S 6 R 369/07

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 369/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen werden von den Rentenversicherungsträgern als Ermessensleistungen unter Beachtung der "Gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI für die Erbringung von onkologischen Nachsorgeleistungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen" (Ca.-Richtlinien) erbracht.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt weitere Leistungen zur onkologischen Rehabilitation.

Der am 1936 geborene Kläger stellte am 29.11.2005 einen Antrag auf eine Anschlussheilbehandlung.

Mit Bescheid vom 23.12.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine stationäre Anschlussheilbehandlung als Leistung zur onkologischen Rehabilitation in der Klinik B. in C-Stadt (Bl. 9 Verwaltungsakte – reproduzierter Teil).

Ausweislich des Reha-Entlassungsberichts der Klinik "D." vom 13.01.2006 befand sich der Kläger dort vom 08.12.2005 bis 05.01.2006 in stationärer Behandlung. Beim Kläger bestehe ein Zustand nach retropubischer radikaler Prostatovesikulektomie mit regionaler Lymphadenektomie am 25.11.2005. Als Diagnosen sind dem Entlassungsbericht zu entnehmen: 1. Bösartige Neubildung der Prostata. 2. Zustand nach rad. Prostatektomie. 3. Postoperative Stressinkontinenz. 4. Allg. Erschöpfung nach Tu-Op. Als Rehabilitationsziele werden in dem Bericht genannt: - Besserung der Kontinenz. - Allgemeine Roborierung und Stabilisierung. - Erhebung des aktuellen urologischen Status. - Gegebenenfalls Besserung pathologischer Parameter. Zum Rehabilitationsverlauf wird ausgeführt, dass im Vordergrund der durchgeführten Therapie bei einem Vorliegen von Inkontinenz ein regelmäßiges Kontinenztraining mittels krankengymnastischer Übungen mit begleitender Interferenzstromtherapie stand. Des Weiteren wurden Massagen, heiße Rollen sowie ergotherapeutische Maßnahmen und progressive Muskelentspannungsübungen nach Jacobsen durchgeführt. Wegen der vorliegenden Harzinkontinenz sowie einer zunächst nur langsam einsetzenden diesbezüglichen Stabilisierung wurde die Rehamaßnahme sodann um 7 Tage verlängert. Zum Rehabilitationsergebnis wird ausgeführt, dass die durchgeführten Maßnahmen vom Kläger gut vertragen wurden und insbesondere in der zweiten Hälfte der Maßnahme zu einer zunehmenden Stabilisierung und Besserung beigetragen hatten. Die vorliegende Harninkontinenz habe weiter gebessert werden können, wobei der unfreiwillige Urinverlust beim durchgeführten 24-Stundentest von anfänglich 325 ml auf 25 ml bei weitgehender nächtlicher Kontinenz rückläufig gewesen sei. Unter Fortführung des erlernten Kontinenztrainings sei mit einer weiteren Besserung und kurzfristig vollständigen Kontinenz zu rechnen. Der aktuelle urologische Status sei bei unauffälligem PSA ohne Hinweis auf einen Tumorprogress oder ein –rezidiv gewesen, wobei bei dem vorliegenden Tumorstadium erfreulicherweise von einem kurativen Verlauf auszugehen sei (Bl. 2/5 Entlassungsbericht).

Am 14.07.2006 stellte der Kläger einen neuen Antrag auf onkologische Rehabilitationsleistungen (Bl. 1 Verwaltungsakte). Wenn er eine Bitte hinsichtlich der Reha-Klinik äußern dürfte, so bitte er um eine Entsendung in die E.-Klinik in C-Stadt. Kollegen, die ähnlich schwierige Probleme mit der Inkontinenz gehabt hätten, hätten dort von sehr guten Behandlungserfolgen berichtet (Bl. 7 Verwaltungsakte).

Einem eingeholten Befundbericht des behandelnden Facharztes für Innere Medizin Dr. F. vom 24.08.2006 ist zu entnehmen, dass der Kläger wegen der Karzinomerkrankung am 22.11.2005 operiert wurde. Der Kläger leide derzeit noch unter einer Inkontinenz, körperlichen Ermüdbarkeit und Erschöpfung sowie einer Krankheitsverarbeitungsproblematik. Zu den Anregungen zu speziellen Maßnahmen gab der behandelnde Arzt Krankengymnastik sowie ein Kontinenztraining an (Reha-Akte ohne Blattzahl).

Mit Bescheid vom 05.09.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Leistungen zur onkologischen Rehabilitation würden grundsätzlich bis zum Ablauf eines Jahres nach beendeter Primärbehandlung erbracht, wenn eine medizinische Notwendigkeit hierzu bestehe. Eine weitere Leistung zur onkologischen Rehabilitation könne erbracht werden, wenn erheblichen Funktionsstörungen entweder durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen beziehungsweise Therapiefolgen bestehen. Nach den vorliegenden Unterlagen und unter Berücksichtigung des Entlassungsberichtes der erst kürzlich durchgeführten Leistungen zur onkologischen Rehabilitation würden sich keine medizinischen Gründe für eine weitere Leistung innerhalb der Jahresfrist ergeben. Ein Anspruch auf eine bestimmte Anzahl von Leistungen zur onkologischen Rehabilitation bestünde nicht. Der Kläger sei auch nicht rehabilitationsbedürftig nach den Leistungsgesetzen eines anderen Rehabilitationsträgers (Bl. 9 Verwaltungsakte).

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 21.09.2006 Widerspruch ein. Die Inkontinenz habe sich nach der Anschlussheilbehandlung wieder verstärkt. Trotz ständiger ambulanter Behandlung sei bisher keine Besserung eingetreten. Er bitte um die Angabe der gesetzlichen Grundlagen, nach denen entschieden wurde (Bl. 10 Verwaltungsakte).

In einer Bescheinigung vom 01.11.2006 weist der Facharzt für Innere Medizin Dr. F. darauf hin, dass der Kläger weiterhin unter einer Inkontinenz und Impotenz leide. Dies belaste den Kläger psychisch. Eine Rehabilitationsmaßnahme sei aus ärztlicher Sicht erforderlich (Bl. 43 Gerichtsakte).

Mit Bescheid vom 15.11.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine stationäre Leistung zur onkologischen Rehabilitation für die Dauer von voraussichtlich drei Wochen in der G. Klinik in H-Stadt (Bl. 18 Verwaltungsakte).

Ausweislich des ärztlichen Entlassungsberichts der G. Klinik in H-Stadt vom 01.02.2007 nahm der Kläger dort vom 09.01.2007 bis 30.01.2007 in der Abteilung für Hämatologie und Internistische Medizin an einer stationären Behandlung teil. An jetzigen Beschwerden und funktionellen Einschränkungen gab der Kläger eine Harninkontinenz an. Er brauche 1-2 Vorlagen pro Tag. Nachts sei er auf keine Vorlage angewiesen. Er habe Durchschlafstörungen und Verspannungen im Nacken-/Schulterbereich. Zum Aufnahmebefund wird im Hinblick auf die Tumorerkrankung ausgeführt, dass sich reizlose Narbenverhältnisse zeigten. Das Nierenlager sei beiderseits frei. Es bestehe eine leere Prostataloge. An Rehabilitationsdiagnosen sind dem Bericht eine Inkontinenz sowie muskuläre Verspannungen insbesondere im Nacken- und Schulterbereich sowie LWS-Beschwerden zu entnehmen. Zum Rehabilitationsverlauf wird in dem Bericht ausgeführt, dass mit dem Kläger Beckenbodengymnastik, Vibrationstherapie, Ergometertraining, Sportgerätetraining, Terraintraining, Wassertreten, Magnetfeldtherapie, Indifferenzstrombehandlungen, Massagen und Musiktherapie durchgeführt wurden. Alle Anwendungen seien gut vertragen und vom Kläger motiviert und kooperativ wahrgenommen worden. Hinsichtlich der erhobenen Laborwerte, der Blutdruckwerte und des Gewichtsverlaufs zeigten sich keine Auffälligkeiten. Der Rehabilitationsverlauf gestaltete sich insgesamt problemlos. Zum Rehabilitationsergebnis wird ausgeführt, dass das bereits praktizierte Beckenbodentraining aufgefrischt und durch neue Übungen ergänzt wurde. Leider sei das vorrangige Rehabilitationsziel, nämlich eine deutliche Besserung der Inkontinenzproblematik, nicht erreicht worden. Insofern sei der Kläger mit dem Rehabilitationsergebnis unzufrieden. Zur sozialmedizinischen Epikrise wird ausgeführt, dass der Kläger körperlicherseits stabilisiert werden konnte. Regelmäßige Tumornachsorgeuntersuchungen seien erforderlich und würden am Heimatort durch den behandelnden Urologen durchgeführt. Der Kläger sei in einem wenig veränderten, jedoch insgesamt stabilen Allgemeinbefinden in die weitere haus- und fachärztliche Betreuung entlassen worden.

Mit Schriftsatz vom 31.01.2007 wandte sich der Kläger an die Beklagte. Diese habe ihn leider in die falsche Einrichtung geschickt. Die G. Klinik verfüge nicht über die erforderliche Kompetenz zur Behandlung seiner Inkontinenz und Impotenz. Dort sei kein Facharzt für Urologie vorhanden gewesen. Er beantrage daher aufgrund der falsch ausgewählten Rehabilitationseinrichtung eine Rehabilitation in einer Fachklinik für Urologie (Bl. 21 Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 21.02.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab und teilte dem Kläger mit, dass gemäß der Rücksprache mit dem sozialmedizinischen Dienst die medizinische Leistung zur Rehabilitation in einer indikationsgerechten Klinik über die volle Dauer erfolgreich durchgeführt worden sei. Der Kläger habe bereits in der Zeit vom 08.12.2005 bis 05.01.2006 medizinische Leistungen zur Rehabilitation erhalten. Wiederholungen von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation seien in § 12 Abs. 2 SGB VI sowie in den gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI (für Leistungen zur onkologischen Rehabilitation) i.V.m. den Ca.-Richtlinien geregelt (Bl. 25 Verwaltungsakte).

Am 28.02.2007 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 21.02.2007 Widerspruch ein. Die Beklagte habe ihn nicht in die indizierte Fachklinik für Urologie übersandt. Seine Inkontinenzbeschwerden seien noch nicht behoben (Bl. 26 Verwaltungsakte).

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.02.2007 als unbegründet zurück. Dem Antrag auf eine Ersatz-Rehabilitation könne nicht entsprochen werden. Die Deutsche Rentenversicherung bestimme im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen zur Rehabilitation sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßen Ermessen (§ 13 Abs. 1 SGB VI). Leistungen zur onkologischen Rehabilitation würden grundsätzlich bis zum Ablauf eines Jahres nach beendeter Primärbehandlung erbracht, wenn eine medizinische Notwendigkeit hierzu bestehe. Eine weitere Leistung zur onkologischen Rehabilitation könne erbracht werden, wenn erhebliche Funktionsstörungen entweder durch die Tumorerkrankungen selbst oder durch Komplikationen beziehungsweise Therapiefolgen vorliegen. Nach den medizinischen Unterlagen ergäben sich keine medizinischen Gründe für weitere Leistungen. Ein Anspruch auf eine bestimmte Anzahl von Leistungen zur onkologischen Rehabilitation bestehe nicht. Der Kläger sei mit verbesserter körperlicher Leistungsfähigkeit und stabilem Allgemeinbefinden entlassen worden.

Am 18.06.2007 hat der Kläger gegen den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben. Er sei in eine ungeeignete Einrichtung zur Behandlung seiner Inkontinenz infolge der Prostatatotaloperation nach Entfernung eines Prostatakarzinoms entsandt worden. Die von der Beklagten benannte G. Klinik habe weder eine urologische Abteilung noch praktiziere dort ein externer Urologe. Die Entsendung sei erfolgt, obwohl sein behandelnder Arzt auf seine Folgeerkrankungen hingewiesen habe und er darum gebeten habe, ihn in die E. Klinik in C-Stadt zu entsenden. Sein Klageziel sei es, die Beklagte zur Gewährung eines Reha-Aufenthaltes in einer urologische Fachklinik verurteilen zu lassen (Bl. 2 Verwaltungsakte).

Die Beklagte holte bei den behandelnden Ärzten der Klinik H-Stadt eine ärztliche Stellungnahme ein. Dem Briefkopf der G.-Klinik in der Stellungnahme vom 27.07.2007 ist zu entnehmen, dass es sich bei der Klinik um eine Fachklinik für Onkologie, Hämatologie und Immunologie und eine onkologische Rehabilitationsklinik handelt. Die Oberärztin Dr. I. schildert in der Stellungnahme, dass entsprechend dem Beschwerdebild nach Auswertung des PAD-Tests und der Uroflow-Untersuchung gezielt Beckenbodengymnastik, unterstützt durch das Bio-feed-back-Verfahren mit dem Myo-Staeb-Gerät verordnet worden sei und der Kläger auch in die entsprechende Technik eingewiesen worden sei, wobei der Kläger dieses Gerät nach einigen Tagen nicht mehr habe benutzen wollen, da es ihm nicht hilfreich erschienen sei. Weiterhin sei eine Vibrationstherapie verordnet worden. Der Kläger sei an einem entsprechenden Gerät angelernt worden. Dies sei durch eine speziell hierfür ausgebildete Physiotherapeutin geschehen. Zusätzlich erfolgten Beratungen durch den Internisten Herrn J. und im Rahmen der Oberarztvisite. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines zusätzlichen Urologen habe während des gesamten Aufenthalts nicht bestanden, da die für die Beschwerden des Klägers notwendigen therapeutischen Maßnahmen alle indikationsgerecht verordnet und angeboten wurden und ein akutes medizinisches Problem, das eine fachurologische Intervention notwendig gemacht hätte, nicht bestanden habe. Der Kläger sei in die weitere haus- und fachärztliche Behandlung entlassen worden. Bei der Entlassung habe er angegeben, dass sich seine körperliche Leistungsfähigkeit weiter verbessert habe. Er habe die Behandlungen insgesamt als sehr wohltuend empfunden. Der PAD-Test zeigte eine leichte Verminderung des spontanen Urinabgangs und der Kläger sei angehalten worden, die Beckenbodenübungen zu Hause fortzusetzen (Bl. 20 f. Gerichtsakte).

Der Kläger ist der Auffassung, dass er einen Anspruch auf eine Einweisung in eine andere Reha-Klinik habe.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 21.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.05.2007 aufzuheben die Beklagte zu verurteilen, eine Rehabilitationsmaßnahme in einer urologischen Fachklinik zu genehmigen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Wegen der weiten Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine erneute Rehabilitationsmaßnahme in einer urologischen Fachklinik. Die Anspruchsvoraussetzungen hierfür sind nicht erfüllt.

Nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI können die Rentenversicherungsträger als sonstige Leistungen zur Teilhabe Nach- und Festigungskuren wegen Geschwulsterkrankungen für Versicherte, Bezieher einer Rente sowie ihrer Angehörigen erbringen.

Es handelt sich hinsichtlich des "Ob" und des "Wie" der Erbringung von Reha-Leistungen um eine Ermessensvorschrift (Haack in: jurisPK-SGB VI, 1. A. 2008, § 31 Rn. 8). Bei Ermessensentscheidungen ist der Verwaltung ein Handlungsspielraum eingeräumt (Keller in: Meyer-Ladewig u.a. (Hrsg.), SGG, 9. A. 2008, § 54 Rn. 25). Das Gericht darf hierbei dementsprechend nicht sein Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Es findet mithin nur eine gerichtliche Rechtskontrolle, nicht aber eine Zweckmäßigkeitskontrolle statt. Das Gericht prüft mithin entsprechend § 54 Abs. 2 S.2 SGG nur, ob die jeweilige Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. dazu: Hessisches Landessozialgericht (LSG), Urteil v. 02.10.2009, L 5 R 315/08, juris, Rn. 32; Keller in: Meyer-Ladewig u.a. (Hrsg.), ebd., § 54 Rn. 27, 28).

Die Leistungen zur onkologischen Rehabilitation werden nach § 31 Abs. 2 S.2 SGB VI nur auf Grund von Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund erbracht, die im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen werden.

Zu Frage der Erbringung onkologischer Nachsorgeleistungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen wurden die "Gemeinsamen Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 31 Abs. 1 S.1 Nr. 3 SGB VI für die Erbringung onkologischer Nachsorgeleistungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen (Ca.-Richtlinien) vom 04. Juli 1991" erlassen, die inzwischen in der Fassung vom 09.05.2001 vorliegen.

Es handelt sich bei den nach § 31 Abs. 2 S.2 SGB VI erlassenen Richtlinien um Verwaltungsvorschriften (Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 65. Ergänzungslieferung 2010, § 31 Rn. 15). Die Beklagte hat bei der Ermessensausübung im Rahmen des § 31 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB VI das ihr gesetzlich eingeräumte Ermessen unter Anwendung der benannten Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie des § 13 SGB VI auszuüben (vgl. auch: Hirsch in: Reinhardt (Hrsg.), SGB VI, 2. A. 2010, § 31 Rn. 4).

Nach § 1 Abs. 1 der Ca.-Richtlinie können die Träger der Rentenversicherung als sonstige Leistungen zur Rehabilitation nach § 31 Abs. 1 S.1 Nr. 3 SGB VI onkologische Nachsorgeleitungen bei malignen Geschwulst- und Systemerkrankungen erbringen.

Gem. § 1 Abs. 2 der Richtlinie werden Leistungen nach Absatz 1 bis zum Ablauf eines Jahres nach einer beendeten Primärbehandlung gewährt. Darüber hinaus können spätestens bis zum Ablauf von zwei Jahren nach beendeter Primärbehandlung Maßnahmen im Einzelfall erbracht werden, wenn erhebliche Funktionsstörungen entweder durch die Tumorerkrankung selbst oder durch Komplikationen bzw. Therapiefolgen vorliegen.

Nach § 5 Abs. 1 Ca.-Richtlinie umfassen onkologische Nachsorgeleistungen gezielte diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die geeignet sind, zur Stabilisierung oder Besserung des Gesundheitszustands beizutragen und insbesondere Funktionsstörungen zu beseitigen oder auszugleichen. Sie können auch als Anschlussheilbehandlung gewährt werden.

Hierbei bestimmen nach § 6 der Ca.-Richtlinie die Rentenversicherungsträger Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung.

Zur Konkretisierung von § 6 Ca.-Richtlinie ist hierbei § 13 SGB VI heranzuziehen: Gemäß § 13 Abs. 1 SGB VI bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßen Ermessen. Die Vorschrift verlangt von den Rentenversicherungsträgern, dass sie mit den ihnen anvertrauten Mitteln wirtschaftlich und sparsam umgehen. Es ist stets zu prüfen, ob nicht auch andere wirtschaftlichere und sparsamere Maßnahmen den Erfolg herbeiführen können (Hessisches Landessozialgericht, Urteil v. 02.10.2009, L 5 R 315/08, juris, Rn. 32).

1. Zunächst geht die Kammer davon aus, dass die Beklagte berechtigt war, die G.-Klinik als Rehabilitationseinrichtung zu bestimmen.

Der Kläger ist vorliegend an einem Prostatakarzinom erkrankt und behandelt worden. Er leidet weiterhin an den Folgen der Erkrankung. Allerdings war die Operation wegen der Karzinomerkrankung bereits im November 2005. Nach § 1 Abs. 2 der Ca.-Richtlinie werden grundsätzlich entsprechende Reha-Leistungen nur ein Jahr nach Abschluss der Primärbehandlung gewährt. Dies ist anders nur im Ausnahmefall, wenn noch "erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen" vorliegen. Die Beklagte hat im Januar 2007 angenommen, dass noch erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen in diesem Sinne vorliegen und hat dem Kläger einen zweiten Aufenthalt in der Reha-Klinik in H-Stadt gewährt.

Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zuweisung des Klägers in die Reha-Klinik in H-Stadt ermessensfehlerhaft war und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Da die Beklagte nach § 6 der Ca.-Richtlinie Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung zu bestimmen hat, steht ihr ein gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüfbarer Spielraum bei der Auswahl der Reha-Einrichtung zu. Dieser Spielraum wäre nur dann überschritten, wenn die von der Beklagten ausgewählte Klinik offensichtlich ungeeignet gewesen wäre. Hierfür hat die Kammer jedoch keine Anhaltspunkte. Zunächst handelt es sich bei der G. Klinik in H-Stadt um eine Fachklinik für Onkologie und eine "Onkologische Rehabilitationsklinik" (Bl. 20 Gerichtsakte). Diese Fachklinik ist also darauf spezialisiert, pathologische Zustände bzw. Beschwerden nach Tumorerkrankungen nachzubehandeln. Auch handelt es sich bei der Prostatatumorerkrankung des Klägers um eine häufig vorkommende bösartige Krebserkrankung. Sie ist bei Männern der am häufigsten auftretende maligne Tumor (Pschyremebel – Klinisches Wörterbuch, 261. A. 2007, S.1562). Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass die G. Klinik häufig Patienten behandelt, die wegen Prostatakarzinomerkrankungen nachbehandelt werden müssen. Dass die Klinik über keinen fest angestellten Urologen verfügt und dass sich während des Aufenthalts des Klägers kein Urologe um diesen gekümmert hat, spricht nicht gegen die grundsätzliche Eignung der Klinik und für eine fehlerhafte Auswahl der Rehabilitationseinrichtung durch die Beklagte. Die behandelnde Oberärztin der Klinik Dr. I. hat in ihrer Stellungnahme vom 27.07.2007 für die Kammer nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass im Falle des Klägers die Hinzuziehung eines Urologen nicht erforderlich gewesen sei, da beim Kläger keine Komplikationen auftraten. Die Kammer hat keinen Grund, die Richtigkeit dieser Einschätzung zu bezweifeln, da auch der behandelnde Facharzt für Innere Medizin Dr. F. in seinem Befundbericht vom 24.08.2006 davon ausgeht, dass beim Kläger Krankengymnastik und Kontinenztraining zu einer Besserung des Gesundheitszustandes führen können und entsprechend stattfinden sollten. Exakt solche Maßnahmen wurden mit dem Kläger durchgeführt, weshalb die Kammer davon ausgeht, dass die von der Beklagten ausgewählte Klinik leidensgerecht war. Die Auswahl der Klinik war nicht ermessensfehlerhaft.

Der Kläger hatte nach § 6 Ca.-Richtlinie auch keinen Anspruch darauf, in die vom ihm favorisierte Einrichtung übersandt zu werden.

2. Die Kammer ist des Weiteren davon überzeugt, dass der Kläger keinen Anspruch auf einen dritten Reha-Aufenthalt in einer urologischen Fachklinik hat.

Zunächst ist es aus Sicht der Kammer schon zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 S.2 der Ca.-Richtlinie vorliegen. Zwar war der Zweijahreszeitraum des § 1 Abs. 2 der Ca.-Richtlinie zum Zeitpunkt der erneuten Antragstellung am 31.01.2007 noch nicht abgelaufen (Operation 11/2005). Allerdings beschreibt die Oberärztin Dr. I. in der ärztlichen Stellungnahme vom 27.07.2007, dass der PAD-Test eine lediglich leichte Verminderung des spontanen Urinabgangs gezeigt habe. Das Leistungsvermögen des Klägers habe insgesamt verbessert werden können (Bl. 20 Gerichtsakte). Damit übereinstimmend wird in dem 2. Reha-Entlassungsbericht ein stabiles Allgemeinbefinden des Klägers beschrieben, so dass es zweifelhaft erscheinen könnte, ob beim Kläger "erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen" im Sinne des § 1 Abs. 2 S.2 Ca.-Richtlinie vorliegen. Diese Frage konnte allerdings dahinstehen.

Entscheidend ist nämlich aus Sicht der Kammer, dass der Beklagten durch § 6 Ca.-Richtlinie das Recht zur Bestimmung der Art, Dauer und des Umfangs von Rehabilitationsmaßnahmen eingeräumt ist. Weiterhin sind von der Beklagten die Grundsätze des § 13 SGB VI und hierbei u.a. der Sparsamkeitsgrundsatz zu beachten.

Die Kammer ist vorliegend davon überzeugt, dass die Durchführung eines dritten stationären Aufenthaltes des Klägers in einer Rehabilitationseinrichtung medizinisch nicht zwingend intendiert war. Der behandelnde Arzt Dr. F. hat in seinem Befundbericht vom 24.08.2006 darauf hingewiesen, dass beim Kläger insbesondere Krankengymnastik und Kontinenztraining geboten seien. Damit übereinstimmend empfahlen die behandelnden Ärzte der Klinik H-Stadt in dem Reha-Entlassungsbericht zur Linderung der noch vorhandenen Beschwerden die Fortführung des Beckenbodentrainings. Es liegen auch sonst keine medizinischen Anhaltspunkte dafür vor, dass ein erneuter stationärer Reha-Aufenthalt geboten gewesen wäre oder dass die empfohlenen Gymnastikübungen zwingend im Rahmen eines stationären Aufenthalts durchgeführt werden müssten. Stationäre Aufenthalte sind wesentlich kostenintensiver als ambulante Krankengymnastik. Die Kammer hält es daher für nachvollziehbar und nicht für ermessensfehlerhaft, dass die Beklage – dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entsprechend – den Antrag auf einen dritten stationären Reha-Aufenthalt abgelehnt hat.

Der Bescheid vom 21.02.2007 und der Widerspruchsbescheid vom 11.05.2007 waren rechtmäßig. Die Klage hatte daher keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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