestellt worden wäre oder er jedenfalls nicht mehr für die Vergangenheit hätte zurückgefordert werden können, da § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X dann nicht erfüllt gewesen wäre. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass dieselbe Behörde für die Gewährung des Existenzgründungszuschusses und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuständig gewesen ist. Die Anrechenbarkeit von Einkommen und die (Nicht-)Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 44 ff. SGB X sind unabhängig von derartigen "Zufälligkeiten" zu würdigen. Es handelt sich um verschiedene, rechtlich eigenständig zu würdigende Leistungen. Auch die Verrechnung des Existenzgründungszuschusses, auf die der Kläger hingewiesen hat, ändert daran nichts.
Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Kammer geht von einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aus. Ob unabhängig von der Rechtmäßigkeit allein die tatsächliche Erzielung anderweitigen Einkommens und nicht seine nachträgliche Rückforderung für die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von Bedeutung sind, ist soweit ersichtlich nicht geklärt. Unabhängig davon, ob die Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG beschränkt ist, wird sie daher vorsorglich nach Abs. 2 Nr. 1 zugelassen (vgl. zu dieser Möglichkeit Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 144 Rn. 46).
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