Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 209/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei beidseitiger Ertaubung besteht ein Rechtsanspruch auf bilaterale Cochlear-Implantatversorgung, sofern dadurch das Hörvermögen - insbesondere bei Störschall und das Richtungshören - wesentlich gebessert und damit dem Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung, der medizinischen
Rehabilitation, genügt werden kann.
Rehabilitation, genügt werden kann.
I. Der Bescheid vom 25.03.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2003 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für eine Cochlear-Implantatversorgung der Klägerin auch auf dem rechten Ohr zu übernehmen.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kosten für ein Hörtraining und ein zweites Cochlear-Implantat.
Die am ...1965 geborene Klägerin ist seit Juni 1999 auf Grund Hörsturzes nach Schwer-hörigkeit praktisch vollständig ertaubt, und zwar links vollständig, bei einem an Taubheit grenzenden Restgehör rechts. Sie ist schwerbehindert und hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 90. Seit 01.08.2002 ist sie Trägerin eines Cochlear-Implantats/CI Tempo + MED EL links.
Mit Schriftsatz vom 25.02.2003 beantragte sie zum einen die Kostenübernahme für ein Hörtraining vom 28. bis 30.03.2003 in Hannover in Höhe von insgesamt 178,60 EUR (ein-schließlich Fahrtkosten); beigefügt war eine Bescheinigung der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. K ... vom 10.02.2003, wonach das Hörtraining zwingend erforderlich sei. Zum anderen beantragte sie die Kostenübernahme für eine Cochlear-Implantatversorgung rechts. Da-durch werde die Hörwahrnehmung und die Sprache verbessert, was ihre Vermitt-lungschanchen auf dem Arbeitsmarkt steigere. Ausweislich der beigefügten ärztlichen Be-scheinigung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Kopfklinik) vom 13.02.2003 führe die beidseitige Nutzung identischer Cochlear-Implant-Systeme zu einer deutlichen Verbesserung des Sprachverständnisses. Die Klägerin habe bereits erheblich von der ein-seitigen CIS-Strategie profitiert.
Die Beklagte holte daraufhin 2 Gutachten nach Aktenlage des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von Frau Dr. P ... vom 24.03.2002 ein. Danach bedürfe es keines speziellen Hörtrainings, weil eine entsprechende logopädische Schulung auch unter ambulanten Bedingungen möglich sei. Für die begehrte rechtsseitige Cochlear-Implantat-Versorgung bestehe keine medizinische Indikation, da die Klägerin mit dem System auf der linken Seite gut zurechtkomme. Die beidseitige Cochlear-Implantat-Versorgung befin-de sich noch in der Erprobungsphase, Forschung und Erkenntnisgewinn seien noch nicht abgeschlossen.
Durch Bescheid vom 25.03.2003, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt worden war, lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Das Hörtraining habe mehr den Cha-rakter eines Seminars. Die Versicherten erhielten allgemeine Ratschläge zum Leben mit dem Cochlear-Implantat und zu Problemen mit der Technik. Ferner gebe es die Möglich-keit, Gleichbetroffene kennenzulernen. Sofern ein intensives Hörtraining weiterhin erfor-derlich sei, könne dies ebenso gut unter ambulanten Bedingungen am Wohnort beim Logopäden erfolgen. Für eine rechtsseitige Cochlear-Implantat-Versorgung fehle es an einer medizinischen Indikation.
Hiergegen legte die Klägerin am 01.04.2003 Widerspruch ein. Das Hörtraining sei wichtig zum Erlernen des Hörens. Logopäden, die speziell für die Behandlung von Cochlear-Implantat-versorgten Menschen ausgebildet seien, seien ihr nicht bekannt. Eine beidseitige Versorgung sei erforderlich, weil sie nur so zum Richtungs- und räumli-chen Hören in der Lage sei. Dies hebe ihre Lebensqualität und bessere ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die HNO-Klinik Würzburg habe mit großem Erfolg viele Kinder und Erwachsene mit einem zweiten Cochlear-Implantat versorgt, sodass man nicht mehr von einer Erprobungsphase sprechen könne. Zur Erläuterung war ein Artikel des in dem Krankenhaus beschäftigten Privatdozenten Dr. M ... vom Februar 2003 beigefügt.
Ausweislich eines weiteren MDK-Gutachtens von Frau Dr. Sch ... vom 23.07.2003 lägen keine Studienergebnisse für eine signifikante Hörverbesserung durch eine bilaterale Coch-lear-Implantat-Versorgung vor. Unter Bezugnahme hierauf teilte die Beklagte mit Schrei-ben vom 29.07.2003 mit, dass sie dem Widerspruch nicht abhelfen werde. Die Klägerin fügte daraufhin eine weitere Stellungnahme des Privatdozenten Dr. M ... vom 06.08.2003 nebst weiterer Publikationen bei. Frau Dr. Sch ... vom MDK verwies demgegenüber mit Schreiben vom 28.07.2003 darauf, dass eine beidseitige Versorgung keine standardmäßige Therapie darstelle.
Durch Widerspruchsbescheid vom 31.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Studienergebnisse über eine signifikante Hörverbesserung durch eine bilaterale Cochlear-Implantat-Versorgung gegenüber einer einohrigen Versorgung lägen nicht vor. Durch die einseitige Versorgung habe auf das zuvor genutzte Hörgerät verzichtet werden können.
Die Klägerin hat deswegen am 17.11.2003 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Die bloße Cochlear-Implantat-Versorgung allein reiche nicht aus; vielmehr bedürfe es einer gezielten Rehabilitation in Form eines Hörtrainings, um das technische Hören mit dem Sprachprozessor zu beherrschen, was ein langwieriger Lernprozess sei. Bei einer einseitigen Cochlear-Implantat-Versorgung sei weder ein Richtungshören, noch ein ausreichendes Hören bei starkem Störlärm vorhanden. Wegen der Gefahren im Stra-ßenverkehr und aus sonstigen Gründen sei eine beidseitige Versorgung beruflich und pri-vat geboten. Im Übrigen habe der Widerspruchsausschuss methodisch falsch entschieden, weil der Widerspruchsbescheid eine eigene Entscheidung oder Begründung vermissen lasse. Der Widerspruchsausschuss habe aber eine eigene Prüfung vorzunehmen. Dem MDK komme demgegenüber kein eigenes Prüfungsrecht zu, sondern habe nur eine gutachterli-che Stellungnahme entsprechend § 275 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) abzugeben. Die Untersuchungen der Julius-Maximilians-Universität hätten ergeben, dass eine Versorgung mit einem Cochlear-Implantat auch auf der rechten Seite vermutlich zu einer Aktivierung des rechten Hörbereiches führe und damit ein Hörvermögen wieder eröffne. Die bilaterale Versorgung sei geeignet, die Hörfähigkeit des Behinderten nicht nur wieder herzustellen, sondern bestimmte, auch lebenswichtige, Formen des Hörens, wie bspw. das Richtungshören, zu ermöglichen. Aus den beigefügten wissenschaftlichen Ab-handlungen ergebe sich der Mehrwert einer bilateralen gegenüber einer unilateralen Ver-sorgung. Der Sozialisierungsgedanke stehe dem Wirtschaftlichkeitsgebot des Krankenver-sicherungsrechts nicht entgegen, weil eine beidseitige Versorgung medizinisch indiziert sei. Der Klageschrift waren weitere zahlreiche Unterlagen beigefügt.
Die Beklagte hat ein weiteres MDK-Gutachten von Dr. Pauer vom 01.07.2004 vorgelegt. Mit Beweisanordnung vom 24.08.2004 hat das Gericht den Facharzt für HNO Dr. B ... mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Durch Beschluss vom 04.11.2005 hat das Gericht der Klägerin unter Beiordnung von Rechtsanwalt Kochs Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Mit weiterer Beweisanordnung vom 18.11.2005 hat es Priv.-Doz. Dr. M ... mit der Erstel-lung eines Gutachtens nach Aktenlage betraut. Nach mehrfachen Erinnerungen hat die Beklagte ein weiteres MDK-Gutachten von Frau Dr. P ...vom 10.07.2006 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 25.03.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kläge-rin auch auf dem rechten Ohr mit einem Cochlear-Implantat zu versor-gen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Widerspruch im Hinblick auf die begehrte Teilnahme am Hörtraining habe sie teil-weise abgeholfen, indem sie der Klägerin einen Logopäden benannt habe. Dadurch sei dieses Begehren nicht mehr Gegenstand des Widerspruchsbescheides geworden. Ein aus-reichender wissenschaftlicher Nachweis für die Erforderlichkeit einer beidseitigen Coch-lear-Implantat-Versorgung sei nicht erbracht. Bei Erwachsenen sei die Reifung der auditi-ven Systeme weitgehend abgeschlossen, sodass bei einer bilateralen Versorgung keine wesentliche Besserung der beruflichen und sozialen Integration des Behinderten erfolgen könne. Eine Hörverbesserung um mindestens 10 v. H. sei nicht nachgewiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte sowie ein Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vergleichsweise hinsichtlich der Kostenübernahme für das Hörtraining geeinigt haben, war Streitgegenstand lediglich noch die rechtsseitige Versorgung der Klägerin mit einem Cochlear-Implantat. Im Hinblick auf diesen Streitgegenstand ist die Klage zulässig und begründet.
Der Bescheid vom 25.03.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2003 erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da sie einen Rechtsanspruch auch auf eine rechtsseitige Versorgung mit einem Cochlear-Implantat hat.
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch.
Es reicht aus, wenn ein Hilfsmittel zum Ausgleich eines körperlichen Funktionsdefizits geeignet und notwendig ist. Hierbei genügt es, wenn es die beeinträchtigte Körperfunktion ermöglicht, ersetzt, erleichtert oder ergänzt (BSGE 50, 68). Das Hilfsmittel muss insoweit der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, wie gesunde Lebensfüh-rung, allgemeine Verrichtungen des täglichen Lebens, geistige Betätigung und Erweiterung des durch die Behinderung eingeschränkten Freiraumes dienen (wie hier: BSG, Urteil vom 07.03.1990, Az: 3 RK 15/89). Andererseits darf es sich nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handeln. Als Gebrauchsgegens-tand des täglichen Lebens zählen Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwen-det, also von einer großen Zahl von Personen üblicherweise regelmäßig benutzt werden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 5). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG), der das erkennende Gericht folgt, ist für die Abgrenzung entscheidend, ob der ver-änderte Gegenstand ausschließlich bei Behinderten bzw. Kranken Verwendung findet. So-fern er auch von Nichtbehinderten bzw. Gesunden benutzt und ohne Weiteres gegen einen demselben Zweck dienenden handelsüblichen Gegenstand ausgetauscht werden kann, ist die Hilfsmitteleigenschaft zu verneinen (wie hier: BSG, Urteil vom 25.01.1995, Az: 3/1 RK 63/93).
Da das beantragte 2. Cochlear-Implantat ausschließlich von behinderten Personen benutzt wird, handelt es sich um keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Hierbei kann dahinstehen, ob das 2. Cochlear-Implantat eine Hörhilfe im Sinne dieser Vorschrift ist; jedenfalls handelt es sich insoweit zumindest um ein "anderes Hilfsmittel" zum Ausgleich einer Behinderung. Als Hilfsmittel gelten nämlich alle sächlichen Mittel, die dem Aus-gleich körperlicher Defizite dienen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 28.06.2001, Az: B 3 KR 3/00 R). Dies ist hier unstreitig der Fall, denn es dient der Verbesserung des Hörens (so auch: Sozialgericht Köln, Urteil vom 03.01.2005, Az: S 26 KR 196/03). Es geht um die Milderung/Beseitigung von Hörstörungen, die mit Hörgeräten alleine nicht versorgt wer-den können, sodass eine Cochlear-Implantat-Versorgung in Betracht zu ziehen ist.
Ein Anspruch ist auch nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen. Danach kann der Bundesminister für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder gerin-gem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt (Satz 1). In der auf Grund dieser Ermächtigung erlassenen Verordnung über Hilfsmittel von geringem technischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 13. Dezember 1989 in der Fassung vom 17.01.1995 sind Cochlear-Implantate nicht erfasst.
Hierbei ist die ärztliche Bescheinigung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg vom 13.02.2003 allein noch nicht geeignet, die begehrte Hilfsmittelversorgung zu begründen. Denn die Krankenkasse hat nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V dem Anspruch auf Sachleistungen nur insoweit zu genügen, als dieser wirtschaftlich ist. Mithin ist sie nach § 275 Abs. 3 Nr. 1 SGB V befugt, unabhängig von der Verordnung die Erforderlichkeit des Hilfsmit-tels vorab vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung überprüfen zu lassen. Die-ser vom Gesetzgeber eingeräumten Befugnis hätte es aber dann nicht bedurft, wenn bereits die ärztliche Verordnung für die Krankenkassen bindend wäre.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten erweist sich die Versorgung der Klägerin mit einem 2. Cochlear-Implantat jedoch als erforderlich. Für die nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu beantwortende Frage, welches Hilfsmittel im Einzelfall "erforderlich" ist, um die Behinderung auszugleichen, ist der Geltungsbereich der Norm von der Rechtsprechung immer weiter gezogen worden. Während zunächst nur eine Leistungspflicht für diejenigen Hilfsmittel bestand, die den Ausgleich der körperlichen Behinderung selbst bezweckte (so: BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29), wurde dies später auch für den Fall bejaht, dass das Hilfsmittel nicht unmittelbar an der Behinderung selbst ansetzt. Es reicht danach aus, wenn der Funktionsausfall anderweitig ausgeglichen wird. Dadurch muss nur insoweit ein "all-gemeines Grundbedürfnis" sichergestellt werden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 16). Dahin-ter steht nunmehr die Erwägung, dass es nach § 1 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) Aufgabe der Versorgung behinderter Menschen mit Hilfsmitteln ist, ihre Selbst-bestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu fördern (§ 1 Satz 1 SGB IX), wobei dies im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nur inner-halb deren Aufgabengebietes (Krankenhilfe und medizinische Rehabilitation) und unter deren besonderen Voraussetzungen (§ 7 SGB IX) gelten kann (zum Vorstehenden, vgl. auch: BSG, Urteil vom 06.06.2002, Az: B 3 KR 68/01 R).
So liegt der Fall hier: Es steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass durch die bilaterale Cochlear-Implantat-Versorgung das Hörvermögen der Klägerin wesentlich gebessert wird und damit dem Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung, der medizinischen Rehabili-tation, genügt werden kann.
Dass es sich nach Frau Dr. Sch ... in ihrer Stellungnahme vom MDK vom 28.07.2003 um keine "standardmäßige Therapie" handeln solle, steht mithin dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Die Beklagte kann nicht auf fehlende Studienergebnisse verweisen, weil die Verbesserung des Richtungshörens und das Hören bei Störschall durch eine beidseitige Versorgung unstreitig wesentlich gebessert werden kann, zumal in allen beruflichen, privaten und öffentlichen Bereichen Lärmsituationen entstehen. Deshalb reicht der Gewinn an Hörvermögen aus, den Klageanspruch zu begründen (wie hier: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.11.2005, Az: L 16 KR 40/05).
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist es nicht erforderlich, den therapeutischen Nutzen eines Hilfsmittels durch Ergebnisse klinischer Prüfungen nachzuweisen (BSG, SozR 4-2500, § 33 Nr. 8), da ein derartiger Beweismaßstab in der gesetzlichen Kranken-versicherung nur bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Untersuchungs- und Behand-lungsmethoden sowie von Arzneimitteln gilt. Derartige Zulassungsvoraussetzungen beste-hen für das In-Verkehr-bringen von Hilfsmitteln nicht (so auch: SG Berlin, Urteil vom 26.01.2006, Az: S 73 KR 716/05).
Bereits aus dem Gutachten von Dr. B ... folgt, dass bei einer beidseitigen Versorgung das Richtungshören verbessert wird. Die Klägerin hat danach bereits von der einseitigen Ver-sorgung im Hinblick auf die Hörwahrnehmung und das Sprachverständnis deutlich profi-tiert, und zwar in derart starkem Maße, dass das bisherige Hörgerät an die Beklagte zu-rückgegeben werden konnte. Bisher traten jedoch auf Grund der einseitigen Versorgung Probleme im Störschall auf. Die Klägerin vermisste das Richtungshören, auch das Telefo-nieren war unsicher. Diese Probleme erachtete der Sachverständige für nachvollziehbar. Eine bilaterale Versorgung sei indes nach Auffassung des Sachverständigen lediglich dann grundsätzlich erforderlich, wenn es dadurch zu einer Hörverbesserung um mindestens 10 % gegenüber der monoauralen Versorgung komme. Dies sei aber bei einer Cochlear-Implantation "nicht so eindeutig nachweisbar", sodass unter Wirtschaftlichkeitsgesichts-punkten im Sinne eines Basisausgleiches keine zwingende Notwendigkeit zum jetzigen Zeitpunkt bestehe, obwohl der Wunsch der Klägerin nach einer Verbesserung des Rich-tungshörens und des Hörens im Störgeräusch nachvollziehbar sei.
Hier kommt indes hinzu, dass die Cochlear-Implantat-Versorgung nur operativ erfolgen kann. Es ist somit nicht durch ein probeweises Tragen auszuprobieren, ob sich das Sprach-vermögen tatsächlich um mehr als 10 v. H., wie von der Beklagten und Dr. B, ...fordert, verbessert. Der Sachverständige Dr. M ... kam jedoch auf Grund der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Ergebnissen, auch an der eigenen Klinik, zu dem Schluss, dass mit höchster Wahrscheinlichkeit die geforderte Steigerung des Sprachverständnisses durch eine binaurale Versorgung erreicht werden kann. Die einzige Möglichkeit der hörprothetischen Versorgung des rechten Ohres ist die Cochlear-Implantat-Versorgung, weil Hörbe-hinderte dadurch den Kopfschatteneffekt, den Squelch-Effekt und binaurale Summation-seffekte wieder erzielen können. Sie profitieren weiterhin von einer deutlich reduzierten Höranstrengung, sodass sich in der gegenwärtigen Situation die bisherige Versorgung mit nur einem Cochlearimplantat insoweit als nicht ausreichend erweist.
Während es nach Dr. B ... einerseits "unstrittig" sei, dass bei einer beidseitigen Ver-sorgung das Richtungshören verbessert werde (vgl. Blatt 90 der Gerichtsakte), führte der Sachverständige in der Zusammenfassung andererseits aus, dass lediglich "möglicherwei-se" eine rechtsseitige Versorgung das Richtungshören und das Hören im Störgeräusch verbessern könne (vgl. Blatt 91 der Gerichtsakte). Nur in dieser Hinsicht würde eine beid-seitige Versorgung die Kommunikation verbessern.
Diese Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit, und sei es lediglich im Bereich des Richtungshörens und des Hörens im Störgeräusch, reicht jedoch für den Behinderungsausgleich aus. Denn physikalisch ist nur das binaurale Hören ein natürliches Hören, weil der Mensch mit 2 Ohren ausgestattet ist. So wie dem Menschen nur durch 2 Augen ein räum-liches Sehen möglich ist, kann der Mensch erst durch ein beidseitiges Hörvermögen den Schall orten, bzw. aus dem Störlärm das für ihn Entscheidende herausfiltern. Wie bereits aus dem Gutachten von Dr. B ... und auch aus den anderen Stellungnahmen und Gutach-ten des MDK hervorgeht, ist der Klägerin erst durch die einseitige Cochlear-Implantat-Versorgung ein befriedigendes Hören überhaupt erst wieder möglich geworden, sodass das ursprüngliche Hörgerät zurückgegeben werden konnte.
Dem kann die Beklagte nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V entge-genhalten. Die Leistungen müssen danach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs-erbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Neuerungen, die nicht ausschließlich die Funktionalität, sondern vorrangig der Bequemlichkeit der Nutzung der Versicherten dienen, sind mithin ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 06.06.2002, Az: B 3 KR 68/01 R).
So lange aber ein Ausgleich der Behinderung im Sinne eines Gleichziehens mit einem ge-sunden Menschen nicht vollständig erreicht ist, darf – wie aufgezeigt - die Versorgung mit einem fortschrittlichen Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstand sei ausreichend (BSG, Urteil vom 16.09.2004, Az: B 3 KR 20/04 R; BSG SozR 4-2500, § 33 Nr. 8; Bayerisches LSG, Urteil vom 08.12.2005, Az: L 4 KR 6/05). Nicht nur das Hören, sondern das beidseitige Hören, gehört zu den Grundbe-dürfnissen, weshalb grundsätzlich eine bilaterale Versorgung notwendig ist; denn der Aus-gleich der Behinderung der beidseits tauben Klägerin wird durch die Versorgung nur eines Ohres nicht vollständig erreicht (so auch: Bayerisches LSG, Urteil vom 08.12.2005, Az: L 4 KR 6/05). Die daraus resultierenden Gebrauchsvorteile führen deshalb nicht zu einem Ausschluss des Anspruchs (so auch: Sozialgericht Köln, a.a.O.). Wirtschaftlichkeitserwä-gungen stehen der Vorsorgung mit dem begehrten Hilfsmittel somit nicht im Wege.
Da der Gebrauchsvorteil des begehrten Hilfsmittels wesentlich von den körperlichen und geistigen Voraussetzungen des Versicherten und seiner persönlichen Lebensgestaltung abhängt, kann nur derjenige die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel beanspruchen, der nach ärztlicher Einschätzung dadurch im Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile hat. Nur dann erweist sich das Hilfsmittel im Einzelfall als "erforderlich" im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V (vgl. BSG, wie vor). Dies ergibt sich hier aus den überzeugenden Ausführungen in dem noch eingeholten Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Müller. Da im Gut-achten von Dr. B ... insoweit eigene Messdaten zur Hörfähigkeit der Klägerin mit einem Cochlear-Implantat fehlen, kann die Hörfähigkeit bei einseitiger Cochlear-Implantat-Versorgung links nicht beurteilt werden.
Die Klägerin hat aber durch eine beidohrige Cochlear-Implantat-Versorgung wesentliche Gebrauchsvorteile im täglichen Leben zu gewärtigen: Sie ist dadurch fähig, einen dreidi-mensionalen, akustischen Raumeindruck von der Umgebung zu erhalten. Richtungshören und Seitenzuordnung der Schalleinfallsrichtung sind möglich, denn sie kann eine Schall-quelle bis auf wenige Grad genau im umgebenden Raum lokalisieren. Ihr Sprachverständ-nis im Umgebungslärm wird verbessert ("Cocktailparty-Effekt"), wodurch ihr eine akusti-sche Musteranalyse gestattet ist, d. h. sie vermag die Stimme eines bestimmten Sprechers aus Hintergrundgeräuschen herauszufiltern. Dies führt dazu, dass sie weniger Konzentrati-on und weniger Aufmerksamkeit als bei einem Hören mit nur einem Ohr bedarf. Sie ist dann zu einer binauralen Fusion in der Lage, weil bei einem beidohrigen Hören die Laut-halsempfindung anders ist als bei einer einohrigen Wahrnehmung. Ferner ist ihr ein dichotisches Hören möglich, indem sie unterschiedliche Worte oder Wortbruchstücke, die auf beiden Ohren gleichzeitig gehört werden, vom Gehirn zu bedeutungstragenden Worten verschmolzen werden können (vgl. Blatt 204 der Gerichtsakte). Die Auflösung und Differenzierung feiner Lautstärke- und Frequenzvariationen mit 2 Ohren ist nämlich feiner als nur mit einem Ohr. Deshalb ist bei Schwerhörigen die beidseitige Hörgeräteversorgung als allgemeiner Standard anerkannt. Bei einem Gesunden wird durch das beidohrige Hören die Sprachverständlichkeit um etwa 5 dB verbessert.
Da nach § 33 Abs. 1 Satz 1 die Hilfsmittelversorgung dem Ausgleich der Behinderung zu dienen hat, besteht somit eine medizinische Indikation dafür, dass nur die binaurale Versorgung ausreichend, zweckmäßig und zugleich notwendig ist (so bereits: LSG Nieder-sachsen, Urteil vom 29.10.1980, Az: L 4 Kr 12/80), so dass der Klage stattzugeben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten für eine Cochlear-Implantatversorgung der Klägerin auch auf dem rechten Ohr zu übernehmen.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kosten für ein Hörtraining und ein zweites Cochlear-Implantat.
Die am ...1965 geborene Klägerin ist seit Juni 1999 auf Grund Hörsturzes nach Schwer-hörigkeit praktisch vollständig ertaubt, und zwar links vollständig, bei einem an Taubheit grenzenden Restgehör rechts. Sie ist schwerbehindert und hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 90. Seit 01.08.2002 ist sie Trägerin eines Cochlear-Implantats/CI Tempo + MED EL links.
Mit Schriftsatz vom 25.02.2003 beantragte sie zum einen die Kostenübernahme für ein Hörtraining vom 28. bis 30.03.2003 in Hannover in Höhe von insgesamt 178,60 EUR (ein-schließlich Fahrtkosten); beigefügt war eine Bescheinigung der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. K ... vom 10.02.2003, wonach das Hörtraining zwingend erforderlich sei. Zum anderen beantragte sie die Kostenübernahme für eine Cochlear-Implantatversorgung rechts. Da-durch werde die Hörwahrnehmung und die Sprache verbessert, was ihre Vermitt-lungschanchen auf dem Arbeitsmarkt steigere. Ausweislich der beigefügten ärztlichen Be-scheinigung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Kopfklinik) vom 13.02.2003 führe die beidseitige Nutzung identischer Cochlear-Implant-Systeme zu einer deutlichen Verbesserung des Sprachverständnisses. Die Klägerin habe bereits erheblich von der ein-seitigen CIS-Strategie profitiert.
Die Beklagte holte daraufhin 2 Gutachten nach Aktenlage des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von Frau Dr. P ... vom 24.03.2002 ein. Danach bedürfe es keines speziellen Hörtrainings, weil eine entsprechende logopädische Schulung auch unter ambulanten Bedingungen möglich sei. Für die begehrte rechtsseitige Cochlear-Implantat-Versorgung bestehe keine medizinische Indikation, da die Klägerin mit dem System auf der linken Seite gut zurechtkomme. Die beidseitige Cochlear-Implantat-Versorgung befin-de sich noch in der Erprobungsphase, Forschung und Erkenntnisgewinn seien noch nicht abgeschlossen.
Durch Bescheid vom 25.03.2003, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt worden war, lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Das Hörtraining habe mehr den Cha-rakter eines Seminars. Die Versicherten erhielten allgemeine Ratschläge zum Leben mit dem Cochlear-Implantat und zu Problemen mit der Technik. Ferner gebe es die Möglich-keit, Gleichbetroffene kennenzulernen. Sofern ein intensives Hörtraining weiterhin erfor-derlich sei, könne dies ebenso gut unter ambulanten Bedingungen am Wohnort beim Logopäden erfolgen. Für eine rechtsseitige Cochlear-Implantat-Versorgung fehle es an einer medizinischen Indikation.
Hiergegen legte die Klägerin am 01.04.2003 Widerspruch ein. Das Hörtraining sei wichtig zum Erlernen des Hörens. Logopäden, die speziell für die Behandlung von Cochlear-Implantat-versorgten Menschen ausgebildet seien, seien ihr nicht bekannt. Eine beidseitige Versorgung sei erforderlich, weil sie nur so zum Richtungs- und räumli-chen Hören in der Lage sei. Dies hebe ihre Lebensqualität und bessere ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die HNO-Klinik Würzburg habe mit großem Erfolg viele Kinder und Erwachsene mit einem zweiten Cochlear-Implantat versorgt, sodass man nicht mehr von einer Erprobungsphase sprechen könne. Zur Erläuterung war ein Artikel des in dem Krankenhaus beschäftigten Privatdozenten Dr. M ... vom Februar 2003 beigefügt.
Ausweislich eines weiteren MDK-Gutachtens von Frau Dr. Sch ... vom 23.07.2003 lägen keine Studienergebnisse für eine signifikante Hörverbesserung durch eine bilaterale Coch-lear-Implantat-Versorgung vor. Unter Bezugnahme hierauf teilte die Beklagte mit Schrei-ben vom 29.07.2003 mit, dass sie dem Widerspruch nicht abhelfen werde. Die Klägerin fügte daraufhin eine weitere Stellungnahme des Privatdozenten Dr. M ... vom 06.08.2003 nebst weiterer Publikationen bei. Frau Dr. Sch ... vom MDK verwies demgegenüber mit Schreiben vom 28.07.2003 darauf, dass eine beidseitige Versorgung keine standardmäßige Therapie darstelle.
Durch Widerspruchsbescheid vom 31.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Studienergebnisse über eine signifikante Hörverbesserung durch eine bilaterale Cochlear-Implantat-Versorgung gegenüber einer einohrigen Versorgung lägen nicht vor. Durch die einseitige Versorgung habe auf das zuvor genutzte Hörgerät verzichtet werden können.
Die Klägerin hat deswegen am 17.11.2003 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Die bloße Cochlear-Implantat-Versorgung allein reiche nicht aus; vielmehr bedürfe es einer gezielten Rehabilitation in Form eines Hörtrainings, um das technische Hören mit dem Sprachprozessor zu beherrschen, was ein langwieriger Lernprozess sei. Bei einer einseitigen Cochlear-Implantat-Versorgung sei weder ein Richtungshören, noch ein ausreichendes Hören bei starkem Störlärm vorhanden. Wegen der Gefahren im Stra-ßenverkehr und aus sonstigen Gründen sei eine beidseitige Versorgung beruflich und pri-vat geboten. Im Übrigen habe der Widerspruchsausschuss methodisch falsch entschieden, weil der Widerspruchsbescheid eine eigene Entscheidung oder Begründung vermissen lasse. Der Widerspruchsausschuss habe aber eine eigene Prüfung vorzunehmen. Dem MDK komme demgegenüber kein eigenes Prüfungsrecht zu, sondern habe nur eine gutachterli-che Stellungnahme entsprechend § 275 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) abzugeben. Die Untersuchungen der Julius-Maximilians-Universität hätten ergeben, dass eine Versorgung mit einem Cochlear-Implantat auch auf der rechten Seite vermutlich zu einer Aktivierung des rechten Hörbereiches führe und damit ein Hörvermögen wieder eröffne. Die bilaterale Versorgung sei geeignet, die Hörfähigkeit des Behinderten nicht nur wieder herzustellen, sondern bestimmte, auch lebenswichtige, Formen des Hörens, wie bspw. das Richtungshören, zu ermöglichen. Aus den beigefügten wissenschaftlichen Ab-handlungen ergebe sich der Mehrwert einer bilateralen gegenüber einer unilateralen Ver-sorgung. Der Sozialisierungsgedanke stehe dem Wirtschaftlichkeitsgebot des Krankenver-sicherungsrechts nicht entgegen, weil eine beidseitige Versorgung medizinisch indiziert sei. Der Klageschrift waren weitere zahlreiche Unterlagen beigefügt.
Die Beklagte hat ein weiteres MDK-Gutachten von Dr. Pauer vom 01.07.2004 vorgelegt. Mit Beweisanordnung vom 24.08.2004 hat das Gericht den Facharzt für HNO Dr. B ... mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Durch Beschluss vom 04.11.2005 hat das Gericht der Klägerin unter Beiordnung von Rechtsanwalt Kochs Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Mit weiterer Beweisanordnung vom 18.11.2005 hat es Priv.-Doz. Dr. M ... mit der Erstel-lung eines Gutachtens nach Aktenlage betraut. Nach mehrfachen Erinnerungen hat die Beklagte ein weiteres MDK-Gutachten von Frau Dr. P ...vom 10.07.2006 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 25.03.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kläge-rin auch auf dem rechten Ohr mit einem Cochlear-Implantat zu versor-gen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Widerspruch im Hinblick auf die begehrte Teilnahme am Hörtraining habe sie teil-weise abgeholfen, indem sie der Klägerin einen Logopäden benannt habe. Dadurch sei dieses Begehren nicht mehr Gegenstand des Widerspruchsbescheides geworden. Ein aus-reichender wissenschaftlicher Nachweis für die Erforderlichkeit einer beidseitigen Coch-lear-Implantat-Versorgung sei nicht erbracht. Bei Erwachsenen sei die Reifung der auditi-ven Systeme weitgehend abgeschlossen, sodass bei einer bilateralen Versorgung keine wesentliche Besserung der beruflichen und sozialen Integration des Behinderten erfolgen könne. Eine Hörverbesserung um mindestens 10 v. H. sei nicht nachgewiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte sowie ein Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vergleichsweise hinsichtlich der Kostenübernahme für das Hörtraining geeinigt haben, war Streitgegenstand lediglich noch die rechtsseitige Versorgung der Klägerin mit einem Cochlear-Implantat. Im Hinblick auf diesen Streitgegenstand ist die Klage zulässig und begründet.
Der Bescheid vom 25.03.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2003 erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, da sie einen Rechtsanspruch auch auf eine rechtsseitige Versorgung mit einem Cochlear-Implantat hat.
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch.
Es reicht aus, wenn ein Hilfsmittel zum Ausgleich eines körperlichen Funktionsdefizits geeignet und notwendig ist. Hierbei genügt es, wenn es die beeinträchtigte Körperfunktion ermöglicht, ersetzt, erleichtert oder ergänzt (BSGE 50, 68). Das Hilfsmittel muss insoweit der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, wie gesunde Lebensfüh-rung, allgemeine Verrichtungen des täglichen Lebens, geistige Betätigung und Erweiterung des durch die Behinderung eingeschränkten Freiraumes dienen (wie hier: BSG, Urteil vom 07.03.1990, Az: 3 RK 15/89). Andererseits darf es sich nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handeln. Als Gebrauchsgegens-tand des täglichen Lebens zählen Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwen-det, also von einer großen Zahl von Personen üblicherweise regelmäßig benutzt werden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 5). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG), der das erkennende Gericht folgt, ist für die Abgrenzung entscheidend, ob der ver-änderte Gegenstand ausschließlich bei Behinderten bzw. Kranken Verwendung findet. So-fern er auch von Nichtbehinderten bzw. Gesunden benutzt und ohne Weiteres gegen einen demselben Zweck dienenden handelsüblichen Gegenstand ausgetauscht werden kann, ist die Hilfsmitteleigenschaft zu verneinen (wie hier: BSG, Urteil vom 25.01.1995, Az: 3/1 RK 63/93).
Da das beantragte 2. Cochlear-Implantat ausschließlich von behinderten Personen benutzt wird, handelt es sich um keinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Hierbei kann dahinstehen, ob das 2. Cochlear-Implantat eine Hörhilfe im Sinne dieser Vorschrift ist; jedenfalls handelt es sich insoweit zumindest um ein "anderes Hilfsmittel" zum Ausgleich einer Behinderung. Als Hilfsmittel gelten nämlich alle sächlichen Mittel, die dem Aus-gleich körperlicher Defizite dienen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 28.06.2001, Az: B 3 KR 3/00 R). Dies ist hier unstreitig der Fall, denn es dient der Verbesserung des Hörens (so auch: Sozialgericht Köln, Urteil vom 03.01.2005, Az: S 26 KR 196/03). Es geht um die Milderung/Beseitigung von Hörstörungen, die mit Hörgeräten alleine nicht versorgt wer-den können, sodass eine Cochlear-Implantat-Versorgung in Betracht zu ziehen ist.
Ein Anspruch ist auch nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen. Danach kann der Bundesminister für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder gerin-gem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt (Satz 1). In der auf Grund dieser Ermächtigung erlassenen Verordnung über Hilfsmittel von geringem technischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 13. Dezember 1989 in der Fassung vom 17.01.1995 sind Cochlear-Implantate nicht erfasst.
Hierbei ist die ärztliche Bescheinigung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg vom 13.02.2003 allein noch nicht geeignet, die begehrte Hilfsmittelversorgung zu begründen. Denn die Krankenkasse hat nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V dem Anspruch auf Sachleistungen nur insoweit zu genügen, als dieser wirtschaftlich ist. Mithin ist sie nach § 275 Abs. 3 Nr. 1 SGB V befugt, unabhängig von der Verordnung die Erforderlichkeit des Hilfsmit-tels vorab vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung überprüfen zu lassen. Die-ser vom Gesetzgeber eingeräumten Befugnis hätte es aber dann nicht bedurft, wenn bereits die ärztliche Verordnung für die Krankenkassen bindend wäre.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten erweist sich die Versorgung der Klägerin mit einem 2. Cochlear-Implantat jedoch als erforderlich. Für die nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu beantwortende Frage, welches Hilfsmittel im Einzelfall "erforderlich" ist, um die Behinderung auszugleichen, ist der Geltungsbereich der Norm von der Rechtsprechung immer weiter gezogen worden. Während zunächst nur eine Leistungspflicht für diejenigen Hilfsmittel bestand, die den Ausgleich der körperlichen Behinderung selbst bezweckte (so: BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 29), wurde dies später auch für den Fall bejaht, dass das Hilfsmittel nicht unmittelbar an der Behinderung selbst ansetzt. Es reicht danach aus, wenn der Funktionsausfall anderweitig ausgeglichen wird. Dadurch muss nur insoweit ein "all-gemeines Grundbedürfnis" sichergestellt werden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 16). Dahin-ter steht nunmehr die Erwägung, dass es nach § 1 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) Aufgabe der Versorgung behinderter Menschen mit Hilfsmitteln ist, ihre Selbst-bestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu fördern (§ 1 Satz 1 SGB IX), wobei dies im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nur inner-halb deren Aufgabengebietes (Krankenhilfe und medizinische Rehabilitation) und unter deren besonderen Voraussetzungen (§ 7 SGB IX) gelten kann (zum Vorstehenden, vgl. auch: BSG, Urteil vom 06.06.2002, Az: B 3 KR 68/01 R).
So liegt der Fall hier: Es steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass durch die bilaterale Cochlear-Implantat-Versorgung das Hörvermögen der Klägerin wesentlich gebessert wird und damit dem Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung, der medizinischen Rehabili-tation, genügt werden kann.
Dass es sich nach Frau Dr. Sch ... in ihrer Stellungnahme vom MDK vom 28.07.2003 um keine "standardmäßige Therapie" handeln solle, steht mithin dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Die Beklagte kann nicht auf fehlende Studienergebnisse verweisen, weil die Verbesserung des Richtungshörens und das Hören bei Störschall durch eine beidseitige Versorgung unstreitig wesentlich gebessert werden kann, zumal in allen beruflichen, privaten und öffentlichen Bereichen Lärmsituationen entstehen. Deshalb reicht der Gewinn an Hörvermögen aus, den Klageanspruch zu begründen (wie hier: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.11.2005, Az: L 16 KR 40/05).
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist es nicht erforderlich, den therapeutischen Nutzen eines Hilfsmittels durch Ergebnisse klinischer Prüfungen nachzuweisen (BSG, SozR 4-2500, § 33 Nr. 8), da ein derartiger Beweismaßstab in der gesetzlichen Kranken-versicherung nur bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Untersuchungs- und Behand-lungsmethoden sowie von Arzneimitteln gilt. Derartige Zulassungsvoraussetzungen beste-hen für das In-Verkehr-bringen von Hilfsmitteln nicht (so auch: SG Berlin, Urteil vom 26.01.2006, Az: S 73 KR 716/05).
Bereits aus dem Gutachten von Dr. B ... folgt, dass bei einer beidseitigen Versorgung das Richtungshören verbessert wird. Die Klägerin hat danach bereits von der einseitigen Ver-sorgung im Hinblick auf die Hörwahrnehmung und das Sprachverständnis deutlich profi-tiert, und zwar in derart starkem Maße, dass das bisherige Hörgerät an die Beklagte zu-rückgegeben werden konnte. Bisher traten jedoch auf Grund der einseitigen Versorgung Probleme im Störschall auf. Die Klägerin vermisste das Richtungshören, auch das Telefo-nieren war unsicher. Diese Probleme erachtete der Sachverständige für nachvollziehbar. Eine bilaterale Versorgung sei indes nach Auffassung des Sachverständigen lediglich dann grundsätzlich erforderlich, wenn es dadurch zu einer Hörverbesserung um mindestens 10 % gegenüber der monoauralen Versorgung komme. Dies sei aber bei einer Cochlear-Implantation "nicht so eindeutig nachweisbar", sodass unter Wirtschaftlichkeitsgesichts-punkten im Sinne eines Basisausgleiches keine zwingende Notwendigkeit zum jetzigen Zeitpunkt bestehe, obwohl der Wunsch der Klägerin nach einer Verbesserung des Rich-tungshörens und des Hörens im Störgeräusch nachvollziehbar sei.
Hier kommt indes hinzu, dass die Cochlear-Implantat-Versorgung nur operativ erfolgen kann. Es ist somit nicht durch ein probeweises Tragen auszuprobieren, ob sich das Sprach-vermögen tatsächlich um mehr als 10 v. H., wie von der Beklagten und Dr. B, ...fordert, verbessert. Der Sachverständige Dr. M ... kam jedoch auf Grund der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Ergebnissen, auch an der eigenen Klinik, zu dem Schluss, dass mit höchster Wahrscheinlichkeit die geforderte Steigerung des Sprachverständnisses durch eine binaurale Versorgung erreicht werden kann. Die einzige Möglichkeit der hörprothetischen Versorgung des rechten Ohres ist die Cochlear-Implantat-Versorgung, weil Hörbe-hinderte dadurch den Kopfschatteneffekt, den Squelch-Effekt und binaurale Summation-seffekte wieder erzielen können. Sie profitieren weiterhin von einer deutlich reduzierten Höranstrengung, sodass sich in der gegenwärtigen Situation die bisherige Versorgung mit nur einem Cochlearimplantat insoweit als nicht ausreichend erweist.
Während es nach Dr. B ... einerseits "unstrittig" sei, dass bei einer beidseitigen Ver-sorgung das Richtungshören verbessert werde (vgl. Blatt 90 der Gerichtsakte), führte der Sachverständige in der Zusammenfassung andererseits aus, dass lediglich "möglicherwei-se" eine rechtsseitige Versorgung das Richtungshören und das Hören im Störgeräusch verbessern könne (vgl. Blatt 91 der Gerichtsakte). Nur in dieser Hinsicht würde eine beid-seitige Versorgung die Kommunikation verbessern.
Diese Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit, und sei es lediglich im Bereich des Richtungshörens und des Hörens im Störgeräusch, reicht jedoch für den Behinderungsausgleich aus. Denn physikalisch ist nur das binaurale Hören ein natürliches Hören, weil der Mensch mit 2 Ohren ausgestattet ist. So wie dem Menschen nur durch 2 Augen ein räum-liches Sehen möglich ist, kann der Mensch erst durch ein beidseitiges Hörvermögen den Schall orten, bzw. aus dem Störlärm das für ihn Entscheidende herausfiltern. Wie bereits aus dem Gutachten von Dr. B ... und auch aus den anderen Stellungnahmen und Gutach-ten des MDK hervorgeht, ist der Klägerin erst durch die einseitige Cochlear-Implantat-Versorgung ein befriedigendes Hören überhaupt erst wieder möglich geworden, sodass das ursprüngliche Hörgerät zurückgegeben werden konnte.
Dem kann die Beklagte nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V entge-genhalten. Die Leistungen müssen danach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs-erbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Neuerungen, die nicht ausschließlich die Funktionalität, sondern vorrangig der Bequemlichkeit der Nutzung der Versicherten dienen, sind mithin ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 06.06.2002, Az: B 3 KR 68/01 R).
So lange aber ein Ausgleich der Behinderung im Sinne eines Gleichziehens mit einem ge-sunden Menschen nicht vollständig erreicht ist, darf – wie aufgezeigt - die Versorgung mit einem fortschrittlichen Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstand sei ausreichend (BSG, Urteil vom 16.09.2004, Az: B 3 KR 20/04 R; BSG SozR 4-2500, § 33 Nr. 8; Bayerisches LSG, Urteil vom 08.12.2005, Az: L 4 KR 6/05). Nicht nur das Hören, sondern das beidseitige Hören, gehört zu den Grundbe-dürfnissen, weshalb grundsätzlich eine bilaterale Versorgung notwendig ist; denn der Aus-gleich der Behinderung der beidseits tauben Klägerin wird durch die Versorgung nur eines Ohres nicht vollständig erreicht (so auch: Bayerisches LSG, Urteil vom 08.12.2005, Az: L 4 KR 6/05). Die daraus resultierenden Gebrauchsvorteile führen deshalb nicht zu einem Ausschluss des Anspruchs (so auch: Sozialgericht Köln, a.a.O.). Wirtschaftlichkeitserwä-gungen stehen der Vorsorgung mit dem begehrten Hilfsmittel somit nicht im Wege.
Da der Gebrauchsvorteil des begehrten Hilfsmittels wesentlich von den körperlichen und geistigen Voraussetzungen des Versicherten und seiner persönlichen Lebensgestaltung abhängt, kann nur derjenige die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel beanspruchen, der nach ärztlicher Einschätzung dadurch im Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile hat. Nur dann erweist sich das Hilfsmittel im Einzelfall als "erforderlich" im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V (vgl. BSG, wie vor). Dies ergibt sich hier aus den überzeugenden Ausführungen in dem noch eingeholten Gutachten von Priv.-Doz. Dr. Müller. Da im Gut-achten von Dr. B ... insoweit eigene Messdaten zur Hörfähigkeit der Klägerin mit einem Cochlear-Implantat fehlen, kann die Hörfähigkeit bei einseitiger Cochlear-Implantat-Versorgung links nicht beurteilt werden.
Die Klägerin hat aber durch eine beidohrige Cochlear-Implantat-Versorgung wesentliche Gebrauchsvorteile im täglichen Leben zu gewärtigen: Sie ist dadurch fähig, einen dreidi-mensionalen, akustischen Raumeindruck von der Umgebung zu erhalten. Richtungshören und Seitenzuordnung der Schalleinfallsrichtung sind möglich, denn sie kann eine Schall-quelle bis auf wenige Grad genau im umgebenden Raum lokalisieren. Ihr Sprachverständ-nis im Umgebungslärm wird verbessert ("Cocktailparty-Effekt"), wodurch ihr eine akusti-sche Musteranalyse gestattet ist, d. h. sie vermag die Stimme eines bestimmten Sprechers aus Hintergrundgeräuschen herauszufiltern. Dies führt dazu, dass sie weniger Konzentrati-on und weniger Aufmerksamkeit als bei einem Hören mit nur einem Ohr bedarf. Sie ist dann zu einer binauralen Fusion in der Lage, weil bei einem beidohrigen Hören die Laut-halsempfindung anders ist als bei einer einohrigen Wahrnehmung. Ferner ist ihr ein dichotisches Hören möglich, indem sie unterschiedliche Worte oder Wortbruchstücke, die auf beiden Ohren gleichzeitig gehört werden, vom Gehirn zu bedeutungstragenden Worten verschmolzen werden können (vgl. Blatt 204 der Gerichtsakte). Die Auflösung und Differenzierung feiner Lautstärke- und Frequenzvariationen mit 2 Ohren ist nämlich feiner als nur mit einem Ohr. Deshalb ist bei Schwerhörigen die beidseitige Hörgeräteversorgung als allgemeiner Standard anerkannt. Bei einem Gesunden wird durch das beidohrige Hören die Sprachverständlichkeit um etwa 5 dB verbessert.
Da nach § 33 Abs. 1 Satz 1 die Hilfsmittelversorgung dem Ausgleich der Behinderung zu dienen hat, besteht somit eine medizinische Indikation dafür, dass nur die binaurale Versorgung ausreichend, zweckmäßig und zugleich notwendig ist (so bereits: LSG Nieder-sachsen, Urteil vom 29.10.1980, Az: L 4 Kr 12/80), so dass der Klage stattzugeben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.
Rechtskraft
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