S 15 AS 694/14 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
15
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 694/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund fehlt, wenn dem Rechtsschutzbegehrenden tatsächlich hinreichende Mittel zur Sicherung des Exis-tenzminimums zur Verfügung stehen.
2. Die bedarfsmindernde Berücksichtigung von Elterngeld als Einkommen bei der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist verfassungsgemäß.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ... wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Ge-währung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit von November 2013 bis März 2014.

Die am 18. Juni 1988 geborene Antragstellerin lebt mit ihren am 2011 und am 2013 geborenen Kindern in einer Wohnung mit einer Wohnfläche von 67 m². Vermieter der Wohnung sind die Eltern der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat eine Grundmiete in Höhe von 320,- EUR, Heizkosten für Öl in Höhe von monatlich 100,- EUR sowie einen Pauschalbetrag in Höhe von 50,- EUR monatlich für sonstige Nebenkosten zu entrichten. Für das zweitgeborene Kind bezieht die Antragstellerin in der Zeit von April 2013 bis März 2014 Bundeselterngeld in Höhe von monatlich 375,- EUR einschließlich des Geschwisterzuschlages. Außerdem bezieht sie Kindergeld in Höhe von insgesamt 368,- EUR. Die Antragstellerin war vor der Geburt des letztgeborenen Kindes nicht erwerbstätig.

Mit Bescheid vom 7. November 2013 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin sowie ihren beiden Kindern Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 254,52 EUR für November 2013 bis März 2014 sowie für April 2014 in Höhe von 599,52 EUR. Darauf entfällt für die Antragstellerin ein Betrag von 220,56 EUR (November 2013 bis März 2014) bzw. von 519,52 EUR (April 2014). Die Antragsgegnerin berücksichtigte bei der Berechnung des Anspruchs einen Regelbedarf der Antragstellerin in Höhe von 382,- EUR, Regelbedarfe für die Kinder in Höhe von jeweils 224,- EUR sowie für die Antragstellerin einen Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 137,52 EUR monatlich. Bedarfsmindernd berücksichtigte sie als Einkommen das Elterngeld in Höhe von 375,- EUR abzüglich der sogenannten Werbungskostenpauschale in Höhe von 30,- EUR sowie des Kindergelds für die beiden Kinder in Höhe von jeweils 184,- EUR. Für April 2014 wurde davon abweichend das Elterngeld nicht bedarfsmindernd in Abzug gebracht.

Gegen den Bescheid vom 7. November 2013 erhob die Antragstellerin am 22. No-vember 2013 Widerspruch, weil nach ihrer Ansicht das Elterngeld zu Unrecht be-darfsmindernd berücksichtigt werde.

Mit Bescheid vom 23. Januar 2014 änderte die Antragsgegnerin ihre Bewilligung. Sie berücksichtigte nun auf der Bedarfsseite zusätzlich Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 470,- EUR sowie für die Zeit ab dem 1. Januar 2014 die mit Wirkung zu diesem Datum erhöhten Regelbedarfe (391,- EUR für die Antragstellerin bzw. jeweils 229,- EUR für die Kinder). Entsprechend bewilligte sie der Antragstellerin für November 2013 und Dezember 2013 Leistungen in Höhe von monatlich 458,06 EUR, für Januar 2014 bis März 2014 Leistungen in Höhe von monatlich 470,88 EUR sowie für April 2014 in Höhe von 688,42 EUR.

Mit Bescheid vom 6. März 2014 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. November 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Januar 2014 zurück.

Am 28. Februar 2014 hat die Antragstellerin Untätigkeitsklage erhoben (S 15 AS 693/14) sowie um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Die Antrag-stellerin ist weiterhin der Ansicht, dass das Bundeselterngeld zu Unrecht als Einkommen berücksichtigt werde.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr und ihren Kindern für die Zeit von November 2013 bis März 2014 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin verweist auf den Widerspruchsbescheid vom 6. März 2014.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte des Ge-richts sowie auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

A. Der Antrag ist zulässig, soweit die Antragstellerin eigene Ansprüche geltend macht.

Der Antrag ist hingegen unzulässig, soweit die Antragstellerin Leistungen für ihre Kinder begehrt. Zwar begehrt die Antragstellerin explizit Leistungen "für die Bedarfs-gemeinschaft". Bei den Ansprüchen nach dem SGB II handelt es sich jedoch um in-dividuelle Ansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, nicht um solche der Bedarfsgemeinschaft selbst (ständige Rechtsprechung seit BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, juris, Rn. 12; weitere Nachweise bei Spellbrink/Becker, in: Eicher [Hrsg.], SGB II, 3. Aufl. 2013, § 7 Rn. 5 und 70). Ent-sprechend kann die Antragstellerin auch nicht in eigenem Namen Ansprüche ihrer Kinder geltend machen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, juris, Rn. 13). Die vom Bundessozialgericht geschaffene Übergangsregelung, nach der Anträge im gerichtlichen Verfahren in Erweiterung der üblichen Auslegungskriterien danach zu beurteilen sind, in welcher Weise die an einer Bedarfsgemeinschaft beteiligten Personen die Klage hätten erheben bzw. die Anträge bei Gericht hätten stellen müssen, um die für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt gewünschten höheren Leistungen zu erhalten, endete am 30. Juni 2007 (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R, juris, Rn. 11).

B. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er aber unbegründet.

1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann, wenn – wie hier – ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Er-folgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen ge-richtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsachebehelfes (Anord-nungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivil-prozessordnung (ZPO) vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Die diesbezüglichen Anforderungen sind umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21. Juni 2013 – L 12 AS 1432/13 ER-B, juris, Rn. 15; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Januar 2008 – L 8 AS 5486/07 ER-B, juris, Rn. 9; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2007 – L 7 SO 5672/06 ER-B, juris, Rn. 2; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. März 2007 – L 7 AS 1214/07 ER-B, juris, Rn. 3). Allerdings begrenzt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bestehende Obliegenheit des Antragstellers zur Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund die Anforderungen an die im sozialgerichtlichen Verfahren bestehende Amtsermittlungspflicht des Gerichtes (vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 29. August 2003 – 133/03, 133 A/03, juris, Rn. 21; Sächsisches LSG, Beschluss vom 1. August 2005 – L 3 B 94/05 AS-ER, juris, Rn. 34; Bayerischer VGH, Beschluss vom 13. August 2004 – 15 CE 04.1780, juris, Rn. 20; VG Regensburg, Beschluss vom 2. Mai 2005 – RN 3 E 05.00476, juris, Rn. 29).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER, juris, Rn. 18; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2007 – L 7 SO 5672/06 ER-B, juris, Rn. 2). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER, juris, Rn. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER, juris, Rn. 4, insoweit in FEVS 58 [2007], S. 414 ff. nicht abgedruckt; Hessisches LSG, Beschluss vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER, FEVS 57 [2006], S. 42 [44]). Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER, juris, Rn. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER, juris, Rn. 4, insoweit in FEVS 58 [2007], S. 414 ff. nicht abgedruckt; Hessisches LSG, Beschluss vom 29. Juni 2005 – L 7 AS 1/05 ER, FEVS 57 [2006], S. 42 [44]).

2. Es konnte weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden, denn beides liegt nicht vor.

a) Ein Anordnungsgrund liegt nicht vor.

aa) Ein Anordnungsgrund liegt nur dann vor, wenn der Erlass einer einstweiligen An-ordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist; d. h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (Hessisches LSG, Beschluss vom 21. März 2006 – L 9 AS 124/05 ER, juris, Rn. 35). Eilbedürftigkeit besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte (BVerfG, Be-schluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, juris, Rn. 23; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Februar 2014 – L 2 AS 252/14 B ER, juris, Rn. 27). Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorwegnehmenden Eil-entscheidung kann bei Leistungen nach dem SGB II in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen der Notlage über existenzsichernde Leistungen für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten und dem Antragsteller schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. August 2006 – L 13 AS 2759/06 ER-B, juris, Rn. 4; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – L 13 AS 4113/06 ER-B, FEVS 58 [2007], S. 370 [371]; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Be-schluss vom 3. Januar 2008 – L 8 AS 5486/07 ER-B, juris, Rn. 13).

bb) Ein Anordnungsgrund liegt für den Zeitraum zwischen dem 1. November 2013 bis zum 27. Februar 2014 nach diesen Maßstäben schon deswegen nicht vor, weil insofern Leistungen für die Vergangenheit begehrt werden, da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Gericht erst am 28. Februar 2014 gestellt wurde. Eine exzeptionelle Situation, in der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen auch für die Vergangenheit zu gewähren wären, liegt nicht vor.

Letzteres gilt zumal auch deshalb, weil der Antragstellerin in diesem Zeitraum – aber auch für die Zeit vom 28. Februar 2014 bis zum 31. März 2014, für die deswegen auch kein Anordnungsgrund vorliegt – im Ergebnis Geld in der Höhe zur Verfügung stand und steht, in der nach den Regelungen des SGB II ein Bedarf besteht. Zwar erhält die Antragstellerin von der Antragsgegnerin Leistungen nur in verminderter Höhe, weil die Antragsgegnerin das von der Antragstellerin bezogene Elterngeld – nach Abzug der Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) – als bedarfsminderndes Einkommen anrechnet. Da der Antragstellerin jedoch das Elterngeld zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung steht, ist ihr Existenzminimum gesichert. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es ausreichend, dass das Existenzminimum gedeckt werden kann, ohne dass es auf den Rechtsgrund der Einnahme oder die subjektive Verwendungsabsicht des Hilfebedürftigen ankäme (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2010 – 1 BvR 2556/09, juris, Rn. 14). Damit besteht für eine gerichtliche Entscheidung keine Eilbedürftigkeit.

b) Auch ein Anordnungsanspruch ist nicht gegeben, da die Antragstellerin auch materiell keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II hat. Insbesondere hat die Antragsgegnerin zu Recht das von der Antragstellerin in den Monaten November 2013 bis März 2014 bezogene Elterngeld bedarfsmindernd berücksichtigt.

Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ist unter anderem die Hilfebedürftigkeit der leistungsbegehrenden Person (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert.

aa) Bei dem Elterngeld handelt sich um Einkommen in Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. März 2013 – L 6 AS 623/11, juris, Rn. 27; LSG Thüringen, Beschluss vom 9. April 2013 – L 4 AS 1601/12 B, juris, Rn. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. April 2013 – L 2 AS 99/13 B, juris, Rn. 9), da es sich um Einnahmen in Geld handelt. Eine Ausnahmefall im Sinne des § 11a SGB II – insbesondere dessen Absatz 3 –, der der Berücksichtigung als Einkommen entgegenstehen würde, liegt nicht vor (Schmidt, in Eicher [Hrsg.], SGB II, 3. Aufl. 2013, § 11a Rn. 20). Dies ergibt sich im Umkehrschluss schon aus der Regelung des § 10 Abs. 5 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG), wonach nur unter bestimmten Voraussetzungen (teilweise) eine Anrechnung von Elterngeld als Einkommen bei Leistungen nach dem SGB II nicht erfolgt.

Diese Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 BEEG liegen bei der Antragstellerin jedoch nicht vor. Nach § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG bleibt das Elterngeld bei Leistungen nach dem SGB II in Höhe des nach § 2 Abs. 1 BEEG berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300,- EUR Euro unberücksichtigt. Diese Norm greift zu Gunsten der Antragstellerin nicht ein, weil diese vor der Geburt des den El-terngeldanspruchs auslösenden Kindes am 29. April 2013 nicht erwerbstätig war, so dass sie einen Freibetrag nach § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG nicht in Anspruch nehmen kann. Ihr wurde kein Elterngeld auf Grundlage eines Erwerbseinkommens vor der Geburt bewilligt, sondern in Höhe des einkommensunabhängigen Mindestbetrages von 300,- EUR pro Monat gemäß § 2 Abs. 4 BEEG zuzüglich des Geschwisterzuschlages in der einkommensunabhängigen Mindesthöhe von 75,- EUR gemäß § 2a Abs. 1 BEEG.

bb) Die Anrechnung des Elterngeldes ist auch verfassungsgemäß (ebenso etwa LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. März 2013 – L 6 AS 623/11, juris, Rn. 28; LSG Sachsen, Beschluss vom 26. November 2013 – L 3 AS 1270/12 B, juris, Rn. 14 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. April 2013 – L 2 AS 99/13 B, juris, Rn. 12; SG Lüneburg, Urteil vom 16. April 2013 – S 31 AS 132/11, juris, Rn. 25; zur Ver-fassungsmäßigkeit der Anrechnung von Kindergeld BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. März 2010 – 1 BvR 3163/09, juris, Rn. 6 ff.; zu Ver-fassungsmäßigkeit der Anrechnung von Leistungen nach dem Bundesausbildungs-förderungsgesetz BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2010 – 1 BvR 2556/09, juris, Rn. 12 ff.).

(1) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs. 1 GG) wird durch die Anrechnung von Einkommen nicht verletzt. Dieses Grundrecht greift dann ein, wenn und soweit andere Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zur Verfügung stehen (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u. a., BVerfGE 125, 175 [222]; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2010 – 1 BvR 688/10, juris, Rn. 2; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2010 – 1 BvR 2556/09, juris, Rn. 13). Die Verfassung gebietet nicht die Gewährung von bedarfsunabhängigen, vorausset-zungslosen Sozialleistungen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2010 – 1 BvR 2556/09, juris, Rn. 13). Der Gesetzgeber hat vielmehr einen weiten Spielraum, wenn er Regelungen darüber trifft, ob und in welchem Umfang bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, sonstiges Einkommen des Empfängers auf den individuellen Bedarf angerechnet wird (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2010 – 1 BvR 2556/09, juris, Rn. 13; vgl. zur Berücksichtigung von Vermögen, BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 2. Februar 1999 – 1 BvL 8/97, BVerfGE 100, 195 [205]). Es ist nicht wegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erforderlich, dass Einnahmen von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen sind, auf die der Hilfebedürftige zur Deckung seines Existenzminimums tatsächlich zurückgreifen kann (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Juli 2010 – 1 BvR 2556/09, juris, Rn. 14).

(2) Die bedarfsmindernde Berücksichtigung des Elterngeldes bei der Antragstellerin ist auch insofern verfassungsgemäß als sie anders behandelt wird als Bezieher von Elterngeld, die von der Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG profitieren, weil sie vor der Geburt des Kinders, aufgrund dessen Elterngeld gezahlt wird, einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind (ebenso etwa LSG Hessen, Beschluss vom 1. Februar 2013 – L 6 AS 817/12 B, juris, Rn. 14 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. März 2013 – L 6 AS 623/11, juris, Rn. 28; SG Lüneburg, Urteil vom 16. April 2013 – S 31 AS 132/11, juris, Rn. 30).

Ungleichbehandlungen sind unter dem Regime des Art 3 Abs. 1 GG verfassungs-rechtlich gerechtfertigt, wenn ein hinreichender Differenzierungsgrund vorliegt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungs-merkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeits-erfordernissen reichen können (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. De-zember 2012 – 1 BvL 8/11, 1 BvL 22/11, BVerfGE 132, 372 [388, Rn. 45] m.w.N.). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Dif-ferenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. Dezember 2012 – 1 BvL 8/11, 1 BvL 22/11, BVerfGE 132, 372 [388, Rn. 45]). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet danach nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unter-scheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterschei-dungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. Dezember 2012 – 1 BvL 8/11, 1 BvL 22/11, BVerfGE 132, 372 [388, Rn. 45]). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. Dezember 2012 – 1 BvL 8/11, 1 BvL 22/11, BVerfGE 132, 372 [388, Rn. 45]).

Nach diesen Maßstäben ist die Ungleichbehandlung gerechtfertigt, weil es ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers ist, Personen bei dem Bezug von Elterngeld unter-schiedlich zu behandeln in Abhängigkeit davon, ob das Elterngeld als Surrogat für zuvor erzieltes Arbeitseinkommen gezahlt wird. Fehlt es am vorherigen Bezug von Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit stellt sich die Zahlung des Elterngeldes nicht als Ersatz für ausgefallenes Erwerbseinkommen dar, sondern als einkommensunab-hängige Fürsorgeleistung, die nicht an der Privilegierung durch § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG teilhaben muss. Damit liegt ein erheblicher Unterschied vor, der die Ungleich-behandlung rechtfertigt, weil Fürsorgeleistungen nicht "doppelt" erbracht werden müssen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

D. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Verfah-rensbevollmächtigten des Antragstellers war mangels Erfolgsaussichten des einst-weiligen Rechtsschutzbegehrens (§ 73a Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung) abzulehnen.
Rechtskraft
Aus
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