Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1641/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Tätigkeit eines Pianisten in einem Restaurant ist als
selbständig zu qualifizieren.
Die Beurteilung der Finanzverwaltung im Rahmen einer Lohn-steueraußenprüfung ist nicht rechtlich bindend.
selbständig zu qualifizieren.
Die Beurteilung der Finanzverwaltung im Rahmen einer Lohn-steueraußenprüfung ist nicht rechtlich bindend.
1. Der Bescheid vom 13.03.2012 in der Gestalt des Wider spruchsbescheids vom 04.03.2013 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird endgültig auf 24.505,24 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein bei der Klägerin regelmäßig auftretender Pianist seine Tätigkeit selbstständig oder im Rahmen eines abhängigen Be-schäftigungsverhältnisses ausgeübt hat.
Das Finanzamt Xxx führte bei der Klägerin in der Zeit vom 27.12.2006 bis zum 03.08.2007 eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Die Prüfung umfasste den Zeitraum 01.12.2001 bis zum 31.12.2005. Im Rahmen dieser Prüfung gelangte der Prüfer Xxx zu dem Ergebnis, dass der Pianist Xxx als abhängiger Beschäftigter zu beurteilen sei. Deswegen erfolgte durch die Klägerin am 17.01.2008 die rückwirkende Anmeldung des Xxx zur Sozialversicherung. Die entsprechenden Beiträge wurden für die Vergangenheit entrichtet. Sowohl Lohnsteuer als auch Sozialversicherungsbeiträge wurden auch für die auf den Prüfzeitraum folgende Zeit bis zum 20.07.2007 abgeführt.
Der Pianist Xxx sorgte regelmäßig in der Bar der Klägerin für die musikalische Unter-haltung der Gäste. Pro Monat spielte er durchschnittlich an 10 bis 13 Abenden jeweils 3 bis 4 Stunden. Diesem Arrangement lagen weder ein Arbeitsvertrag noch schriftliche Aufträge zugrunde. Die Vereinbarung der Auftritte erfolgte mündlich nach Bedarf. Dementsprechend erfolgte die Vergütung auf Honorarbasis nach Rechnungsstellung. Bis zum März 2007 geschah dies in bar, danach auf das von Herrn Xxx angegebene Konto bei der Sparkasse Xxx. Eine Vergütung erfolgte nur für die tatsächlich erbrachten Dienste als Pianist. Es stand dem Xxx frei noch weitere Engagements einzugehen. Eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfolgte nicht, ebensowenig bestand ein Anspruch auf Urlaub. Weisungen hinsichtlich der Stückauswahl erfolgten nicht. Das Instrument wurde aber zur Verfügung gestellt.
Zum 20.07.2007 beendigte die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis mit Herrn Xxx, weswegen er von der Sozialversicherung abgemeldet wurde.
Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) führte in der Zeit vom 04.10.2011 bis zum 29.02.2012 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Die Prüfung umfasste den Zeitraum 01.01.2007 bis zum 31.12.2010. Der Prüfer bean-standete, dass Herr Xxx zum 20.07.2007 von der Sozialversicherung wieder abge-meldet worden sei, obwohl er weiterhin regelmäßig bei der Klägerin aufgetreten sei.
Mit Bescheid vom 13.03.2012 errechnete die DRV eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 24.506,24 EUR. Darin enthalten waren 5.931,50 EUR Säumnisgebühren.
Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid am 13.04.2012 Widerspruch und machte geltend, seit dem 20.07.2007 sei Herr Xxx in der von Frau Xxx (nunmehr Xxx), seiner Ehefrau, betriebenen Künstleragentur tätig, welche von der Klägerin von Zeit zu Zeit mit der musikalischen Untermalung des Restaurants beauftragt worden sei. Diese Umstände seien dem Finanzamt Xxx bekannt gewesen. Deshalb sei im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung, die zwischen dem 06.12.2010 und dem 25.05.2011 durchgeführt worden sei, auch nicht beanstandet worden, dass für Herrn Xxx keine Lohnsteuer abgeführt worden sei. Die Beurteilung des Finanzamtes im Rahmen der Lohnsteuerprüfung habe Indizwirkung. Ein Beschäftigungsverhältnis habe seit dem 20.07.2007 nur zwischen der Frau Xxx betriebenen Künstleragentur und Herrn Xxx bestanden. Der Künstleragentur habe es frei gestanden, auch andere Pianisten zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten einzusetzen. Es habe keine Vorgaben bezüglich der Stückauswahl gegeben. Als Vergütung sei ein bestimmtes Stundenhonorar vereinbart gewesen. Der Abgrenzungskatalog für die im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätigen Personen finde keine Anwendung. Im Übrigen seien die Säumniszuschläge mangels Verschuldens nicht zu erheben gewesen.
Die DRV holte zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts eine Auskunft bei dem Steuerprüfer Xxx ein. Dieser teilte am 12.06.2012 schriftlich mit, bis zum Juli 2007 habe der Xxx noch Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit gehabt. Ab August sei die Rechnungsstellung durch seiner Ehefrau erfolgt. Diese habe unter der Steuernummer 36189/22614 beim Finanzamt Xxx ein Gewerbe (Künstlervermittlung) für den Zeitraum 2007 bis 2009 angemeldet. Ab dem Zeitpunkt, in dem Frau Xxx (ehemals Xxx) die Rechnungen an die Klägerin gestellt hat, sei man davon ausgegangen, dass Herr Xxx Arbeitnehmer seiner Ehefrau sei.
Auf ein Auskunftsschreiben der DRV vom 20.06.2012 teilte Herr Xxx am 18.09.2012 telefonisch mit, seine Frau habe nie eine Künstleragentur betrieben. Daher habe sie auch keine weiteren Künstler vermittelt. Er selbst sei nur für die Klägerin tätig gewesen und habe keine weiteren Auftraggeber gehabt. Seine Frau habe die Einkünfte beim Finanzamt versteuert. Die Rechnungen seien durch seine damalige Lebensgefährtin, jetzige Frau gestellt worden, da er damals in Scheidung lebte und aus diesem Grund kein eigenes Konto gehabt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2013 wurde der Widerspruch der Klägerin zu-rückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Umstände der Tätigkeit des Xxx hätten sich auch nach dem Juli 2007 nicht geändert, lediglich die Rechnungsstellung sei über seine damalige Lebensgefährtin erfolgt, da er kein Konto besaß und nunmehr offensichtlich eine Auszahlung in bar nicht mehr erfolgen sollte. Entgegen der Angaben der Klägerin habe das Finanzamt in der Lohnsteuerprüfung 2010/2011 nicht entschieden, dass Herr Xxx nicht als Arbeitnehmer der Klägerin zu betrachten sei. Vielmehr habe dieser Sachverhalt nicht geprüft werden können, da lediglich Rechnungen von Frau Xxx vorlagen. Eine steuerrechtliche Prüfung sei hin-sichtlich dieses Sachverhalts nicht erfolgt. Die Säumniszuschläge seien zu Recht erhoben worden.
Mit ihrer hiergegen am 04.04.2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und legt nochmal die tatsächlichen Bedingungen der Tätigkeit des Xxx dar. Ergänzend führt sie aus, die von Herrn Xxx getätigte Aussage sei als Schutzbehauptung anzusehen, um eine Inanspruchnahme seiner Ehefrau durch die DRV zu vermeiden.
Die Klägerin beantragt,
der Bescheid vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung weiterhin für zutreffend und verweist insoweit auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids. Mit Beschluss vom 20.08.2013 wurden Herr Xxx Xxx und die AOK notwendig zum Verfahren beigeladen. Am 07.11.2013 hat das Gericht Kenntnis davon erlangt, dass Herr Xxx am 18.06.2013 verstorben ist. Deswegen wurde mit Beschluss vom 25.11.2013 Frau Xxx Xxx als Rechtsnachfolgerin von Herrn Xxx notwendig beigeladen (vgl. BSG, Urteil vom 28.04.1982, Az.: 12 RK 10/80).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom 04.03.2013 entscheiden hat, dass Herr Xxx mit seiner Tätigkeit als Pianist bei der Klägerin der Versicherungspflicht unterlag, ist dies rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Bescheide sind daher aufzuheben.
Der bei der Klägerin tätig gewesene Pianist Xxx übte sein Engagement nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als selbstständige Tätigkeit aus. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus dem Gesamtergebnis des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens.
1. Ob eine selbstständige Tätigkeit oder ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich nach den von der Rechtsprechung für die Abgrenzung von selbstständiger und abhängiger Beschäftigung herausgearbeiteten Grundsätzen. Danach ist für die Wertung einer Beschäftigung als abhängig ausschlaggebend, dass sie in persönlicher Abhängigkeit verrichtet wird. Diese äußert sich regelmäßig in der Eingliederung des Beschäftigten in einen fremden Betrieb, sei es, dass er umfassend einem Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffendem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, sei es auch nur, insbesondere bei Diensten höherer Art, dass er funk-tionsgerecht dienend am Arbeitsprozess des Arbeitgebers teil hat. Demgegenüber kennzeichnen eine selbstständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Ver-fügungsfreiheit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Weist im Einzelfall eine Tätigkeit sowohl Merkmale der Ab-hängigkeit wie der Selbstständigkeit auf, so kommt es bei der Beurteilung des Ge-samtbildes darauf an, welche Merkmale überwiegen. Grundlage der Beurteilung sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse. Die in einer vertraglichen Vereinbarung gewählte Bezeichnung oder rechtliche Einordnung einer Tätigkeit ist dagegen nicht maßgebend, wenn sie davon abweicht (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 28.01.1999, Az.: B 3 KR 2/98 R).
2. Nach diesen Maßgaben war der Pianist Xxx nicht abhängig Beschäftigter der Klä-gerin.
Nach den vorliegenden Verhältnissen war er nicht in den Betrieb der Klägerin einge-gliedert. Gegen eine solche Eingliederung spricht bereits die Tatsache, dass ein Ar-beits- beziehungsweise Dienstvertrag zwischen der Klägerin und Herrn Xxx nicht zu-stande gekommen ist. Auch lag dem Engagement kein schriftlicher Auftrag zugrunde. Vielmehr erfolgte eine Beauftragung mündlich nach Bedarf. Es liegt daher kein auf Dauer angelegtes Beschäftigungsverhältnis vor. Zwar war Herr Xxx bereits über mehrere Jahre für die Klägerin tätig. Bei der Ausübung dieser Tätigkeit stellte er aber nicht seine gesamte Arbeitsleistung zur Verfügung. Aus den in der Verwaltungsakte befindlichen von Herrn Xxx gestellten Rechnungen lässt sich entnehmen, dass dieser im Monat circa an 10 bis 15 Tagen jeweils 3 bis 4 Stunden spielte. Er war zwar verpflichtet, zu den vereinbarten Zeiten zu erscheinen und für Unterhaltungsmusik zu sorgen. Im Übrigen stand es ihm jedoch frei, anderweitig tätig zu sein. Diese Freiheit hat er offenbar auch dahingehend genutzt, für die Musikschule Achern als Klavierlehrer tätig zu sein.
Herr Xxx trug auch ein eigenes unternehmerisches Risiko. Die Klägerin vergütete nur die jeweils tatsächlich geleisteten Dienste. Aus den vorliegenden Rechnungen ab Januar 2007 ist ersichtlich, dass Herr Xxx ein Stundenhonorar von 30 EUR berechnet hat. So erzielte er beispielsweise im Januar 2007 bei 40 abgerechneten Stunden ein Entgelt in Höhe von insgesamt 1.200 EUR brutto, im Februar 2007 bei 36 abgerechneten Stunden ein solches von 1.080 EUR brutto, im März 2007 bei 48 abgerechneten Stunden ein solches von 1.440 EUR brutto. Urlaubsgeld oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde nicht gezahlt.
Auch war Herr Xxx bezüglich Art und Weise seiner Tätigkeit nicht den Weisungen der Klägerin unterworfen. Zwar war er verpflichtet, zu der vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort zu erscheinen und am Klavier aufzuspielen. Die Auswahl der gespielten Stücke lag aber in seinem eigenen Ermessen. Ein auf die Arbeitnehmereigenschaft hinweisendes Weisungsrecht der Klägerin bestand nicht. Das Weisungsrecht bezüglich Zeit und Ort ergibt sich aus der Natur der Sache und ist für jeden Unterhaltungsmusiker eine Selbstverständlichkeit (vgl. zu alledem LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.09.2001, Az.: L 5 KR 130/00; ebenso SG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2005, Az.: S 27 RA 227/01).
Als einziges Argument für die abhängige Beschäftigung spricht die Tatsache, dass die Klägerin selbst Herrn Xxx aufgrund der Lohnsteueraußenprüfung aus dem Jahr 2007 rückwirkend zur Sozialversicherung angemeldet hat und diese Anmeldung bis zum 20.07.2007 aufrecht erhielt. Soweit die Beklagte hier argumentiert, an der Tätigkeit habe sich nach dem 20.07.2007 nichts geändert, außer dass die Rechnungsstellung durch Frau Xxx erfolgt sei, ist zum einen zu sagen, dass hier durchaus eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist. Frau Xxx hatte ausweislich der schriftlichen Auskunft von Herrn Xxx vom Finanzamt Xxx vom 12.06.2012 beim Finanzamt Xxx unter der Steuernummer 36189/22614 ein Gewerbe als Künstlerver-mittlerin für den Zeitraum 2007 bis 2009 angemeldet. Die Rechnungsstellung erfolgte ab dem 20.07.2007 durch sie als Unternehmerin für musikalische Unterhaltung. Es ist daher mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass Herr Xxx abhängig beschäftigt gewesen war bei seiner Ehefrau. Zum anderen folgt aus der Beurteilung des Finanzamtes Xxx im Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 15.08.2007 nicht zwangsweise, dass die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für die Vergangenheit richtig war. Die Beklagte hat sich dieser Beurteilung ohne eigene rechtliche Prüfung angeschlossen. Die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht obliegt aber nicht dem Finanzamt. Im Übrigen hat das Finanzamt Xxx bei einer erneuten Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre bis 2009 die Beurteilung der Tätigkeit des Herrn Xxx nicht beanstandet. Der Prüfer ging laut Auskunft vom 12.06.2012 selbst davon aus, dass Herr Xxx abhängig Beschäftigter bei Frau Xxx war. Der Beklagten mag darin zuzustimmen sein, dass das Finanzamt in der Lohnsteuerprüfung 2010/2011 keine Entscheidung dahingehend getroffen hat, dass Herr Xxx nicht als Arbeitnehmer der Klägerin zu betrachten sei. Es wurde aber umgekehrt auch keine Entscheidung dahingehend getroffen, dass er als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen sei. Die rückwirkende Anmeldung zur Sozialversicherung hat daher allenfalls Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung des Herrn Xxx. Die Gesamtumstände sprechen aber nach oben gesagtem für eine selbstständige Tätigkeit des Herrn Xxx.
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Für die Festsetzung des Streitwertes gelten § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein bei der Klägerin regelmäßig auftretender Pianist seine Tätigkeit selbstständig oder im Rahmen eines abhängigen Be-schäftigungsverhältnisses ausgeübt hat.
Das Finanzamt Xxx führte bei der Klägerin in der Zeit vom 27.12.2006 bis zum 03.08.2007 eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. Die Prüfung umfasste den Zeitraum 01.12.2001 bis zum 31.12.2005. Im Rahmen dieser Prüfung gelangte der Prüfer Xxx zu dem Ergebnis, dass der Pianist Xxx als abhängiger Beschäftigter zu beurteilen sei. Deswegen erfolgte durch die Klägerin am 17.01.2008 die rückwirkende Anmeldung des Xxx zur Sozialversicherung. Die entsprechenden Beiträge wurden für die Vergangenheit entrichtet. Sowohl Lohnsteuer als auch Sozialversicherungsbeiträge wurden auch für die auf den Prüfzeitraum folgende Zeit bis zum 20.07.2007 abgeführt.
Der Pianist Xxx sorgte regelmäßig in der Bar der Klägerin für die musikalische Unter-haltung der Gäste. Pro Monat spielte er durchschnittlich an 10 bis 13 Abenden jeweils 3 bis 4 Stunden. Diesem Arrangement lagen weder ein Arbeitsvertrag noch schriftliche Aufträge zugrunde. Die Vereinbarung der Auftritte erfolgte mündlich nach Bedarf. Dementsprechend erfolgte die Vergütung auf Honorarbasis nach Rechnungsstellung. Bis zum März 2007 geschah dies in bar, danach auf das von Herrn Xxx angegebene Konto bei der Sparkasse Xxx. Eine Vergütung erfolgte nur für die tatsächlich erbrachten Dienste als Pianist. Es stand dem Xxx frei noch weitere Engagements einzugehen. Eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfolgte nicht, ebensowenig bestand ein Anspruch auf Urlaub. Weisungen hinsichtlich der Stückauswahl erfolgten nicht. Das Instrument wurde aber zur Verfügung gestellt.
Zum 20.07.2007 beendigte die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis mit Herrn Xxx, weswegen er von der Sozialversicherung abgemeldet wurde.
Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) führte in der Zeit vom 04.10.2011 bis zum 29.02.2012 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Die Prüfung umfasste den Zeitraum 01.01.2007 bis zum 31.12.2010. Der Prüfer bean-standete, dass Herr Xxx zum 20.07.2007 von der Sozialversicherung wieder abge-meldet worden sei, obwohl er weiterhin regelmäßig bei der Klägerin aufgetreten sei.
Mit Bescheid vom 13.03.2012 errechnete die DRV eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 24.506,24 EUR. Darin enthalten waren 5.931,50 EUR Säumnisgebühren.
Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid am 13.04.2012 Widerspruch und machte geltend, seit dem 20.07.2007 sei Herr Xxx in der von Frau Xxx (nunmehr Xxx), seiner Ehefrau, betriebenen Künstleragentur tätig, welche von der Klägerin von Zeit zu Zeit mit der musikalischen Untermalung des Restaurants beauftragt worden sei. Diese Umstände seien dem Finanzamt Xxx bekannt gewesen. Deshalb sei im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung, die zwischen dem 06.12.2010 und dem 25.05.2011 durchgeführt worden sei, auch nicht beanstandet worden, dass für Herrn Xxx keine Lohnsteuer abgeführt worden sei. Die Beurteilung des Finanzamtes im Rahmen der Lohnsteuerprüfung habe Indizwirkung. Ein Beschäftigungsverhältnis habe seit dem 20.07.2007 nur zwischen der Frau Xxx betriebenen Künstleragentur und Herrn Xxx bestanden. Der Künstleragentur habe es frei gestanden, auch andere Pianisten zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten einzusetzen. Es habe keine Vorgaben bezüglich der Stückauswahl gegeben. Als Vergütung sei ein bestimmtes Stundenhonorar vereinbart gewesen. Der Abgrenzungskatalog für die im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen tätigen Personen finde keine Anwendung. Im Übrigen seien die Säumniszuschläge mangels Verschuldens nicht zu erheben gewesen.
Die DRV holte zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts eine Auskunft bei dem Steuerprüfer Xxx ein. Dieser teilte am 12.06.2012 schriftlich mit, bis zum Juli 2007 habe der Xxx noch Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit gehabt. Ab August sei die Rechnungsstellung durch seiner Ehefrau erfolgt. Diese habe unter der Steuernummer 36189/22614 beim Finanzamt Xxx ein Gewerbe (Künstlervermittlung) für den Zeitraum 2007 bis 2009 angemeldet. Ab dem Zeitpunkt, in dem Frau Xxx (ehemals Xxx) die Rechnungen an die Klägerin gestellt hat, sei man davon ausgegangen, dass Herr Xxx Arbeitnehmer seiner Ehefrau sei.
Auf ein Auskunftsschreiben der DRV vom 20.06.2012 teilte Herr Xxx am 18.09.2012 telefonisch mit, seine Frau habe nie eine Künstleragentur betrieben. Daher habe sie auch keine weiteren Künstler vermittelt. Er selbst sei nur für die Klägerin tätig gewesen und habe keine weiteren Auftraggeber gehabt. Seine Frau habe die Einkünfte beim Finanzamt versteuert. Die Rechnungen seien durch seine damalige Lebensgefährtin, jetzige Frau gestellt worden, da er damals in Scheidung lebte und aus diesem Grund kein eigenes Konto gehabt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2013 wurde der Widerspruch der Klägerin zu-rückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Umstände der Tätigkeit des Xxx hätten sich auch nach dem Juli 2007 nicht geändert, lediglich die Rechnungsstellung sei über seine damalige Lebensgefährtin erfolgt, da er kein Konto besaß und nunmehr offensichtlich eine Auszahlung in bar nicht mehr erfolgen sollte. Entgegen der Angaben der Klägerin habe das Finanzamt in der Lohnsteuerprüfung 2010/2011 nicht entschieden, dass Herr Xxx nicht als Arbeitnehmer der Klägerin zu betrachten sei. Vielmehr habe dieser Sachverhalt nicht geprüft werden können, da lediglich Rechnungen von Frau Xxx vorlagen. Eine steuerrechtliche Prüfung sei hin-sichtlich dieses Sachverhalts nicht erfolgt. Die Säumniszuschläge seien zu Recht erhoben worden.
Mit ihrer hiergegen am 04.04.2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und legt nochmal die tatsächlichen Bedingungen der Tätigkeit des Xxx dar. Ergänzend führt sie aus, die von Herrn Xxx getätigte Aussage sei als Schutzbehauptung anzusehen, um eine Inanspruchnahme seiner Ehefrau durch die DRV zu vermeiden.
Die Klägerin beantragt,
der Bescheid vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung weiterhin für zutreffend und verweist insoweit auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids. Mit Beschluss vom 20.08.2013 wurden Herr Xxx Xxx und die AOK notwendig zum Verfahren beigeladen. Am 07.11.2013 hat das Gericht Kenntnis davon erlangt, dass Herr Xxx am 18.06.2013 verstorben ist. Deswegen wurde mit Beschluss vom 25.11.2013 Frau Xxx Xxx als Rechtsnachfolgerin von Herrn Xxx notwendig beigeladen (vgl. BSG, Urteil vom 28.04.1982, Az.: 12 RK 10/80).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 13.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom 04.03.2013 entscheiden hat, dass Herr Xxx mit seiner Tätigkeit als Pianist bei der Klägerin der Versicherungspflicht unterlag, ist dies rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Bescheide sind daher aufzuheben.
Der bei der Klägerin tätig gewesene Pianist Xxx übte sein Engagement nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern als selbstständige Tätigkeit aus. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus dem Gesamtergebnis des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens.
1. Ob eine selbstständige Tätigkeit oder ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich nach den von der Rechtsprechung für die Abgrenzung von selbstständiger und abhängiger Beschäftigung herausgearbeiteten Grundsätzen. Danach ist für die Wertung einer Beschäftigung als abhängig ausschlaggebend, dass sie in persönlicher Abhängigkeit verrichtet wird. Diese äußert sich regelmäßig in der Eingliederung des Beschäftigten in einen fremden Betrieb, sei es, dass er umfassend einem Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffendem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, sei es auch nur, insbesondere bei Diensten höherer Art, dass er funk-tionsgerecht dienend am Arbeitsprozess des Arbeitgebers teil hat. Demgegenüber kennzeichnen eine selbstständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Ver-fügungsfreiheit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Weist im Einzelfall eine Tätigkeit sowohl Merkmale der Ab-hängigkeit wie der Selbstständigkeit auf, so kommt es bei der Beurteilung des Ge-samtbildes darauf an, welche Merkmale überwiegen. Grundlage der Beurteilung sind dabei die tatsächlichen Verhältnisse. Die in einer vertraglichen Vereinbarung gewählte Bezeichnung oder rechtliche Einordnung einer Tätigkeit ist dagegen nicht maßgebend, wenn sie davon abweicht (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 28.01.1999, Az.: B 3 KR 2/98 R).
2. Nach diesen Maßgaben war der Pianist Xxx nicht abhängig Beschäftigter der Klä-gerin.
Nach den vorliegenden Verhältnissen war er nicht in den Betrieb der Klägerin einge-gliedert. Gegen eine solche Eingliederung spricht bereits die Tatsache, dass ein Ar-beits- beziehungsweise Dienstvertrag zwischen der Klägerin und Herrn Xxx nicht zu-stande gekommen ist. Auch lag dem Engagement kein schriftlicher Auftrag zugrunde. Vielmehr erfolgte eine Beauftragung mündlich nach Bedarf. Es liegt daher kein auf Dauer angelegtes Beschäftigungsverhältnis vor. Zwar war Herr Xxx bereits über mehrere Jahre für die Klägerin tätig. Bei der Ausübung dieser Tätigkeit stellte er aber nicht seine gesamte Arbeitsleistung zur Verfügung. Aus den in der Verwaltungsakte befindlichen von Herrn Xxx gestellten Rechnungen lässt sich entnehmen, dass dieser im Monat circa an 10 bis 15 Tagen jeweils 3 bis 4 Stunden spielte. Er war zwar verpflichtet, zu den vereinbarten Zeiten zu erscheinen und für Unterhaltungsmusik zu sorgen. Im Übrigen stand es ihm jedoch frei, anderweitig tätig zu sein. Diese Freiheit hat er offenbar auch dahingehend genutzt, für die Musikschule Achern als Klavierlehrer tätig zu sein.
Herr Xxx trug auch ein eigenes unternehmerisches Risiko. Die Klägerin vergütete nur die jeweils tatsächlich geleisteten Dienste. Aus den vorliegenden Rechnungen ab Januar 2007 ist ersichtlich, dass Herr Xxx ein Stundenhonorar von 30 EUR berechnet hat. So erzielte er beispielsweise im Januar 2007 bei 40 abgerechneten Stunden ein Entgelt in Höhe von insgesamt 1.200 EUR brutto, im Februar 2007 bei 36 abgerechneten Stunden ein solches von 1.080 EUR brutto, im März 2007 bei 48 abgerechneten Stunden ein solches von 1.440 EUR brutto. Urlaubsgeld oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde nicht gezahlt.
Auch war Herr Xxx bezüglich Art und Weise seiner Tätigkeit nicht den Weisungen der Klägerin unterworfen. Zwar war er verpflichtet, zu der vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort zu erscheinen und am Klavier aufzuspielen. Die Auswahl der gespielten Stücke lag aber in seinem eigenen Ermessen. Ein auf die Arbeitnehmereigenschaft hinweisendes Weisungsrecht der Klägerin bestand nicht. Das Weisungsrecht bezüglich Zeit und Ort ergibt sich aus der Natur der Sache und ist für jeden Unterhaltungsmusiker eine Selbstverständlichkeit (vgl. zu alledem LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.09.2001, Az.: L 5 KR 130/00; ebenso SG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2005, Az.: S 27 RA 227/01).
Als einziges Argument für die abhängige Beschäftigung spricht die Tatsache, dass die Klägerin selbst Herrn Xxx aufgrund der Lohnsteueraußenprüfung aus dem Jahr 2007 rückwirkend zur Sozialversicherung angemeldet hat und diese Anmeldung bis zum 20.07.2007 aufrecht erhielt. Soweit die Beklagte hier argumentiert, an der Tätigkeit habe sich nach dem 20.07.2007 nichts geändert, außer dass die Rechnungsstellung durch Frau Xxx erfolgt sei, ist zum einen zu sagen, dass hier durchaus eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist. Frau Xxx hatte ausweislich der schriftlichen Auskunft von Herrn Xxx vom Finanzamt Xxx vom 12.06.2012 beim Finanzamt Xxx unter der Steuernummer 36189/22614 ein Gewerbe als Künstlerver-mittlerin für den Zeitraum 2007 bis 2009 angemeldet. Die Rechnungsstellung erfolgte ab dem 20.07.2007 durch sie als Unternehmerin für musikalische Unterhaltung. Es ist daher mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass Herr Xxx abhängig beschäftigt gewesen war bei seiner Ehefrau. Zum anderen folgt aus der Beurteilung des Finanzamtes Xxx im Bericht über die Lohnsteueraußenprüfung vom 15.08.2007 nicht zwangsweise, dass die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für die Vergangenheit richtig war. Die Beklagte hat sich dieser Beurteilung ohne eigene rechtliche Prüfung angeschlossen. Die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht obliegt aber nicht dem Finanzamt. Im Übrigen hat das Finanzamt Xxx bei einer erneuten Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre bis 2009 die Beurteilung der Tätigkeit des Herrn Xxx nicht beanstandet. Der Prüfer ging laut Auskunft vom 12.06.2012 selbst davon aus, dass Herr Xxx abhängig Beschäftigter bei Frau Xxx war. Der Beklagten mag darin zuzustimmen sein, dass das Finanzamt in der Lohnsteuerprüfung 2010/2011 keine Entscheidung dahingehend getroffen hat, dass Herr Xxx nicht als Arbeitnehmer der Klägerin zu betrachten sei. Es wurde aber umgekehrt auch keine Entscheidung dahingehend getroffen, dass er als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen sei. Die rückwirkende Anmeldung zur Sozialversicherung hat daher allenfalls Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung des Herrn Xxx. Die Gesamtumstände sprechen aber nach oben gesagtem für eine selbstständige Tätigkeit des Herrn Xxx.
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Für die Festsetzung des Streitwertes gelten § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
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