Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KR 223/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
versicherungspflichtige Beschäftigung
Bescheid Einzugsstelle
Anfechtung
Klagefrist
Drittbetroffener
Rentenversicherungsträger
Klagebefugnis
Bescheid Einzugsstelle
Anfechtung
Klagefrist
Drittbetroffener
Rentenversicherungsträger
Klagebefugnis
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitgegenstand wird auf Euro 23.000,00 festgesetzt.
IV. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob K. G. (Beigeladener zu 2) in der Firma Stahlbau Metalltechnik S., Inhaber A. S. (Beigeladener zu 3), seit 21.04.1992 rentenversicherungspflichtig beschäftigt ist.
Der Beigeladene zu 2) ist der Schwiegersohn des Betriebsinhabers A. S ... Innerhalb der Unternehmensstruktur ist er für die Geschäftsbereiche Organisation, Kommunikation, Informatik und Qualitätsmanagement verantwortlich. Die technische Geschäftsleitung im Betrieb obliegt seiner Ehefrau A. S., die kaufmännische Geschäftsleitung liegt in den Händen von S. S ...
Laut Anstellungsvertrag für Angestellte vom 16. November 1998 ist der Beigeladene zu 2) am 21.04.1992 als Angestellter mit dem Aufgabengebiet "Stabsstelle der Geschäftsleitung" (Bereich Organisation, Arbeitssicherheit/Sicherheitsfachkraft, Strahlenschutz/Strah- lenschutzbeauftragter) in die Firma S. eingetreten. Nach den Angaben im "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen" vom 10.08.2002 beträgt das monatliche Bruttoentgelt 3.210,00 Euro, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit wird mit 60 Stunden angegeben. Eine Beteiligung am Einzelunternehmen Stahlbau und Metalltechnik S. liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 08.04.2003 stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag fest, dass das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen zu 2) bei der Fa. A. S. ab 21.04.1992 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung unterliege. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass Herr G. keine weisungsgebundene Tätigkeit ausübe. Aufgrund der fachlichen Qualifikation von Herrn G. sei der Firmeninhaber nicht in der Lage, diesem Weisungen zu erteilen, sodass sich hieraus ein maßgeblicher Einfluss von Herrn G. auf das Unternehmen ergebe. Das Arbeitsverhältnis von Herrn G. im Unternehmen seines Schwiegervaters sei darüber hinaus stark geprägt durch familienhafte Rücksichtnahme und durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber und den anderen Angehörigen. Familiäre Bindungen zum Firmeninhaber und zur Ehefrau A. S. würden die rechtlich bestehende Abhängigkeit von Herrn G. so deutlich überlagern, dass eine abhängige Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ausscheide. Herr G. handele in seinem Geschäftsbereich wie ein selbständiger Unternehmer in seiner eigenen Firma. Das Arbeitsverhältnis unterliege deshalb ab 21.04.1992 nicht der Sozialversicherungspflicht.
Der Bescheid wurde sowohl an den Arbeitgeber des Beigeladenen zu 2) als auch an die (damalige) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übersandt. Von der BfA wurden daraufhin mit Bescheid vom 21.08.2003 die Beiträge beanstandet und die im Zeitraum 21.04.1992 bis 30.04.2003 gezahlten Beiträge in Höhe von jeweils 37.919,25 Euro an den Versicherten und den Arbeitgeber erstattet. Die AOK Bayern hat sich mit Schreiben vom 24.04.2003 der Entscheidung der Beklagten angeschlossen.
Sowohl gegenüber S. S. als auch gegenüber A. S. stellte die beklagte Krankenkasse mit weiteren Bescheiden vom 08.04.2003 fest, dass sie nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen. Diese Bescheide sind nicht Gegenstand des Verfahrens.
Im Rahmen der mit Prüfmitteilung vom 28.11.2006 abgeschlossenen Einzugsstellenprüfung gemäß § 28q Abs.1 SGB IV gelangte die Klägerin zu der Auffassung, dass die im Statusfeststellungsbescheid vom 08.04.2003 getroffene Entscheidung bezüglich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 2) nicht zutreffend sei. Die Beklagte widersprach dieser Auffassung und lehnte eine erneute Überprüfung der getroffenen Feststellung ab.
Am 30.08.2007 erhob die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd wegen des Versicherungsverhältnisses des Beigeladenen zu 2) Klage zum Sozialgericht Landshut und führte zur Begründung u.a. aus: Herr G. trage kein Unternehmerrisiko, da der Erfolg der eingesetzten Arbeitskraft nicht ungewiss sei. Das seit Jahren regelmäßig monatlich gezahlte Arbeitsentgelt stelle auch einen angemessenen Gegenwert für die erbrachte Arbeitsleistung dar. Herr G. sei in dem Betrieb des Schwiegervaters eingegliedert: Ihm sei ein fest abgegrenzter Aufgabenbereich zugeteilt worden, er habe Anspruch auf Entgeltfortzahlung und er besitze einen Urlaubsanspruch von jährlich 30 Tagen, den er zudem den betrieblichen Erfordernissen anzupassen habe. Laut den eigenen Angaben sei Herr G. in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert. Die Verbuchung des gezahlten Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe und die Entrichtung von Lohnsteuer seien ebenfalls als Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu werten. Ein Beschäftigungsverhältnis werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass das bestehende Weisungsrecht aufgrund der familiären Bindungen zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn nur eingeschränkt ausgeübt werde. Gemäß § 5 des Anstellungsvertrages unterliege Herr G. dem Weisungsrecht des Inhabers und habe sich an die von ihm erlassenen Richtlinien zu halten. Die Tatsache, dass Herr A. S. die technische und kaufmännische Leitung seiner Firma aus gesundheitlichen Gründen auf seine seit 1999 generalbevollmächtigten Töchter S. und A. S. übertragen habe, stehe dem nicht entgegen, zumal die Ehefrau von Herrn A. S., Frau G. S., ebenfalls – und vor den Töchtern vorrangig – generalbevollmächtigt sei. Die Mitwirkung an der Betriebsführung aufgrund besonderer Fachkenntnisse könne durchaus gegeben sein, dies schließe allerdings ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Schwiegersohnes nicht aus. Es sei durchaus üblich, dass sich ein Arbeitgeber eines Fachmannes bediene und diesen eigens für einen bestimmten Aufgabenbereich einstelle.
Rechtsgrundlage für die Anfechtungsklage sei § 49 SGB X iVm § 45 SGB X. Nach der gesetzlichen Regelungssystematik binde die Entscheidung der Beklagten die Rentenversicherungsträger nicht. Die Klägerin habe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 01.01.1999 – Az.: B 12 KR 2/99 R) auch ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis, da ihre Leistungen wesentlich von der Beitragsentrichtung abhängen und durch etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht gesichert werden können.
In ihrer Klageerwiderung vom 11.10.2007 machte die Beklagte geltend, die Beurteilung für Herrn G. dürfe nicht isoliert betrachtet werden, da es sich bei ihm um den Schwiegersohn des Betriebsinhabers handle. Gemäß den vorherrschenden tatsächlichen Verhältnissen in der Firma S. liege hier eine "Unterordnung unter das Weisungsrecht" bei keinem der drei zu beurteilenden Angehörigen vor. Vielmehr seien – bedingt durch den sukzessiven Rückzugs des Vaters aus dem Unternehmen – die jeweiligen Geschäftsbereiche bereits frühzeitig innerhalb der Familie auf die Geschwister "aufgeteilt" worden. In Anbetracht der genannten Umstände fehle es bei der Tätigkeit des Herrn G. an dem für das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses unabdingbaren Interessengegensatz zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Mit Schriftsatz vom 27.11.2007 wies die Klägerin ergänzend darauf hin, dass sie sich hinsichtlich der beiden Töchter des Betriebsinhabers A. und S. S. der Auffassung der Beklagten anschließe. Im Gegensatz zu diesen sei Herrn G. keine Generalvollmacht erteilt worden. Bei entsprechendem Willen des Betriebsinhabers, auch seinen Schwiegersohn an der Führung seines Unternehmens zu beteiligen, wäre dies jedoch sicherlich auch geschehen.
Mit Schriftsatz vom 27.02.2008 nahm der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) und 3) im Wesentlichen wie folgt Stellung: Die Klägerin sei zur Erhebung der Anfechtungsklage nicht befugt. Ihr fehle die erforderliche Klagebefugnis, da sie nicht beschwert und durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt sei. Die Klägerin sei nicht der zuständige Rentenversicherungsträger für den Beigeladenen zu 2) und folglich nicht Drittbetroffener im Sinne des § 49 SGB X. Das Versicherungskonto des Beigeladenen zu 2) sei von der Deutschen Rentenversicherung Bund (früher: BfA) geführt worden. Selbst wenn die Klägerin dem Grunde nach beschwert sein sollte, sei der von ihr gestellte Klageantrag im Wesentlichen unzulässig. Nach dem Urteil des BSG vom 01.07.1999 (B 12 KR 2/99) bestehe eine Beschwer und damit ein Klagebefugnis nur für den eigenen Versicherungszweig, d.h. vorliegend für die Klägerin nur für den Zweig der Rentenversicherung. Die Klägerin begehre aber augenscheinlich auch die Aufhebung des Bescheides hinsichtlich der Feststellungen zu den übrigen Versicherungszweigen. Selbst wenn man – hypothetisch – von einer Klagebefugnis zumindest für den Versicherungszweig der Rentenversicherung ausgehe, habe die Klägerin jedenfalls die Klagefrist nicht eingehalten. Eine Klagebefugnis könne nur angenommen werden, wenn eine Trennung zwischen den einzelnen Rentenversicherungsträgern nicht vollzogen werde. Dann sei der Klägerin aber auch der Zugang des streitgegenständlichen Bescheides bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA – heute DRV Bund) zuzurechnen. Da die BfA am 21.08.2003 einen sogenannten Beanstandungsbescheid erlassen und sich dabei auf den Bescheid der Beklagten bezogen habe, müsse daher dem Rentenversicherungsträger dieser Bescheid spätestens am 21.08.2003 zugegangen und damit bekannt gegeben worden sein. Die Klagefrist sei gemäß § 87 Abs.1 Satz 1 SGG mit Ablauf des 22.09.2003 und gemäß § 66 Abs.2 SGG jedenfalls mit Ablauf des 23.08.2004 fruchtlos verstrichen.
Die Klage sei auch unbegründet. Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 2) nicht sozialversicherungspflichtig sei. Wegen der weiteren Ausführungen des Bevollmächtigten wird auf dessen Schriftsatz vom 27.02.2008 Bezug genommen.
Nach Auffassung der Klägerin im Schriftsatz vom 02. Juli 2008 ist die eingelegte Anfechtungsklage gemäß § 49 SGB X nicht wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Der Bescheid der Beklagten sei der Klägerin erst im Rahmen der am 28.11.2006 abgeschlossenen Einzugsstellenprüfung bekannt geworden. Durch die am 29.08.2007 erhobene Klage sei die Jahresfrist des § 66 Abs.2 SGG demnach gewahrt. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten sei ihr auch eine angeblich bestehende "Kenntnis" der Deutschen Rentenversicherung Bund nicht zurechenbar. Im vorliegenden Fall sei die Deutsche Rentenversicherung Bund der kontoführende Rentenversicherungsträger gewesen und als solcher für die Erstattung der beanstandeten Sozialversicherungsbeiträge zuständig. Diesem seien lediglich der Statusfeststellungsbescheid und der Erstattungsantrag vorgelegt worden. Rechtliche Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seitens der Krankenkasse, die zu einer Überprüfung hätten führen können oder müssen, seien nicht erkennbar gewesen. Gehe man davon aus, dass sich die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd die Kenntnis der Deutschen Rentenversicherung Bund (als Einheit der deutschen Rentenversicherung) zurechnen lassen müsse, müsse die Frage geklärt werden, ob die Deutsche Rentenversicherung Bund wirklich Kenntnis im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 25.01.1994 – 7 Ar 14/93 – gehabt habe. Ein "Kennen müssen" der Behörde reiche grundsätzlich nicht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte der Vertreter der Klägerin den Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 08.04.2003 aufzuheben, soweit er die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 2) in der gesetzlichen Rentenversicherung feststellt. Hilfsweise beantragte er, die Sprungrevision zuzulassen.
Der Vertreter der Beklagten stellte den Antrag, die Klage abzuweisen.
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) und 3) stellte den Antrag, die Klage abzuweisen.
Der Beklagtenvertreter und der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) und 3) erklären mit der Zulassung der Sprungrevision ihr Einverständnis.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Klägerin und der Beklagten, auf die zwischen den Beteiligten im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht zulässig.
Die Klägerin ist zwar klagebefugt, da sie als Rentenversicherungsträger durch den Feststellungsbescheid der Beklagten vom 08.04.2003 beschwert ist (§ 54 Abs.1 Satz 2, Abs.2 Satz 1 SGG; BSG, Urteil vom 01.07.1999 – B 12 KR 2/99 R).
Die Klage ist jedoch nicht rechtzeitig erhoben worden.
Der Bescheid enthält eine Rechtsmittelbelehrung dahingehend, dass innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch erhoben werden kann. Diese Rechtsmittelbelehrung ist zwar für die Adressaten des Bescheides K. G. und Stahlbau Metalltechnik S. zutreffend, bezogen auf den Rentenversicherungsträger ist diese Belehrung jedoch falsch (vgl. § 78 Abs.1 Satz 2 SGG).
Nachdem eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung gegenüber dem Rentenversicherungsträger nicht erfolgt ist, gilt die Jahresfrist des § 66 Abs.2 SGG. Diese Frist, die auch für die Einhaltung der Fristen durch Versicherungsträger gegenüber der Einzugsstelle gilt (vgl. BSG, a.a.O.), wurde vorliegend nicht eingehalten. Eine materielle Überprüfung der von der Beklagten getroffenen Entscheidung ist der Kammer daher verwehrt. Die Vorschrift des § 49 SGB X, die in Fällen der vorliegenden Art eine erleichterte Korrektur rechtswidriger Verwaltungsakte ermöglicht, führt zu keinem anderen Ergebnis. § 49 gilt nur bei zulässiger, insbesondere fristgemäßer Anfechtung des Bescheides durch den Drittbetroffenen. Eine solche liegt hier gerade nicht vor.
Zwar kann unterstellt werden, dass der Bescheid vom 08.04.2003 der Klägerin erst im Rahmen der am 28.11.2006 abgeschlossenen Einzugsstellenprüfung gemäß § 28q SGB IV bekannt wurde. Nach Überzeugung der Kammer ist der Zugang des Bescheides an die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) jedoch ausreichend, um die Jahresfrist des § 66 Abs.2 SGG auszulösen. Die Bundesversicherungsanstalt war der für den Beigeladenen zu 2) zuständige Träger der Rentenversicherung. Ihr gegenüber wurde der Statusfeststellungsbescheid bekannt gegeben. Diesen Zugang muss sich die Klägerin als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. § 125 SGB VI) zurechnen lassen. Die (damalige) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hätte als drittbetroffener Versicherungsträger das Recht gehabt, den Statusfeststellungsbescheid der Beklagten einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls Anfechtungsklage zu erheben. Ob eine solche Überprüfung stattgefunden hat, kann dahingestellt bleiben: Tatsache ist, dass die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Beiträge beanstandet und dem Antrag auf Erstattung der Beiträge stattgegeben hat. Inwieweit die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Kenntnis von den maßgebenden Umständen hatte, ist für die Frage der Rechtsmittelfrist ohne Belang. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Vorschrift des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X (Urteil vom 25.01.1994 – 7 Ar 14/93) ist vorliegend nicht anwendbar. Der Beginn einer Rechtsmittelfrist knüpft an die Zustellung bzw. Bekanntgabe des Bescheides an, ob der Adressat des Bescheides vom Inhalt dieses Bescheides Kenntnis nimmt, spielt hierbei keine Rolle. Demgegenüber setzt § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X ausdrücklich die "Kenntnis der Tatsachen , welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen", voraus. Im Übrigen hätte die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sich nicht mit dem übersandten Bescheid und dem Erstattungsantrag zufrieden geben müssen. Sie hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, vor der Beitragserstattung nach § 26 SGB IV zu prüfen, ob tatsächlich die Voraussetzungen für eine selbständige Tätigkeit gegeben sind. Falls dies nicht geschehen sein sollte (wo von nach dem vorliegenden Akteninhalt auszugehen ist), kann die Klägerin hieraus keine Rechte ableiten.
Nachdem der Statusfeststellungsbescheid vom 08.04.2003 somit bestandskräftig geworden ist, ist der Kammer im vorliegenden Verfahren eine materielle Überprüfung verwehrt.
Die Klage war daher abzuweisen.
Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 23.000,00 Euro (3.210,00 Euro x 36 x 20 %).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG iVm § 162 Abs.3 VwGO). Hierzu bestand nach Auffassung der Kammer keine Veranlassung. Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung folgt aus § 1 Ziff.4 und § 52 Abs.1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). In Statusfeststellungsverfahren richtet sich der Streitwert grundsätzlich nach dem dreifachen Wert der jährlichen Gesamtsozialversicherungsbeiträge, wobei im Zweifel pauschalierend nur der Anteil der Arbeitgeberbeiträge zugrunde zu legen ist (LSG Essen, Beschluss vom 06.11.2007 – L 16 B 3/07 R).
Nachdem bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob sich der nach § 28q SGB IV prüfende Rentenversicherungsträger die Bekanntgabe des Statusfeststellungsbescheides an den kontoführenden Rentenversicherungsträger im Rahmen der §§ 66 und 87 SGG zurechnen lassen muss, hat die Kammer die Sprungrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitgegenstand wird auf Euro 23.000,00 festgesetzt.
IV. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob K. G. (Beigeladener zu 2) in der Firma Stahlbau Metalltechnik S., Inhaber A. S. (Beigeladener zu 3), seit 21.04.1992 rentenversicherungspflichtig beschäftigt ist.
Der Beigeladene zu 2) ist der Schwiegersohn des Betriebsinhabers A. S ... Innerhalb der Unternehmensstruktur ist er für die Geschäftsbereiche Organisation, Kommunikation, Informatik und Qualitätsmanagement verantwortlich. Die technische Geschäftsleitung im Betrieb obliegt seiner Ehefrau A. S., die kaufmännische Geschäftsleitung liegt in den Händen von S. S ...
Laut Anstellungsvertrag für Angestellte vom 16. November 1998 ist der Beigeladene zu 2) am 21.04.1992 als Angestellter mit dem Aufgabengebiet "Stabsstelle der Geschäftsleitung" (Bereich Organisation, Arbeitssicherheit/Sicherheitsfachkraft, Strahlenschutz/Strah- lenschutzbeauftragter) in die Firma S. eingetreten. Nach den Angaben im "Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen" vom 10.08.2002 beträgt das monatliche Bruttoentgelt 3.210,00 Euro, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit wird mit 60 Stunden angegeben. Eine Beteiligung am Einzelunternehmen Stahlbau und Metalltechnik S. liege nicht vor.
Mit Bescheid vom 08.04.2003 stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag fest, dass das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen zu 2) bei der Fa. A. S. ab 21.04.1992 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung unterliege. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass Herr G. keine weisungsgebundene Tätigkeit ausübe. Aufgrund der fachlichen Qualifikation von Herrn G. sei der Firmeninhaber nicht in der Lage, diesem Weisungen zu erteilen, sodass sich hieraus ein maßgeblicher Einfluss von Herrn G. auf das Unternehmen ergebe. Das Arbeitsverhältnis von Herrn G. im Unternehmen seines Schwiegervaters sei darüber hinaus stark geprägt durch familienhafte Rücksichtnahme und durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber und den anderen Angehörigen. Familiäre Bindungen zum Firmeninhaber und zur Ehefrau A. S. würden die rechtlich bestehende Abhängigkeit von Herrn G. so deutlich überlagern, dass eine abhängige Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ausscheide. Herr G. handele in seinem Geschäftsbereich wie ein selbständiger Unternehmer in seiner eigenen Firma. Das Arbeitsverhältnis unterliege deshalb ab 21.04.1992 nicht der Sozialversicherungspflicht.
Der Bescheid wurde sowohl an den Arbeitgeber des Beigeladenen zu 2) als auch an die (damalige) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übersandt. Von der BfA wurden daraufhin mit Bescheid vom 21.08.2003 die Beiträge beanstandet und die im Zeitraum 21.04.1992 bis 30.04.2003 gezahlten Beiträge in Höhe von jeweils 37.919,25 Euro an den Versicherten und den Arbeitgeber erstattet. Die AOK Bayern hat sich mit Schreiben vom 24.04.2003 der Entscheidung der Beklagten angeschlossen.
Sowohl gegenüber S. S. als auch gegenüber A. S. stellte die beklagte Krankenkasse mit weiteren Bescheiden vom 08.04.2003 fest, dass sie nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen. Diese Bescheide sind nicht Gegenstand des Verfahrens.
Im Rahmen der mit Prüfmitteilung vom 28.11.2006 abgeschlossenen Einzugsstellenprüfung gemäß § 28q Abs.1 SGB IV gelangte die Klägerin zu der Auffassung, dass die im Statusfeststellungsbescheid vom 08.04.2003 getroffene Entscheidung bezüglich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 2) nicht zutreffend sei. Die Beklagte widersprach dieser Auffassung und lehnte eine erneute Überprüfung der getroffenen Feststellung ab.
Am 30.08.2007 erhob die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd wegen des Versicherungsverhältnisses des Beigeladenen zu 2) Klage zum Sozialgericht Landshut und führte zur Begründung u.a. aus: Herr G. trage kein Unternehmerrisiko, da der Erfolg der eingesetzten Arbeitskraft nicht ungewiss sei. Das seit Jahren regelmäßig monatlich gezahlte Arbeitsentgelt stelle auch einen angemessenen Gegenwert für die erbrachte Arbeitsleistung dar. Herr G. sei in dem Betrieb des Schwiegervaters eingegliedert: Ihm sei ein fest abgegrenzter Aufgabenbereich zugeteilt worden, er habe Anspruch auf Entgeltfortzahlung und er besitze einen Urlaubsanspruch von jährlich 30 Tagen, den er zudem den betrieblichen Erfordernissen anzupassen habe. Laut den eigenen Angaben sei Herr G. in den Betrieb wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert. Die Verbuchung des gezahlten Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe und die Entrichtung von Lohnsteuer seien ebenfalls als Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu werten. Ein Beschäftigungsverhältnis werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass das bestehende Weisungsrecht aufgrund der familiären Bindungen zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn nur eingeschränkt ausgeübt werde. Gemäß § 5 des Anstellungsvertrages unterliege Herr G. dem Weisungsrecht des Inhabers und habe sich an die von ihm erlassenen Richtlinien zu halten. Die Tatsache, dass Herr A. S. die technische und kaufmännische Leitung seiner Firma aus gesundheitlichen Gründen auf seine seit 1999 generalbevollmächtigten Töchter S. und A. S. übertragen habe, stehe dem nicht entgegen, zumal die Ehefrau von Herrn A. S., Frau G. S., ebenfalls – und vor den Töchtern vorrangig – generalbevollmächtigt sei. Die Mitwirkung an der Betriebsführung aufgrund besonderer Fachkenntnisse könne durchaus gegeben sein, dies schließe allerdings ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Schwiegersohnes nicht aus. Es sei durchaus üblich, dass sich ein Arbeitgeber eines Fachmannes bediene und diesen eigens für einen bestimmten Aufgabenbereich einstelle.
Rechtsgrundlage für die Anfechtungsklage sei § 49 SGB X iVm § 45 SGB X. Nach der gesetzlichen Regelungssystematik binde die Entscheidung der Beklagten die Rentenversicherungsträger nicht. Die Klägerin habe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 01.01.1999 – Az.: B 12 KR 2/99 R) auch ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis, da ihre Leistungen wesentlich von der Beitragsentrichtung abhängen und durch etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht gesichert werden können.
In ihrer Klageerwiderung vom 11.10.2007 machte die Beklagte geltend, die Beurteilung für Herrn G. dürfe nicht isoliert betrachtet werden, da es sich bei ihm um den Schwiegersohn des Betriebsinhabers handle. Gemäß den vorherrschenden tatsächlichen Verhältnissen in der Firma S. liege hier eine "Unterordnung unter das Weisungsrecht" bei keinem der drei zu beurteilenden Angehörigen vor. Vielmehr seien – bedingt durch den sukzessiven Rückzugs des Vaters aus dem Unternehmen – die jeweiligen Geschäftsbereiche bereits frühzeitig innerhalb der Familie auf die Geschwister "aufgeteilt" worden. In Anbetracht der genannten Umstände fehle es bei der Tätigkeit des Herrn G. an dem für das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses unabdingbaren Interessengegensatz zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Mit Schriftsatz vom 27.11.2007 wies die Klägerin ergänzend darauf hin, dass sie sich hinsichtlich der beiden Töchter des Betriebsinhabers A. und S. S. der Auffassung der Beklagten anschließe. Im Gegensatz zu diesen sei Herrn G. keine Generalvollmacht erteilt worden. Bei entsprechendem Willen des Betriebsinhabers, auch seinen Schwiegersohn an der Führung seines Unternehmens zu beteiligen, wäre dies jedoch sicherlich auch geschehen.
Mit Schriftsatz vom 27.02.2008 nahm der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) und 3) im Wesentlichen wie folgt Stellung: Die Klägerin sei zur Erhebung der Anfechtungsklage nicht befugt. Ihr fehle die erforderliche Klagebefugnis, da sie nicht beschwert und durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt sei. Die Klägerin sei nicht der zuständige Rentenversicherungsträger für den Beigeladenen zu 2) und folglich nicht Drittbetroffener im Sinne des § 49 SGB X. Das Versicherungskonto des Beigeladenen zu 2) sei von der Deutschen Rentenversicherung Bund (früher: BfA) geführt worden. Selbst wenn die Klägerin dem Grunde nach beschwert sein sollte, sei der von ihr gestellte Klageantrag im Wesentlichen unzulässig. Nach dem Urteil des BSG vom 01.07.1999 (B 12 KR 2/99) bestehe eine Beschwer und damit ein Klagebefugnis nur für den eigenen Versicherungszweig, d.h. vorliegend für die Klägerin nur für den Zweig der Rentenversicherung. Die Klägerin begehre aber augenscheinlich auch die Aufhebung des Bescheides hinsichtlich der Feststellungen zu den übrigen Versicherungszweigen. Selbst wenn man – hypothetisch – von einer Klagebefugnis zumindest für den Versicherungszweig der Rentenversicherung ausgehe, habe die Klägerin jedenfalls die Klagefrist nicht eingehalten. Eine Klagebefugnis könne nur angenommen werden, wenn eine Trennung zwischen den einzelnen Rentenversicherungsträgern nicht vollzogen werde. Dann sei der Klägerin aber auch der Zugang des streitgegenständlichen Bescheides bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA – heute DRV Bund) zuzurechnen. Da die BfA am 21.08.2003 einen sogenannten Beanstandungsbescheid erlassen und sich dabei auf den Bescheid der Beklagten bezogen habe, müsse daher dem Rentenversicherungsträger dieser Bescheid spätestens am 21.08.2003 zugegangen und damit bekannt gegeben worden sein. Die Klagefrist sei gemäß § 87 Abs.1 Satz 1 SGG mit Ablauf des 22.09.2003 und gemäß § 66 Abs.2 SGG jedenfalls mit Ablauf des 23.08.2004 fruchtlos verstrichen.
Die Klage sei auch unbegründet. Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene zu 2) nicht sozialversicherungspflichtig sei. Wegen der weiteren Ausführungen des Bevollmächtigten wird auf dessen Schriftsatz vom 27.02.2008 Bezug genommen.
Nach Auffassung der Klägerin im Schriftsatz vom 02. Juli 2008 ist die eingelegte Anfechtungsklage gemäß § 49 SGB X nicht wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig. Der Bescheid der Beklagten sei der Klägerin erst im Rahmen der am 28.11.2006 abgeschlossenen Einzugsstellenprüfung bekannt geworden. Durch die am 29.08.2007 erhobene Klage sei die Jahresfrist des § 66 Abs.2 SGG demnach gewahrt. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten sei ihr auch eine angeblich bestehende "Kenntnis" der Deutschen Rentenversicherung Bund nicht zurechenbar. Im vorliegenden Fall sei die Deutsche Rentenversicherung Bund der kontoführende Rentenversicherungsträger gewesen und als solcher für die Erstattung der beanstandeten Sozialversicherungsbeiträge zuständig. Diesem seien lediglich der Statusfeststellungsbescheid und der Erstattungsantrag vorgelegt worden. Rechtliche Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seitens der Krankenkasse, die zu einer Überprüfung hätten führen können oder müssen, seien nicht erkennbar gewesen. Gehe man davon aus, dass sich die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd die Kenntnis der Deutschen Rentenversicherung Bund (als Einheit der deutschen Rentenversicherung) zurechnen lassen müsse, müsse die Frage geklärt werden, ob die Deutsche Rentenversicherung Bund wirklich Kenntnis im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 25.01.1994 – 7 Ar 14/93 – gehabt habe. Ein "Kennen müssen" der Behörde reiche grundsätzlich nicht.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte der Vertreter der Klägerin den Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 08.04.2003 aufzuheben, soweit er die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 2) in der gesetzlichen Rentenversicherung feststellt. Hilfsweise beantragte er, die Sprungrevision zuzulassen.
Der Vertreter der Beklagten stellte den Antrag, die Klage abzuweisen.
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) und 3) stellte den Antrag, die Klage abzuweisen.
Der Beklagtenvertreter und der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) und 3) erklären mit der Zulassung der Sprungrevision ihr Einverständnis.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Klägerin und der Beklagten, auf die zwischen den Beteiligten im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht zulässig.
Die Klägerin ist zwar klagebefugt, da sie als Rentenversicherungsträger durch den Feststellungsbescheid der Beklagten vom 08.04.2003 beschwert ist (§ 54 Abs.1 Satz 2, Abs.2 Satz 1 SGG; BSG, Urteil vom 01.07.1999 – B 12 KR 2/99 R).
Die Klage ist jedoch nicht rechtzeitig erhoben worden.
Der Bescheid enthält eine Rechtsmittelbelehrung dahingehend, dass innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch erhoben werden kann. Diese Rechtsmittelbelehrung ist zwar für die Adressaten des Bescheides K. G. und Stahlbau Metalltechnik S. zutreffend, bezogen auf den Rentenversicherungsträger ist diese Belehrung jedoch falsch (vgl. § 78 Abs.1 Satz 2 SGG).
Nachdem eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung gegenüber dem Rentenversicherungsträger nicht erfolgt ist, gilt die Jahresfrist des § 66 Abs.2 SGG. Diese Frist, die auch für die Einhaltung der Fristen durch Versicherungsträger gegenüber der Einzugsstelle gilt (vgl. BSG, a.a.O.), wurde vorliegend nicht eingehalten. Eine materielle Überprüfung der von der Beklagten getroffenen Entscheidung ist der Kammer daher verwehrt. Die Vorschrift des § 49 SGB X, die in Fällen der vorliegenden Art eine erleichterte Korrektur rechtswidriger Verwaltungsakte ermöglicht, führt zu keinem anderen Ergebnis. § 49 gilt nur bei zulässiger, insbesondere fristgemäßer Anfechtung des Bescheides durch den Drittbetroffenen. Eine solche liegt hier gerade nicht vor.
Zwar kann unterstellt werden, dass der Bescheid vom 08.04.2003 der Klägerin erst im Rahmen der am 28.11.2006 abgeschlossenen Einzugsstellenprüfung gemäß § 28q SGB IV bekannt wurde. Nach Überzeugung der Kammer ist der Zugang des Bescheides an die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) jedoch ausreichend, um die Jahresfrist des § 66 Abs.2 SGG auszulösen. Die Bundesversicherungsanstalt war der für den Beigeladenen zu 2) zuständige Träger der Rentenversicherung. Ihr gegenüber wurde der Statusfeststellungsbescheid bekannt gegeben. Diesen Zugang muss sich die Klägerin als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. § 125 SGB VI) zurechnen lassen. Die (damalige) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hätte als drittbetroffener Versicherungsträger das Recht gehabt, den Statusfeststellungsbescheid der Beklagten einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls Anfechtungsklage zu erheben. Ob eine solche Überprüfung stattgefunden hat, kann dahingestellt bleiben: Tatsache ist, dass die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Beiträge beanstandet und dem Antrag auf Erstattung der Beiträge stattgegeben hat. Inwieweit die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Kenntnis von den maßgebenden Umständen hatte, ist für die Frage der Rechtsmittelfrist ohne Belang. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Vorschrift des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X (Urteil vom 25.01.1994 – 7 Ar 14/93) ist vorliegend nicht anwendbar. Der Beginn einer Rechtsmittelfrist knüpft an die Zustellung bzw. Bekanntgabe des Bescheides an, ob der Adressat des Bescheides vom Inhalt dieses Bescheides Kenntnis nimmt, spielt hierbei keine Rolle. Demgegenüber setzt § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X ausdrücklich die "Kenntnis der Tatsachen , welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen", voraus. Im Übrigen hätte die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sich nicht mit dem übersandten Bescheid und dem Erstattungsantrag zufrieden geben müssen. Sie hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, vor der Beitragserstattung nach § 26 SGB IV zu prüfen, ob tatsächlich die Voraussetzungen für eine selbständige Tätigkeit gegeben sind. Falls dies nicht geschehen sein sollte (wo von nach dem vorliegenden Akteninhalt auszugehen ist), kann die Klägerin hieraus keine Rechte ableiten.
Nachdem der Statusfeststellungsbescheid vom 08.04.2003 somit bestandskräftig geworden ist, ist der Kammer im vorliegenden Verfahren eine materielle Überprüfung verwehrt.
Die Klage war daher abzuweisen.
Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 23.000,00 Euro (3.210,00 Euro x 36 x 20 %).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG iVm § 162 Abs.3 VwGO). Hierzu bestand nach Auffassung der Kammer keine Veranlassung. Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung folgt aus § 1 Ziff.4 und § 52 Abs.1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). In Statusfeststellungsverfahren richtet sich der Streitwert grundsätzlich nach dem dreifachen Wert der jährlichen Gesamtsozialversicherungsbeiträge, wobei im Zweifel pauschalierend nur der Anteil der Arbeitgeberbeiträge zugrunde zu legen ist (LSG Essen, Beschluss vom 06.11.2007 – L 16 B 3/07 R).
Nachdem bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob sich der nach § 28q SGB IV prüfende Rentenversicherungsträger die Bekanntgabe des Statusfeststellungsbescheides an den kontoführenden Rentenversicherungsträger im Rahmen der §§ 66 und 87 SGG zurechnen lassen muss, hat die Kammer die Sprungrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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