S 16 AL 726/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 AL 726/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ist aufgrund von Arbeitsbescheinigungen offensichtlich, dass der Arbeitslose bei Verlängerung der Kündigungsfrist im laufenden arbeitsgerichtlichen Verfahren nach arbeitsrechtlicher Beendigung einen deutlich höheren Anspruch auf Arbeitslo-sengeld hätte, hat die Agentur für Arbeit diesen auf die leis-tungsrechtlichen Folgen einer Gleichwohlgewährung und das Dispositionsrecht nach § 118 Abs. 2 SGB III a.F. (= § 137
Abs. 2 SGB III n.F.) hinzuweisen.
Tenor: 1. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 18.01.2012 und vom 23.01.2012 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 30.01.2012 verurteilt, dem Kläger höheres Arbeitslosengeld und einen höheren Gründungs-zuschuss auf der Grundlage einer Bemessung nach dem vom 01.12.2010 bis zum 30.11.2011 erzielten Arbeitsentgelt zu gewähren. 2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten?

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bemessung des dem Kläger von der Beklagten bewil-ligten Arbeitslosengeldes und Gründungszuschusses nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Der Kläger war vom 01.11.2008 bis zum 14.10.2010 als Büroangestellter bei der Xxx GmbH xxx und ab 15.10.2010 beim Xxx als Startup-Manager für das Xxx beschäftigt. Das monatliche Bruttoentgelt bei der Firma XXX belief sich auf 600,00 Euro (Arbeits-bescheinigung vom 07.04.2011). Beim XXX verdiente der Kläger im Oktober 2010 983,18 Euro, im November 2010 2.016,97 Euro, im Dezember 2010 1.792,86 Euro, im Januar und Februar 2011 je 3.585,72 Euro und im März 2011 3.238,71 Euro. Ab dem 29.03.2011 erhielt er nach Ende der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kein Ar-beitsentgelt mehr (Arbeitsbescheinigung vom 21.04.2011). Das XXX kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 01.04.2011 zum 30.04.2011.

Am 28.04.2011 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos mit Wirkung zum 01.05.2011, wobei er auf einen beim Arbeitsgericht Karlsruhe anhängigen Kün-digungsschutzprozesses (Az. 8 Ca 150/11) hinwies.

Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 17.05.2011 ab dem 01.05.2011 Arbeitslosengeld mit einem Leistungsbetrag von 29,47 Euro täglich, den sie aus dem in der Zeit vom 01.05.2010 bis 28.03.2011 erzielten Arbeitsentgelt berechnete. Mit Schreiben vom 16.05.2011 machte sie außerdem gegenüber dem XXX einen Übergang etwaiger Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt in Höhe der geleisteten Zahlungen geltend.

Am 07.07.2011 erkannte das XXX die Unwirksamkeit der am 01.04.2011 ausgespro-chenen Kündigung an. Vergleichsweise wurde am 20.10.2011 eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2011 vereinbart.

Nach telefonischer Mitteilung der Unwirksamkeit der Kündigung hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 27.07.2011 ab dem 01.07.2011 auf und richtete ein Erstattungsverlangen an das XXX, das vollständig befriedigt wurde.

Das 15.09.2011 meldete sich der Kläger erneut mit Wirkung vom 01.12.2011 arbeits-los, wobei er eine aktualisierte Arbeitsbescheinigung vom 27.10.2011 vorlegte. Am 01.12.2011 beantragte er einen Gründungszuschuss.

Mit Bescheid vom 18.01.2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den 01.12.2011 Arbeitslosengeld in Höhe von erneut 29,47 Euro ohne Berücksichtigung des zwi-schenzeitlich erzielten Arbeitsentgelts.

Mit Bescheid vom 23.01.2012 bewilligte sie dem Kläger außerdem für die Dauer vom 02.12.2011 bis zum 01.09.2012 einen Gründungszuschuss in Höhe von 1.184,10 Euro monatlich, der sich aus der Höhe des bisherigen monatlichen Arbeitslosengeldes zuzüglich 300,00 Euro Pauschale zur sozialen Sicherheit zusammensetzte.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 26.01.2012. Er trug vor, im Mai 2011 sei der Anspruch auf Arbeitslosengeld entstanden, da nach dem Aner-kenntnisurteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 07.07.2011 die Kündigung zum 30.04.2011 unwirksam und er bis einschließlich November 2011 beim XXX beschäftigt gewesen sei. Das gewährte Arbeitslosengeld habe sein ehemaliger Arbeitgeber auch vollständig erstattet.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2012 zu-rück. Zur Begründung führte sie aus, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Weiterbeschäftigung erreicht worden sei und der Arbeitgeber die auf sie übergegan-genen Ansprüche befriedigt habe, ändere nichts an der Tatsache, dass das Stamm-recht auf Arbeitslosengeld am 01.05.2011 entstanden sei. Danach habe der Kläger bis zum Eintritt der Arbeitslosigkeit am 01.12.2011 keine neue Anwartschaftszeit erfüllt, so dass nur dieser Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe. Es bleibe daher bei der ursprünglichen Bemessung des Arbeitslosengeldes und dieser folgend des Gründungszuschusses.

Am 21.02.2012 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er trägt vor, das Arbeitslosengeld und der Gründungszuschuss seien nach den bis zum 30.11.2011 erzielten Arbeitsentgelt zu bemessen, da er bis dahin ununterbrochen beim XXX beschäftigt gewesen sei. Sollte die Auffassung der Beklagten zutreffend sein, wonach die Entstehung des Stammrechts am 01.05.2011 abzustellen sei, müsse der Kläger jedenfalls im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als wenn er sich am 28.04.2011 nicht mit Wirkung zum 01.05.2011 persönlich arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beansprucht hätte.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 18.01.2012 und vom 23.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.01.2012 zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld und einen höheren Gründungszu-schusses auf Grundlage einer Bemessung nach dem bis zum 30.11.2011 er-zielten Arbeitsentgelt zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, für den Bemessungsrahmen sei maßgeblich, wann alle Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt gewesen seien. Insoweit komme es ausschließlich auf das so genannte leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis an. Die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen des Arbeitsgerichtsprozesses oder das ggf. durchgehend bestehende versicherungsrechtliche Rahmenverhältnis ändere an der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zum 01.05.2011 nichts. Die Leistungszahlung sei im Rahmen der Gleichwohlgewährung auch rechtmäßig erfolgt. Die Erstattung durch den Arbeitgeber führe lediglich dazu, dass die mit der tatsächlichen Zahlung bewirkte Minderung der Anspruchsdauer rückgängig gemacht werde. Schließlich sei zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung im April 2011 das Ende und das Ergebnis des arbeitsgerichtlichen Prozesses noch nicht abzusehen gewesen. Eine Beratung des Klägers im Hinblick auf die Höhe seiner Leistungen habe sich daher nicht aufgedrängt. Auch habe dem Kläger wegen der kurz zuvor erfolgten Geburt seines Kindes im Februar 2011 und des Mutterschutzes seiner Ehefrau an der vorzeitigen Leistungszahlung und Sicherstellung des Versicherungsschutzes gelegen haben dürfen. Ein Beratungserfordernis und ein Fehlverhalten sehe die Beklagte nicht, so dass auch im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine Besserstellung des Klä-gers nicht zu erfolgen habe.

Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Die Bemessung des für den 01.12.2011 gewährten Arbeitslosengeldes und des für die Zeit vom 02.12.2011 bis zum 01.09.2012 gewährten Gründungszuschusses ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld und diesem folgend einen höheren Gründungszuschuss auf der Grundlage einer Bemessung nach dem vom 01.12.2010 bis zum 30.11.2011 beim XXX erzielten Arbeitsentgelt.

a) Das Bemessungsentgelt als Grundlage der Berechnung des Arbeitslosengeld ist das durchschnittliche auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (§ 131 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der hier anwendbaren, bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung). Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Bemessungsrahmen (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F.). Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr und endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F.). Im vorliegenden Fall ist der Bemessung des Arbeitslosengeldes für den 01.12.2011 der Zeitraum vom 01.12.2010 bis zum 30.11.2011 als Bemessungszeitraum zugrunde zu legen.

aa) Der Leistungsanspruch wird zwar dann, wenn wie hier nach einer Gleichwohlge-währung von Arbeitslosengeld keine neue Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllt wird, trotz arbeitsrechtlicher und versicherungsrechtlicher Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses perpetuiert. Zum 01.05.2011, dem damaligen Leis-tungsbeginn, waren daher – wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat – alle Vo-raussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt. Der Kläger war ar-beitslos und hatte sich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet sowie die Anwart-schaftszeit erfüllt (§§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III a.F.). Dass zu dieser Zeit noch nicht geklärt war, ob die am 01.04.2011 ausgesprochene Kündigung rechtswirksam war und dem Kläger weitere Entgeltansprüche aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis zustanden, führte nur zu einer so genannten Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld gemäß § 143 Abs. 3 SGB III. Trotz der Erstattung und Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgeber hatte die arbeitsgerichtlich erreichte Verschiebung des Beendigungszeitpunkts demgegenüber nicht etwa zur Folge, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld nachträglich entfallen wäre. Die Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld be-friedigt vielmehr einen bestehenden Leistungsanspruch und ist nicht etwa nur vorläufiger Natur. Wegen der damit verbundenen Entstehung des Stammrechts auf Arbeitslosengeld werden Anspruchsbeginn und Rahmenfrist bei einer ar-beitsgerichtlich erreichten Verschiebung des Kündigungstermins nachträglich nicht geändert (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 11.06.1987 – 7 RAr 40/86, Rdnrn. 20 ff. (Juris); Düe, in: NIESEL/BRAND, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 143 Rdnr. 50 m.w.N.).

bb) Der Kläger ist allerdings im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob er von seinem Recht, bis zur Entscheidung über den Anspruch zu bestimmen, dass dieser nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll (§ 118 Abs. 2 SGB III a.F.), Gebrauch gemacht und auf die Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld zunächst verzichtet hätte. Die Beklagte ist gemäß § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) rechtlich verpflichtet, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass ein verständiger Versicherter sie mutmaßlich nutzen würde (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 05.08.1999 – B 7 AL 38/98 R, Rdnrn. 27 f. (Juris)). Kommt die Beklagte dieser Beratungspflicht nicht nach und erleidet der Versicherte hierdurch einen rechtlichen Nachteil, hat sie durch Vornahme einer zulässigen Amtshandlung den Zustand herzustellen, der bei einer ordnungsgemäßen Beratung eingetreten wäre (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 11.03.2004 – B 13 RJ 16/03 R, Rdnr. 24 (Juris)).

Die Beklagte war im vorliegenden Fall verpflichtet, den Kläger über die Rechts-folgen der Gleichwohlgewährung und die insoweit bestehenden Gestaltungsmög-lichkeiten aufzuklären. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine Kenntnis der ju-ristischen Konstruktion der Gleichwohlgewährung, insbesondere der Unterschei-dung zwischen dem leistungsrechtlichen und dem beitrags- und arbeitsrechtlichen Begriff der Arbeitslosigkeit, vom Arbeitslosen nicht ohne Weiteres erwartet werden kann. Bei der Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld besteht daher schon bereits deswegen ein hoher Beratungsbedarf (vgl. hierzu auch Mönch-Kalina, in: jurisPK SGB I, 2. Aufl. 2011, § 14 Rdnr. 37 m.w.N.). Die Beratungspflichten er-strecken sich auch und gerade auf die gesetzlichen Möglichkeiten, die Dauer des Arbeitslosengeldanspruchs durch entsprechende Dispositionen zu beeinflussen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 05.09.2006 – B 7a AL 70/05 R, Rdnr. 18; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.01.2007 – L 1 AL 62/06, Rdnr. 18 (Juris)). Entgegen der Ausführungen der Beklagten drängte sich eine Beratung des Klägers hier auf. Denn sie konnte aus den Antragsunterlagen, namentlich den Arbeitsbescheinigungen vom 07.04.2011 und vom 21.04.2011, ohne Weiteres ersehen, dass eine Ausübung des Bestimmungsrechts dahingehend, dass das Stammrecht zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll, für ihn vorteilhaft sein könnte (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2012 – L 13 AL 4098/10 (www.sozialgerichtsbarkeit.de)). Der Unterschied zwischen dem in den ersten fünfeinhalb Monaten erzielten Arbeitsentgelt von monatlich 600,00 Euro und dem Verdienst im restlichen Bemessungszeitraum von durchschnittlich rund 2.765,00 Euro ist evident. Es musste der Beklagten daher klar sein, dass der Kläger im Fall einer in arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht unüblichen Verlängerung der Kündigungsfrist bei einem späteren Eintritt der Arbeitslosigkeit auch im leistungs-rechtlichen Sinne Anspruch auf deutlich höheres Arbeitslosgengeld gehabt hätte. Gegen eine entsprechende Beratungspflicht spricht auch nicht etwa, dass das Ergebnis des Kündigungsschutzprozesses zum Bewilligungszeitpunkt noch nicht abzusehen war. Zum Einen findet vor den Arbeitsgerichten aufgrund des dort geltenden Beschleunigungsgrundsatzes (§ 9 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)) im Regelfall frühzeitig ein Gütetermin statt (§ 54 ArbGG), der nicht selten bereits zu einer vergleichsweisen Beendigung des Arbeitsrechtsstreits führt und dem Kläger jedenfalls eine Einschätzung hinsichtlich des weiteren Verfahrensgangs erlaubt. Zum anderen entbindet auch ein ggf. längerer ohne Arbeitslosengeld zu überbrückender Zeitraum die Beklagte nicht von ihrer Beratungspflicht, sofern die Ausübung des Gestaltungsrechts im konkreten Fall nicht völlig fernliegend ist. In diesem Fall bestehen im Gegenteil vielmehr gesteigerte Anforderungen an die Beratung, da dem Versicherten die möglichen Nachteile einer Verschiebung des Arbeitslosengeldbezugs z. B. hinsichtlich Krankenversicherungsschutz und Rentenversicherungsbeiträgen, sorgfältig erläutert werden müssen (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 05.09.2006 – B 7a AL 70/05 R, Rdnr. 19; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen , Urteil vom 29.01.2007 – L 1 AL 62/06, Rdnr. 20 (Juris)). Schließlich waren der Beklagten die finanziellen Verhältnisse des Klägers aus dem Antragsverfahren und den dort vorgelegten Antragsunterlagen nicht bekannt, so dass sie nicht davon ausgehen konnte, er sei auf die Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld angewiesen, was eine Ausübung des Bestimmungsrechts im Einzelfall ausschließen könnte.

Die unterbliebene Beratung war auch kausal für den eingetretenen Rechtsnachteil. Der Kläger hat durch Vorlage von Kontoauszügen nachgewiesen, dass er über ausreichende Ersparnisse verfügte, um den Lebensunterhalt seiner Familie für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses aus eigenen finanziellen Mitteln zu bestreiten. Rechtsfolge des Herstellungsanspruchs ist, dass der Kläger so zu stellen ist, als ob er sein Bestimmungsrecht ausgeübt und auf die Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld verzichtet hätte. Es entsprach bereits vor Inkrafttreten des SGB III der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass eine Korrektur der Antragstellung in Form einer Verschiebung des Antrags und damit der Entstehung des Arbeitslosengeldanspruchs im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erreicht werden kann (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 05.09.2006 – B 7a AL 70/05 R, Rdnr. 14 m.w.N. (Juris)). Unter Geltung des SGB III ist seine Rechtsposition insoweit sogar gestärkt worden, als § 118 Abs. 2 SGB III dem Arbeitslosen ausdrücklich ein Dispositionsrecht hinsichtlich der Entstehung des Arbeitslosengeldanspruchs einräumt. Die auf einer fehlerhaften Beratung beruhende Nichtausübung des Dispositionsrecht kann somit im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs korrigiert werden (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.02.2009 – L 1 AL 81/07, Rdnr. 32; Landessozialge-richt Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.01.2007 – L 1 AL 62/06, Rdnrn. 17 ff. (Ju-ris)).

bb) Aufgrund des dem Kläger für den 01.12.2011 zu gewährenden höheren Arbeits-losengeldes steht dem Kläger auch ein höherer Gründungszuschuss zu (§ 58 Abs. 1 SGB III a.F.).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved