S 4 U 1091/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 1091/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Beschäftigung als Concierge bzw. als Portier in einem Fünf-Sterne-Hotel ist kein lärmgefährdeter Arbeitsplatz im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV. Dies gilt auch unter Berücksichtigung gelegentlicher Fehlalarme durch Türwächter / Fluchtwächter, ohne dass deswegen weitere Ermittlungen erforderlich wären.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit (BK) aufgrund der Geräuschentwicklung im Empfangsbereich eines Fünf-Sterne-Hotels. Der 1963 geborene Kläger wurde von 1980 bis 1983 zum Empfangsmitarbeiter aus-gebildet und arbeitete von 1989 bis zuletzt in " ..." als "Concierge".

Mit Schreiben vom 27.04.2011 machte er die Beklagte darauf aufmerksam, dass er seit über sieben Monaten arbeitsunfähig krankgeschrieben sei. Sein HNO-Arzt habe ihm bescheinigt, dass die Lärmeinwirkung am Arbeitsplatz für seine Gesundheitsschäden mitverantwortlich sei. Seine letzte Rehabilitationsmaßnahme habe gezeigt, dass er den bisherigen Beruf nicht mehr ausüben könne. Dem Schreiben war ein Attest des HNO-Arztes Dr. W. vom 26.04.2011 beigefügt, wonach die "Lärmeinwirkung des Betriebs (Hotelhalle)" für den Tinnitus [Ohrgeräusche], die Hyperakusis [krankhafte Überempfindlichkeit gegenüber Schall, der normalerweise noch nicht als unangenehm laut empfunden wird] "und evtl. auch die Hörminderung" des Klägers für mitverantwortlich gehalten werde. Einem beigefügten Ton-Audiogramm vom 15.03.2011 war zu entnehmen, dass der Kläger beidseitig ein vermindertes Hörvermögen in höheren Frequenzbereichen aufwies.

Der Arbeitgeber erhielt von der Beklagten den Fragebogen BK 2301 Lärm mit der Bitte zugesandt, diesen auszufüllen. Die Personalleiterin des ... vertrat mit E-Mail vom 28.06.2011 die Ansicht, dass es sich bei der Tätigkeit im Empfangsbereich von ... nicht um einen Arbeitsplatz mit Lärmgefährdung handele. Nach Rücksprache habe diese auch die Betriebsärztin Dr. H. von der ... bestätigt. Der Fragebogen könne daher nicht beantwortet werden.

Aus dem beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis der ...gehen seit 2001 wiederholte Behandlungen wegen Rückenschmerzen, Sprunggelenk- und Bänder-zerrungen, seit 2010 ein Tinnitus und seit 2011 Spannungskopfschmerz, depressive Episoden und sonstige Kopfschmerzsymptome sowie Schwindel und Hochton-schwerhörigkeit hervor.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Arbeitsplätze des Klägers durch ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD). In dem Bericht des Dipl.-Ing. K. vom 30.08.2011 ist angegeben, dass nach Messungen am Arbeitsplatz des Klägers und Befragung des Klägers für die Tätigkeit als Empfangsmitarbeiter bzw. Concierge ab dem 01.01.1983 durchgängig ein mittlerer Lärmpegel von 74 dB (A) anzunehmen sei. Der Lärm am aktuellen Arbeitsplatz sei gemessen worden, hinsichtlich der früheren Arbeitsplätze - ebenfalls im Empfangsbereich von Hotels - werde von vergleichbaren vermessenen Arbeitsplätzen ausgegangen. Die Ermittlung der Lärmbelastung sei nach der Richtlinie 2058 des Verein Deutscher Ingenieure (VDI) Blatt 2, DIN 45641 und DIN 45645 erfolgt. Von einer Gefährdung könne erst ausgegangen werden, wenn im Arbeitsbereich des Versicherten ein Lärm auftrete, bei dem ein personenbezogener Beurteilungspegel von 85 dB (A) erreicht oder überschritten werde.

Nach Information des Staatlichen Gewerbearztes lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.10.2011 die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und die Gewährung von Leistungen ab, da eine ausreichende Lärmbelastung nicht vorgelegen habe. Zur Begründung wurde auf den Bericht des TAD verwiesen.

Am 24.10.2011 legte der Kläger Widerspruch ein. Seine Bevollmächtigten trugen vor, nach der VDI-Richtlinie 2058, auf die sich der TAD berufe, seien die Voraussetzungen einer Hörminderung aufgrund der beruflichen Tätigkeit wahrscheinlich. Dies habe der Kläger nach einer Abgleichung seines Arbeitsplatzes mit der VDI-Richtlinie 2058 selbst festgestellt.

Vorgelegt wurde hierzu eine Stellungnahme des Klägers, wonach bereits nach einer Überschreitung von 70 dB (A) eine Erholungszeit von mindestens zehn Stunden er-forderlich sei, in der die 70 dB nicht überschritten werden sollten. Er hingegen habe in seiner 23jährigen Tätigkeit bei seinem Arbeitgeber regelmäßig Dienst ohne eine ausreichende Ruhephase verrichtet, wobei es in jeder Woche vorgekommen sei, dass der Dienst offiziell erst um 22:30 Uhr geendet und bereits am nächsten Morgen um 7:00 Uhr wieder begonnen habe. Sein akuter Gehörschaden beruhe darauf, dass in jeder Woche versehentlich der Alarm einer Fluchttüre ausgelöst worden sei und man dann vor Ort und mit dem richtigen Schlüssel das Signal habe ausschalten müssen, was dann unter Stress auch Minuten gedauert habe. Die Firmen, welche diese Alarmanlagen vertrieben, sprächen von einem Schalldruck von mindestens 98 dB (A). Danach habe man einige Zeit gebraucht, um sich wieder an ein normales Hören zu gewöhnen. Zwar sei der dauerhafte regelmäßige Lärmpegel unterhalb der Schwelle von 85 dB (A) gewesen, doch sei er diesem Lärm über 23 Jahre lang ausgesetzt gewesen. Hierbei seien auch zahlreiche Bauarbeiten zu berücksichtigen, währenddessen der Hotelbetrieb fortgeführt worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2012 wurde der Widerspruch des Klägers zu-rückgewiesen. Eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit setze eine starke Lärmex-position über einen ausreichend langen Zeitpunkt voraus. Der vom Gesetzgeber ge-forderte Beurteilungspegel von mindestens 85 dB (A) werde nicht erreicht.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat am 20.03.2012 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Die durchgeführten Messungen in der Hotel halle seien nicht repräsentativ, da sie an einem relativ ruhigen Tag durchgeführt worden seien. Tatsächlich seien die durchschnittlichen Belastungen deutlich höher. Ins-besondere komme es zu Spitzenbelastungen, die weit über die 90 dB(A) hinausgingen. Der Lärm auch durch den Alarm könne sich wegen fehlender schallschluckender Maßnahmen wie Teppichböden voll entfalten. Im Übrigen könnten nach vorgenannter VDI-Norm Minderungen des Hörvermögens auch schon bei Belastungen unterhalb von 85 dB auftreten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.10.2011 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 23.02.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bei ihm vorhandene Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit nach der Ziffer 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu erbringen, hilfsweise eine Lärmmessung an den Fluchtmeldern am Arbeitsplatz des Klägers vorzunehmen, weiter hilfsweise, ein HNO-fachärztliches Gutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

Der Klägerbevollmächtigte hat im Klageverfahren die VDI-Richtlinie 2058 "Beurteilung von Lärm hinsichtlich Gehörgefährdungen" vorgelegt.

Die Beklagte hat eine ergänzende Stellungnahme ihrer Präventionsbediensteten Dipl.-Ing. K. vom 29.05.2012 veranlasst. Dieser hat mitgeteilt, dass bei seiner ersten Messung am 19.08.2011 vom Kläger und der Betriebsrätin geäußert worden sei, der gewählte Tag sei nicht repräsentativ, weswegen ein neuer Termin vereinbart worden sei. Der Kläger habe dann als weiteren Messtermin den 26.08.2011 vorgeschlagen, weil an diesem Tag mit der Anreise für die ... und entsprechender Lärmbelastung an der Rezeption zu rechnen gewesen sei. Die Messung am 26.08.2011 sei dann als Grundlage für die Stellungnahme vom 30.08.2011 herangezogen worden. Selbst wenn an einigen Tagen im Jahr eine höhere Lärmbelastung auftreten sollte, sei nie mit einem Lärmpegel von annähernd 85 dB (A) zu rechnen (ca. 3,3 dB Erhöhung des Lärms entsprächen einer Verdoppelung des Lärms). Wegen der Belastung durch Alarmauslösungen seien der Technische Betriebsleiter Herr W. und die Betriebsrätin Frau B. befragt worden. Während die Betriebsrätin keine Angaben zu dem Alarmgeschehen habe machen können, habe Herr W. erklärt, dass solche Alarme höchstens vier bis sechs Mal im Monat aufträten. Die Alarmgeräte befänden sich direkt an den betreffenden Türen und seien 98 dB (A) laut. Das Abschalten des Alarms geschehe mittels Schlüssel, wobei sich die betreffende Person zu der Tür begeben müsse und den Alarm ausstelle. Dieser Vorgang dauere zwischen ein bis vier Minuten, wobei die betreffende Person ca. zehn bis 30 Sekunden dem Lärm ausgesetzt sei. Würde die betreffende Person zwei Mal pro Woche von diesem Lärm betroffen und hier jeweils einer Lärmexposition von drei Minuten Dauer mit 98 dB (A) ausgesetzt sein, würde sich der Lärmexpositionspegel auf 75 dB (A) erhöhen. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass sich der Lärm durch harte Oberflächen wie Marmorböden nicht potenzieren könne, dass jedoch die Nachhalleffekte im Millisekundenbereich den Lärmexpositionspegel erhöhen könnten, wobei dann mit einem maximalen Lärm von ca. 75,5 dB (A) zu rechnen sei. Unzulässig sei die Berufung auf die in den VDI 2058 genannten Lärmwerte, da diese sich auf einen achtstündigen Beurteilungs- bzw. Expositionspegel bezögen. Es werde darauf hingewiesen, dass bei einer Lärmbelastung von 85 dB (A) eine normale Verständigung nicht mehr möglich sei.

Daraufhin hat der Klägerbevollmächtigte nunmehr vorgetragen, dass während der Dienstzeit des Klägers einmal täglich ein Fehlalarm ausgelöst worden sei, manchmal auch zwei Mal. Bei dem vorhandenen anspruchsvollen und internationalen Gästekreis habe die Störung schnellstmöglich beseitigt werden müssen. Man habe sich bei Ausschaltung des Lärms mit dem notwendigen Schlüssel jedoch nicht gleichzeitig die Ohren zuhalten können. Nach jedem Einsatz sei der Kläger im Gehör gemindert ge-wesen, da "es noch stundenlang bei ihm klingelte".

Der Klägerbevollmächtigte hat einen Bericht über eine Reha-Maßnahme der ... vom 31.01.2011 bis zum 07.03.2011 zu den Akten gereicht, wonach bei dem Kläger eine mittelgradige depressive Episode, eine Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst), ein Tinnitus aurium beidseits, eine Hyperakusis und ein Spannungskopfschmerz vorgelegen hätten. Aufgrund des Tinnitus aurium seien Lärmbelastungen über 85 dB (A) auszuschließen, und aufgrund der Hyperakusis dürften keine Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an das Hörvermögen und an die Richtungsdiskriminierung von Ge-räuschquellen erfolgen. Publikumsverkehr, der über den einzelnen Kontakt hinausgehe, sei zu vermeiden, ebenso Tätigkeiten mit erhöhtem Zeitdruck, Stressniveau oder Anforderungen an die Umstellfähigkeit.

Außerdem wurde ein fachärztliches Attest der HNO-Ärztin Dr. W. (ohne Datum) vor-gelegt, in dem auf die Möglichkeit der Verursachung von Hörschäden durch Lärm hoher Intensität (mehr als 85 dB [A]) hingewiesen wird und darauf, dass die individuelle Empfindlichkeit gegenüber Lärm nicht einheitlich sei. Beim Kläger sei im Tonau-diogramm eine mittelgradige Hochtonschwerhörigkeit festgestellt worden, der Tinnitus bestehe weiterhin.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Akten des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Kammer konnte für die Entscheidung offen lassen, inwieweit es sich bei dem An-trag des Klägers auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen um ein zulässiges Klagebegehren handelte, solange noch die Feststellung einer BK dem Grunde nach streitig ist (vgl. BSG vom 07.09.2004 - B 2 U 35/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R unter Hinweis auf BSG vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R; BSG vom 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R - SGb 2007, 748, anders zum Teil noch BSGE 65, 138, 144 = SozR 2200 § 539 Nr. 133 S 399; BSG SozR 3-1500 § 145 Nr. 2). Denn da die Beklagte zu Recht die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt hat, bedarf es insoweit keiner gerichtlichen Feststellung.

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Be-rufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Berufskrank-heiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zu-stimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtverordnung bezeichnet ist, oder bei der die dort be-stimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzu-erkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der me-dizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VII).

Die Anerkennung der geltend gemachten BK Nr. 2301 "Lärmschwerhörigkeit" der Anlage 1 zur BKV erfordert als arbeitstechnische Voraussetzung eine berufliche Lärmbelastung, die grundsätzlich geeignet ist, eine Schwerhörigkeit zu verursachen. Nach den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des TAD im vorliegenden Verfahren, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, fehlt es daran beim Kläger. Ein Lärmarbeitsplatz zeichnet sich grundsätzlich dadurch aus, dass in wesentlichem Umfang mit Maschinen bzw. Motoren und technischen Anlagen umgegangen wird. Demgegenüber erscheint es im Empfangsbereich eines internati-onal bekannten Fünf-Sterne-Hotels als wenig wahrscheinlich, dass dort ein ausrei-chender Lärm festzustellen ist. Demgemäß hat der TAD auch unter Berücksichtigung der von dem Kläger und seinem HNO-Arzt angeführten Alarmmelder einen Schalldruck ermittelt, der deutlich unter dem Grenzwert von 85 db(A) liegt, welcher bei langjähriger Belastung zu einer Schwerhörigkeit führen kann (vgl. Bl. 1 des Merkblatts des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, Bek. des BMAS vom 01.07.2008 - Iva 4-45222-2301, GMBl. Nr. 39 vom 05.08.2009, S 798 ff.).

Die Angaben des Klägers zur Häufigkeit der Aktivierung von Flurwächtern / Alarm-meldern an seinem Arbeitsplatz schwanken im vorliegenden Verfahren, ohne dass es hierauf für die Entscheidung ankommt. Die Kammer weist dennoch darauf hin, dass sie Zweifel an einem täglichen Fehlalarm in der Lobby von ... hat. Zweifel bestehen auch daran, dass es immer der Kläger als in der Hierarchie über den Portiers angesiedelter Concierge war, der Fehlalarme mit dem hierfür vorgehaltenen Schlüssel abzustellen hatte.

Jedenfalls wäre auch bei einem täglichen Fehlalarm von 98 dB(A) und drei Minuten Expositionsdauer entsprechend den Ausführungen des TAD kein Lärmarbeitsplatz im Sinne der BK nachgewiesen.

Ein Dauerlärm von 85 db(A), der erst nach mehreren Jahren kausal für eine Schwer-hörigkeit werden kann, ist weder behauptet noch nachgewiesen.

Bei weitem nicht erreicht wird deswegen auch ein Lärm von 90 db(A), für den zudem noch eine längere Einwirkung erforderlich wäre. Das Beispiel aus dem Merkblatt (a.a.O.) nennt hierfür eine Kettensäge mit einem Lärmpegel von 105 dB(A), welche bei 15-minütigem Betrieb zu einer Tagesbelastung von 90 dB(A) führe. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass der behauptete durchschnittlich einmal am Tag erfolgende Einsatz eines Flurwächters / Fluchtalarms mit (maximal behaupteten) 106 dB(A) für nur drei Minuten Dauer nicht zu dem erforderlichen Tageslärmpegel von mindesten 85 db(A) führen kann, und bestätigt insofern auch die von dem TAD vorgenommene Berechnung.

Sofern der Kläger auf besondere Lärmspitzen - insbesondere in Gestalt der genannten Alarme - hinweist, können diese nach dem Merkblatt für sich genommen erst BK-relevant werden oder einen Arbeitsunfall bedeuten, wenn diese eine besonders hohe Intensität erreichen, nämlich 137 dB(C) erreichen, was ebenfalls weder ersichtlich noch vorgetragen ist.

Auch aus der Königsteiner Empfehlung zur Begutachtung der BK Nr. 2301 (2. Aufl. 2012, hrsg. durch den DGUV) geht hervor, dass der Lärm im Sinne der BK Nr. 2301 ein Dauerschallpegel ist (und nicht ein einmaliges Lärmereignis; mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 6/04 R) und dass insofern eine Umrechnung von Lärmspitzen unterhalb von Knalltraumata und ähnlichen Spitzenbelastungen auf einen Durchschnitts-Arbeitstag von 8 Stunden zu erfolgen hat.

Die vom Klägerbevollmächtigten vorgelegte VDI-Richtlinie 2058 bestätigt diese Be-wertung. Auch nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010 (S. 326, 328, 329 ff.) ist eine Lärmschwerhörigkeit ausgeschlossen, wenn die durchschnittliche Lärmexposition durchweg unter 85 dB(A) lag und die oben genannten Spitzenschallpegel von ) 137 dB(C) nicht vorlagen. Kurzzeitlärm ist danach erst relevant, wenn er entweder als Explosionstrauma / akustischer Unfall einzustufen ist oder ein akutes Lärmtrauma zwischen 130 und 160 dB(A) besteht, was sowohl vom Sachverhalt als auch den schlüssigen Messungen des TAD her ausscheidet.

Schließlich ist auch eine Hyperakusis des Klägers nachgewiesen, die zu erklären vermag, warum der nicht lärmgefährdete Arbeitsplatz des Klägers von diesem als lärmbelastend empfunden wird.

Angesichts der Deutlichkeit, mit der die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, waren weitere medizinische Ermittlungen nicht geboten. Die ebenfalls hilfsweise geltend gemachte Begutachtung der Fluchtmelder / Alarmgeräte in ... konnte unterbleiben, da der behauptete maximale Lärm von 106 dB(A) für die Dauer von täglich drei Minuten der vorliegenden Bewertung zugrundegelegt wurde. Ebenso zugrundegelegt wurde die Behauptung des Klägers, dass täglich im Schnitt ein Fehlalarm ausgelöst wird, ohne dass dies an der Lärmbeurteilung des Arbeitsplatzes etwas geändert hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
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