S 3 AL 270/10

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 AL 270/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 179/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 6 Abs. 5 TV-Schutz beinhaltet keinen zeitlich unbegrenzten Ausschluss der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber, sondern einen zeitlich begrenzten Ausschluss, der zur Anwendung von § 143a Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB III führt.
Der Bescheid vom 1. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2010 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die zur Zweck entsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Ruhen des Arbeitslosengeldes im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 30.3.2011.

Die 1958 geborene Klägerin stand bei BX. Service-Center B-Stadt GmbH vom 5.8.1997 bis 30.9.2010 in einem Beschäftigungsverhältnis. Dieses wurde durch Aufhebungsvertrag vom 30.3.2010 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 53.380,00 EUR beendet. Die Klägerin meldete sich am 24.8.2010 zum 1.10.2010 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Durch Bescheid vom 1.10.2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 23.12.2010 fest und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei der Firma BX. durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Unerheblich sei, ob die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages von hier oder dem ehemaligen Arbeitgeber ausgegangen sei. Entscheidend sei, dass der Aufhebungsvertrag ohne die Zustimmung der Klägerin nicht zu Stande gekommen wäre. Sie habe voraussehen müssen, dass sie dadurch arbeitslos wäre. Ein wichtiger Grund für das Verhalten sei nicht mitgeteilt worden.

Hiergegen richtete sich der am 21.10.2010 erhobene Widerspruch.

Durch weiteren Bescheid vom 1.10.2010 stellte die Beklagte den Eintritt des Ruhens des Arbeitslosengeldbezuges im Zeitraum vom 1.10.2010 bis 30.3.2011 fest und führte zur Begründung aus, die Klägerin habe eine Abfindung in Höhe von 53.380,00 EUR erhalten. Der Anspruch ruhe, da der Arbeitgeber ihr nur bei Zahlung einer Abfindung hätte ordentlich kündigen können. Hiermit werde sie so behandelt, als hätte sie eine Kündigungsfrist von 12 Monaten. Diese Frist sei nicht eingehalten worden, so dass Leistungen erst nach dem Ruhenszeitraum erhalten werden könnten.

Hiergegen richtete sich der am 21.10.2010 erhobene Widerspruch. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag habe eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres gegolten. Diese Kündigungsfrist sei bei Abschluss des Aufhebungsvertrages eingehalten worden, so dass ein Ruhen des Arbeitslosengeldes nicht in Betracht komme. Darüber hinaus gelte der Status der Unkündbarkeit nur für Mitarbeiter, die am 31. Dezember 2004 bei der BX. AG vor dem Betriebsübergang in die BX. Service-Center B-Stadt GmbH eine Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren erreicht hätten. Dies treffe auf die Klägerin nicht zu.

Durch Widerspruchsbescheid vom 5.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich der Sperrzeit mit der Begründung zurück, die Klägerin habe das Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages aufgelöst, ohne eine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt zu haben. Somit sei die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden. Ein wichtiger Grund liege ebenso nicht vor. Zutreffend sei, dass die Schließung des Servicecenters der BX. in B-Stadt zum 30. September 2010 beschlossen wurde. Eine arbeitgeberseitige Kündigung zu diesem Zeitpunkt sei nicht erfolgt bzw. hätte auch unter Beachtung der einfachen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Vierteljahresschluss nicht zum 30. September 2010 erfolgen können. Bevor eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen worden wäre, hätte der BX Konzern im so genannten Clearingverfahren für die Mitarbeiter eine andere (zumutbare) Beschäftigung im Konzernverbund gesucht. Alternativ sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2010 durch Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag unter Zahlung einer Abfindung mit der so genannten "Turboprämie" angeboten worden. Die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages sei bis 30. März seit 1010 angeboten worden. In das anschließende Clearingverfahren seien nur Mitarbeiter aufgenommen worden, welche sich nicht bis zum 30. März 2010 zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages entschlossen hätten. Das Clearingverfahren hätte im Laufe des April 2010 erfolgen sollen. Hätte im Clearingverfahren ein zumutbarer Arbeitsplatz durch den BX-Konzern nicht angeboten werden können, wäre dann eine arbeitgeberseitige Kündigung erfolgt. Folglich hätte der Arbeitgeber keine betriebsbedingten Kündigungen zum 30. September 2010 ausgesprochen bzw. aussprechen können. Solche wären frühestens zum 31. Dezember 2010 möglich gewesen. Durch die Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag habe die Klägerin den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu einem Zeitpunkt selbst verursacht, zu dem dieser bei Abwarten der arbeitgeberseitigen Kündigung nicht eingetreten wäre. Es seien auch keine Gründe erkennbar, welche das Abwarten einer Kündigung durch den Arbeitgeber unzumutbar gemacht hätten. Allein der Vorteil, zu der nach dem Sozialplan zustehenden Abfindung eine zusätzliche Prämie zu erhalten, lasse in der Zustimmung zu dem Aufhebungsvertrag einen wichtigen Grund nicht erkennen.

Durch Widerspruchsbescheid vom 16.11.2010 wies die Beklagte den Widerspruch bezüglich des Ruhens zurück und führte zur Begründung aus, der Arbeitgeber wende den Tarifvertrag zum Schutz von Mitarbeitern im Konzern der Deutschen BX. (TV Schutz) an. Nach § 6 Abs. 5 des Tarifvertrages seien Arbeitnehmer mit mindestens 15 Jahren Beschäftigungszeit unkündbar. Eine Öffnungsklausel bestehen nicht. Arbeitnehmer, welche noch nicht mindestens 15 Jahre beschäftigt waren, seien nach §§ 6 Abs. 1 und 2 des Tarifvertrages besonders kündigungsgeschützt. Für diese Arbeitnehmer bestehe eine tarifliche Öffnungsklausel die den Arbeitgeber berechtige zu kündigen, wenn er keinen zumutbaren Arbeitsplatz innerhalb des Konzerns anbieten könne oder wenn der Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung pauschal ablehne. Wäre das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers mit weniger als 15 Jahren Betriebszugehörigkeit aufgrund eines in der tariflichen Öffnungsklausel benannten Sachverhalts beendet, betrage die fiktive Kündigungsfrist ein Jahr, wenn der Arbeitnehmer eine Abfindung erhalten. Die Klägerin sei noch keine 15 Jahre bei dem BX. Konzern beschäftigt gewesen. Sie habe auf das so genannte Clearingverfahren verzichtet und dadurch Anspruch auf eine zusätzliche Prämie erhalten. Folglich gelte die Kündigungsfrist von 12 Monaten, weil die Klägerin durch die Zustimmung zum Aufhebungsvertrag auf den besonderen Kündigungsschutz verzichtet und eine Abfindung erhalten habe.

Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid bezüglich des Ruhens wegen Zahlung einer Entlassungsentschädigung richtet sich die am 9.12.2010 zum Aktenzeichen S 3 AL 270/10 erhobene Klage zu dessen Begründung die Klägerin ausführt, sie sei nicht unkündbar, so dass § 6 Abs. 5 TV-Schutz auf sie keine Anwendung finden würde. Darüber hinaus habe der Manteltarifvertrag vom 18. November 2004 für die Service-Center B-Stadt GmbH als speziellerer Tarifvertrag den TV-Schutz der BX. AG abgelöst. Dieser regele die Kündigungsfristen abschließend in § 25. Hiernach gelte für sie eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres. Diese Frist sei bei Abschluss des Aufhebungsvertrages eingehalten worden, so dass ein Ruhen nicht in Betracht komme.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 16. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchverfahren.

Im Verfahren zum Aktenzeichen S 3 AL 301/10 hat das Gericht im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen folgende Fragen das BX. Service-Center B-Stadt GmbH mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 gestellt, die von dort unter dem 11. Januar 2011 wie folgt beantwortet worden:
1. Wie viele Mitarbeiter waren bei ihnen beschäftigt? Antwort: Im Januar 2010 waren 176 Mitarbeiter bei der BX. Service-Center B-Stadt GmbH beschäftigt.
2. Wie viele hiervon haben auf Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 15. Februar 2010 einen Aufhebungsvertrag geschlossen? Antwort: Auf Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 15. Februar 2010 haben 131 beschäftigte einen Aufhebungsvertrag geschlossen.
3. Wie viele Mitarbeiter sind in das Clearingverfahren gegangen? Antwort: 25 Beschäftigte haben sich für das Clearingverfahren entschieden.
4. Welche konkreten Arbeitsplätze an welchen Standorten mit welchen Aufgaben hätten für diese Mitarbeiter konkret zur Verfügung gestanden? Antwort: Die Frage welche Arbeitsplätze an welchen Standorten mit welchen Aufgaben zur Verfügung gestanden hätten, kann in dieser Form nicht beantwortet werden, da dies nicht Gegenstand des Verfahrens war. Im Rahmen der Vereinbarungen zum Interessenausgleich und Sozialplan wurde zusätzlich die "Betriebsvereinbarung zum freiwilligen Ausscheiden" geschlossen, um den Mitarbeitern eine Alternative zum Clearingverfahren zu bieten. Die Mitarbeiter hätten innerhalb der Frist die Möglichkeit gehabt, sich entweder für den Aufhebungsvertrag gem. der Betriebsvereinbarung oder für die Aufnahme in das Clearingverfahren zu entscheiden. Ob konkret Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns zur Verfügung gestanden hätten sei nicht geprüft worden. Die Suche nach konkreten alternativen Arbeitsplätzen habe für die Mitarbeiter, die sich gegen einen Aufhebungsvertrag und für das Clearingverfahren entschieden haben, im April 2010 begonnen. Als Vorbereitung für den Vermittlungsprozess sei für diesen Mitarbeiter Kreis eine mit dem Betriebspartner abgestimmte, anonymisierte Qualifikationsliste erstellt worden. Im Anschluss hieran sei die Vermittlungstätigkeit aufgenommen worden.

Auf weitere Anfrage teilte das BX. Service-Center B-Stadt unter dem 10. Februar 2011 mit, dass es neue/alternative Beschäftigungsmöglichkeiten im Umkreis von 100 km nicht gäbe. Die regional nächstmöglichen Standorte bei denen abstrakt ein Einsatz infrage käme, befänden sich in C-Stadt bzw. D-Stadt. Mit Schreiben vom 29. März 2011 forderte das Gericht von der BX. Service-Center B-Stadt GmbH Übersendung des Manteltarifvertrages Boden. Auf das beantwortende Schreiben vom 5. Mai 2011 wird Bezug genommen.

Der vorgenannte Schriftwechsel im Verfahren S 3 AL 301/10 wurde zum Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte; weiterhin wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid vom 1. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2010 ist rechtswidrig. Die Klägerin wird hierdurch in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat zu Unrecht das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs aufgrund Zahlung einer Entlassungsentschädigung festgestellt.

Nach § 143a Abs. 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Nach S. 2 der Vorschrift beginnt die Frist mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. S. 3 der Vorschrift bestimmt, dass, sofern die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist, bei 1. zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten, 2. zeitlich begrenztem Ausschluss oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre.

Nach S. 4 der Vorschrift gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr, wenn dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden kann.

Anders als die Beklagte meint, ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin durch den Arbeitgeber nicht zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen gewesen. Unzutreffenderweise leitet sie dies aus § 6 Abs. 5 des Abkommens zum Schutz der Mitarbeiter im DLH-Konzern vor nachteiligen Folgen aus Rationalisierungsmaßnahmen (Tarifvertrag Schutzabkommen) i.d.F. vom 1. Oktober 1995 her. Nach dieser Vorschrift bleibt die Kündigung eines Mitarbeiters gleichwohl ausgeschlossen, wenn eine Maßnahme nach §§ 3 und 4 bewirkt, dass der bisherige Arbeitsplatz eines Mitarbeiters, der eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren vollendet hat, entfällt. Bei dieser Vorschrift handelt es sich nicht um eine tarifvertragliche Regelung, die Unkündbarkeit herstellt. Vielmehr handelt es sich bei der Vorschrift um eine Spezialregelung, die lediglich klarstellt, dass es auch im Falle einer Betriebsänderung bei der im Manteltarifvertrag geregelten Unkündbarkeit bleiben soll und nicht etwa ausnahmsweise eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit der BX. eröffnet wird (so explizit BAG v. 17.9.1998, 2 AZR 419/97, AP Nr 148 zu § 626 BGB; BAG v. 10.5.2007, 2 AZR 626/05, AP Nr 1 zu § 626 BGB Unkündbarkeit). Auch aus dem anwendbaren Manteltarifvertrag folgt nicht, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin arbeitgeberseitig unkündbar gewesen wäre. Vielmehr ergibt sich aus § 25 Abs. 2 6. Alt. Manteltarifvertrag für die BX. Service-Center B-Stadt GmbH vom 31. Dezember 2004, der auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin nach dem Betriebsübergang zum 1. Januar 2005 wirksam wurde, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres kündbar war. Mit dem Betriebsübergang schied die Klägerin aus dem Geltungsbereich des vorher geltenden Manteltarifvertrags Boden aus. Zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs war die Klägerin noch keine 15 Jahre bei der BX. AG beschäftigt, so dass Unkündbarkeit nicht vorgelegen hat.

Mithin ist die Beklagte zu Unrecht von einem zeitlich unbegrenzten Ausschluss der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber ausgegangen. Weiterhin zu Unrecht ist die Beklagte davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich kündbar war, so dass nach § 143a Abs. 1 S. 4 SGB III eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr gegolten hätte.

Vielmehr war die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach § 6 TV-Schutz zeitlich begrenzt ausgeschlossen. Der zeitlich begrenzte Ausschluss ergibt sich aus folgenden Überlegungen: § 6 Abs. 1 TV-Schutz schließt die Kündigung durch den Arbeitgeber zunächst aus, wenn eine Maßnahme nach § 3 TV-Schutz, also eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG bewirkt, dass die bisherige Tätigkeit eines Mitarbeiters in Quantität und/oder Qualität ganz oder überwiegend entfällt, wenn die Weiterbeschäftigung eines Mitarbeiters unter geänderten angemessenen Vertragsbedingungen auf einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Konzern (DLH/CFG/LSG) möglich ist und der Mitarbeiter dazu sein Einverständnis erklärt hat, insbesondere a) wenn der Mitarbeiter auf einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb innerhalb des Konzerns am gleichen oder einem anderen Ort in seiner bisherigen Tätigkeit oder in einer anderen, zumutbaren Tätigkeit weiterbeschäftigt werden kann. b) wenn eine Weiterbeschäftigung im Sinne des Buchstaben a nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen möglich ist und der Mitarbeiter sein Einverständnis zu Umschulungs -und Fortbildungsmaßnahmen erklärt hat. Nach § 6 Abs. 4 Ziffer-Schutz entfallen Ansprüche aus diesem Tarifvertrag, wenn ein Mitarbeiter einen nach den Abs. 1-3 angebotenen zumutbaren Arbeitsplatz ablehnt, mit anderen Worten: Die Arbeitgeberin ist wiederum berechtigt, ordentlich zu kündigen, sofern nicht andere tarifvertragliche Regelungen dies ausschließen. Ebenso ist die Kündigungsmöglichkeit wieder eröffnet, wenn ihm eine Weiterbeschäftigung gem. § 6 Abs. 1 nicht angeboten, bzw. gemäß § 6 Abs. 3 nicht zugemutet werden kann (§ 10 b TV-Schutz).

Somit war, bei einem zeitlich begrenztem Ausschluss der Möglichkeit des Arbeitgebers ordentlich zu kündigen, im Sinne von § 143a Abs. 1 S. 3 Nr. 2 SGB III von der Kündigungsfrist auszugehen, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre, also im vorliegenden Fall nach dem Manteltarifvertrag für die BX. Service-Center B-Stadt GmbH von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres (§ 25 Abs. 2 6. Alt). Diese Kündigungsfrist wurde bei Abschluss des Aufhebungsvertrages am 30. März 2010 mit dem 30. September 2010 eingehalten, so dass der Arbeitslosengeldanspruch der Klägerin nicht wegen Zahlung einer Entlassungsentschädigung zum Ruhen gekommen ist.

Der Klage war mithin in vollem Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 (Sozialgerichtsgesetz) SGG.

Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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