Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2087/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
§ 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV gilt nicht nur bei Statusentscheidungen im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV, sondern auch bei Statusentscheidungen im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV.
1. Der Widerspruch der Antragstellerin vom 15.2.2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.2.2013 hat auf-schiebende Wirkung. 2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
1) Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist zulässig (dazu a) und begründet (dazu b).
a) Statthaft ist ein Antrag auf gerichtliche Feststellung, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 15.2.2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.2.2013 aufschiebende Wirkung entfaltet.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Regelung gilt entsprechend, wenn ein Widerspruch bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung entfaltet, die Verwaltung die aufschiebende Wirkung aber nicht beachtet; das Gericht kann dann durch (deklaratorischen) Beschluss die aufschiebende Wirkung feststellen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rdnr. 5 und 15).
Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Beteiligten Uneinigkeit über die Frage, ob der Widerspruch gegen den Bescheid vom 8.2.2013 aufschiebende Wirkung entfaltet. Da die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin behauptete aufschiebende Wirkung bestreitet, besteht ein schützenswertes Interesse der Antragstellerin an der gerichtlichen Feststellung.
b) Der Widerspruch der Antragstellerin vom 15.2.2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.2.2013 hat kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung.
Gemäß § 86a Abs. 1 SGG hat ein Widerspruch grundsätzlich aufschiebende Wirkung; das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in § 86a Abs. 2 SGG normiert. In Betracht kommt hier allenfalls § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG. Nach dieser Vorschrift entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Von dieser Ausnahme regelt § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV wiederum eine Rückausnahme: Danach hat eine Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung.
Letztere Vorschrift ist hier einschlägig. Denn entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin gilt § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV nicht nur bei Statusentscheidungen im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV, sondern auch bei Statusentscheidungen im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV (so auch aus jüngerer Zeit: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.3.2013, L 1 R 454/12 B ER, Rdnr. 15 - nach Juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6.1.2014, L 2 R 409/13 B ER, Rdnr. 22 - nach Juris; Seewald in: KassKomm, § 7a SGB IV Rdnr. 25; Baier in: Krauskopf, SozKV, § 7a SGB IV Rdnr. 21; Knospe in: Hauck/Noftz, § 7a SGB IV Rdnr. 52; andere Ansicht z.B. Hessisches LSG, Beschluss vom 22.8.2013, L 1 KR 228/13 B ER, Rdnr. 22 ff. - nach Juris; Sächsisches LSG, Beschluss vom 30.8.2013, L 1 KR 129/13 B ER, Rdnr. 28 ff.; Keller, a.a.O., § 86a Rdnr. 13b; Pietrek in: jurisPK-SGB IV, § 7a Rdnr. 142).
Bei Auslegung des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV unter Berücksichtigung des Wortlauts (dazu aa), der Systematik (dazu bb), des gesetzgeberischen Willens (dazu cc) und des Zwecks der Vorschrift (dazu dd) spricht im vorliegenden Fall mehr für dessen Anwendung als dagegen.
aa) Nach seinem Wortlaut gilt § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV lediglich für Klagen gegen "Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt".
Die Formulierung ist indes zu eng. Denn die Behörden sind nicht befugt, durch Verwaltungsakt Feststellungen allein zur Frage einer Beschäftigung zu treffen; vielmehr müssen die DRV Bund (nach § 7a SGB IV), die Einzugsstelle (nach § 28h Abs. 2 SGB IV) und der prüfende Rentenversicherungsträger (nach § 28p SGB IV) stets umfassend über das Vorliegen von Versicherungspflicht entscheiden (BSG, Breith. 2010, 158, 159 f.). Angesichts dessen ist die Regelung des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV generell so zu verstehen, dass sie Klagen gegen Entscheidungen über die Versicherungspflicht betrifft.
Derartige Entscheidungen können auch im Rahmen einer Betriebsprüfung ergehen. Nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV erlässt der prüfende Rentenversicherungsträger im Rahmen der Prüfung einen Verwaltungsakt u.a. "zur Versicherungspflicht". Bei dieser Entscheidung über die Versicherungspflicht handelt es sich selbst dann um eine eigenständige Regelung im Sinne des § 31 S. 1 SGB X, wenn der prüfende Rentenversicherungsträger sie in einem "Bescheid" mit einer Beitragsnachforderung zusammenfasst (BSG, a.a.O., Seite 166 f.); die Feststellung zur Versicherungspflicht dient also nicht nur zur Begründung der Beitragsnachforderung.
Mit ihrem Widerspruch wendet sich die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 8.2.2013, mit dem die Antragsgegnerin zum einen eine versicherungspflichtige Beschäftigung verschiedener Personen festgestellt hat, zum anderen - daran anknüpfend - Beiträge, Umlagen und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 123.401,03 EUR nachgefordert hat. Der Widerspruch betrifft also (auch) eine Entscheidung über die Versicherungspflicht.
bb) Die Systematik spricht für die Auslegung der Antragsgegnerin. Denn die streitige Regelung findet sich (nur) im Zusammenhang mit den Vorschriften über das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV. Weder die Vorschriften über die Betriebsprüfung (in § 28p SGB IV) noch die Vorschriften über die aufschiebende Wirkung (in § 86a SGG) sehen eine entsprechende Regelung vor.
cc) Die Entstehungsgeschichte macht allerdings deutlich, dass die Regelung des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV - trotz seiner systematischen Stellung - auch bei Widersprüchen gegen Verwaltungsakte infolge einer Betriebsprüfung Anwendung finden soll. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers gilt die Vorschrift nicht nur für die Statusentscheidungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: DRV Bund), sondern auch für die Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Anfrageverfahrens (BT-DruckS 14/1855 Seite 8).
Nicht nachvollziehbar ist dem Gericht die Argumentation des Sächsischen LSG (a.a.O., Rdnr. 30), die am 1.1.1999 in Kraft getretene Regelung des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV habe durch die Einfügung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG zum 2.1.2001 einen Bedeutungswandel erfahren. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, der Gesetzgeber habe mit dem neuen § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG den bisherigen Anwendungsbereich des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV einschränken wollen; vielmehr sollte mit der neuen Regelung nur die ohnehin geltende Rechtslage kodifiziert werden (vgl. die Begründung zum 6. SGG-Änderungsgesetz, BT-DruckS 14/5943 Seite 25: "Damit verbleibt es bei dem geltenden Recht, wenn die Entscheidung über Pflichten zur Zahlung oder die Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben im Streit ist.").
Zu Unrecht geht das Sächsische LSG (a.a.O.) zudem davon aus, die Regelung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG liefe im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung praktisch leer, fände § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV vorrangig Anwendung. Denn bei vielen Betriebsprüfungen stehen andere Probleme im Streit als die Frage, ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt; in diesen anderen Fällen ist § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV gerade nicht anwendbar.
dd) Sinn und Zweck des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV sprechen ebenfalls für eine Anwendung im vorliegenden Fall.
(1) Durch die Regelung über die aufschiebende Wirkung sollen von der angefochtenen Statusentscheidung zunächst keine Rechtswirkungen ausgehen (BT-DruckS 14/1855 Seite 8). So soll im Rahmen des Anfrageverfahrens insbesondere verhindert werden, dass die Einzugsstelle im Hinblick auf die Feststellung der Deutschen Rentenversicherung Bund sofort Beiträge geltend macht (Pietrek in: jurisPK-SGB IV, § 7a Rdnr. 141).
Dieser Zweck gilt in gleicher Weise außerhalb des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV. Es macht im Ergebnis keinen Unterschied, ob die Entscheidungen zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe von zwei verschiedenen Trägern (beim Anfrageverfahren: von DRV Bund und von der Einzugsstelle) oder von ein und demselben Träger (bei der Betriebsprüfung: vom prüfenden Rentenversicherungsträger) getroffen werden.
(2) Soweit teilweise in der Rechtsprechung relevante Unterschiede zwischen Anfrageverfahren und Betriebsprüfung behauptet werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5.11.2008, L 16 B 7/08 R ER, Rdnr. 18 - nach Juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 7.1.2010, L 5 KR 881/09 B ER, Rdnr. 15 f. - nach Juris) vermag das Gericht diese nicht zu erkennen:
(a) Unzutreffend ist bereits die Annahme, im Gegensatz zur Betriebsprüfung sei das Anfrageverfahren "von einem vorausschauenden Charakter geprägt und damit grundsätzlich nur zu Beginn einer Beschäftigung eröffnet" (LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Denn die DRV Bund ist im Rahmen des Anfrageverfahrens nicht gehindert, über die Frage der Versicherungspflicht auch nach Beendigung einer Beschäftigung zu entscheiden (BSG, Breith. 2010, 158, 166).
(b) Auch die weitere Argumentation, beim Anfrageverfahren solle anders als bei der Betriebsprüfung der gutgläubige Arbeitgeber geschützt werden, der sich um eine Klärung der Statusfrage bemüht habe (LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; Bayerisches LSG, a.a.O., Rdnr. 16 - nach Juris), vermag nicht zu überzeugen. Denn weder ist der beim Anfrageverfahren beteiligte Arbeitgeber stets "gutgläubig" (dazu (aa)) noch war ein Arbeitgeber, der sich in Folge einer Betriebsprüfung einer Nachforderung von Beiträgen und Umlagen ausgesetzt sieht, zwingend "bösgläubig" (dazu (bb)).
(aa) Regelmäßig wird ein Arbeitgeber eine Entscheidung der DRV Bund nach § 7a SGB IV nur beantragen, wenn er im Hinblick auf den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Mitarbeiters Zweifel hegt; andernfalls besteht aus seiner Sicht für ein Anfrageverfahren gar kein Anlass. Hat der Arbeitgeber indes Zweifel, hält er also die Versicherungs- und Beitragspflicht des Mitarbeiters zumindest für möglich, ist er im Rechtssinne "bösgläubig" (vgl. zur Definition des bedingten Vorsatzes: BSG, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 Seite 35). Ausgehend hiervon erscheint die Annahme falsch, um eine Klärung der Statusfrage würden sich überwiegend "gutgläubige" Arbeitgeber bemühen. Im Übrigen kann eine Entscheidung der DRV Bund nach § 7a SGB IV nicht nur vom Arbeitgeber beantragt werden, sondern auch vom Mitarbeiter. Der Arbeitgeber wird in einer solchen Konstellation am Anfrageverfahren beteiligt - und kann ohne weiteres "bösgläubig" sein.
Für die Einleitung und Durchführung des Verfahrens nach § 7a SGB IV ist die persönliche Überzeugung des Arbeitgebers, also dessen Gut- oder Bösgläubigkeit, unerheblich. Dies gilt auch für die aufschiebende Wirkung nach § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV: Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Statusentscheidung der DRV Bund tritt unstreitig selbst dann ein, wenn der Arbeitgeber von Anfang an wusste, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt.
(bb) Umgekehrt ist ein Arbeitgeber, der in Folge einer Betriebsprüfung Beiträge und Umlagen nachzahlen muss, nicht ohne weiteres "bösgläubig" gewesen: Ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ist erst nach umfassender Prüfung und Wertung aller Umstände zu beantworten; dabei bestehen oft Argumente für und gegen die Annahme einer Beschäftigung. Selbst wenn der Arbeitgeber den sozialversicherungsrechtlichen Status im Ergebnis falsch bewertet haben sollte, kann er in vertretbarer Weise davon überzeugt gewesen sein, ein bestimmter Mitarbeiter werde nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses tätig.
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe:
1) Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist zulässig (dazu a) und begründet (dazu b).
a) Statthaft ist ein Antrag auf gerichtliche Feststellung, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 15.2.2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.2.2013 aufschiebende Wirkung entfaltet.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Regelung gilt entsprechend, wenn ein Widerspruch bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung entfaltet, die Verwaltung die aufschiebende Wirkung aber nicht beachtet; das Gericht kann dann durch (deklaratorischen) Beschluss die aufschiebende Wirkung feststellen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rdnr. 5 und 15).
Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Beteiligten Uneinigkeit über die Frage, ob der Widerspruch gegen den Bescheid vom 8.2.2013 aufschiebende Wirkung entfaltet. Da die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin behauptete aufschiebende Wirkung bestreitet, besteht ein schützenswertes Interesse der Antragstellerin an der gerichtlichen Feststellung.
b) Der Widerspruch der Antragstellerin vom 15.2.2013 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8.2.2013 hat kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung.
Gemäß § 86a Abs. 1 SGG hat ein Widerspruch grundsätzlich aufschiebende Wirkung; das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in § 86a Abs. 2 SGG normiert. In Betracht kommt hier allenfalls § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG. Nach dieser Vorschrift entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Von dieser Ausnahme regelt § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV wiederum eine Rückausnahme: Danach hat eine Klage gegen Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung.
Letztere Vorschrift ist hier einschlägig. Denn entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin gilt § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV nicht nur bei Statusentscheidungen im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV, sondern auch bei Statusentscheidungen im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV (so auch aus jüngerer Zeit: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.3.2013, L 1 R 454/12 B ER, Rdnr. 15 - nach Juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 6.1.2014, L 2 R 409/13 B ER, Rdnr. 22 - nach Juris; Seewald in: KassKomm, § 7a SGB IV Rdnr. 25; Baier in: Krauskopf, SozKV, § 7a SGB IV Rdnr. 21; Knospe in: Hauck/Noftz, § 7a SGB IV Rdnr. 52; andere Ansicht z.B. Hessisches LSG, Beschluss vom 22.8.2013, L 1 KR 228/13 B ER, Rdnr. 22 ff. - nach Juris; Sächsisches LSG, Beschluss vom 30.8.2013, L 1 KR 129/13 B ER, Rdnr. 28 ff.; Keller, a.a.O., § 86a Rdnr. 13b; Pietrek in: jurisPK-SGB IV, § 7a Rdnr. 142).
Bei Auslegung des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV unter Berücksichtigung des Wortlauts (dazu aa), der Systematik (dazu bb), des gesetzgeberischen Willens (dazu cc) und des Zwecks der Vorschrift (dazu dd) spricht im vorliegenden Fall mehr für dessen Anwendung als dagegen.
aa) Nach seinem Wortlaut gilt § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV lediglich für Klagen gegen "Entscheidungen, dass eine Beschäftigung vorliegt".
Die Formulierung ist indes zu eng. Denn die Behörden sind nicht befugt, durch Verwaltungsakt Feststellungen allein zur Frage einer Beschäftigung zu treffen; vielmehr müssen die DRV Bund (nach § 7a SGB IV), die Einzugsstelle (nach § 28h Abs. 2 SGB IV) und der prüfende Rentenversicherungsträger (nach § 28p SGB IV) stets umfassend über das Vorliegen von Versicherungspflicht entscheiden (BSG, Breith. 2010, 158, 159 f.). Angesichts dessen ist die Regelung des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV generell so zu verstehen, dass sie Klagen gegen Entscheidungen über die Versicherungspflicht betrifft.
Derartige Entscheidungen können auch im Rahmen einer Betriebsprüfung ergehen. Nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV erlässt der prüfende Rentenversicherungsträger im Rahmen der Prüfung einen Verwaltungsakt u.a. "zur Versicherungspflicht". Bei dieser Entscheidung über die Versicherungspflicht handelt es sich selbst dann um eine eigenständige Regelung im Sinne des § 31 S. 1 SGB X, wenn der prüfende Rentenversicherungsträger sie in einem "Bescheid" mit einer Beitragsnachforderung zusammenfasst (BSG, a.a.O., Seite 166 f.); die Feststellung zur Versicherungspflicht dient also nicht nur zur Begründung der Beitragsnachforderung.
Mit ihrem Widerspruch wendet sich die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 8.2.2013, mit dem die Antragsgegnerin zum einen eine versicherungspflichtige Beschäftigung verschiedener Personen festgestellt hat, zum anderen - daran anknüpfend - Beiträge, Umlagen und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 123.401,03 EUR nachgefordert hat. Der Widerspruch betrifft also (auch) eine Entscheidung über die Versicherungspflicht.
bb) Die Systematik spricht für die Auslegung der Antragsgegnerin. Denn die streitige Regelung findet sich (nur) im Zusammenhang mit den Vorschriften über das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV. Weder die Vorschriften über die Betriebsprüfung (in § 28p SGB IV) noch die Vorschriften über die aufschiebende Wirkung (in § 86a SGG) sehen eine entsprechende Regelung vor.
cc) Die Entstehungsgeschichte macht allerdings deutlich, dass die Regelung des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV - trotz seiner systematischen Stellung - auch bei Widersprüchen gegen Verwaltungsakte infolge einer Betriebsprüfung Anwendung finden soll. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers gilt die Vorschrift nicht nur für die Statusentscheidungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: DRV Bund), sondern auch für die Statusentscheidungen der übrigen Sozialversicherungsträger außerhalb des Anfrageverfahrens (BT-DruckS 14/1855 Seite 8).
Nicht nachvollziehbar ist dem Gericht die Argumentation des Sächsischen LSG (a.a.O., Rdnr. 30), die am 1.1.1999 in Kraft getretene Regelung des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV habe durch die Einfügung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG zum 2.1.2001 einen Bedeutungswandel erfahren. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, der Gesetzgeber habe mit dem neuen § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG den bisherigen Anwendungsbereich des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV einschränken wollen; vielmehr sollte mit der neuen Regelung nur die ohnehin geltende Rechtslage kodifiziert werden (vgl. die Begründung zum 6. SGG-Änderungsgesetz, BT-DruckS 14/5943 Seite 25: "Damit verbleibt es bei dem geltenden Recht, wenn die Entscheidung über Pflichten zur Zahlung oder die Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben im Streit ist.").
Zu Unrecht geht das Sächsische LSG (a.a.O.) zudem davon aus, die Regelung des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG liefe im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung praktisch leer, fände § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV vorrangig Anwendung. Denn bei vielen Betriebsprüfungen stehen andere Probleme im Streit als die Frage, ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt; in diesen anderen Fällen ist § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV gerade nicht anwendbar.
dd) Sinn und Zweck des § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV sprechen ebenfalls für eine Anwendung im vorliegenden Fall.
(1) Durch die Regelung über die aufschiebende Wirkung sollen von der angefochtenen Statusentscheidung zunächst keine Rechtswirkungen ausgehen (BT-DruckS 14/1855 Seite 8). So soll im Rahmen des Anfrageverfahrens insbesondere verhindert werden, dass die Einzugsstelle im Hinblick auf die Feststellung der Deutschen Rentenversicherung Bund sofort Beiträge geltend macht (Pietrek in: jurisPK-SGB IV, § 7a Rdnr. 141).
Dieser Zweck gilt in gleicher Weise außerhalb des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV. Es macht im Ergebnis keinen Unterschied, ob die Entscheidungen zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe von zwei verschiedenen Trägern (beim Anfrageverfahren: von DRV Bund und von der Einzugsstelle) oder von ein und demselben Träger (bei der Betriebsprüfung: vom prüfenden Rentenversicherungsträger) getroffen werden.
(2) Soweit teilweise in der Rechtsprechung relevante Unterschiede zwischen Anfrageverfahren und Betriebsprüfung behauptet werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5.11.2008, L 16 B 7/08 R ER, Rdnr. 18 - nach Juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 7.1.2010, L 5 KR 881/09 B ER, Rdnr. 15 f. - nach Juris) vermag das Gericht diese nicht zu erkennen:
(a) Unzutreffend ist bereits die Annahme, im Gegensatz zur Betriebsprüfung sei das Anfrageverfahren "von einem vorausschauenden Charakter geprägt und damit grundsätzlich nur zu Beginn einer Beschäftigung eröffnet" (LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Denn die DRV Bund ist im Rahmen des Anfrageverfahrens nicht gehindert, über die Frage der Versicherungspflicht auch nach Beendigung einer Beschäftigung zu entscheiden (BSG, Breith. 2010, 158, 166).
(b) Auch die weitere Argumentation, beim Anfrageverfahren solle anders als bei der Betriebsprüfung der gutgläubige Arbeitgeber geschützt werden, der sich um eine Klärung der Statusfrage bemüht habe (LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; Bayerisches LSG, a.a.O., Rdnr. 16 - nach Juris), vermag nicht zu überzeugen. Denn weder ist der beim Anfrageverfahren beteiligte Arbeitgeber stets "gutgläubig" (dazu (aa)) noch war ein Arbeitgeber, der sich in Folge einer Betriebsprüfung einer Nachforderung von Beiträgen und Umlagen ausgesetzt sieht, zwingend "bösgläubig" (dazu (bb)).
(aa) Regelmäßig wird ein Arbeitgeber eine Entscheidung der DRV Bund nach § 7a SGB IV nur beantragen, wenn er im Hinblick auf den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Mitarbeiters Zweifel hegt; andernfalls besteht aus seiner Sicht für ein Anfrageverfahren gar kein Anlass. Hat der Arbeitgeber indes Zweifel, hält er also die Versicherungs- und Beitragspflicht des Mitarbeiters zumindest für möglich, ist er im Rechtssinne "bösgläubig" (vgl. zur Definition des bedingten Vorsatzes: BSG, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7 Seite 35). Ausgehend hiervon erscheint die Annahme falsch, um eine Klärung der Statusfrage würden sich überwiegend "gutgläubige" Arbeitgeber bemühen. Im Übrigen kann eine Entscheidung der DRV Bund nach § 7a SGB IV nicht nur vom Arbeitgeber beantragt werden, sondern auch vom Mitarbeiter. Der Arbeitgeber wird in einer solchen Konstellation am Anfrageverfahren beteiligt - und kann ohne weiteres "bösgläubig" sein.
Für die Einleitung und Durchführung des Verfahrens nach § 7a SGB IV ist die persönliche Überzeugung des Arbeitgebers, also dessen Gut- oder Bösgläubigkeit, unerheblich. Dies gilt auch für die aufschiebende Wirkung nach § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV: Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Statusentscheidung der DRV Bund tritt unstreitig selbst dann ein, wenn der Arbeitgeber von Anfang an wusste, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt.
(bb) Umgekehrt ist ein Arbeitgeber, der in Folge einer Betriebsprüfung Beiträge und Umlagen nachzahlen muss, nicht ohne weiteres "bösgläubig" gewesen: Ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ist erst nach umfassender Prüfung und Wertung aller Umstände zu beantworten; dabei bestehen oft Argumente für und gegen die Annahme einer Beschäftigung. Selbst wenn der Arbeitgeber den sozialversicherungsrechtlichen Status im Ergebnis falsch bewertet haben sollte, kann er in vertretbarer Weise davon überzeugt gewesen sein, ein bestimmter Mitarbeiter werde nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses tätig.
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
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