Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 4487/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Mangels Erfüllens der persönlichen Voraussetzungen besteht kein Anspruch auf Erziehungsrente einer getrennt lebenden Partnerin einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft im Falle des Versterbens des Ex-Partners.
2. Es liegt kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG durch § 47 Abs. 1 SGB VI vor. Die Ungleichbehandlung von geschiedenen Ehegatten und getrennten Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist aufgrund des verfassungsmäßigen Schutzes der Ehe gerechtfertigt.
3. Es bestehet keine mittelbare oder unmittelbare Benachteiligung unehelicher Kinder durch § 47 Abs. 1 SGB VI.
4. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG ist durch § 47 Abs. 1 SGB VI nicht gegeben.
2. Es liegt kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG durch § 47 Abs. 1 SGB VI vor. Die Ungleichbehandlung von geschiedenen Ehegatten und getrennten Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist aufgrund des verfassungsmäßigen Schutzes der Ehe gerechtfertigt.
3. Es bestehet keine mittelbare oder unmittelbare Benachteiligung unehelicher Kinder durch § 47 Abs. 1 SGB VI.
4. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG ist durch § 47 Abs. 1 SGB VI nicht gegeben.
1. Die Klage wird abgewiesen 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erziehungsrente hat.
Die am XXXX geborene Klägerin ist die Mutter des am XXXX geborenen XXXX und der am XXXX geborenen XXXX. Sie ist ledig und war weder mit XXXX Vater noch mit dem Vater von XXXX verheiratet. Am 06.01.2008 ist der Vater von XXXX (der am XXXX gebo-rene XXXX) verstorben. Deswegen beantragte die Klägerin am 26.08.2008 bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) eine Erziehungsrente. Bei Antragstellung gab sie an, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu beziehen und außerdem eine geringfügige Beschäftigung beim Kinderschutzbund XXXX auszuüben.
Mit Bescheid vom 15.10.2008 wurde die beantragte Erziehungsrente abgelehnt. Zur Begrün-dung wurde ausgeführt, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen nicht, da sie mit dem Ver-storbenen nicht verheiratet gewesen sei und somit keine Scheidung erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 10.11.2008 Widerspruch und führte zu dessen Begründung aus, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz vor, dass nichteheliche Kinder ehelichen Kindern gleichzustellen seien. Bei der Gewährung einer Erziehungsrente aus-schließlich an geschiedene Mütter beziehungsweise Witwen würde dies zu einer finanziellen Besserstellung von deren Kindern gegenüber Kindern führen, deren Eltern nicht miteinander verheiratet gewesen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2009 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbe-gründet zurückgewiesen.
Deswegen hat die Klägerin am 16.02.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zu deren Begründung trägt sie vor, es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 6 Grundgesetz (GG) vor. Eheliche Kinder seien nichtehelichen Kindern insoweit gleichzustellen. § 47 Abs. 1 SGB VI sei insoweit verfassungswidrig.
Aufgrund des Vorlagebeschlusses des Bayrischen Landessozialgerichts an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 30.09.2009 (Az.: L 1 R 204/09) wurde der Rechtsstreit mit Beschluss vom 15.03.2010 auf Antrag beider Beteiligter ruhend gestellt.
Am 12.12.2012 wurde der Rechtsstreit durch die Beklagte wieder aufgerufen, nachdem das BVerfG am 02.05.2012 die Vorlage als unzulässig erklärt hat (Az.: 1 BvL 20/09).
Die Klägerin hält an ihrer Klage fest und führt ergänzend aus, das BVerfG habe die Vorlage des Bayrischen LSG für unzulässig erklärt. Eine Sachentscheidung sei nicht ergangen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.10.2008 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheids vom 14.01.2009 zu verurteilen, ihr eine Erziehungsrente ab An-tragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung weiterhin für zutreffend und verweist insoweit auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2009.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Ge-richtsakten und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2009 entscheiden hat, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erziehungsrente hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Erziehungsrente, da sie die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
1. Gemäß § 47 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Erziehungsrente, wenn (1) ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben ist, (2) sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI), (3) sie nicht wieder geheiratet haben und (4) sie bis zum Tod des geschiedenen Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
2. Die Klägerin war nicht mit dem verstorbenen XXXX verheiratet, dementsprechend kam es auch nicht zu einer Ehescheidung. Die persönlichen Voraussetzungen aus § 47 Abs.1 SGB VI sind mithin nicht erfüllt. Deswegen besteht kein Anspruch auf die begehrte Erziehungsrente.
3. Die Kammer teilt auch nicht die Ansicht der Klägerin, § 47 Abs. 1 SGB VI stehe nicht im Einklang mit der Verfassung. Es liegt weder ein Verstoß gegen Art 6 Abs. 5 GG noch gegen Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vor.
a. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG liegt nach Ansicht der Kammer nicht vor. Laut Art. 6 Abs. 5 GG sind den unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Durch die Regelung des § 47 Abs. 1 SGB VI liegt keine Ungleichbehandlung von uneheli-chen gegenüber ehelichen Kindern vor. Grundsätzlich werden durch diese Vorschrift alle Kinder gleich behandelt. Lediglich diejenigen Elternteile nichtehelicher Kinder, die niemals verheiratet gewesen sind, können nicht in den Kreis der Anspruchsberechtigten einer Erzie-hungsrente kommen. Insoweit liegt weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Ungleichbehandlung der nichtehelichen Kinder vor. Bereits der Wortlaut des § 47 Abs. 1 SGB VI nimmt keine Differenzierung nach dem Status des Kindes als ehelich oder unehelich vor. Voraussetzung ist lediglich, dass ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen (verstorbenen) Ehegatten erzogen wird.
Im Übrigen haben die Kinder unabhängig von ihrem Status als eheliche oder uneheliche Kin-der einen eigenen Anspruch aus der Versicherung des Verstorbenen gemäß § 48 Abs. 1 SGB VI. Eine finanzielle Absicherung ist mithin in jedem Fall gewährleistet.
b. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Gemäß Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Art. 3 GG gewährleistet, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich behandelt werden.
Zwar werden alleinerziehende geschiedene Mütter gegenüber alleinerziehenden Müttern, die nicht verheiratet gewesen sind durch die Vorschrift des § 47 Abs. 1 SGB VI bevorzugt, mithin liegt eine Ungleichbehandlung von wesentlich gleichem vor. Diese Differenzierung ist aber gerade vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber durch das Grundgesetz gehalten ist, die Ehe besonders zu schützen gerechtfertigt.
Art. 6 Abs. 1 GG schützt nach dem eindeutigen Wortlaut nicht jede Lebensgemeinschaft, sondern nur die nach der geltenden Rechtsordnung rechtsgültig geschlossene Ehe. Eine ehe-ähnliche Lebensgemeinschaft kann nicht mit der in der rechtlichen Form geschlossenen bür-gerlich-rechtlichen Ehe (§§ 1303 ff Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) gleichgestellt werden. Zwar zeichnet sich eine solche Gemeinschaft ebenfalls durch innere Bindungen und gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander aus. Wesentliche Merkmal ist aber im Gegensatz zur Ehe die fehlende umfassende Rechtsverbindlichkeit und die Möglichkeit der jederzeitigen Beendigung der Partnerschaft ohne Einhaltung bestimmter Voraussetzungen (vgl. Bayrisches LSG, Urteil vom 05.08.2010, L 14 R 364/10). Auch das BVerfG hat dem Gesetzgeber grundsätzlich zugestanden, dass die Ehe aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Schutzes gegenüber anderen Lebensformen begünstigt werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2009, 1 BvR 1164/07). Zwar geht mit der Privilegierung der Ehe eine Benachteiligung anderer Lebensformen, die mit der Ehe vergleichbar sind, was den geregelten Lebenssachverhalt und die mit der Normierung verfolgten Ziele betrifft, einher. Gerade aber in der Konstellation ungleichgeschlechtlicher Partner, können diese zumutbar auf die Ehe verwiesen werden, wenn sie ihrer Beziehung einen rechtlichen Rahmen geben wollen. Denn gerade die Tatsache, dass einer solchen Beziehung Kinder hervorgehen können, rechtfertigt es, eine rechtliche Sicherheit zu schaffen. Eine Benachteiligung ist hierdurch nicht gegeben (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.07.2000, 1 BvF 1/01; 1 BvF 2/01).
Eine andere Beurteilung dieses Sachverhalts würde im Umkehrschluss sogar zu einer Besserstellung der ungleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft führen, die vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Auf der einen Seite könnte man nach Belieben die rechtlichen Vorteile, die an eine Ehe geknüpft sind, in Anspruch nehmen, auf der anderen Seite hätte man aber nicht die mit der Ehe einhergehenden rechtlichen Nachteile zu befürchten.
Eine Ehe kann im Gegensatz zu einer freien Lebenspartnerschaft nicht einfach beendet wer-den. Eine Ehe kann gemäß § 1564 BGB nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag eines der beiden Ehegatten geschieden werden, und auch an die Scheidung sind weitere Vorausset-zungen wie das Scheitern der Ehe (§1565 BGB) geknüpft. Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen nach Maßgabe der §§ 1579 ff. BGB Unterhalt verlangen. Außerdem findet zwischen den geschiedenen Ehegatten nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetz ein Ausgleich von bestehenden Anrechten, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversiche-rung, aus anderen Versorgungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständi-schen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge statt. Im Falle des Vorversterbens eines der Ehegatten, steht dem überlebenden Ehegatten ein gesetzliches Erbrecht gemäß § 1931 BGB zu. Zusätzlich findet gemäß § 1371 BGB ein Zugewinnausgleich statt.
Mit der Ehe gehen auch steuerrechtliche Regelungen einher, so werden Ehegatten gemäß § 26 Einkommenssteuergesetz (EStG) grundsätzlich gemeinsam veranlagt, solange nicht die getrennte Veranlagung durch einen der Ehegatten gegenüber dem Finanzamt erklärt wird.
Demgegenüber gibt es für freie ungleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften keinen recht-lichen Rahmen.
Schließlich muss auch Sinn und Zweck der Regelung des § 47 Abs. 1 SGB VI in die Betrach-tung mit einbezogen werden. Bei der Erziehungsrente handelt es sich trotz ihrer Einordnung unter die Renten wegen Todes nicht um eine Rente aus abgeleitetem Recht (der Versicherung des geschiedenen Ehegatten), sondern vielmehr um eine Rente aus eigener Versicherung. Die Erziehungsrente hat Unterhaltsersatzfunktion. Für nach dem 30.06.1977 geschiedene Ehegatten besteht in der gesetzlichen Rentenversicherung kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Verstorbenen. Vielmehr finden allein die Regelungen über den Versorgungsausgleich Anwendung (§§ 1587 ff. BGB). Die Erziehungsrente soll in diesen Fällen einen Ausgleich für den durch den Tod des geschiedenen Ehegatten weggefallenen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB herstellen. Nach dieser Norm hat ein geschiedener Ehegatte einen Unterhaltsanspruch, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Durch die Gewährung der Erziehungsrente soll vermieden werden, dass der geschiedene Ehegatte zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gezwungen wird, die nicht im Interesse seiner Kinder liegt. Trotz dieser Zielsetzung setzt der Rentenanspruch nach § 47 SGB VI tatbestandlich jedoch weder voraus, dass der Versicherte gegen seinen geschiedenen Ehegatten vor dessen Tod einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB hatte, noch dass er wegen der Kindererziehung tatsächlich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (vgl Bohlken in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 47 SGB VI).
Entscheiden sich ungleichgeschlechtliche Lebenspartner für die Ehe, entscheiden sie sich bewusst für einen rechtlichen Rahmen, den sie ihrer Beziehung geben. Es entsteht ein Vertrauen in die rechtliche Absicherung im Falle der Scheidung oder im Falle des Vorversterbens eines der Ehegatten. Dieses Vertrauen wird gestärkt durch die Erziehungsrente. Im Falle aber, dass sich ungleichgeschlechtliche Paare gegen eine Ehe entscheiden, kann dieses Vertrauen nicht entstehen. Mit dem bewussten Verzicht auf den rechtlichen Rahmen "Ehe", geht der Verzicht auf Absicherung einher. Es verbleibt ein Risiko für den Fall des Scheiterns der Beziehung. Der Gesetzgeber ist aber nicht verpflichtet, jegliche Form des Zusammenlebens zu schützen und abzusichern. Der verfassungsrechtliche Auftrag beschränkt sich auf den Schutz der Ehe im Sinne des BGB. Dies rechtfertigt es, die Ehe gegenüber freien ungleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften zu privilegieren. § 47 Abs. 1 SGB VI verstößt mithin nicht gegen die Verfassung.
Deswegen konnte die Klage letztendlich keinen Erfolg haben.
II. Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erziehungsrente hat.
Die am XXXX geborene Klägerin ist die Mutter des am XXXX geborenen XXXX und der am XXXX geborenen XXXX. Sie ist ledig und war weder mit XXXX Vater noch mit dem Vater von XXXX verheiratet. Am 06.01.2008 ist der Vater von XXXX (der am XXXX gebo-rene XXXX) verstorben. Deswegen beantragte die Klägerin am 26.08.2008 bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) eine Erziehungsrente. Bei Antragstellung gab sie an, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu beziehen und außerdem eine geringfügige Beschäftigung beim Kinderschutzbund XXXX auszuüben.
Mit Bescheid vom 15.10.2008 wurde die beantragte Erziehungsrente abgelehnt. Zur Begrün-dung wurde ausgeführt, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen nicht, da sie mit dem Ver-storbenen nicht verheiratet gewesen sei und somit keine Scheidung erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 10.11.2008 Widerspruch und führte zu dessen Begründung aus, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz vor, dass nichteheliche Kinder ehelichen Kindern gleichzustellen seien. Bei der Gewährung einer Erziehungsrente aus-schließlich an geschiedene Mütter beziehungsweise Witwen würde dies zu einer finanziellen Besserstellung von deren Kindern gegenüber Kindern führen, deren Eltern nicht miteinander verheiratet gewesen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2009 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbe-gründet zurückgewiesen.
Deswegen hat die Klägerin am 16.02.2009 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zu deren Begründung trägt sie vor, es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 6 Grundgesetz (GG) vor. Eheliche Kinder seien nichtehelichen Kindern insoweit gleichzustellen. § 47 Abs. 1 SGB VI sei insoweit verfassungswidrig.
Aufgrund des Vorlagebeschlusses des Bayrischen Landessozialgerichts an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 30.09.2009 (Az.: L 1 R 204/09) wurde der Rechtsstreit mit Beschluss vom 15.03.2010 auf Antrag beider Beteiligter ruhend gestellt.
Am 12.12.2012 wurde der Rechtsstreit durch die Beklagte wieder aufgerufen, nachdem das BVerfG am 02.05.2012 die Vorlage als unzulässig erklärt hat (Az.: 1 BvL 20/09).
Die Klägerin hält an ihrer Klage fest und führt ergänzend aus, das BVerfG habe die Vorlage des Bayrischen LSG für unzulässig erklärt. Eine Sachentscheidung sei nicht ergangen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.10.2008 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheids vom 14.01.2009 zu verurteilen, ihr eine Erziehungsrente ab An-tragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung weiterhin für zutreffend und verweist insoweit auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2009.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Ge-richtsakten und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 15.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2009 entscheiden hat, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erziehungsrente hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Erziehungsrente, da sie die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
1. Gemäß § 47 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Erziehungsrente, wenn (1) ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben ist, (2) sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI), (3) sie nicht wieder geheiratet haben und (4) sie bis zum Tod des geschiedenen Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
2. Die Klägerin war nicht mit dem verstorbenen XXXX verheiratet, dementsprechend kam es auch nicht zu einer Ehescheidung. Die persönlichen Voraussetzungen aus § 47 Abs.1 SGB VI sind mithin nicht erfüllt. Deswegen besteht kein Anspruch auf die begehrte Erziehungsrente.
3. Die Kammer teilt auch nicht die Ansicht der Klägerin, § 47 Abs. 1 SGB VI stehe nicht im Einklang mit der Verfassung. Es liegt weder ein Verstoß gegen Art 6 Abs. 5 GG noch gegen Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vor.
a. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG liegt nach Ansicht der Kammer nicht vor. Laut Art. 6 Abs. 5 GG sind den unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Durch die Regelung des § 47 Abs. 1 SGB VI liegt keine Ungleichbehandlung von uneheli-chen gegenüber ehelichen Kindern vor. Grundsätzlich werden durch diese Vorschrift alle Kinder gleich behandelt. Lediglich diejenigen Elternteile nichtehelicher Kinder, die niemals verheiratet gewesen sind, können nicht in den Kreis der Anspruchsberechtigten einer Erzie-hungsrente kommen. Insoweit liegt weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Ungleichbehandlung der nichtehelichen Kinder vor. Bereits der Wortlaut des § 47 Abs. 1 SGB VI nimmt keine Differenzierung nach dem Status des Kindes als ehelich oder unehelich vor. Voraussetzung ist lediglich, dass ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen (verstorbenen) Ehegatten erzogen wird.
Im Übrigen haben die Kinder unabhängig von ihrem Status als eheliche oder uneheliche Kin-der einen eigenen Anspruch aus der Versicherung des Verstorbenen gemäß § 48 Abs. 1 SGB VI. Eine finanzielle Absicherung ist mithin in jedem Fall gewährleistet.
b. Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Gemäß Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Art. 3 GG gewährleistet, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich behandelt werden.
Zwar werden alleinerziehende geschiedene Mütter gegenüber alleinerziehenden Müttern, die nicht verheiratet gewesen sind durch die Vorschrift des § 47 Abs. 1 SGB VI bevorzugt, mithin liegt eine Ungleichbehandlung von wesentlich gleichem vor. Diese Differenzierung ist aber gerade vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber durch das Grundgesetz gehalten ist, die Ehe besonders zu schützen gerechtfertigt.
Art. 6 Abs. 1 GG schützt nach dem eindeutigen Wortlaut nicht jede Lebensgemeinschaft, sondern nur die nach der geltenden Rechtsordnung rechtsgültig geschlossene Ehe. Eine ehe-ähnliche Lebensgemeinschaft kann nicht mit der in der rechtlichen Form geschlossenen bür-gerlich-rechtlichen Ehe (§§ 1303 ff Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) gleichgestellt werden. Zwar zeichnet sich eine solche Gemeinschaft ebenfalls durch innere Bindungen und gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander aus. Wesentliche Merkmal ist aber im Gegensatz zur Ehe die fehlende umfassende Rechtsverbindlichkeit und die Möglichkeit der jederzeitigen Beendigung der Partnerschaft ohne Einhaltung bestimmter Voraussetzungen (vgl. Bayrisches LSG, Urteil vom 05.08.2010, L 14 R 364/10). Auch das BVerfG hat dem Gesetzgeber grundsätzlich zugestanden, dass die Ehe aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Schutzes gegenüber anderen Lebensformen begünstigt werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2009, 1 BvR 1164/07). Zwar geht mit der Privilegierung der Ehe eine Benachteiligung anderer Lebensformen, die mit der Ehe vergleichbar sind, was den geregelten Lebenssachverhalt und die mit der Normierung verfolgten Ziele betrifft, einher. Gerade aber in der Konstellation ungleichgeschlechtlicher Partner, können diese zumutbar auf die Ehe verwiesen werden, wenn sie ihrer Beziehung einen rechtlichen Rahmen geben wollen. Denn gerade die Tatsache, dass einer solchen Beziehung Kinder hervorgehen können, rechtfertigt es, eine rechtliche Sicherheit zu schaffen. Eine Benachteiligung ist hierdurch nicht gegeben (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.07.2000, 1 BvF 1/01; 1 BvF 2/01).
Eine andere Beurteilung dieses Sachverhalts würde im Umkehrschluss sogar zu einer Besserstellung der ungleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft führen, die vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Auf der einen Seite könnte man nach Belieben die rechtlichen Vorteile, die an eine Ehe geknüpft sind, in Anspruch nehmen, auf der anderen Seite hätte man aber nicht die mit der Ehe einhergehenden rechtlichen Nachteile zu befürchten.
Eine Ehe kann im Gegensatz zu einer freien Lebenspartnerschaft nicht einfach beendet wer-den. Eine Ehe kann gemäß § 1564 BGB nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag eines der beiden Ehegatten geschieden werden, und auch an die Scheidung sind weitere Vorausset-zungen wie das Scheitern der Ehe (§1565 BGB) geknüpft. Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen nach Maßgabe der §§ 1579 ff. BGB Unterhalt verlangen. Außerdem findet zwischen den geschiedenen Ehegatten nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetz ein Ausgleich von bestehenden Anrechten, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversiche-rung, aus anderen Versorgungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständi-schen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge statt. Im Falle des Vorversterbens eines der Ehegatten, steht dem überlebenden Ehegatten ein gesetzliches Erbrecht gemäß § 1931 BGB zu. Zusätzlich findet gemäß § 1371 BGB ein Zugewinnausgleich statt.
Mit der Ehe gehen auch steuerrechtliche Regelungen einher, so werden Ehegatten gemäß § 26 Einkommenssteuergesetz (EStG) grundsätzlich gemeinsam veranlagt, solange nicht die getrennte Veranlagung durch einen der Ehegatten gegenüber dem Finanzamt erklärt wird.
Demgegenüber gibt es für freie ungleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften keinen recht-lichen Rahmen.
Schließlich muss auch Sinn und Zweck der Regelung des § 47 Abs. 1 SGB VI in die Betrach-tung mit einbezogen werden. Bei der Erziehungsrente handelt es sich trotz ihrer Einordnung unter die Renten wegen Todes nicht um eine Rente aus abgeleitetem Recht (der Versicherung des geschiedenen Ehegatten), sondern vielmehr um eine Rente aus eigener Versicherung. Die Erziehungsrente hat Unterhaltsersatzfunktion. Für nach dem 30.06.1977 geschiedene Ehegatten besteht in der gesetzlichen Rentenversicherung kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Verstorbenen. Vielmehr finden allein die Regelungen über den Versorgungsausgleich Anwendung (§§ 1587 ff. BGB). Die Erziehungsrente soll in diesen Fällen einen Ausgleich für den durch den Tod des geschiedenen Ehegatten weggefallenen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB herstellen. Nach dieser Norm hat ein geschiedener Ehegatte einen Unterhaltsanspruch, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Durch die Gewährung der Erziehungsrente soll vermieden werden, dass der geschiedene Ehegatte zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gezwungen wird, die nicht im Interesse seiner Kinder liegt. Trotz dieser Zielsetzung setzt der Rentenanspruch nach § 47 SGB VI tatbestandlich jedoch weder voraus, dass der Versicherte gegen seinen geschiedenen Ehegatten vor dessen Tod einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB hatte, noch dass er wegen der Kindererziehung tatsächlich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (vgl Bohlken in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 47 SGB VI).
Entscheiden sich ungleichgeschlechtliche Lebenspartner für die Ehe, entscheiden sie sich bewusst für einen rechtlichen Rahmen, den sie ihrer Beziehung geben. Es entsteht ein Vertrauen in die rechtliche Absicherung im Falle der Scheidung oder im Falle des Vorversterbens eines der Ehegatten. Dieses Vertrauen wird gestärkt durch die Erziehungsrente. Im Falle aber, dass sich ungleichgeschlechtliche Paare gegen eine Ehe entscheiden, kann dieses Vertrauen nicht entstehen. Mit dem bewussten Verzicht auf den rechtlichen Rahmen "Ehe", geht der Verzicht auf Absicherung einher. Es verbleibt ein Risiko für den Fall des Scheiterns der Beziehung. Der Gesetzgeber ist aber nicht verpflichtet, jegliche Form des Zusammenlebens zu schützen und abzusichern. Der verfassungsrechtliche Auftrag beschränkt sich auf den Schutz der Ehe im Sinne des BGB. Dies rechtfertigt es, die Ehe gegenüber freien ungleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften zu privilegieren. § 47 Abs. 1 SGB VI verstößt mithin nicht gegen die Verfassung.
Deswegen konnte die Klage letztendlich keinen Erfolg haben.
II. Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 193 SGG.
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