Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 1782/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Feststellung von Unfallfolgen nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kennt keine Bagatellgrenze und erfordert auch nicht, dass noch funktionelle Einschränkungen vorliegen.
1. In Abänderung des Bescheides vom 18.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.04.2013 wird festgestellt, dass als Folge des Arbeitsunfalls vom 2011 eine unter leichter Gelenkstufenbildung ausge-heilte laterale Schienbeinkopffraktur rechts mit verblie-benen Restbeschwerden vorliegt. 2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Unfallfolgen im Streit.
Die am geborene Klägerin erlitt am 2011 einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall, als sie einen Postwagen an ihr Auto schob und dabei stolperte und stürzte. Im Durchgangsarztbericht des Dr. S vom Unfalltag ist als Erstdiagnose eine Prellung des Knies mit präpatellarem Hämatom und lokaler Schwellung angegeben. Der Radiologe Dr. W teilte nach Durchführung einer Kernspintomographie am 22.12.2011 eine anterolaterale Tibiakopffraktur rechts mit Absenkung der Gelenkfläche um gut 5 mm mit. Eine begleitende Meniskus- oder Bandruptur sei nicht nachgewiesen worden.
Die Klägerin befand sich vom bis zum 2012 in stationärer Behandlung in der BG-Klinik in Ludwigshafen. Als Diagnose wurde von dort ein Bewegungs- und Belas-tungsdefizit bei Zustand nach Impressionsfraktur des anterolateralen Tibiakopfes rechts mitgeteilt. Eine Magnetresonanztomographie vom 18.04.2012 habe einen Zustand nach Tibiakopffraktur rechts mit minimaler Impression ventro-lateral ergeben. Es bestehe ein Nachweis von entsprechenden posttraumatischen Signalveränderungen mit zum Teil noch nachweisbaren Frakturlinien und Restödem, ansonsten wirke die Fraktur insgesamt gut knöchern konsolidiert. Außerdem liege eine allenfalls sehr diskrete Gelenkstufe ventro-lateral ohne Impression, sowie ein geringer Gelenkerguss vor.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 19.07.2012 wies die Klägerin auf fortbe-stehende starke Beeinträchtigungen und Schmerzen hin, welche eine Belastungser-probung verhinderten. Dem Schreiben des Bevollmächtigten war eine Bescheinigung des Hausarztes Dr. U vom 19.07.2012 beigefügt, wonach nach 30 Minuten Gehen bereits starke Schmerzen bestünden und beim Treppensteigen eine Gehunsicherheit auftrete. Eine Arbeit als Paketzustellerin erscheine aus seiner Sicht nicht sinnvoll oder möglich. Außerdem war dem Schreiben ein eigener Antrag der Klägerin auf Ver-letztenrente beigefügt.
Am 17.08.2012 stellte die Klägerin sich in der BG-Unfallklinik in Frankfurt am Main vor. Der Chirurg Prof. Dr. H teilte mit, dass nach Durchführung eines erneuten MRT sowie eines CT ein Zustand nach Knieprellung rechts anterolateral mit Bone bruise (Knochenkontusion des anterolateralen Schienbeinkopfplateaus) festgestellt worden sei. Es bestehe jetzt eine Rückbildung des Knochenödems. Es sei von einem absolut stabilen und guten Ausheilungszustand auszugehen, lediglich ein ganz diskretes Restödem am Schienbeinkopf sei noch erkennbar. Trotz umfangreichster stationärer und ambulanter Therapiemaßnahmen sei Arbeitsfähigkeit nicht erreicht, was am ehesten mit unfallfremden Faktoren zusammenhänge, möglicherweise auch mit einer medial betonten beginnenden Knorpelschädigung i.S. einer primären medial betonter Kniearthrose. Eine relevante Fehlstellung sei nicht zu erkennen.
Aufgrund der MRT-Aufnahme vom 17.08.2012 gingen die Radiologe Prof. Dr. R und Dr. M im Vergleich zu der Aufnahme von Dezember 2011 nur noch von einem Restspongiosaödem im antero-lateralen Tibiaplateau bei Zustand nach Tibiakopffraktur in diesem Bereich sowie von zart subchondral einsehbar ehemaligen Frakturlinien aus. Es bestünden außerdem initial degenerative Veränderungen in der medialen Gelenkfacette des rechten Kniegelenks mit Gelenkspaltverschmälerung, chondropathischen Veränderungen 2. Grades und ausgewalztem Innenmeniskushinterhorn. Retropatellar seien ebenfalls chondropathische Verände-rungen bis 2. Grades vorhanden (vgl. Bl. 204-2 der Verwaltungsakte).
Der Beklagten lag außerdem ein Attest des Hausarztes Dr. U vom 12.09.2012 vor, wonach die Klägerin aufgrund von Beschwerden im rechten Kniegelenk derzeit und in absehbarer Zeit nicht arbeitsfähig sei.
Der Beratungsarzt Dr. V vertrat hierzu am 24.09.2012 die Auffassung, dass gewisse unfallbedingte Restbeschwerden nachvollziehbar seien. Diese seien allerdings keiner speziellen Behandlung zugänglich und rechtfertigten insbesondere keine weitere Ar-beitsunfähigkeit. Relevante Unfallfolgen hätten bei der zuletzt am 17.08.2012 durch-geführten ausführlichen CT- und MRT-Untersuchung nicht objektiviert werden können. Die eingetretene Verletzung sei mit allenfalls diskreten Folgen ausgeheilt.
Mit Bescheid vom 18.10.2012 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom ... 2011 als Arbeitsunfall. Krankheitsfolgen ab dem 17.09.2012 seien nicht mehr als Folge des Arbeitsunfalls vom 2011 anzuerkennen und Leistungen aus der gesetzlichen Un-fallversicherung insoweit nicht mehr zu gewähren. Ein Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den ab dem 17.09.2012 bestehenden Beschwerden im rechten Kniegelenk bestehe nicht. Die ab dem 17.09.2012 bestehenden Beschwerden und Befunde im Bereich des rechten Knies seien rechtlich nicht wesentlich auf das Ereignis vom 2011 zurückzuführen, sondern beruhten auf unfallunabhängigen degenerativen Veränderungen.
Der deswegen eingelegte Widerspruch wurde damit begründet, dass weiterhin er-hebliche Schmerzen im rechten Kniegelenk bestünden, wegen derer die Klägerin kaum auftreten könne. Weiterhin liege Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Ereignisses vom 2011 vor. Der behandelnde Orthopäde Dr. N vertrete die Auffassung, dass auch die jetzigen Beschwerden des rechten Kniegelenks auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien. Dem Widerspruch war ein Kernspin-Befund vom 31.10.2012 beigefügt, wobei im Vergleich zu der Voraufnahme vom 21.12.2011 unverändert eine Gelenkstufenbildung von mindestens 3 mm am antero-lateralen Tibiaplateau im Seitenvergleich zum medialen Tibiaplateau vorliege. Außerdem zeige sich weiterhin ein erneutes Spongiosaödem im Bereich der ehemaligen Frakturzone ohne Nachweis neuer Frakturlinien und bei etwas Gelenkreizerguss. Außerdem war ein Attest des Orthopäden Dr. N vom 12.11.2012 beigefügt, wonach weiterhin ein Zustand nach Tibiakopffraktur bestehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2013 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Neue entscheidungsrelevante Tatsachen seien im Widerspruchsverfahren nicht vorgetragen. Aufgrund der Untersuchung im August 2012 sei von einem absolut stabilen und guten Ausheilungszustand auszugehen. Die Infraktion der vorderen Gelenkflächen am lateralen Schienbeinkopf sei ohne relevante Fehlstellung knöchern fest verheilt. Am Schienbeinkopf befinde sich lediglich ein diskretes Restödem, welches aber zu keiner anhaltenden Belastungsunfähigkeit und keinen anhaltenden Beschwerden führe. Die fortbestehenden Beschwerden seien daher unfallunabhängig auf degenerative Veränderungen des medialen und retropatellaren Kompartiments zurückzuführen.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben am 16.05.2013 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Als Unfallfolgen seien weiterhin Kniebeschwerden und ins-besondere die Folgen der Tibiakopffraktur anzuerkennen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18.10.2012 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 30.04.2013 abzuändern und festzustellen, dass gemäß den Ausführungen des Gutachters Dr. v. S und den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. V eine unter leichter Gelenkstufenbildung ausgeheilte la-terale Schienbeinkopffraktur rechts mit verbliebenen Restbeschwerden als Un-fallfolge des Ereignisses vom 2011 vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Klageverfahren wurde ein Vorerkrankungsverzeichnis bei der beigezogen. Au-ßerdem wurden die Behandlungsunterlagen des Orthopäden Dr. N und des Hausarztes Dr. U hinzugezogen.
Im Auftrag des SG hat der Orthopäde Dr. v. S am 31.10.2013 ein Gutachten erstellt. Als Diagnose, welche auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei, hat er eine unter leichter Gelenkstufenbildung ausgeheilte laterale Schienbeinkopffraktur rechts mit zwischenzeitlich normalisierter Knochenbinnenstruktur, bisher ohne Nachweis einer Gelenkspaltverschmälerung oder körpereigene Abstützreaktion als Hinweis auf eine eingetretene posttraumatische Gonarthrose rechts, angegeben. Zwar sei die stattge-habte Kniekontusion mit lateraler Schienbeinkopffraktur zwischenzeitlich in regelrechter Stellung knöchern konsolidiert. Auch könnten die erheblichen Beschwerdeschilderungen der Klägerin mit dem klinischen und röntgenologischen Befund der Klägerin nicht in Einklang gebracht werden. Jedoch könnten für die Beschwerdesymptomatik auch nicht die allenfalls geringgradig vorhandenen Knorpelschäden im medialen Kniekompartiment verantwortlich gemacht werden. Aus seiner Sicht seien sehr wohl noch berufshelferische Maßnahmen bei der Klägerin angezeigt, und zwar auch zu Lasten der Berufsgenossenschaft. Die Klägerin habe eine schwere Verletzung erlitten, welche mit Blutaustritt ins Gelenk, Knorpelschädigung sowie einer posttraumatischen präarthrotischen Deformität einhergehe, was im Falle der Klägerin zweifelsfrei nachgewiesen sei. Insofern seien Restbeschwerden grundsätzlich nachvollziehbar und dem posttraumatischen Befund ursächlich zuzusprechen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die angefochtenen Bescheide rechtlich nicht zu beanstanden seien. Auch der Gutachter Dr. v. S habe keinerlei funktionelle Einschränkungen festgestellt und für die vorhandenen Restbeschwerden auch kein objektives Korrelat festgestellt. Mehrfach werde auch auf die Diskrepanz zwischen den beklagten Beschwerden und den objektivierbaren Befunden hingewiesen. Insoweit könne auch eine weitergehende Arbeitsunfähigkeit nicht dem Unfall zugerechnet werden. Den Ausführungen der Beklagten war eine dementsprechende Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. V vom 07.01.2014 beigefügt.
Mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 08.02.2014 wies Dr. v. S darauf hin, dass letztendlich Übereinstimmung mit der Tatsache des posttraumatischen Be-fundes und der geringen Fehlstellung im Bereich des Schienbeinplateaus bestehe. Diese jedoch eindeutig feststellbare Stufenbildung stelle eine präarthrotische Deformität dar, die ihrerseits immer wieder zu vorliegenden Reizzuständen des Kniegelenks führen könne. Ein gewisses Beschwerdeausmaß sei daher unverändert nachvollziehbar. Auch wenn bei der Klägerin lediglich ein geringer Erguss festgestellt worden sei, stehe damit doch die Tatsache eines Blutaustritts ins Gelenk, einer Knorpelverletzung mit Beteiligung der subchondralen Knochenlamelle fest. Zusammenfassend sehe er in der Stellungnahme von Dr. V keinen Anlass, von seinen gutachterlichen Feststellungen abzuweichen. Er halte nach wie vor berufshelferische Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsleistung zu Lasten der Beklagten für angezeigt.
Die Beklagte legte eine erneute Stellungnahme des Dr. V vom 24.03.2014 hierzu vor, wonach durch einen geringen Gelenkerguss ein Blutaustritt ins Gelenk und eine Knorpelverletzung mit Beteiligung der subchondralen Knochenlamelle nicht nachge-wiesen sei. Es könne sich nämlich auch um eine reaktive Veränderung von Gelenk-flüssigkeit als Antwort auf einen wie auch immer gearteten Reiz handeln. Unstreitig liege eine posttraumatische Arthrose bisher nicht vor. Dass gewisse unfallbedingte Restbeschwerden verblieben sein könnten, habe er in seiner letzten Stellungnahme bereits bestätigt. Ein Erfordernis berufshelferischer Maßnahme lasse sich bei allenfalls diskreten verbliebenen objektivierbaren Unfallfolgen und einer eher nicht zu erwartenden Verschlimmerung nicht ableiten.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des SG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Nach dieser Vorschrift kann u.a. mit der Klage die Feststellung begehrt werden, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Das Feststel-lungsinteresse der Klägerin liegt vorliegend darin begründet, dass noch eine Unfallfolge vorliegt und zudem auch nach den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. V die Möglichkeit einer posttraumatischen Arthrose im rechten Kniegelenk der Klägerin besteht (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.03.2012 – L 10 U 945/10 –, juris).
Streitgegenstand des Verfahrens ist, auch wenn die Gutachter sich eingehend zur Frage der Erforderlichkeit von berufshelferischen Maßnahmen eingelassen haben, ausschließlich die Frage, ob entsprechend dem Klageantrag der geltend gemachte pathologische Zustand als Folge des festgestellten Arbeitsunfalls anzuerkennen ist. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass dies in der tenorierten Fassung, welche den Feststellungen des Gutachters Dr. v. S entspricht, der Fall ist.
Mit der Klage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann unter anderem die Feststellung begehrt werden, dass eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalls ist. Ver-sicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufs-krankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Erforderlich für die Feststellung einer Unfallfolge ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; st.Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesund-heitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Kammer folgt zum Vorliegen von Unfallfolgen den schlüssigen Ausführungen des Gutachters Dr. v. S. Danach ist eine unter leichter Gelenkstufenbildung ausgeheilte laterale Schienbeinkopffraktur rechts mit zwischenzeitlich normalisierter Knochenbin-nenstruktur, bisher ohne Nachweis einer Gelenkspaltverschmälerung oder körpereigene Abstützreaktion als Hinweis auf eine eingetretene posttraumatische Gonarthrose rechts, als Unfallfolge nachgewiesen. Dieses Erkrankungsbild lässt sich ohne Weiteres mit dem Unfallgeschehen in Einklang bringen. Der Nachweis der Gelenkstufe, die zwar gering, aber durchaus vorhanden ist, wurde auch in der BG-Klinik in Ludwigshafen geführt und ist, auch wenn diese auf den verschiedenen CT- und MRT-Aufnahmen unterschiedlich gut zu erkennen ist, nach Auffassung der Kammer erbracht; hierzu wird vollumfänglich auf die überzeugenden Ausführungen von Dr. v. S Bezug genommen. Mit seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 08.02.2014 hat Dr. v. S darauf hingewiesen, dass letztendlich Übereinstimmung mit der Tatsache des posttraumatischen Befundes und der geringen Fehlstellung im Bereich des Schienbeinplateaus besteht. Diese nachgewiesene Stufenbildung stellt eine präarthrotische Deformität dar, die ihrerseits immer wieder zu vorliegenden Reiz-zuständen des Kniegelenks führen kann. Ein gewisses Beschwerdeausmaß ist daher unverändert nachvollziehbar.
Die Kritik der Beklagten an dem Gutachten von Dr. v. S entzündet sich offenkundig auch nicht an seinen grundsätzlichen Feststellungen, sondern daran, dass eine ver-hältnismäßig zum Unfallgeschehen relativ geringe Unfallfolge noch anzuerkennen sein soll. Insoweit ist jedoch festzustellen, dass eine geringe Unfallfolge allenfalls im Hinblick auf die bildgebenden Befunde anzunehmen ist. Die aus den Unfallfolgen resultierenden Schmerzen können auch nach den Ausführungen von Dr. V nicht als ganz geringfügig abgetan werden, wenn auch festzustehen scheint, dass nicht alle Schmerzen der Klägerin in dem betroffenen Bereich auf das Unfallgeschehen zurückzuführen sind.
Insofern gibt es zum einen jedoch entgegen der von der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht keinen Rechtssatz, der die Anerkennung von geringfügigen Unfallfolgen ausschließt und insoweit etwa das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses negiert. Dies gilt auch nicht insofern, dass jedenfalls geringfügige Unfallfolgen wenigstens zu funktionellen Einschränkungen führen müssten, um anerkennungsfähig zu sein. Das Vorliegen funktioneller Einschränkungen ist eine wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und die Gewährung einer Verletztenrente (grundsätzlich hierzu BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, BSGE 96, 196-209), worum es vorliegend allerdings nicht geht. In § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG findet sich keinerlei Einschränkung dahingehend, dass für den Bereich der Unfallversicherung eine Feststellung von Unfallfolgen erst ab einer wie auch immer gearteten Erheblichkeitsschwelle oder ab dem Vorliegen von funktionellen Einschränkungen erfolgen soll. Grundsätzlich erfolgt die Feststellung von Unfallfolgen unabhängig von der Feststellung von funktionellen Einschränkungen, weswegen in Bescheiden der Unfallversicherungsträger insoweit auch voneinander unabhängige Regelugen vor-liegen, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal ereilen kann (vgl. Landessozi-algericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19.042011 – L 9 U 2866/09 –, juris; vgl. auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.02.2013 – L 10 U 176/11 –, juris). Insoweit liegt bei der Feststellung von Unfallfolgen auch eine andere Interessen-lage als bei der Gewährung von Verletztenrente vor, weil der Antrag auf Anerkennung bestimmter Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen (Feststellungsantrag) gerade im Hinblick auf die von der Beklagten nach dem SGB VII zu gewährende Heilbehandlung von Bedeutung ist (BSG, Urteil vom 28.06.1984 – 2 RU 64/83 –, juris), die ebenfalls keine Geringfügigkeitsschwelle kennt.
Zum anderen ist festzustellen, dass sowohl der Beratungsarzt Dr. V als auch der Gutachter Dr. v. S von einem Unfallfolgezustand ausgehen, der bei verständiger Würdigung nicht als geringfügig angesehen werden kann. Beide Ärzte weisen auf nachvollziehbare Restbeschwerden hin, wonach entgegen den Ausführungen von Prof. Dr. H gerade kein absolut stabiler und guter Ausheilungszustand besteht. Dass auch insoweit ein Interesse an der zeitnahen Dokumentation von Unfallfolgen - notfalls mit gerichtlicher Hilfe - besteht, zeigt sich im Fall der Klägerin auch ganz konkret daran, dass die Klägerin aufgrund des unfallbedingten Strukturschadens eine posttraumatische Arthrose zu befürchten hat. Dies wird nur unwesentlich dadurch abgemildert, dass Dr. V von einer "eher nicht zu erwartenden Verschlimmerung" ausgeht. Die Möglichkeit oder Gefahr einer solchen Entwicklung ist jedenfalls anzunehmen.
Dass sowohl Dr. von S ("gewisses Beschwerdeausmaß" bzw. "verbliebene Restbe-schwerden") als auch Dr. V ("gewisse unfallbedingte Restbeschwerden") sich offenbar nicht in der Lage sahen, die verbliebenen Restbeschwerden genauer zu beschreiben, kann sich nicht zu Lasten der Klägerin auswirken. Auch das aus Nichtmedizinern bestehende Gericht ist nicht in der Lage, hier nachzubessern. Wenn zwei ausgewiesene Experten wie Dr. v. S und Dr. V solche relativ unbestimmten Formulierung verwenden, ist es auch zulässig, diese in eine Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG aufzunehmen. Insoweit kann mit der Feststellungsklage nach § 55 SGG auch ein relativ diffuses, jedoch in dieser Form als nachgewiesen anzusehendes Krankheitsbild festgestellt werden. Zwar hat es das BSG im Hinblick auf psychische Störungen für wünschenswert angesehen, dass diese aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen spezifiziert werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, BSGE 96, 196-209), was die Kammer im Interesse der Nachvollziehbarkeit insgesamt für die Feststellung von Unfallfolgen nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG für angezeigt hält. Lediglich aus der Unmöglichkeit einer solchen Festlegung oder der aus anderen Gründen nicht erfolgten Einordnung durch die Sachverständigen darf jedoch kein prozessualer Nachteil für einen Beteiligten erwachsen.
Insoweit wird darauf hingewiesen, dass sich die mancherorts findende Behauptung, gemäß der oben zitierten BSG-Entscheidung zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge sei eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der inter-national anerkannten Diagnosesysteme erforderlich (etwa: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.01.2007 – L 2 U 36/04 –, juris), sich zwar auf den in juris veröffentlichten Leitsatz der BSG-Entscheidung stützen kann, nicht jedoch auf die Entscheidungsgründe, in denen auch Abweichungen ausdrücklich vorgesehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R –, juris Rn. 22: "sollte [sic] aufgrund ei-nes der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen"; "Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts sind damit nicht ausgeschlossen.").
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Unfallfolgen im Streit.
Die am geborene Klägerin erlitt am 2011 einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall, als sie einen Postwagen an ihr Auto schob und dabei stolperte und stürzte. Im Durchgangsarztbericht des Dr. S vom Unfalltag ist als Erstdiagnose eine Prellung des Knies mit präpatellarem Hämatom und lokaler Schwellung angegeben. Der Radiologe Dr. W teilte nach Durchführung einer Kernspintomographie am 22.12.2011 eine anterolaterale Tibiakopffraktur rechts mit Absenkung der Gelenkfläche um gut 5 mm mit. Eine begleitende Meniskus- oder Bandruptur sei nicht nachgewiesen worden.
Die Klägerin befand sich vom bis zum 2012 in stationärer Behandlung in der BG-Klinik in Ludwigshafen. Als Diagnose wurde von dort ein Bewegungs- und Belas-tungsdefizit bei Zustand nach Impressionsfraktur des anterolateralen Tibiakopfes rechts mitgeteilt. Eine Magnetresonanztomographie vom 18.04.2012 habe einen Zustand nach Tibiakopffraktur rechts mit minimaler Impression ventro-lateral ergeben. Es bestehe ein Nachweis von entsprechenden posttraumatischen Signalveränderungen mit zum Teil noch nachweisbaren Frakturlinien und Restödem, ansonsten wirke die Fraktur insgesamt gut knöchern konsolidiert. Außerdem liege eine allenfalls sehr diskrete Gelenkstufe ventro-lateral ohne Impression, sowie ein geringer Gelenkerguss vor.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 19.07.2012 wies die Klägerin auf fortbe-stehende starke Beeinträchtigungen und Schmerzen hin, welche eine Belastungser-probung verhinderten. Dem Schreiben des Bevollmächtigten war eine Bescheinigung des Hausarztes Dr. U vom 19.07.2012 beigefügt, wonach nach 30 Minuten Gehen bereits starke Schmerzen bestünden und beim Treppensteigen eine Gehunsicherheit auftrete. Eine Arbeit als Paketzustellerin erscheine aus seiner Sicht nicht sinnvoll oder möglich. Außerdem war dem Schreiben ein eigener Antrag der Klägerin auf Ver-letztenrente beigefügt.
Am 17.08.2012 stellte die Klägerin sich in der BG-Unfallklinik in Frankfurt am Main vor. Der Chirurg Prof. Dr. H teilte mit, dass nach Durchführung eines erneuten MRT sowie eines CT ein Zustand nach Knieprellung rechts anterolateral mit Bone bruise (Knochenkontusion des anterolateralen Schienbeinkopfplateaus) festgestellt worden sei. Es bestehe jetzt eine Rückbildung des Knochenödems. Es sei von einem absolut stabilen und guten Ausheilungszustand auszugehen, lediglich ein ganz diskretes Restödem am Schienbeinkopf sei noch erkennbar. Trotz umfangreichster stationärer und ambulanter Therapiemaßnahmen sei Arbeitsfähigkeit nicht erreicht, was am ehesten mit unfallfremden Faktoren zusammenhänge, möglicherweise auch mit einer medial betonten beginnenden Knorpelschädigung i.S. einer primären medial betonter Kniearthrose. Eine relevante Fehlstellung sei nicht zu erkennen.
Aufgrund der MRT-Aufnahme vom 17.08.2012 gingen die Radiologe Prof. Dr. R und Dr. M im Vergleich zu der Aufnahme von Dezember 2011 nur noch von einem Restspongiosaödem im antero-lateralen Tibiaplateau bei Zustand nach Tibiakopffraktur in diesem Bereich sowie von zart subchondral einsehbar ehemaligen Frakturlinien aus. Es bestünden außerdem initial degenerative Veränderungen in der medialen Gelenkfacette des rechten Kniegelenks mit Gelenkspaltverschmälerung, chondropathischen Veränderungen 2. Grades und ausgewalztem Innenmeniskushinterhorn. Retropatellar seien ebenfalls chondropathische Verände-rungen bis 2. Grades vorhanden (vgl. Bl. 204-2 der Verwaltungsakte).
Der Beklagten lag außerdem ein Attest des Hausarztes Dr. U vom 12.09.2012 vor, wonach die Klägerin aufgrund von Beschwerden im rechten Kniegelenk derzeit und in absehbarer Zeit nicht arbeitsfähig sei.
Der Beratungsarzt Dr. V vertrat hierzu am 24.09.2012 die Auffassung, dass gewisse unfallbedingte Restbeschwerden nachvollziehbar seien. Diese seien allerdings keiner speziellen Behandlung zugänglich und rechtfertigten insbesondere keine weitere Ar-beitsunfähigkeit. Relevante Unfallfolgen hätten bei der zuletzt am 17.08.2012 durch-geführten ausführlichen CT- und MRT-Untersuchung nicht objektiviert werden können. Die eingetretene Verletzung sei mit allenfalls diskreten Folgen ausgeheilt.
Mit Bescheid vom 18.10.2012 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom ... 2011 als Arbeitsunfall. Krankheitsfolgen ab dem 17.09.2012 seien nicht mehr als Folge des Arbeitsunfalls vom 2011 anzuerkennen und Leistungen aus der gesetzlichen Un-fallversicherung insoweit nicht mehr zu gewähren. Ein Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den ab dem 17.09.2012 bestehenden Beschwerden im rechten Kniegelenk bestehe nicht. Die ab dem 17.09.2012 bestehenden Beschwerden und Befunde im Bereich des rechten Knies seien rechtlich nicht wesentlich auf das Ereignis vom 2011 zurückzuführen, sondern beruhten auf unfallunabhängigen degenerativen Veränderungen.
Der deswegen eingelegte Widerspruch wurde damit begründet, dass weiterhin er-hebliche Schmerzen im rechten Kniegelenk bestünden, wegen derer die Klägerin kaum auftreten könne. Weiterhin liege Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Ereignisses vom 2011 vor. Der behandelnde Orthopäde Dr. N vertrete die Auffassung, dass auch die jetzigen Beschwerden des rechten Kniegelenks auf den Arbeitsunfall zurückzuführen seien. Dem Widerspruch war ein Kernspin-Befund vom 31.10.2012 beigefügt, wobei im Vergleich zu der Voraufnahme vom 21.12.2011 unverändert eine Gelenkstufenbildung von mindestens 3 mm am antero-lateralen Tibiaplateau im Seitenvergleich zum medialen Tibiaplateau vorliege. Außerdem zeige sich weiterhin ein erneutes Spongiosaödem im Bereich der ehemaligen Frakturzone ohne Nachweis neuer Frakturlinien und bei etwas Gelenkreizerguss. Außerdem war ein Attest des Orthopäden Dr. N vom 12.11.2012 beigefügt, wonach weiterhin ein Zustand nach Tibiakopffraktur bestehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2013 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Neue entscheidungsrelevante Tatsachen seien im Widerspruchsverfahren nicht vorgetragen. Aufgrund der Untersuchung im August 2012 sei von einem absolut stabilen und guten Ausheilungszustand auszugehen. Die Infraktion der vorderen Gelenkflächen am lateralen Schienbeinkopf sei ohne relevante Fehlstellung knöchern fest verheilt. Am Schienbeinkopf befinde sich lediglich ein diskretes Restödem, welches aber zu keiner anhaltenden Belastungsunfähigkeit und keinen anhaltenden Beschwerden führe. Die fortbestehenden Beschwerden seien daher unfallunabhängig auf degenerative Veränderungen des medialen und retropatellaren Kompartiments zurückzuführen.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben am 16.05.2013 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Als Unfallfolgen seien weiterhin Kniebeschwerden und ins-besondere die Folgen der Tibiakopffraktur anzuerkennen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18.10.2012 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 30.04.2013 abzuändern und festzustellen, dass gemäß den Ausführungen des Gutachters Dr. v. S und den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. V eine unter leichter Gelenkstufenbildung ausgeheilte la-terale Schienbeinkopffraktur rechts mit verbliebenen Restbeschwerden als Un-fallfolge des Ereignisses vom 2011 vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Klageverfahren wurde ein Vorerkrankungsverzeichnis bei der beigezogen. Au-ßerdem wurden die Behandlungsunterlagen des Orthopäden Dr. N und des Hausarztes Dr. U hinzugezogen.
Im Auftrag des SG hat der Orthopäde Dr. v. S am 31.10.2013 ein Gutachten erstellt. Als Diagnose, welche auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei, hat er eine unter leichter Gelenkstufenbildung ausgeheilte laterale Schienbeinkopffraktur rechts mit zwischenzeitlich normalisierter Knochenbinnenstruktur, bisher ohne Nachweis einer Gelenkspaltverschmälerung oder körpereigene Abstützreaktion als Hinweis auf eine eingetretene posttraumatische Gonarthrose rechts, angegeben. Zwar sei die stattge-habte Kniekontusion mit lateraler Schienbeinkopffraktur zwischenzeitlich in regelrechter Stellung knöchern konsolidiert. Auch könnten die erheblichen Beschwerdeschilderungen der Klägerin mit dem klinischen und röntgenologischen Befund der Klägerin nicht in Einklang gebracht werden. Jedoch könnten für die Beschwerdesymptomatik auch nicht die allenfalls geringgradig vorhandenen Knorpelschäden im medialen Kniekompartiment verantwortlich gemacht werden. Aus seiner Sicht seien sehr wohl noch berufshelferische Maßnahmen bei der Klägerin angezeigt, und zwar auch zu Lasten der Berufsgenossenschaft. Die Klägerin habe eine schwere Verletzung erlitten, welche mit Blutaustritt ins Gelenk, Knorpelschädigung sowie einer posttraumatischen präarthrotischen Deformität einhergehe, was im Falle der Klägerin zweifelsfrei nachgewiesen sei. Insofern seien Restbeschwerden grundsätzlich nachvollziehbar und dem posttraumatischen Befund ursächlich zuzusprechen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die angefochtenen Bescheide rechtlich nicht zu beanstanden seien. Auch der Gutachter Dr. v. S habe keinerlei funktionelle Einschränkungen festgestellt und für die vorhandenen Restbeschwerden auch kein objektives Korrelat festgestellt. Mehrfach werde auch auf die Diskrepanz zwischen den beklagten Beschwerden und den objektivierbaren Befunden hingewiesen. Insoweit könne auch eine weitergehende Arbeitsunfähigkeit nicht dem Unfall zugerechnet werden. Den Ausführungen der Beklagten war eine dementsprechende Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. V vom 07.01.2014 beigefügt.
Mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 08.02.2014 wies Dr. v. S darauf hin, dass letztendlich Übereinstimmung mit der Tatsache des posttraumatischen Be-fundes und der geringen Fehlstellung im Bereich des Schienbeinplateaus bestehe. Diese jedoch eindeutig feststellbare Stufenbildung stelle eine präarthrotische Deformität dar, die ihrerseits immer wieder zu vorliegenden Reizzuständen des Kniegelenks führen könne. Ein gewisses Beschwerdeausmaß sei daher unverändert nachvollziehbar. Auch wenn bei der Klägerin lediglich ein geringer Erguss festgestellt worden sei, stehe damit doch die Tatsache eines Blutaustritts ins Gelenk, einer Knorpelverletzung mit Beteiligung der subchondralen Knochenlamelle fest. Zusammenfassend sehe er in der Stellungnahme von Dr. V keinen Anlass, von seinen gutachterlichen Feststellungen abzuweichen. Er halte nach wie vor berufshelferische Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsleistung zu Lasten der Beklagten für angezeigt.
Die Beklagte legte eine erneute Stellungnahme des Dr. V vom 24.03.2014 hierzu vor, wonach durch einen geringen Gelenkerguss ein Blutaustritt ins Gelenk und eine Knorpelverletzung mit Beteiligung der subchondralen Knochenlamelle nicht nachge-wiesen sei. Es könne sich nämlich auch um eine reaktive Veränderung von Gelenk-flüssigkeit als Antwort auf einen wie auch immer gearteten Reiz handeln. Unstreitig liege eine posttraumatische Arthrose bisher nicht vor. Dass gewisse unfallbedingte Restbeschwerden verblieben sein könnten, habe er in seiner letzten Stellungnahme bereits bestätigt. Ein Erfordernis berufshelferischer Maßnahme lasse sich bei allenfalls diskreten verbliebenen objektivierbaren Unfallfolgen und einer eher nicht zu erwartenden Verschlimmerung nicht ableiten.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des SG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Nach dieser Vorschrift kann u.a. mit der Klage die Feststellung begehrt werden, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Das Feststel-lungsinteresse der Klägerin liegt vorliegend darin begründet, dass noch eine Unfallfolge vorliegt und zudem auch nach den Ausführungen des Beratungsarztes Dr. V die Möglichkeit einer posttraumatischen Arthrose im rechten Kniegelenk der Klägerin besteht (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.03.2012 – L 10 U 945/10 –, juris).
Streitgegenstand des Verfahrens ist, auch wenn die Gutachter sich eingehend zur Frage der Erforderlichkeit von berufshelferischen Maßnahmen eingelassen haben, ausschließlich die Frage, ob entsprechend dem Klageantrag der geltend gemachte pathologische Zustand als Folge des festgestellten Arbeitsunfalls anzuerkennen ist. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass dies in der tenorierten Fassung, welche den Feststellungen des Gutachters Dr. v. S entspricht, der Fall ist.
Mit der Klage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG kann unter anderem die Feststellung begehrt werden, dass eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalls ist. Ver-sicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufs-krankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Erforderlich für die Feststellung einer Unfallfolge ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; st.Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesund-heitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Die Kammer folgt zum Vorliegen von Unfallfolgen den schlüssigen Ausführungen des Gutachters Dr. v. S. Danach ist eine unter leichter Gelenkstufenbildung ausgeheilte laterale Schienbeinkopffraktur rechts mit zwischenzeitlich normalisierter Knochenbin-nenstruktur, bisher ohne Nachweis einer Gelenkspaltverschmälerung oder körpereigene Abstützreaktion als Hinweis auf eine eingetretene posttraumatische Gonarthrose rechts, als Unfallfolge nachgewiesen. Dieses Erkrankungsbild lässt sich ohne Weiteres mit dem Unfallgeschehen in Einklang bringen. Der Nachweis der Gelenkstufe, die zwar gering, aber durchaus vorhanden ist, wurde auch in der BG-Klinik in Ludwigshafen geführt und ist, auch wenn diese auf den verschiedenen CT- und MRT-Aufnahmen unterschiedlich gut zu erkennen ist, nach Auffassung der Kammer erbracht; hierzu wird vollumfänglich auf die überzeugenden Ausführungen von Dr. v. S Bezug genommen. Mit seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 08.02.2014 hat Dr. v. S darauf hingewiesen, dass letztendlich Übereinstimmung mit der Tatsache des posttraumatischen Befundes und der geringen Fehlstellung im Bereich des Schienbeinplateaus besteht. Diese nachgewiesene Stufenbildung stellt eine präarthrotische Deformität dar, die ihrerseits immer wieder zu vorliegenden Reiz-zuständen des Kniegelenks führen kann. Ein gewisses Beschwerdeausmaß ist daher unverändert nachvollziehbar.
Die Kritik der Beklagten an dem Gutachten von Dr. v. S entzündet sich offenkundig auch nicht an seinen grundsätzlichen Feststellungen, sondern daran, dass eine ver-hältnismäßig zum Unfallgeschehen relativ geringe Unfallfolge noch anzuerkennen sein soll. Insoweit ist jedoch festzustellen, dass eine geringe Unfallfolge allenfalls im Hinblick auf die bildgebenden Befunde anzunehmen ist. Die aus den Unfallfolgen resultierenden Schmerzen können auch nach den Ausführungen von Dr. V nicht als ganz geringfügig abgetan werden, wenn auch festzustehen scheint, dass nicht alle Schmerzen der Klägerin in dem betroffenen Bereich auf das Unfallgeschehen zurückzuführen sind.
Insofern gibt es zum einen jedoch entgegen der von der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht keinen Rechtssatz, der die Anerkennung von geringfügigen Unfallfolgen ausschließt und insoweit etwa das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses negiert. Dies gilt auch nicht insofern, dass jedenfalls geringfügige Unfallfolgen wenigstens zu funktionellen Einschränkungen führen müssten, um anerkennungsfähig zu sein. Das Vorliegen funktioneller Einschränkungen ist eine wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und die Gewährung einer Verletztenrente (grundsätzlich hierzu BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, BSGE 96, 196-209), worum es vorliegend allerdings nicht geht. In § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG findet sich keinerlei Einschränkung dahingehend, dass für den Bereich der Unfallversicherung eine Feststellung von Unfallfolgen erst ab einer wie auch immer gearteten Erheblichkeitsschwelle oder ab dem Vorliegen von funktionellen Einschränkungen erfolgen soll. Grundsätzlich erfolgt die Feststellung von Unfallfolgen unabhängig von der Feststellung von funktionellen Einschränkungen, weswegen in Bescheiden der Unfallversicherungsträger insoweit auch voneinander unabhängige Regelugen vor-liegen, die ein unterschiedliches rechtliches Schicksal ereilen kann (vgl. Landessozi-algericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19.042011 – L 9 U 2866/09 –, juris; vgl. auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.02.2013 – L 10 U 176/11 –, juris). Insoweit liegt bei der Feststellung von Unfallfolgen auch eine andere Interessen-lage als bei der Gewährung von Verletztenrente vor, weil der Antrag auf Anerkennung bestimmter Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen (Feststellungsantrag) gerade im Hinblick auf die von der Beklagten nach dem SGB VII zu gewährende Heilbehandlung von Bedeutung ist (BSG, Urteil vom 28.06.1984 – 2 RU 64/83 –, juris), die ebenfalls keine Geringfügigkeitsschwelle kennt.
Zum anderen ist festzustellen, dass sowohl der Beratungsarzt Dr. V als auch der Gutachter Dr. v. S von einem Unfallfolgezustand ausgehen, der bei verständiger Würdigung nicht als geringfügig angesehen werden kann. Beide Ärzte weisen auf nachvollziehbare Restbeschwerden hin, wonach entgegen den Ausführungen von Prof. Dr. H gerade kein absolut stabiler und guter Ausheilungszustand besteht. Dass auch insoweit ein Interesse an der zeitnahen Dokumentation von Unfallfolgen - notfalls mit gerichtlicher Hilfe - besteht, zeigt sich im Fall der Klägerin auch ganz konkret daran, dass die Klägerin aufgrund des unfallbedingten Strukturschadens eine posttraumatische Arthrose zu befürchten hat. Dies wird nur unwesentlich dadurch abgemildert, dass Dr. V von einer "eher nicht zu erwartenden Verschlimmerung" ausgeht. Die Möglichkeit oder Gefahr einer solchen Entwicklung ist jedenfalls anzunehmen.
Dass sowohl Dr. von S ("gewisses Beschwerdeausmaß" bzw. "verbliebene Restbe-schwerden") als auch Dr. V ("gewisse unfallbedingte Restbeschwerden") sich offenbar nicht in der Lage sahen, die verbliebenen Restbeschwerden genauer zu beschreiben, kann sich nicht zu Lasten der Klägerin auswirken. Auch das aus Nichtmedizinern bestehende Gericht ist nicht in der Lage, hier nachzubessern. Wenn zwei ausgewiesene Experten wie Dr. v. S und Dr. V solche relativ unbestimmten Formulierung verwenden, ist es auch zulässig, diese in eine Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG aufzunehmen. Insoweit kann mit der Feststellungsklage nach § 55 SGG auch ein relativ diffuses, jedoch in dieser Form als nachgewiesen anzusehendes Krankheitsbild festgestellt werden. Zwar hat es das BSG im Hinblick auf psychische Störungen für wünschenswert angesehen, dass diese aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen spezifiziert werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, BSGE 96, 196-209), was die Kammer im Interesse der Nachvollziehbarkeit insgesamt für die Feststellung von Unfallfolgen nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG für angezeigt hält. Lediglich aus der Unmöglichkeit einer solchen Festlegung oder der aus anderen Gründen nicht erfolgten Einordnung durch die Sachverständigen darf jedoch kein prozessualer Nachteil für einen Beteiligten erwachsen.
Insoweit wird darauf hingewiesen, dass sich die mancherorts findende Behauptung, gemäß der oben zitierten BSG-Entscheidung zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge sei eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der inter-national anerkannten Diagnosesysteme erforderlich (etwa: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.01.2007 – L 2 U 36/04 –, juris), sich zwar auf den in juris veröffentlichten Leitsatz der BSG-Entscheidung stützen kann, nicht jedoch auf die Entscheidungsgründe, in denen auch Abweichungen ausdrücklich vorgesehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R –, juris Rn. 22: "sollte [sic] aufgrund ei-nes der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen"; "Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts sind damit nicht ausgeschlossen.").
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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