Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 1372/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Falle der Todeserklärung einer verschollenen oder vermissten Person erlangt der Rentenversicherungsträger erst mit Bekanntwerden der gerichtlichen Todesfeststellung Kenntnis von der Überzahlung, und nicht bereits mit Kenntnis des Sachverhalts, der später zur gerichtlichen Feststellung führt.
§ 49 SGB VI stellt keine Schutzvorschrift des Verfügenden o-der Empfängers dar, um ihn vor einer späteren Erstattungsforderung nach § 118 Abs. 4 SGB VI zu bewahren. § 49 SGB VI berechtigt den Rentenversicherungsträger nicht, den Tod nur festzustellen, um eine Versichertenrente einzustellen.
§ 49 SGB VI stellt keine Schutzvorschrift des Verfügenden o-der Empfängers dar, um ihn vor einer späteren Erstattungsforderung nach § 118 Abs. 4 SGB VI zu bewahren. § 49 SGB VI berechtigt den Rentenversicherungsträger nicht, den Tod nur festzustellen, um eine Versichertenrente einzustellen.
Tenor: Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte von ihm Erstattung einer Rentenzahlung an seine verstorbene Mutter über einen Zeitraum von zwölf Jahren verlangt.
Der Kläger ist Sohn der bei der Beklagten versicherten Else Martin (im Folgenden: V).
Die Beklagte gewährte V mit Bescheid vom 13.09.1999 eine Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige für die Zeit ab 01.12.1999. Die Rentenzahlung erfolgte monatlich auf ein Konto der V bei der Sparkasse P.
V wurde am 29.02.2000 in Paraguay vermisst gemeldet.
Im Juli 2000 bestellte das Notariat C. den Kläger zum Pfleger gemäß § 1911 BGB über die Besorgung von Vermögensangelegenheiten der V.
Im September 2000 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass V seit Februar vermisst gemeldet sei und bisherige Ermittlungen der Polizei keinen Hinweis auf ihr Verbleiben gegeben hätten.
Daraufhin stellte die Beklagte die Rentenzahlung an V zum Monat Oktober 2000 vorläufig ein und teilte dies dem Kläger mit.
Nachdem die Anwältin der V sich telefonisch bei der Beklagten meldete und um Angabe der gesetzlichen Grundlage für das Vorgehen bat, wies die Beklagte die Rentenzahlung wieder zum 01.12.2000 an und zahlte den vorläufig einbehaltenen Betrag aus. Mit Schreiben vom 20.10.2000 teilte sie dies dem Kläger mit und wies ihn darauf hin, dass sie die Rente der V von ihm zurückfordern könne, sobald deren Tod von Amts wegen festgestellt werde.
Durch Beschluss des Amtsgerichts W. vom 12.12.2011 wurde V für tot erklärt. Als Zeit-punkt des Todes stellte das Gericht den 28.02.2000 fest.
Der Kläger teilte dies der Beklagten im März 2012 mit.
Mit Schreiben vom 24.04.2012 setzte die Beklagte den Kläger davon in Kenntnis, dass sie beabsichtige, von ihm als Verfügenden den Betrag von 125.760,48 EUR nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zurückzufordern. V sei am 28.02.2000 verstorben. Ein Anspruch auf Rente bestehe bis zum Ablauf des Sterbemonats. Die Zahlung der Rente habe jedoch erst zum 30.04.2012 eingestellt werden können. Daher seien für die Zeit vom 01.03.2000 bis 30.04.2012 gezahlte Geldleistungen in Höhe von 125.760,48 EUR zu Unrecht erbracht worden. Die ihm von der Beklagten angebotene Gelegenheit zur Stellungnahme ergriff der Kläger nicht.
Zum 30.04.2012 stellte die Beklagte außerdem die Zahlung der Rente ein.
Mit Bescheid vom 04.07.2012 forderte die Beklagte von dem Kläger den Betrag von 125.760,48 EUR zurück.
Der Kläger erhob hiergegen am 27.07.2012 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, der Beklagten sei die Einstellung der Rente bereits im Jahre 2000 möglich gewesen. Schon damals habe die Beklagte Kenntnis davon gehabt, dass V als verschollen gemeldet gewesen sei. Die Einstellung der Rente hätte aufgrund der §§ 49, 102 Abs. 5 SGB VI i.V.m. § 48 SGB X erfolgen müssen. Im Übrigen seien etwaig bestehende Rückforderungsansprüche bereits verjährt. Die Beklagte habe nämlich schon im Herbst 2000 von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt.
Im August 2012 wandte sich die Beklagte an die Sparkasse P. und forderte ebenfalls die Erstattung von 125.760,48 EUR. Das Geldinstitut überwies an die Beklagte (insgesamt) einen Betrag in Höhe von 2.488,32 EUR (1.696,13 EUR + 792,19 EUR). Unter Vorlage eines aktuellen Kontoauszugs teilte sie mit, dass das Konto der V derzeit kein weiteres Guthaben aufweise.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Eine gesetzliche Grundlage für die Zahlungseinstellung im Jahre 2000 habe es nicht gegeben. Deswegen habe die Beklagte die Zahlung wieder aufnehmen müssen. § 49 SGB VI stelle keine gesetzliche Grundlage zur Zahlungseinstellung zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Verschollenheit der V dar. Die Vorschrift gebe dem Rentenversicherungsträger die Möglichkeit, den Tod von Verschollenen für Zwecke der gesetzlichen Rentenversicherung selbst festzustellen. Sie gelte, wenn der Tod eines Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartners, eines früheren Ehegatten oder eines Elternteils Voraussetzung für einen ggfs. höheren Rentenanspruch sei und der Tod der Verschollenen nicht festgestellt worden sei, also weder eine Sterbeurkunde noch ein richterlicher Beschluss vorliege. Eine bloße Legitimation einer Zahlungseinstellung enthalte § 49 SGB VI gerade nicht. Erst durch die Nachricht im Jahr 2012 sei die Beklagte berechtigt gewesen, die Rentenzahlung aufgrund des festgestellten Todes einzustellen. Der Erstattungsanspruch verjähre in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Rentenversicherungsträger Kenntnis von der Überzahlung und von dem erstattungspflichtigen Empfänger/Verfügenden erlangt habe. Kenntnis sei nach alledem erst im Jahre 2012 eingetreten, so dass eine Verjährung nicht eingetreten. Der nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zu zahlende Betrag in Höhe von 125.760,48 EUR mindere sich durch die Rückzahlungen des Geldinstituts der V in Höhe von 2.488,32 EUR auf 123.272,16 EUR. Dieser Betrag sei nunmehr von ihm zu erstatten.
Der Kläger hat hiergegen am 22.04.2014 Klage erhoben.
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren. In der mündlichen Verhandlung trägt er überdies vor, dass sich aus § 118 Abs. 4a S. 2 SGB VI, der eine Hemmung der Verjährung vorsehe, ergebe, dass die Beklagte spätestens nach vier Jahren hätte tätig werden müssen, um die vierjährige Verjährungsfrist zu unterbrechen. Satz 2 habe eine Warnfunktion für die Beklagte.
Er beantragt,
den Bescheid vom 04.07.20121 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auch sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat der Beklagten die zuletzt geforderte Summe in Höhe von 123.272,16 EUR zu erstatten.
Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch stellt § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI dar, der Folgendes regelt: Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Träger der Rentenversicherung hat Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen (Satz 2 der Vorschrift).
Durch Beschluss des Amtsgerichts W. vom 12.12.2011 ist festgestellt worden, dass V als Rentenberechtigte am 28.02.2000 verstorben ist. Nach § 102 Abs. 5 SGB VI werden Renten bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind. Ein Rentenanspruch der V bestand somit nur bis zum 29.02.2000.
Der Kläger als einziger Verfügungsberechtigter über das Vermögen der V ist als Verfügender auch Adressat eines Erstattungsanspruchs.
Der Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI ist nachrangig zu dem Anspruch des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem Geldinstitut gemäß Absatz 3. Die Beklagte berücksichtigte den Vorrang des Anspruchs nach Absatz 3 gegenüber dem Anspruch nach Absatz 4 zwar erst nach Erlass des Ausgangsbescheides, korrigierte und reduzierte die Forderungssumme jedoch noch rechtzeitig im Widerspruchsbescheid.
Der Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ist auch nicht verjährt. Nach § 118 Abs. 4a Satz 1 SGB VI verjähren die Ansprüche nach den Absätzen 3 und 4 in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Träger der Rentenversicherung Kenntnis von der Überzahlung und in den Fällen des Absatzes 4 zusätzlich Kenntnis von dem Erstattungspflichtigen erlangt hat. Nach Satz 2 der Vorschrift gelten für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sinngemäß.
Die Überzahlung bestand bereits ab März 2000 und setzte sich fort bis zum 30.04.2012. Die Beklagte erlangte die nach Abs. 4a Satz 1 erforderliche Kenntnis von der Überzahlung frühestens am 30.03.2012 durch die Mitteilung des Klägers, dass der Tod von V nunmehr gerichtlich festgestellt sei. Das genaue Todesdatum (28.02.2000) erfuhr die Beklagte sogar erst am 04.04.2012 durch eine Mitteilung der D. (Blatt 57 Verwaltungsakte). Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kenntnis der Beklagten von der Vermisstenmeldung der V im September 2000 nicht gleichzustellen mit der Kenntnis von der Überzahlung. Die Beklagte erlangte im Jahr 2000 lediglich Kenntnis vom dem Sachverhalt, der später zu der gerichtlichen Feststellung des Todes führte. Kenntnis von der Überzahlung erlangte sie erst mit der Bekanntgabe der Todesfeststellung. Denn die Beklagte hatte der V die Rentenleistungen bis zu der gerichtlichen Todeserklärung weiterzuzahlen. Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus § 49 Satz 1 SGB VI. Nach dieser Vorschrift gelten verschollene Ehegatten, geschiedene Ehegatten oder Elternteile als verstorben, wenn die Umstände ihren Tod wahrscheinlich machen und seit einem Jahr Nachrichten über ihr Leben nicht eingegangen sind. Diese Vorschrift hat den Zweck, den Rentenversicherungsträger den Todestag selbst feststellen zu lassen, um einem anspruchsberechtigten Angehörigen eine Witwen-, Witwer- oder Waisenrente zu ermöglichen (BT-Drucksache 11/4124, S. 165). Das Begründen einer Rente wegen Todes nach § 49 SGB VI hat zwar zwingend zur Folge, dass als Umkehr die Zahlung der Versichertenrente des Verschollenen einzustellen ist. Diese beiden Wirkungen sind nicht voneinander zu trennen (BSG, Urteil vom 29.07.1976, 4 RJ 5/76 zur Vorgängervorschrift des RVO § 1271). Sie berechtigt aber nicht, den Tod nur festzustellen, um eine Versichertenrente einzustellen. Dies ergibt sich bereits aus der Überschrift der Vorschrift "Rente wegen Todes bei Verschollenheit" sowie der systematischen Einordnung unter den Dritten Titel des SGB VI (Renten wegen Todes). § 49 SGB VI stellt keine Schutzvorschrift des Verfügenden oder Empfängers dar, um ihn vor einer Jahre später auftretenden Erstattungsforderung zu bewahren. Dies wird auch dadurch deutlich, dass der in § 49 SGB VI genannte Personenkreis nicht deckungsgleich ist mit den in § 118 Abs. 4 SGB VI aufgeführten möglichen Adressaten eines Erstattungsanspruchs. Unbeachtlich ist außerdem, dass die Beklagte bereits im Jahre 2000 die Leistungen einstellte (und sie anschließend wieder aufnahm, somit die Einstellung aufhob). Denn diese vorläufige Einstellung der Rente war fehlerhaft.
Soweit sich der Kläger auf § 118 Abs. 4a Satz 2 SGB VI beruft, ist anzumerken, dass Satz 2 erst mit Beginn der Verjährungsfrist zu tragen kommt. Diese begann jedoch erst im Jahre 2012 zu laufen. Im Übrigen stellt Satz 2 eine Vorschrift dar, auf die sich der Rentenversicherungsträger zu seinem Gunsten berufen kann.
Aus diesen Gründen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte von ihm Erstattung einer Rentenzahlung an seine verstorbene Mutter über einen Zeitraum von zwölf Jahren verlangt.
Der Kläger ist Sohn der bei der Beklagten versicherten Else Martin (im Folgenden: V).
Die Beklagte gewährte V mit Bescheid vom 13.09.1999 eine Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige für die Zeit ab 01.12.1999. Die Rentenzahlung erfolgte monatlich auf ein Konto der V bei der Sparkasse P.
V wurde am 29.02.2000 in Paraguay vermisst gemeldet.
Im Juli 2000 bestellte das Notariat C. den Kläger zum Pfleger gemäß § 1911 BGB über die Besorgung von Vermögensangelegenheiten der V.
Im September 2000 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass V seit Februar vermisst gemeldet sei und bisherige Ermittlungen der Polizei keinen Hinweis auf ihr Verbleiben gegeben hätten.
Daraufhin stellte die Beklagte die Rentenzahlung an V zum Monat Oktober 2000 vorläufig ein und teilte dies dem Kläger mit.
Nachdem die Anwältin der V sich telefonisch bei der Beklagten meldete und um Angabe der gesetzlichen Grundlage für das Vorgehen bat, wies die Beklagte die Rentenzahlung wieder zum 01.12.2000 an und zahlte den vorläufig einbehaltenen Betrag aus. Mit Schreiben vom 20.10.2000 teilte sie dies dem Kläger mit und wies ihn darauf hin, dass sie die Rente der V von ihm zurückfordern könne, sobald deren Tod von Amts wegen festgestellt werde.
Durch Beschluss des Amtsgerichts W. vom 12.12.2011 wurde V für tot erklärt. Als Zeit-punkt des Todes stellte das Gericht den 28.02.2000 fest.
Der Kläger teilte dies der Beklagten im März 2012 mit.
Mit Schreiben vom 24.04.2012 setzte die Beklagte den Kläger davon in Kenntnis, dass sie beabsichtige, von ihm als Verfügenden den Betrag von 125.760,48 EUR nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zurückzufordern. V sei am 28.02.2000 verstorben. Ein Anspruch auf Rente bestehe bis zum Ablauf des Sterbemonats. Die Zahlung der Rente habe jedoch erst zum 30.04.2012 eingestellt werden können. Daher seien für die Zeit vom 01.03.2000 bis 30.04.2012 gezahlte Geldleistungen in Höhe von 125.760,48 EUR zu Unrecht erbracht worden. Die ihm von der Beklagten angebotene Gelegenheit zur Stellungnahme ergriff der Kläger nicht.
Zum 30.04.2012 stellte die Beklagte außerdem die Zahlung der Rente ein.
Mit Bescheid vom 04.07.2012 forderte die Beklagte von dem Kläger den Betrag von 125.760,48 EUR zurück.
Der Kläger erhob hiergegen am 27.07.2012 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, der Beklagten sei die Einstellung der Rente bereits im Jahre 2000 möglich gewesen. Schon damals habe die Beklagte Kenntnis davon gehabt, dass V als verschollen gemeldet gewesen sei. Die Einstellung der Rente hätte aufgrund der §§ 49, 102 Abs. 5 SGB VI i.V.m. § 48 SGB X erfolgen müssen. Im Übrigen seien etwaig bestehende Rückforderungsansprüche bereits verjährt. Die Beklagte habe nämlich schon im Herbst 2000 von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt.
Im August 2012 wandte sich die Beklagte an die Sparkasse P. und forderte ebenfalls die Erstattung von 125.760,48 EUR. Das Geldinstitut überwies an die Beklagte (insgesamt) einen Betrag in Höhe von 2.488,32 EUR (1.696,13 EUR + 792,19 EUR). Unter Vorlage eines aktuellen Kontoauszugs teilte sie mit, dass das Konto der V derzeit kein weiteres Guthaben aufweise.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Eine gesetzliche Grundlage für die Zahlungseinstellung im Jahre 2000 habe es nicht gegeben. Deswegen habe die Beklagte die Zahlung wieder aufnehmen müssen. § 49 SGB VI stelle keine gesetzliche Grundlage zur Zahlungseinstellung zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Verschollenheit der V dar. Die Vorschrift gebe dem Rentenversicherungsträger die Möglichkeit, den Tod von Verschollenen für Zwecke der gesetzlichen Rentenversicherung selbst festzustellen. Sie gelte, wenn der Tod eines Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartners, eines früheren Ehegatten oder eines Elternteils Voraussetzung für einen ggfs. höheren Rentenanspruch sei und der Tod der Verschollenen nicht festgestellt worden sei, also weder eine Sterbeurkunde noch ein richterlicher Beschluss vorliege. Eine bloße Legitimation einer Zahlungseinstellung enthalte § 49 SGB VI gerade nicht. Erst durch die Nachricht im Jahr 2012 sei die Beklagte berechtigt gewesen, die Rentenzahlung aufgrund des festgestellten Todes einzustellen. Der Erstattungsanspruch verjähre in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Rentenversicherungsträger Kenntnis von der Überzahlung und von dem erstattungspflichtigen Empfänger/Verfügenden erlangt habe. Kenntnis sei nach alledem erst im Jahre 2012 eingetreten, so dass eine Verjährung nicht eingetreten. Der nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zu zahlende Betrag in Höhe von 125.760,48 EUR mindere sich durch die Rückzahlungen des Geldinstituts der V in Höhe von 2.488,32 EUR auf 123.272,16 EUR. Dieser Betrag sei nunmehr von ihm zu erstatten.
Der Kläger hat hiergegen am 22.04.2014 Klage erhoben.
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren. In der mündlichen Verhandlung trägt er überdies vor, dass sich aus § 118 Abs. 4a S. 2 SGB VI, der eine Hemmung der Verjährung vorsehe, ergebe, dass die Beklagte spätestens nach vier Jahren hätte tätig werden müssen, um die vierjährige Verjährungsfrist zu unterbrechen. Satz 2 habe eine Warnfunktion für die Beklagte.
Er beantragt,
den Bescheid vom 04.07.20121 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auch sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat der Beklagten die zuletzt geforderte Summe in Höhe von 123.272,16 EUR zu erstatten.
Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch stellt § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI dar, der Folgendes regelt: Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Träger der Rentenversicherung hat Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen (Satz 2 der Vorschrift).
Durch Beschluss des Amtsgerichts W. vom 12.12.2011 ist festgestellt worden, dass V als Rentenberechtigte am 28.02.2000 verstorben ist. Nach § 102 Abs. 5 SGB VI werden Renten bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind. Ein Rentenanspruch der V bestand somit nur bis zum 29.02.2000.
Der Kläger als einziger Verfügungsberechtigter über das Vermögen der V ist als Verfügender auch Adressat eines Erstattungsanspruchs.
Der Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI ist nachrangig zu dem Anspruch des Rentenversicherungsträgers gegenüber dem Geldinstitut gemäß Absatz 3. Die Beklagte berücksichtigte den Vorrang des Anspruchs nach Absatz 3 gegenüber dem Anspruch nach Absatz 4 zwar erst nach Erlass des Ausgangsbescheides, korrigierte und reduzierte die Forderungssumme jedoch noch rechtzeitig im Widerspruchsbescheid.
Der Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ist auch nicht verjährt. Nach § 118 Abs. 4a Satz 1 SGB VI verjähren die Ansprüche nach den Absätzen 3 und 4 in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Träger der Rentenversicherung Kenntnis von der Überzahlung und in den Fällen des Absatzes 4 zusätzlich Kenntnis von dem Erstattungspflichtigen erlangt hat. Nach Satz 2 der Vorschrift gelten für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sinngemäß.
Die Überzahlung bestand bereits ab März 2000 und setzte sich fort bis zum 30.04.2012. Die Beklagte erlangte die nach Abs. 4a Satz 1 erforderliche Kenntnis von der Überzahlung frühestens am 30.03.2012 durch die Mitteilung des Klägers, dass der Tod von V nunmehr gerichtlich festgestellt sei. Das genaue Todesdatum (28.02.2000) erfuhr die Beklagte sogar erst am 04.04.2012 durch eine Mitteilung der D. (Blatt 57 Verwaltungsakte). Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kenntnis der Beklagten von der Vermisstenmeldung der V im September 2000 nicht gleichzustellen mit der Kenntnis von der Überzahlung. Die Beklagte erlangte im Jahr 2000 lediglich Kenntnis vom dem Sachverhalt, der später zu der gerichtlichen Feststellung des Todes führte. Kenntnis von der Überzahlung erlangte sie erst mit der Bekanntgabe der Todesfeststellung. Denn die Beklagte hatte der V die Rentenleistungen bis zu der gerichtlichen Todeserklärung weiterzuzahlen. Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus § 49 Satz 1 SGB VI. Nach dieser Vorschrift gelten verschollene Ehegatten, geschiedene Ehegatten oder Elternteile als verstorben, wenn die Umstände ihren Tod wahrscheinlich machen und seit einem Jahr Nachrichten über ihr Leben nicht eingegangen sind. Diese Vorschrift hat den Zweck, den Rentenversicherungsträger den Todestag selbst feststellen zu lassen, um einem anspruchsberechtigten Angehörigen eine Witwen-, Witwer- oder Waisenrente zu ermöglichen (BT-Drucksache 11/4124, S. 165). Das Begründen einer Rente wegen Todes nach § 49 SGB VI hat zwar zwingend zur Folge, dass als Umkehr die Zahlung der Versichertenrente des Verschollenen einzustellen ist. Diese beiden Wirkungen sind nicht voneinander zu trennen (BSG, Urteil vom 29.07.1976, 4 RJ 5/76 zur Vorgängervorschrift des RVO § 1271). Sie berechtigt aber nicht, den Tod nur festzustellen, um eine Versichertenrente einzustellen. Dies ergibt sich bereits aus der Überschrift der Vorschrift "Rente wegen Todes bei Verschollenheit" sowie der systematischen Einordnung unter den Dritten Titel des SGB VI (Renten wegen Todes). § 49 SGB VI stellt keine Schutzvorschrift des Verfügenden oder Empfängers dar, um ihn vor einer Jahre später auftretenden Erstattungsforderung zu bewahren. Dies wird auch dadurch deutlich, dass der in § 49 SGB VI genannte Personenkreis nicht deckungsgleich ist mit den in § 118 Abs. 4 SGB VI aufgeführten möglichen Adressaten eines Erstattungsanspruchs. Unbeachtlich ist außerdem, dass die Beklagte bereits im Jahre 2000 die Leistungen einstellte (und sie anschließend wieder aufnahm, somit die Einstellung aufhob). Denn diese vorläufige Einstellung der Rente war fehlerhaft.
Soweit sich der Kläger auf § 118 Abs. 4a Satz 2 SGB VI beruft, ist anzumerken, dass Satz 2 erst mit Beginn der Verjährungsfrist zu tragen kommt. Diese begann jedoch erst im Jahre 2012 zu laufen. Im Übrigen stellt Satz 2 eine Vorschrift dar, auf die sich der Rentenversicherungsträger zu seinem Gunsten berufen kann.
Aus diesen Gründen war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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