Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 4791/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei verspäteter Antragstellung kommt eine rückwirkende Ren-tengewährung auch im Wege des Zugunstenverfahrens nicht in Betracht, wenn eine vorherige bindende Rentenablehnung rechtmäßig erfolgt ist. Die Rentenablehnung ist kein Verwal-tungsakt mit Dauerwirkung i. S. d. § 48 SGB X
Tenor: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Beginn des Anspruchs des Klägers auf Zahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Kläger begehrt eine rückwirkende Ge-währung der ab dem 01.08.2010 zuerkannten Rente ab dem 01.09.2007.
Der am 17.03.1956 geborene Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger und lebt in der Schweiz. Er hat neben schweizerischen Versicherungszeiten von 1972 bis 1988 Versicherungszeiten in Österreich und von 1978 bis 1987 Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt.
Am 01.02.2002 beantragte der Kläger infolge eines Verkehrsunfalls mit HWS-Distorsion bei Schweizerischen Ausgleichskasse Leistungen aus der schweizerischen Invalidenversicherung. Die Schweizerische Ausgleichskasse leitete den Antrag am 11.04.2004 zur Entscheidung über den Rentenanspruch nach deutschem Recht an die damalige Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg weiter. Vom schweizerischen Versicherungsträger erhielt der Kläger mit Verfügung vom 16.07.2004 eine Invalidenrente in Höhe von drei Vierteln ab dem 01.02.2004. Hiergegen wandte er sich mit einem am 28.09.2005 gestellten Antrag auf Revision und Zuerkennung einer vollen Invalidenrente.
Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen und Stellungnahmen ihres Sozialmedizi-nischen Dienstes (Stellungnahmen vom 21.11.2005 und vom 14.02.2006) bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28.02.2006 ab dem 01.02.2002 eine un-befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Hinblick auf dessen letzte Tätigkeit als Vortriebspolier im Tunnelbau. Die Bewilligung erfolgte in Form einer vorläufigen Leistung im Sinne von Art. 45 Verordnung (EWG) Nr. 574/72. In dem mit "Mitteilung über die vorläufige Leistung" überschriebenen Bescheid heißt es außerdem, ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe nicht.
Nach Übersendung aktueller Bescheinigungen über die Versicherungsverläufe in der Schweiz und in Österreich stellte die Beklagte die bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit Bescheid vom 24.01.2008 endgültig fest. Darin heißt es, unter Berücksichtigung der ausländischen Zeiten vermindere sich die bisher vorläufig fest-gestellte Rente. Der Bescheid vom 28.02.2006 werde insoweit nach § 45 Sozialge-setzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben.
Mit Schreiben vom 01.08.2010, der Beklagten zugegangen 09.08.2010, teilte der Kläger mit, durch einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 11.12.2009 sei rückwirkend ab dem 01.12.2007 nunmehr eine volle Invalidenrente zuerkannt worden. Er bitte, die ihm von der Beklagten gewährte Rente wegen teilweiser Er-werbsminderung entsprechend anzupassen und ihm eine Rente wegen voller Er-werbsminderung zu gewähren.
Nach Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen und erneuter Einschaltung ihres Sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme vom 08.11.2010) gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 09.12.2010, ausgehend von einem am 06.09.2007 eingetretenen Leistungsfall, beginnend ab dem 01.08.2010 eine bis zum 31.07.2013 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem monatlichen Zahlbetrag von 580,88 Euro. Zur Begründung des Rentenbeginns heißt es darin, die Rente könne erst ab dem Antragsmonat geleistet werden, weil der Antrag erst nach Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt gewesen seien, gestellt worden sei.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 21.12.2010 und trug vor, der am 28.09.2005 gestellten Antrag auf Gewährung einer vollen schweizerischen Invali-denrente sei nach den einschlägigen europarechtlichen Vorschriften auch als Antrag auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente nach deutschem Recht anzusehen. Daher könne er bereits ab dem 01.12.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung beanspruchen.
Mit Bescheid vom 05.10.2011 stellte die Beklagte die bislang gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit neu fest und zahlte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.07.2010 einen Betrag von 51,71 Euro nach.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der am 28.09.2005 gestellte Re-visionsantrag, der nach deutschen Rechtsvorschriften am ehesten als Überprüfungs-antrag gemäß § 44 SGB X anzusehen sei, sei einem deutschen Rentenantrag nicht gleichzustellen. Der Revisionsantrag sei ganz speziell auf die Änderung eines konkreten schweizerischen Bescheids gerichtet gewesen, die Voraussetzungen des § 44 SGB X zur analogen Überprüfung eines deutschen Verwaltungsaktes seien mangels Erteilung eines solchen zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht erfüllt gewesen und es sei schließlich zudem bereits ein Verwaltungsverfahren, welches auf die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente abgezielt habe, anhängig gewesen. Durch die Ablehnung des Anspruchs auf volle Erwerbsminderungsrente mit den bindenden Bescheid vom 28.02.2006 sei das Verwaltungsverfahren abgeschlossen gewesen. Eine erneute Einleitung habe nur von Amts wegen oder durch einen neuen Antrag erfolgen können. Ein solcher sei erst am 09.08.2010 zugegangen.
Am 21.11.2011 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er trägt vor, der Revisionsantrag vom 28.09.2005 sei nicht als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, sondern als Neuantrag auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente nach deutschem Recht im laufenden Verwaltungsverfahren im Hinblick auf eine mittlerweile eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes anzusehen. Hierüber habe die Beklagte mit dem Bescheid vom 28.06.2006 nicht entschieden. Als Antrag nach § 44 SGB X auf Änderung der Rentenbescheide vom 28.02.2006 und 24.01.2008 sei sein Schreiben vom 01.08.2010 anzusehen.
Mit Bescheid vom 15.11.2011 hat die Beklagte die gewährte Rente wegen voller Er-werbsminderung ab dem 01.12.2011 neu festgestellt den monatlichen Zahlbetrag auf 529,36 Euro korrigiert.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2011 und des Änderungsbescheids vom 15.11.2011 zu verurteilen, ihm bereits ab dem 01.09.2007 die bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Bewilligungsentschei-dung verletzt keine Rechte des Klägers. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung der bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.09.2007.
a) Der Kläger war nach den – zwischen den Beteiligten unstreitigen – medizinischen Feststellungen der Beklagten zwar bereits seit dem 06.09.2007 voll er-werbsgemindert und erfüllte ab diesem Zeitpunkt die materiell-rechtlichen Vo-raussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (vgl. § 43 Abs. 2 SGB VI). Er hat einen – erneuten – Rentenantrag jedoch erst mit dem am 09.08.2010 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 01.08.2010 gestellt. Eine Rente aus eigener Versicherung wie die gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung wird indes nur dann von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind (hier: 01.10.2007), geleistet, wenn sie bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Da der Kläger seinen Umstellungsantrag nicht innerhalb der bis zum 31.12.2007 laufenden Dreimonatsfrist gestellt hat, wird die Rente wegen voller Erwerbsminderung wie von der Beklagten bewilligt erst ab August 2010, dem Antragsmonat, geleistet (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Zum Zeitpunkt der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers lag auch nicht etwa noch ein Rentenantrag des Klägers vor, über den die Beklagte bis dahin noch nicht entschieden hat. Unabhängig davon, ob der im Hinblick auf die Entscheidung des schweizerischen Versicherungsträgers gestellte Revisionsantrag vom 28.09.2005 wie der Kläger vorträgt grundsätzlich geeignet ist, Rechtswirkungen im Verhältnis zur Beklagten zu entfalten, wäre hierüber jedenfalls mit dem Bescheid vom 28.02.2006 entschieden worden. Irrelevant ist insoweit, dass die Beklagte in diesem Bescheid, mit dem sie einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint, nur den Rentenantrag vom 01.02.2002 ausdrücklich nennt. Denn in Fällen, in denen wie hier während eines noch nicht abgeschlossenen Rentenantragsverfahrens ein schlechterer Gesundheitszustand geltend gemacht wird, ist der entsprechende Verschlechterungs- bzw. Überprüfungsantrag nach ausländischem Recht allenfalls als Sachvortrag im laufenden Verfahren zu werten. Ein laufendes Verwaltungsverfahren entfaltet Sperrwirkung für die Einleitung weiterer Verfahren zum selben Gegenstand. Ein Verbescheidungsinteresse für parallele gesonderte Entscheidungen in derselben Sache besteht nicht (vgl. Mutschler, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversiche-rungsrecht, 74. Ergl. 2012, § 18 SGB X, Rdnr. 4 m.w.N.). Der beim schweizerischen Träger am 01.02.2002 eingereichte Antrag auf Invalidenrente galt auch als umfassender Antrag auf Erwerbsminderungsrente nach deutschem Recht (vgl. Art. 32a des zum Antragszeitpunkt noch anwendbaren Deutsch-Schweizerisches Sozialversicherungsabkommens).
b) Der Kläger kann eine rückwirkende Gewährung der Rente wegen voller Er-werbsminderung auch nicht im Wege des Zugunstenverfahrens gemäß § 44 SGB X verlangen. Denn hierfür wäre Voraussetzung, dass die Beklagte bereits bei Ablehnung des Antrags hinsichtlich der Rente wegen voller Erwerbsminderung das Recht unrichtig angewendet hätte oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wäre (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt demgegenüber rechtmäßig und tritt Rechtswidrigkeit bzw. eine Änderung in den ihm zugrunde liegenden Verhältnissen erst nach seiner Be-kanntgabe ein, kann eine spätere Korrektur allenfalls unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X erfolgen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25.01.2011 – B 5 R 46/10 R, Rdnr. 9; Urteil vom 15.06.2010 – B 2 U 22/09 R, Rdnr. 18; Urteil vom 07.09.2006 – B 4 RA 43/05 R, Rdnr. 54 (Juris); Mertens, in: HAUCK/NOFTZ, SGB X, Stand Dez. 2011, § 44 Rdnr. 23; Waschull, in: DIERING/TIMME/WASCHULL, SGB X, 3. Aufl. 2011, § 4 Rdnr. 28). Bei ihrer Bekanntgabe mit Bescheid vom 28.02.2006 war die Ablehnungsentscheidung der Beklagten hinsichtlich der Rente wegen voller Erwerbsminderung indes rechtmäßig. Eine Verschlechterung der Gesundheitssituation, welche auch das Obergericht des Kantons Uri in dem vom Kläger eingesandten Gerichtsbeschluss vom 11.12.2009 beschreibt, ist erst im September 2007 eingetreten. Bei der Ablehnungsentscheidung vom 28.02.2006 handelte es sich auch nicht etwa um eine vorläufige Regelung. Der mit "Mitteilung über die vorläufige Leistung" überschriebene Bescheid enthält vielmehr mehrere selbständige Verwaltungsakte, nämlich die Entscheidungen über Rentenart (Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser und Ablehnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung), Rentenhöhe, Rentenbeginn und Rentendauer (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2011 – B 5 R 8/10 R, Rdnr. 13 m.w.N. (Juris)). Vorläufig war insoweit – worauf die Beklagte im Bescheid vom 28.02.2006 auch ausdrücklich hingewiesen hat – allein die Regelung zur Ren-tenhöhe. Nur insoweit hat die Beklagte erst im Bescheid vom 24.01.2008 eine endgültige Festsetzung getroffen; eine weitergehende Regelung enthält dieser Bescheid nicht. Bei der Ablehnung eines Anspruchs auf Rente wegen voller Er-werbsminderung handelte es sich demgegenüber um eine verfahrensabschlie-ßende Regelung, die nach Ablauf der Widerspruchsfrist in Bestandskraft erwachsen und damit bindend geworden ist (§ 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Hiermit wurde die Beklagte erst wieder im August 2010 durch den Umstellungsantrag des Klägers befasst.
c) Schließlich kommt auch eine rückwirkende Aufhebung der Ablehnungsentscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X zugunsten des Klägers wegen der eingetretenen Änderung in den ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnissen nicht in Betracht. Denn diese Regelung gilt nur für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Die Ablehnung des Anspruchs auf Rente wegen voller Er-werbsminderung im Bescheid vom 28.02.2006 hat jedoch keine Dauerwirkung. Mit der Ablehnung eines Rentenantrages wird die Rechtslage im Verhältnis zwischen Antragsteller und Leistungsträger vielmehr einmalig gestaltet und das Bestehen eines Leistungsrechtsverhältnisses mit sich daraus zumindest für eine gewisse Dauer ergebenden rechtlichen oder tatsächlichen Wirkungen gerade verneint. Mit Eintritt der Bestandskraft steht zwar auch für die Folgezeit zwischen den Beteiligten fest, dass dem Antragsteller die begehrte Leistung nicht zusteht. Das ist jedoch allein das Ergebnis der Bindungswirkung des ablehnenden Bescheides und vermag keine davon zu unterscheidende Dauerwirkung zu begründen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.1985 – 1 RJ 2/84, Rdnr. 16; Urteil vom 06.05.2010 – B 13 RJ 44/09 R, Rdnr. 19 (Juris)). Dauerwirkung kam allein der Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Hierbei handelt es sich jedoch um einen im Vergleich zu der nunmehr bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung um einen eigenständigen Anspruch (vgl. § 89 SGB VI). Insoweit sind Änderungen auch nicht eingetreten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Beginn des Anspruchs des Klägers auf Zahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Kläger begehrt eine rückwirkende Ge-währung der ab dem 01.08.2010 zuerkannten Rente ab dem 01.09.2007.
Der am 17.03.1956 geborene Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger und lebt in der Schweiz. Er hat neben schweizerischen Versicherungszeiten von 1972 bis 1988 Versicherungszeiten in Österreich und von 1978 bis 1987 Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt.
Am 01.02.2002 beantragte der Kläger infolge eines Verkehrsunfalls mit HWS-Distorsion bei Schweizerischen Ausgleichskasse Leistungen aus der schweizerischen Invalidenversicherung. Die Schweizerische Ausgleichskasse leitete den Antrag am 11.04.2004 zur Entscheidung über den Rentenanspruch nach deutschem Recht an die damalige Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg weiter. Vom schweizerischen Versicherungsträger erhielt der Kläger mit Verfügung vom 16.07.2004 eine Invalidenrente in Höhe von drei Vierteln ab dem 01.02.2004. Hiergegen wandte er sich mit einem am 28.09.2005 gestellten Antrag auf Revision und Zuerkennung einer vollen Invalidenrente.
Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen und Stellungnahmen ihres Sozialmedizi-nischen Dienstes (Stellungnahmen vom 21.11.2005 und vom 14.02.2006) bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28.02.2006 ab dem 01.02.2002 eine un-befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Hinblick auf dessen letzte Tätigkeit als Vortriebspolier im Tunnelbau. Die Bewilligung erfolgte in Form einer vorläufigen Leistung im Sinne von Art. 45 Verordnung (EWG) Nr. 574/72. In dem mit "Mitteilung über die vorläufige Leistung" überschriebenen Bescheid heißt es außerdem, ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe nicht.
Nach Übersendung aktueller Bescheinigungen über die Versicherungsverläufe in der Schweiz und in Österreich stellte die Beklagte die bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit Bescheid vom 24.01.2008 endgültig fest. Darin heißt es, unter Berücksichtigung der ausländischen Zeiten vermindere sich die bisher vorläufig fest-gestellte Rente. Der Bescheid vom 28.02.2006 werde insoweit nach § 45 Sozialge-setzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben.
Mit Schreiben vom 01.08.2010, der Beklagten zugegangen 09.08.2010, teilte der Kläger mit, durch einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 11.12.2009 sei rückwirkend ab dem 01.12.2007 nunmehr eine volle Invalidenrente zuerkannt worden. Er bitte, die ihm von der Beklagten gewährte Rente wegen teilweiser Er-werbsminderung entsprechend anzupassen und ihm eine Rente wegen voller Er-werbsminderung zu gewähren.
Nach Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen und erneuter Einschaltung ihres Sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme vom 08.11.2010) gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 09.12.2010, ausgehend von einem am 06.09.2007 eingetretenen Leistungsfall, beginnend ab dem 01.08.2010 eine bis zum 31.07.2013 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem monatlichen Zahlbetrag von 580,88 Euro. Zur Begründung des Rentenbeginns heißt es darin, die Rente könne erst ab dem Antragsmonat geleistet werden, weil der Antrag erst nach Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt gewesen seien, gestellt worden sei.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 21.12.2010 und trug vor, der am 28.09.2005 gestellten Antrag auf Gewährung einer vollen schweizerischen Invali-denrente sei nach den einschlägigen europarechtlichen Vorschriften auch als Antrag auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente nach deutschem Recht anzusehen. Daher könne er bereits ab dem 01.12.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung beanspruchen.
Mit Bescheid vom 05.10.2011 stellte die Beklagte die bislang gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit neu fest und zahlte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.07.2010 einen Betrag von 51,71 Euro nach.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der am 28.09.2005 gestellte Re-visionsantrag, der nach deutschen Rechtsvorschriften am ehesten als Überprüfungs-antrag gemäß § 44 SGB X anzusehen sei, sei einem deutschen Rentenantrag nicht gleichzustellen. Der Revisionsantrag sei ganz speziell auf die Änderung eines konkreten schweizerischen Bescheids gerichtet gewesen, die Voraussetzungen des § 44 SGB X zur analogen Überprüfung eines deutschen Verwaltungsaktes seien mangels Erteilung eines solchen zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht erfüllt gewesen und es sei schließlich zudem bereits ein Verwaltungsverfahren, welches auf die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente abgezielt habe, anhängig gewesen. Durch die Ablehnung des Anspruchs auf volle Erwerbsminderungsrente mit den bindenden Bescheid vom 28.02.2006 sei das Verwaltungsverfahren abgeschlossen gewesen. Eine erneute Einleitung habe nur von Amts wegen oder durch einen neuen Antrag erfolgen können. Ein solcher sei erst am 09.08.2010 zugegangen.
Am 21.11.2011 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er trägt vor, der Revisionsantrag vom 28.09.2005 sei nicht als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, sondern als Neuantrag auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente nach deutschem Recht im laufenden Verwaltungsverfahren im Hinblick auf eine mittlerweile eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes anzusehen. Hierüber habe die Beklagte mit dem Bescheid vom 28.06.2006 nicht entschieden. Als Antrag nach § 44 SGB X auf Änderung der Rentenbescheide vom 28.02.2006 und 24.01.2008 sei sein Schreiben vom 01.08.2010 anzusehen.
Mit Bescheid vom 15.11.2011 hat die Beklagte die gewährte Rente wegen voller Er-werbsminderung ab dem 01.12.2011 neu festgestellt den monatlichen Zahlbetrag auf 529,36 Euro korrigiert.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2011 und des Änderungsbescheids vom 15.11.2011 zu verurteilen, ihm bereits ab dem 01.09.2007 die bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Bewilligungsentschei-dung verletzt keine Rechte des Klägers. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung der bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.09.2007.
a) Der Kläger war nach den – zwischen den Beteiligten unstreitigen – medizinischen Feststellungen der Beklagten zwar bereits seit dem 06.09.2007 voll er-werbsgemindert und erfüllte ab diesem Zeitpunkt die materiell-rechtlichen Vo-raussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (vgl. § 43 Abs. 2 SGB VI). Er hat einen – erneuten – Rentenantrag jedoch erst mit dem am 09.08.2010 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 01.08.2010 gestellt. Eine Rente aus eigener Versicherung wie die gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung wird indes nur dann von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind (hier: 01.10.2007), geleistet, wenn sie bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Da der Kläger seinen Umstellungsantrag nicht innerhalb der bis zum 31.12.2007 laufenden Dreimonatsfrist gestellt hat, wird die Rente wegen voller Erwerbsminderung wie von der Beklagten bewilligt erst ab August 2010, dem Antragsmonat, geleistet (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Zum Zeitpunkt der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers lag auch nicht etwa noch ein Rentenantrag des Klägers vor, über den die Beklagte bis dahin noch nicht entschieden hat. Unabhängig davon, ob der im Hinblick auf die Entscheidung des schweizerischen Versicherungsträgers gestellte Revisionsantrag vom 28.09.2005 wie der Kläger vorträgt grundsätzlich geeignet ist, Rechtswirkungen im Verhältnis zur Beklagten zu entfalten, wäre hierüber jedenfalls mit dem Bescheid vom 28.02.2006 entschieden worden. Irrelevant ist insoweit, dass die Beklagte in diesem Bescheid, mit dem sie einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint, nur den Rentenantrag vom 01.02.2002 ausdrücklich nennt. Denn in Fällen, in denen wie hier während eines noch nicht abgeschlossenen Rentenantragsverfahrens ein schlechterer Gesundheitszustand geltend gemacht wird, ist der entsprechende Verschlechterungs- bzw. Überprüfungsantrag nach ausländischem Recht allenfalls als Sachvortrag im laufenden Verfahren zu werten. Ein laufendes Verwaltungsverfahren entfaltet Sperrwirkung für die Einleitung weiterer Verfahren zum selben Gegenstand. Ein Verbescheidungsinteresse für parallele gesonderte Entscheidungen in derselben Sache besteht nicht (vgl. Mutschler, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversiche-rungsrecht, 74. Ergl. 2012, § 18 SGB X, Rdnr. 4 m.w.N.). Der beim schweizerischen Träger am 01.02.2002 eingereichte Antrag auf Invalidenrente galt auch als umfassender Antrag auf Erwerbsminderungsrente nach deutschem Recht (vgl. Art. 32a des zum Antragszeitpunkt noch anwendbaren Deutsch-Schweizerisches Sozialversicherungsabkommens).
b) Der Kläger kann eine rückwirkende Gewährung der Rente wegen voller Er-werbsminderung auch nicht im Wege des Zugunstenverfahrens gemäß § 44 SGB X verlangen. Denn hierfür wäre Voraussetzung, dass die Beklagte bereits bei Ablehnung des Antrags hinsichtlich der Rente wegen voller Erwerbsminderung das Recht unrichtig angewendet hätte oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wäre (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt demgegenüber rechtmäßig und tritt Rechtswidrigkeit bzw. eine Änderung in den ihm zugrunde liegenden Verhältnissen erst nach seiner Be-kanntgabe ein, kann eine spätere Korrektur allenfalls unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X erfolgen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25.01.2011 – B 5 R 46/10 R, Rdnr. 9; Urteil vom 15.06.2010 – B 2 U 22/09 R, Rdnr. 18; Urteil vom 07.09.2006 – B 4 RA 43/05 R, Rdnr. 54 (Juris); Mertens, in: HAUCK/NOFTZ, SGB X, Stand Dez. 2011, § 44 Rdnr. 23; Waschull, in: DIERING/TIMME/WASCHULL, SGB X, 3. Aufl. 2011, § 4 Rdnr. 28). Bei ihrer Bekanntgabe mit Bescheid vom 28.02.2006 war die Ablehnungsentscheidung der Beklagten hinsichtlich der Rente wegen voller Erwerbsminderung indes rechtmäßig. Eine Verschlechterung der Gesundheitssituation, welche auch das Obergericht des Kantons Uri in dem vom Kläger eingesandten Gerichtsbeschluss vom 11.12.2009 beschreibt, ist erst im September 2007 eingetreten. Bei der Ablehnungsentscheidung vom 28.02.2006 handelte es sich auch nicht etwa um eine vorläufige Regelung. Der mit "Mitteilung über die vorläufige Leistung" überschriebene Bescheid enthält vielmehr mehrere selbständige Verwaltungsakte, nämlich die Entscheidungen über Rentenart (Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser und Ablehnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung), Rentenhöhe, Rentenbeginn und Rentendauer (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2011 – B 5 R 8/10 R, Rdnr. 13 m.w.N. (Juris)). Vorläufig war insoweit – worauf die Beklagte im Bescheid vom 28.02.2006 auch ausdrücklich hingewiesen hat – allein die Regelung zur Ren-tenhöhe. Nur insoweit hat die Beklagte erst im Bescheid vom 24.01.2008 eine endgültige Festsetzung getroffen; eine weitergehende Regelung enthält dieser Bescheid nicht. Bei der Ablehnung eines Anspruchs auf Rente wegen voller Er-werbsminderung handelte es sich demgegenüber um eine verfahrensabschlie-ßende Regelung, die nach Ablauf der Widerspruchsfrist in Bestandskraft erwachsen und damit bindend geworden ist (§ 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Hiermit wurde die Beklagte erst wieder im August 2010 durch den Umstellungsantrag des Klägers befasst.
c) Schließlich kommt auch eine rückwirkende Aufhebung der Ablehnungsentscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X zugunsten des Klägers wegen der eingetretenen Änderung in den ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnissen nicht in Betracht. Denn diese Regelung gilt nur für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Die Ablehnung des Anspruchs auf Rente wegen voller Er-werbsminderung im Bescheid vom 28.02.2006 hat jedoch keine Dauerwirkung. Mit der Ablehnung eines Rentenantrages wird die Rechtslage im Verhältnis zwischen Antragsteller und Leistungsträger vielmehr einmalig gestaltet und das Bestehen eines Leistungsrechtsverhältnisses mit sich daraus zumindest für eine gewisse Dauer ergebenden rechtlichen oder tatsächlichen Wirkungen gerade verneint. Mit Eintritt der Bestandskraft steht zwar auch für die Folgezeit zwischen den Beteiligten fest, dass dem Antragsteller die begehrte Leistung nicht zusteht. Das ist jedoch allein das Ergebnis der Bindungswirkung des ablehnenden Bescheides und vermag keine davon zu unterscheidende Dauerwirkung zu begründen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.1985 – 1 RJ 2/84, Rdnr. 16; Urteil vom 06.05.2010 – B 13 RJ 44/09 R, Rdnr. 19 (Juris)). Dauerwirkung kam allein der Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Hierbei handelt es sich jedoch um einen im Vergleich zu der nunmehr bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung um einen eigenständigen Anspruch (vgl. § 89 SGB VI). Insoweit sind Änderungen auch nicht eingetreten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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