Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 145/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beitragspflicht eines eingetragenen nicht wirtschaftlichen Vereins der jährlich ein Open-Air veranstaltet nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG als ein sonstiges Unternehmen
I. Der Bescheid vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 - Az.: 84 110030 X 002 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist die grundsätzliche Abgabepflicht des Klägers bei der Beklagten zur Künstlersozialabgabe nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).
1.
Der Kläger ist ein eingetragener nicht wirtschaftlicher Verein der seit 1979 ein Open-Air-Konzert veranstaltet. Dieses einmal jährlich stattfindende Open-Air-Konzert ist eine zweitägige Veranstaltung bei der 10 bis 15 Musikbands pro Konzert gegen Entgelt auftreten. Der Kläger erhebt für diese Veranstaltung von den Besuchern Eintrittsgelder.
2.
Zur Beurteilung der grundsätzlichen Abgabepflicht des Klägers wurden der Fragebogen zur Prüfung der Abgabepflicht nach dem KSVG, ein Vereinsregisterauszug des Amtsgerichts Landau a. d. Isar VR 315, die Satzung des Klägers und ein Ausdruck der Internetseite des Klägers vorgelegt.
Mit Bescheid vom 12.12.2006 stellte die Beklagte die grundsätzliche Abgabepflicht des Klägers fest. Der Kläger betreibe ein abgabepflichtiges Unternehmen, dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet sei, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen.
3.
Mit Schreiben vom 03.01.2007 legte der Kläger Widerspruch ein. Gemäß der Vereinssatzung habe der Kläger den wesentlichen Zweck, das gesellschaftliche und kulturelle Leben in W. mitzugestalten und vor allem die jüngere Generation für dieses Anliegen zu gewinnen. Der Vereinszweck werde laut Satzung durch folgende Maßnahmen erreicht: Durchführung von kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen jeglicher Art, Teilnahme an Veranstaltungen anderer Vereine und Gruppen sowie an Freizeitsportveranstaltungen, Abhaltung von Versammlungen und Vorträgen, Veranstaltung von Gesellschaftsabenden und Vereinsausflügen sowie Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Gruppen.
Im Widerspruchsverfahren wurden zur streitgegenständlichen Frage der grundsätzlichen Abgabepflicht des Klägers ergänzende Unterlagen vom Kläger nicht vorgelegt und von der Beklagten nicht gefordert. Der Kläger ist der Entgeltmeldung der Honorare und der Zahlung der Künstlersozialabgabe gegenüber der Beklagten für die Jahre ab 2001 fortlaufend nachgekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Feststellung der grundsätzlichen Abgabepflicht als sonstiger Veranstalter sei nicht zu beanstanden. Maßgeblich für diese Entscheidung sei zunächst die Tatsache, dass der Kläger bereits seit 30 Jahren ein zweitägiges Open-Air-Konzert unter Beauftragung selbständig tätiger Musiker durchführe und im Rahmen dieser Veranstaltung Eintrittsgelder erhebe. Ein weiteres Indiz für das Vorliegen des wesentlichen Zwecks im Bereich der Darbietung künstlerischer Werke bzw. Leistungen ergebe sich aus der Tatsache, dass es ausweislich der vorgelegten Satzung ein wesentlicher Zweck des Vereins sei, für die Durchführung kultureller und gesellschaftlicher Veranstaltungen jeglicher Art zu sorgen, sodass zumindest ein wesentlicher Zweck des Vereins darin zu sehen sei, im Rahmen des Open-Air-Konzertes für die Aufführung bzw. Darbietung künstlerischer Werke bzw. Leistungen zu sorgen.
4.
Gegen den Bescheid vom 12.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 hat der Kläger am 19.06.2007 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben. Der Kläger sei kein sonstiges Unternehmen im Sinne des KSVG. Das Bundesverfassungsgericht habe zum sonstigen Unternehmen i. S. d. KSVG den Begriff des "professionellen Vermarkters" geprägt. Die Professionalität sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet durch die Nachhaltigkeit mit der die Betroffenen Künstler beauftragen und Konzerte veranstalten. An dieser Nachhaltigkeit fehle es im vorliegenden Fall, da der Kläger nur einmal pro Jahr ein Open-Air-Konzert veranstaltet. Angesichts dieses einmal im Jahr stattfindenden Ereignisses und der damit verbundenen geringfügigen professionellen Vermarktung sei der Begriff des Unternehmens nicht auf den Kläger anzuwenden. Die Durchführung kultureller und gesellschaftlicher Veranstaltungen sei auch nicht der wesentliche Zweck des Klägers. Wäre dies der Fall, so müsste die Tätigkeit des Klägers im Wesentlichen darauf ausgelegt sein, die einmal im Jahr stattfindende Open-Air-Veranstaltung auszurichten und zu organisieren. Richtig sei zwar, dass die Planung und Durchführung einer derartigen Veranstaltung mit einem gewissen Arbeits- und Organisationsaufwand verbunden sei, dies stellte jedoch nicht den wesentlichen Zweck des Klägers dar. Zum einen sei aus der Satzung ersichtlich, dass sich der Kläger fünf verschiedene Zwecke gesetzt habe und die Open-Air-Veranstaltung stelle nur einen Teil eines dieser Zwecke dar, nämlich die Durchführung von kulturellen Veranstaltungen. Zum anderen führe der Kläger weitere Veranstaltungen durch, die ebenfalls einen gewissen Organisationsbedarf nach sich ziehen und alljährlich veranstaltet werden. Anzusprechen sei in diesem Zusammenhang das alljährliche Dorffest, die Vatertagsfeier, die Weihnachtsfeier, der jährliche Vereinsausflug, das Aufstellen des Maibaumes sowie mehrere Ausflüge zu größeren gesellschaftlichen Veranstaltungen. Der Kläger spiegle damit in seinen Tätigkeiten und seinen Zwecken einen typischen Verein wider, der es sich zur Aufgabe gemacht habe, das gesellschaftliche und kulturelle Leben mit zu gestalten. Dieser Aufgabe werde der Kläger durch die verschiedensten Maßnahmen gerecht unter anderem in der Veranstaltung des Open-Air-Festivals einmal im Jahr. Ein wesentlicher Zweck des Klägers könne aber deshalb in dieser Veranstaltung nicht gesehen werden. Vom Kläger werden mangelnde Ermittlungen der Beklagten gerügt, inwieweit der Kläger den weiteren Vereinszwecken nachgeht bzw. sich das Vereinsleben des Klägers überhaupt gestaltet.
Die mündliche Verhandlung hat am 28.05.2009 und 02.07.2010 stattgefunden.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2009 wurde im Hinblick auf die Sachaufklärung die weitere Vorgehensweise mit den anwesenden Prozessbevollmächtigten der beiden Parteien besprochen. Zwar wurde die vereinbarte Vorgehensweise versehentlich nicht in die Niederschrift aufgenommen, aber auf Nachfrage der Beklagten hat das Gericht diese ausdrücklich mit gerichtlichem Schreiben vom 21.01.2010 dargestellt. Geplant war, dass der Kläger der Beklagten einen Verantwortlichen benennen sollte für eine Betriebsprüfung und daraufhin die Beklagte eine Betriebsprüfung durchführt im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Open-Air-Festivals und dem Tatbestandsmerkmal des wesentlichen Zwecks. Des Weiteren wurde vereinbart, dass sich beide Parteien zum Erfordernis der Nachhaltigkeit äußern. Zwar hat der Kläger die verantwortliche Ansprechpartnerin benannt, die Gesamtsummen der Ausgaben des Klägers für den Zeitraum von 2004 bis 2008 beziffert und beispielhaft die Ausgaben im Jahr 2005 für das Festival angegeben, aber eine Betriebsprüfung hat in der Folgezeit trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts mangels Mitwirkung der Beklagten nicht stattgefunden. Zum Erfordernis der Nachhaltigkeit vertritt der Kläger unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG die Auffassung, dass lediglich eine Veranstaltung pro Jahr nicht ausreicht um Nachhaltigkeit anzunehmen. Die Beklagte hat sich trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts nicht zum Begriff der Nachhaltigkeit geäußert.
In der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2010 erging ein Hinweis des Vorsitzenden zur Sach- und Rechtslage sowie zum Fortgang des Verfahrens.
Der Kläger beantragt:
I. Der Bescheid vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte beantragt:
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung der Beklagten könne ein abgabepflichtiges Unternehmen grundsätzlich mehrere wesentliche Zwecke haben. Die Ausübung einer Kunst vermarktenden Tätigkeit müsse nur einer der wesentlichen Zwecke des Unternehmens sein. Gemäß der Satzung des Klägers sei zumindest einer der wesentlichen Zwecke des Klägers, kulturelle Veranstaltungen durchzuführen. Hierzu zähle zeitlich wie jedenfalls wirtschaftlich schwerpunktmäßig die Durchführung eines jährlichen Open-Air-Festivals unter Beteiligung von ca. 10 bis 15 Musikbands seit 30 Jahren. Dass diese Veranstaltung in ganz erheblichem Maße Kunst vermarktenden Charakter habe, werde auch an den vom Kläger an die Musikbands ausgekehrten Honorarzahlungen deutlich. Diese seien in den letzen 6 Jahren durchgängig im fünfstelligen Bereich gelegen. Auch daraus könne gefolgert werden, dass es ein wesentlicher Zweck des Unternehmens sei, für die Darbietung künstlerischer Werke und Leistungen zu sorgen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2009 und 02.07.2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
1.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007. Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich zu beanstanden, da für das Gericht feststeht, dass die grundsätzliche Abgabepflicht des Klägers bei der Beklagten zur Künstlersozialabgabe nach dem KSVG nicht gegeben ist.
2.
Nach § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG ist ein sonstiges Unternehmen abgabepflichtig, dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Eine Beitragspflicht ist damit dann gegeben, wenn einerseits der wesentliche Zweck eines Unternehmens darauf gerichtet ist für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen und anderseits das Unternehmen als sonstiges Unternehmen im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG zu verstehen ist. Ob die Voraussetzung des wesentlichen Zwecks vorliegend gegeben ist, kann dahinstehen, da es sich beim Kläger jedenfalls nicht um ein sonstiges Unternehmen handelt.
a) Ergänzend ist im Hinblick auf die Voraussetzung des wesentlichen Zwecks im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG Folgendes anzumerken: Die Voraussetzung des wesentlichen Zwecks im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG ist begrifflich notwendig abzugrenzen von dem überwiegenden Zweck im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 2 KSVG. Aus der Gegenüberstellung dieser Normen ergibt sich, dass ein abgabepflichtiges Unternehmen grundsätzlich mehrere wesentliche Zwecke aber nur einen überwiegenden Hauptzweck haben kann. Maßgebend für die Bewertung als wesentlichen Zweck ist dabei nicht nur die satzungsmäßige Aufgabenstellung, sondern die tatsächlichen Verhältnisse (BSG, Urteil vom 04.03.2004 – AZ: B 3 KR 6/03 R). Das Gericht konnte aufgrund der nicht vorhandenen Sachaufklärung der Beklagten im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und mangels Mitwirkung der Beklagten im gerichtlichen Verfahren in Gestalt der Durchführung einer Betriebsprüfung das Vorliegen der tatsächlichen Verhältnisse, ob die Veranstaltung der Open-Air-Konzerte ein wesentlicher Zweck des Klägers ist, nicht aufklären. Allerdings spricht aus der Sicht des Gerichts das Verhältnis der Honorarzahlungen zu den Ausgaben für das Festival und der Gesamtsummen der Ausgaben des Klägers, vorbehaltlich einer abschließenden Ermittlung der gesamten Einnahmen und Ausgaben des Klägers, wohl dafür, dass die Veranstaltung des Open-Air-Festivals einen wesentlicher Zweck des Klägers darstellt. Dies ist aufgrund des Fehlens des Tatbestandsmerkmals des sonstigen Unternehmens nicht entscheidungsrelevant.
b) Der Kläger ist nicht als sonstiges Unternehmen im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG anzusehen.
aa) Die historische Entwicklung der gesetzlichen Regelung und der systematische Aufbau des Gesetzes zeigen, dass abgabepflichtig die Unternehmen sein sollen, die typischer Weise künstlerische oder publizistische Leistungen verwerten und vereinzelte Beauftragungen selbständiger Künstler nicht zur Abgabepflicht nach dem KSVG führen.
(1) Aus der Entwicklung des Gesetzes ist die Fassung vom 20.12.1988 des KSVG (KSVÄndG, BGBl. I S. 2606) zu berücksichtigen, mit welcher der Kreis der zur Künstlersozialabgabe verpflichteten Unternehmer nicht unwesentlich erweitert wurde. In der Gesetzesbegründung zu § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG zu der Fassung vom 20.12.1988 (KSVÄndG, BGBl. I S. 2606) wurde ausgeführt:” ... Die bisherige Nummer 2 ist als Nr. 3 neu gefasst und aus Gründen der Gleichbehandlung um eine Generalklausel erweitert worden, um neben den abgabepflichtigen Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen weitere vergleichbare Unternehmen zu erfassen, die künstlerische Werke aufführen oder künstlerische Leistungen darbieten " (BT-Drucks. 11/2964 S. 18 zu Nummer 5). Im Hinblick auf das Hinzufügen der Generalklausel des Absatzes 2 führt die Gesetzesbegründung an: " ... Dadurch werden auch die Unternehmer abgabepflichtig, die zwar dem Unternehmenszweck nach nicht zu den typischen Verwertern von Kunst und Publizistik gehören, die aber sonst für Zwecke des Unternehmens ständig künstlerische oder publizistische Werke und Leistungen nutzen und im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielen wollen. Eine solche verwertende Tätigkeit ist ebenfalls Ausdruck eines besonderen symbiotischen Verhältnisses zwischen Künstlern und Unternehmen und rechtfertigt ihre Einbeziehung in die Abgabepflicht. Der Vielfalt und Weiterentwicklung der Kunst- und Verwertungsformen kann nur durch eine Generalklausel Rechnung getragen werden ...” (BT-Drucks. 11/2964 S. 18 zu Nummer 5). Aus der Hinzufügung der unbenannten Art von Unternehmen und der Generalklausel ergibt sich eine nicht unwesentliche Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 24 KSVG.
(2) Die Generalklausel des § 24 Abs. 2 KSVG ist als Auslegungshilfe für den § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG heranzuziehen. Zwar enthält § 24 Abs. 1 KSVG eine Aufzählung von abgabepflichtigen Tatbeständen und auch die Generalklausel des § 24 Abs. 2 KSVG regelt einen eigenständigen Abgabetatbestand, aber die Generalklausel hat subsidiären Auffangcharakter. Dies ergibt sich für die Zeit ab 01.07.2001 auch durch den Halbsatz "Absatz 2 bleibt unberührt" (KSVÄndG 2, BGBl. I S. 1027). Diese Ergänzung führt dazu, dass nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG die Generalklausel des § 24 Abs. 2 KSVG zu prüfen ist. Hierbei kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gesetzgeber mit dieser Norm der Vielfalt und Weiterentwicklung der Kunst- und Verwertungsformen Rechnung tragen wollte. Bei der Auslegung des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG ist dies dergestalt zu berücksichtigen, dass diese Norm keiner erweiternden Auslegung bedarf, da für solche Fälle die Generalklausel greift. Auch einzelne gleiche Tatbestandsmerkmale sind in § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG nicht weiter auszulegen als bei § 24 Abs. 2 KSVG. Diese Wechselwirkung ist auch bei der Auslegung des Unternehmensbegriffes und der Häufigkeit der Veranstaltungen zu berücksichtigen, sodass die Einschränkung der tatbestandlichen Weite der Generalklausel zum 01.01.1997 (WFG, BGBl. I S. 1461), geändert zum 01.07.2001 (KSVÄndG 2, BGBl. I S. 1027), durch § 24 Abs. 2 S. 2 KSVG einfließt. Zwar ist hierbei zu berücksichtigen, dass es sich bei § 24 Abs. 2 S. 2 KSVG nicht unmittelbar um eine Definition des Begriffes des Unternehmens handelt, sondern die gelegentliche Auftragserteilung im Vordergrund steht. Aber beim sozialversicherungsrechtlichen Unternehmensbegriff des KSVG ist die Nachhaltigkeit und Regelmäßigkeit und damit die nicht nur gelegentliche Auftragserteilung ein Kriterium von entscheidender Bedeutung bei der Prüfung der Unternehmereigenschaft, sodass zumindest mittelbar die in § 24 Abs. 2 S. 2 KSVG geregelte Zahl von Veranstaltungen nicht völlig unbeachtet bleiben kann.
Insgesamt lässt sich aus der Gesetzeshistorie und -systematik im Hinblick auf die Häufigkeit der Veranstaltungen und ihre Bedeutung für die Abgabepflicht schließen, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hat, nicht jegliche Verwertung künstlerischer oder publizistischer Leistungen abgabepflichtig zu machen und, dass grundsätzlich einzelne Beauftragungen selbständiger Künstler nicht zur Abgabepflicht nach dem KSVG führen.
bb) Im Rahmen der Umsetzung der gesetzlichen Regelung lässt die Rechtsprechung eine jährlich einmal stattfindende Veranstaltung für die Wertung als Unternehmen nur dann ausreichen, wenn es sich um eine außerordentlich große Maßnahme handelt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt der Begriff des sonstigen Unternehmens als eigenständig zu beurteilendes Tatbestandsmerkmal voraus, dass die Tätigkeit mit einer gewissen Regelmäßigkeit (BSG, Urteil vom 12.04.1995 - Az: 3 RK 4/94) bzw. Nachhaltigkeit (BSG, Urteil vom 08.12.1988 – Az:12 RK 1/86) ausgeübt wird. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG sieht das Erfordernis der gewissen Regelmäßigkeit bzw. Nachhaltigkeit grundsätzlich erst dann als erfüllt an, wenn jährlich 2 bis 3 Veranstaltungen ausgerichtet werden, bei denen ein Unternehmer als Vermarkter fremder künstlerischer Leistungen auftritt. Eine Gleichstellung mit typischen Unternehmen nach § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG ist bei jährlich einmalig stattfindenden Veranstaltungen grundsätzlich nicht gegeben und im Ausnahmefall nur denkbar, wenn es sich dabei aufgrund der Dauer und des Ausmaßes der Veranstaltung mit umfangreichen Planungs- und Vorbereitungshandlungen um eine Großveranstaltung handelt (BSG, Urteil vom 08.12.1988 – AZ: 12 RK 8/88, vom 20.03.1994 – AZ: 3/12 RK 33/92, vom 12.04.1995 – AZ: 3 RK 4/94, vom 25.10.1995 – AZ: 3 RK 15/94, vom 20.03.1997 – AZ: 3 RK 17/96 und vom 16.04.1998 - AZ: B 3 KR 5/97 R).
cc) Unter Berücksichtigung der historische Entwicklung der gesetzlichen Regelung und der Systematik des Gesetzes sieht die Kammer keinen Grund von der bisherigen Rechtsprechung des BSG abzuweichen. Mit der Fassung vom 25.09.1996 (WFG, BGBl. I S. 1461) erfolgte eine Einschränkung der tatbestandlichen Weite des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG. Die Gesetzesbegründung zu § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG in der folgenden Fassung vom 25.09.1996 (WFG, BGBl. I S. 1461) lautet: " Die Abgabeverpflichtung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG ist von der Rechtsprechung so extensiv ausgelegt worden, dass insbesondere im Interesse von Vereinen, die das heimatliche Brauchtum pflegen, gesetzliche Korrekturen und Einschränkungen der Abgabepflicht geboten sind. Künftig sollen die Nummern 2 und 3 des § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG nur die typischen Verwerter künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen erfassen, d. h. der Hauptzweck muss wie bei Konzertchören die öffentliche Aufführung oder Darbietung sein (Nummer 2) bzw. die Organisation von Veranstaltungen mit Künstlern muss zum wesentlichen Geschäftsinhalt gehören (Nummer 3). Gesang-, Musik- und Karnevalsvereine sowie Liebhaber-orchester fallen damit regelmäßig nicht mehr unter die Abgabepflicht des § 24 Abs. 1 KSVG” (BT-Drucks 13/5108 S.17 zu Art. 9 c (neu)). Hieraus folgt, dass, insbesondere im Interesse von Vereinen, die das heimatliche Brauchtum pflegen, einschränkend unter § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG nur die typischen Verwerter künstlerischer oder publizistischer Werke und Leistungen erfasst werden sollen. Unter Berücksichtigung dieses gesetzgeberischen Willens und der oben dargelegten Gesetzessystematik folgt die Kammer der Rechtsprechung des BSG.
dd) Eine ausnahmsweise typischen Verwertern gleichzustellende Veranstaltung einer Großveranstaltung, liegt nach Auffassung des Gerichts mit der Open-Air-Veranstaltung in W. nicht vor. Ob eine Großveranstaltung vorliegt, ist im Rahmen einer abwägenden Gesamtschau der Kriterien, wie Zahl der engagierten Künstler, Bekanntheitsgrad der Veranstaltung, angesprochenes Publikum, Dauer der Veranstaltung, Organisationsaufwand für die Planung und Durchführung der Veranstaltung etc. zu beurteilen unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens und der Gesetzessystematik. Hier sei nochmals darauf hingewiesen, dass ein vom wesentlichen Zweck des Klägers unabhängig zu beurteilendes Tatbestandsmerkmal zu prüfen ist. Somit ist dieses Tatbestandsmerkmal objektiv zu erörtern und nicht am Maßstab des Klägers zu beurteilen. Aus diesem Grunde kann auch hinsichtlich des erwirtschafteten Umsatzes der Veranstaltung nicht der Schluss gezogen werden, dass es sich um eine Großveranstaltung handelt. Zwar erfordert die Veranstaltung des Open-Airs einen gewissen Planungs- und Vorbereitungsaufwand, der die Vereinsressourcen in gewissem Umfang bindet und mit 10 bis 15 Musikbands pro Veranstaltung ist eine gewisse Bedeutung unzweifelhaft gegeben. Aber gegen eine Großveranstaltung spricht das angesprochene Publikum. In der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2010 waren die Parteien übereinstimmend der Auffassung, dass der Bekanntheitsgrad des Open-Air-Konzertes in W. nicht über den Gemeindebereich bzw. das nähere Umfeld der Gemeinde L. hinaus geht und auch der Besucherkreis sich auf diesen regionalen räumlichen Umgriff beschränkt. Die Veranstaltungsdauer von zwei Tagen rechtfertigt keine Einstufung als Großveranstaltung, weil zweitägige Veranstaltungen mit regionalem Charakter nach allgemeiner Lebenserfahrung keine Besonderheit darstellen.
Unter Abwägung der Gesamtumstände ist die Kammer der Auffassung, dass keine Großveranstaltung vorliegt, die eine Einstufung des Klägers zu den sonstigen Unternehmern im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG rechtfertigen würde.
Der Kläger ist somit nicht nach § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, so dass der Bescheid vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 aufzuheben ist.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
-
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist die grundsätzliche Abgabepflicht des Klägers bei der Beklagten zur Künstlersozialabgabe nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).
1.
Der Kläger ist ein eingetragener nicht wirtschaftlicher Verein der seit 1979 ein Open-Air-Konzert veranstaltet. Dieses einmal jährlich stattfindende Open-Air-Konzert ist eine zweitägige Veranstaltung bei der 10 bis 15 Musikbands pro Konzert gegen Entgelt auftreten. Der Kläger erhebt für diese Veranstaltung von den Besuchern Eintrittsgelder.
2.
Zur Beurteilung der grundsätzlichen Abgabepflicht des Klägers wurden der Fragebogen zur Prüfung der Abgabepflicht nach dem KSVG, ein Vereinsregisterauszug des Amtsgerichts Landau a. d. Isar VR 315, die Satzung des Klägers und ein Ausdruck der Internetseite des Klägers vorgelegt.
Mit Bescheid vom 12.12.2006 stellte die Beklagte die grundsätzliche Abgabepflicht des Klägers fest. Der Kläger betreibe ein abgabepflichtiges Unternehmen, dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet sei, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen.
3.
Mit Schreiben vom 03.01.2007 legte der Kläger Widerspruch ein. Gemäß der Vereinssatzung habe der Kläger den wesentlichen Zweck, das gesellschaftliche und kulturelle Leben in W. mitzugestalten und vor allem die jüngere Generation für dieses Anliegen zu gewinnen. Der Vereinszweck werde laut Satzung durch folgende Maßnahmen erreicht: Durchführung von kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen jeglicher Art, Teilnahme an Veranstaltungen anderer Vereine und Gruppen sowie an Freizeitsportveranstaltungen, Abhaltung von Versammlungen und Vorträgen, Veranstaltung von Gesellschaftsabenden und Vereinsausflügen sowie Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Gruppen.
Im Widerspruchsverfahren wurden zur streitgegenständlichen Frage der grundsätzlichen Abgabepflicht des Klägers ergänzende Unterlagen vom Kläger nicht vorgelegt und von der Beklagten nicht gefordert. Der Kläger ist der Entgeltmeldung der Honorare und der Zahlung der Künstlersozialabgabe gegenüber der Beklagten für die Jahre ab 2001 fortlaufend nachgekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Feststellung der grundsätzlichen Abgabepflicht als sonstiger Veranstalter sei nicht zu beanstanden. Maßgeblich für diese Entscheidung sei zunächst die Tatsache, dass der Kläger bereits seit 30 Jahren ein zweitägiges Open-Air-Konzert unter Beauftragung selbständig tätiger Musiker durchführe und im Rahmen dieser Veranstaltung Eintrittsgelder erhebe. Ein weiteres Indiz für das Vorliegen des wesentlichen Zwecks im Bereich der Darbietung künstlerischer Werke bzw. Leistungen ergebe sich aus der Tatsache, dass es ausweislich der vorgelegten Satzung ein wesentlicher Zweck des Vereins sei, für die Durchführung kultureller und gesellschaftlicher Veranstaltungen jeglicher Art zu sorgen, sodass zumindest ein wesentlicher Zweck des Vereins darin zu sehen sei, im Rahmen des Open-Air-Konzertes für die Aufführung bzw. Darbietung künstlerischer Werke bzw. Leistungen zu sorgen.
4.
Gegen den Bescheid vom 12.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 hat der Kläger am 19.06.2007 Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben. Der Kläger sei kein sonstiges Unternehmen im Sinne des KSVG. Das Bundesverfassungsgericht habe zum sonstigen Unternehmen i. S. d. KSVG den Begriff des "professionellen Vermarkters" geprägt. Die Professionalität sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet durch die Nachhaltigkeit mit der die Betroffenen Künstler beauftragen und Konzerte veranstalten. An dieser Nachhaltigkeit fehle es im vorliegenden Fall, da der Kläger nur einmal pro Jahr ein Open-Air-Konzert veranstaltet. Angesichts dieses einmal im Jahr stattfindenden Ereignisses und der damit verbundenen geringfügigen professionellen Vermarktung sei der Begriff des Unternehmens nicht auf den Kläger anzuwenden. Die Durchführung kultureller und gesellschaftlicher Veranstaltungen sei auch nicht der wesentliche Zweck des Klägers. Wäre dies der Fall, so müsste die Tätigkeit des Klägers im Wesentlichen darauf ausgelegt sein, die einmal im Jahr stattfindende Open-Air-Veranstaltung auszurichten und zu organisieren. Richtig sei zwar, dass die Planung und Durchführung einer derartigen Veranstaltung mit einem gewissen Arbeits- und Organisationsaufwand verbunden sei, dies stellte jedoch nicht den wesentlichen Zweck des Klägers dar. Zum einen sei aus der Satzung ersichtlich, dass sich der Kläger fünf verschiedene Zwecke gesetzt habe und die Open-Air-Veranstaltung stelle nur einen Teil eines dieser Zwecke dar, nämlich die Durchführung von kulturellen Veranstaltungen. Zum anderen führe der Kläger weitere Veranstaltungen durch, die ebenfalls einen gewissen Organisationsbedarf nach sich ziehen und alljährlich veranstaltet werden. Anzusprechen sei in diesem Zusammenhang das alljährliche Dorffest, die Vatertagsfeier, die Weihnachtsfeier, der jährliche Vereinsausflug, das Aufstellen des Maibaumes sowie mehrere Ausflüge zu größeren gesellschaftlichen Veranstaltungen. Der Kläger spiegle damit in seinen Tätigkeiten und seinen Zwecken einen typischen Verein wider, der es sich zur Aufgabe gemacht habe, das gesellschaftliche und kulturelle Leben mit zu gestalten. Dieser Aufgabe werde der Kläger durch die verschiedensten Maßnahmen gerecht unter anderem in der Veranstaltung des Open-Air-Festivals einmal im Jahr. Ein wesentlicher Zweck des Klägers könne aber deshalb in dieser Veranstaltung nicht gesehen werden. Vom Kläger werden mangelnde Ermittlungen der Beklagten gerügt, inwieweit der Kläger den weiteren Vereinszwecken nachgeht bzw. sich das Vereinsleben des Klägers überhaupt gestaltet.
Die mündliche Verhandlung hat am 28.05.2009 und 02.07.2010 stattgefunden.
In der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2009 wurde im Hinblick auf die Sachaufklärung die weitere Vorgehensweise mit den anwesenden Prozessbevollmächtigten der beiden Parteien besprochen. Zwar wurde die vereinbarte Vorgehensweise versehentlich nicht in die Niederschrift aufgenommen, aber auf Nachfrage der Beklagten hat das Gericht diese ausdrücklich mit gerichtlichem Schreiben vom 21.01.2010 dargestellt. Geplant war, dass der Kläger der Beklagten einen Verantwortlichen benennen sollte für eine Betriebsprüfung und daraufhin die Beklagte eine Betriebsprüfung durchführt im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Open-Air-Festivals und dem Tatbestandsmerkmal des wesentlichen Zwecks. Des Weiteren wurde vereinbart, dass sich beide Parteien zum Erfordernis der Nachhaltigkeit äußern. Zwar hat der Kläger die verantwortliche Ansprechpartnerin benannt, die Gesamtsummen der Ausgaben des Klägers für den Zeitraum von 2004 bis 2008 beziffert und beispielhaft die Ausgaben im Jahr 2005 für das Festival angegeben, aber eine Betriebsprüfung hat in der Folgezeit trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts mangels Mitwirkung der Beklagten nicht stattgefunden. Zum Erfordernis der Nachhaltigkeit vertritt der Kläger unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG die Auffassung, dass lediglich eine Veranstaltung pro Jahr nicht ausreicht um Nachhaltigkeit anzunehmen. Die Beklagte hat sich trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts nicht zum Begriff der Nachhaltigkeit geäußert.
In der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2010 erging ein Hinweis des Vorsitzenden zur Sach- und Rechtslage sowie zum Fortgang des Verfahrens.
Der Kläger beantragt:
I. Der Bescheid vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte beantragt:
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung der Beklagten könne ein abgabepflichtiges Unternehmen grundsätzlich mehrere wesentliche Zwecke haben. Die Ausübung einer Kunst vermarktenden Tätigkeit müsse nur einer der wesentlichen Zwecke des Unternehmens sein. Gemäß der Satzung des Klägers sei zumindest einer der wesentlichen Zwecke des Klägers, kulturelle Veranstaltungen durchzuführen. Hierzu zähle zeitlich wie jedenfalls wirtschaftlich schwerpunktmäßig die Durchführung eines jährlichen Open-Air-Festivals unter Beteiligung von ca. 10 bis 15 Musikbands seit 30 Jahren. Dass diese Veranstaltung in ganz erheblichem Maße Kunst vermarktenden Charakter habe, werde auch an den vom Kläger an die Musikbands ausgekehrten Honorarzahlungen deutlich. Diese seien in den letzen 6 Jahren durchgängig im fünfstelligen Bereich gelegen. Auch daraus könne gefolgert werden, dass es ein wesentlicher Zweck des Unternehmens sei, für die Darbietung künstlerischer Werke und Leistungen zu sorgen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2009 und 02.07.2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
1.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007. Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich zu beanstanden, da für das Gericht feststeht, dass die grundsätzliche Abgabepflicht des Klägers bei der Beklagten zur Künstlersozialabgabe nach dem KSVG nicht gegeben ist.
2.
Nach § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG ist ein sonstiges Unternehmen abgabepflichtig, dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Eine Beitragspflicht ist damit dann gegeben, wenn einerseits der wesentliche Zweck eines Unternehmens darauf gerichtet ist für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen und anderseits das Unternehmen als sonstiges Unternehmen im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG zu verstehen ist. Ob die Voraussetzung des wesentlichen Zwecks vorliegend gegeben ist, kann dahinstehen, da es sich beim Kläger jedenfalls nicht um ein sonstiges Unternehmen handelt.
a) Ergänzend ist im Hinblick auf die Voraussetzung des wesentlichen Zwecks im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG Folgendes anzumerken: Die Voraussetzung des wesentlichen Zwecks im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG ist begrifflich notwendig abzugrenzen von dem überwiegenden Zweck im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 2 KSVG. Aus der Gegenüberstellung dieser Normen ergibt sich, dass ein abgabepflichtiges Unternehmen grundsätzlich mehrere wesentliche Zwecke aber nur einen überwiegenden Hauptzweck haben kann. Maßgebend für die Bewertung als wesentlichen Zweck ist dabei nicht nur die satzungsmäßige Aufgabenstellung, sondern die tatsächlichen Verhältnisse (BSG, Urteil vom 04.03.2004 – AZ: B 3 KR 6/03 R). Das Gericht konnte aufgrund der nicht vorhandenen Sachaufklärung der Beklagten im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und mangels Mitwirkung der Beklagten im gerichtlichen Verfahren in Gestalt der Durchführung einer Betriebsprüfung das Vorliegen der tatsächlichen Verhältnisse, ob die Veranstaltung der Open-Air-Konzerte ein wesentlicher Zweck des Klägers ist, nicht aufklären. Allerdings spricht aus der Sicht des Gerichts das Verhältnis der Honorarzahlungen zu den Ausgaben für das Festival und der Gesamtsummen der Ausgaben des Klägers, vorbehaltlich einer abschließenden Ermittlung der gesamten Einnahmen und Ausgaben des Klägers, wohl dafür, dass die Veranstaltung des Open-Air-Festivals einen wesentlicher Zweck des Klägers darstellt. Dies ist aufgrund des Fehlens des Tatbestandsmerkmals des sonstigen Unternehmens nicht entscheidungsrelevant.
b) Der Kläger ist nicht als sonstiges Unternehmen im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG anzusehen.
aa) Die historische Entwicklung der gesetzlichen Regelung und der systematische Aufbau des Gesetzes zeigen, dass abgabepflichtig die Unternehmen sein sollen, die typischer Weise künstlerische oder publizistische Leistungen verwerten und vereinzelte Beauftragungen selbständiger Künstler nicht zur Abgabepflicht nach dem KSVG führen.
(1) Aus der Entwicklung des Gesetzes ist die Fassung vom 20.12.1988 des KSVG (KSVÄndG, BGBl. I S. 2606) zu berücksichtigen, mit welcher der Kreis der zur Künstlersozialabgabe verpflichteten Unternehmer nicht unwesentlich erweitert wurde. In der Gesetzesbegründung zu § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG zu der Fassung vom 20.12.1988 (KSVÄndG, BGBl. I S. 2606) wurde ausgeführt:” ... Die bisherige Nummer 2 ist als Nr. 3 neu gefasst und aus Gründen der Gleichbehandlung um eine Generalklausel erweitert worden, um neben den abgabepflichtigen Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen weitere vergleichbare Unternehmen zu erfassen, die künstlerische Werke aufführen oder künstlerische Leistungen darbieten " (BT-Drucks. 11/2964 S. 18 zu Nummer 5). Im Hinblick auf das Hinzufügen der Generalklausel des Absatzes 2 führt die Gesetzesbegründung an: " ... Dadurch werden auch die Unternehmer abgabepflichtig, die zwar dem Unternehmenszweck nach nicht zu den typischen Verwertern von Kunst und Publizistik gehören, die aber sonst für Zwecke des Unternehmens ständig künstlerische oder publizistische Werke und Leistungen nutzen und im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielen wollen. Eine solche verwertende Tätigkeit ist ebenfalls Ausdruck eines besonderen symbiotischen Verhältnisses zwischen Künstlern und Unternehmen und rechtfertigt ihre Einbeziehung in die Abgabepflicht. Der Vielfalt und Weiterentwicklung der Kunst- und Verwertungsformen kann nur durch eine Generalklausel Rechnung getragen werden ...” (BT-Drucks. 11/2964 S. 18 zu Nummer 5). Aus der Hinzufügung der unbenannten Art von Unternehmen und der Generalklausel ergibt sich eine nicht unwesentliche Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 24 KSVG.
(2) Die Generalklausel des § 24 Abs. 2 KSVG ist als Auslegungshilfe für den § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG heranzuziehen. Zwar enthält § 24 Abs. 1 KSVG eine Aufzählung von abgabepflichtigen Tatbeständen und auch die Generalklausel des § 24 Abs. 2 KSVG regelt einen eigenständigen Abgabetatbestand, aber die Generalklausel hat subsidiären Auffangcharakter. Dies ergibt sich für die Zeit ab 01.07.2001 auch durch den Halbsatz "Absatz 2 bleibt unberührt" (KSVÄndG 2, BGBl. I S. 1027). Diese Ergänzung führt dazu, dass nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG die Generalklausel des § 24 Abs. 2 KSVG zu prüfen ist. Hierbei kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gesetzgeber mit dieser Norm der Vielfalt und Weiterentwicklung der Kunst- und Verwertungsformen Rechnung tragen wollte. Bei der Auslegung des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG ist dies dergestalt zu berücksichtigen, dass diese Norm keiner erweiternden Auslegung bedarf, da für solche Fälle die Generalklausel greift. Auch einzelne gleiche Tatbestandsmerkmale sind in § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG nicht weiter auszulegen als bei § 24 Abs. 2 KSVG. Diese Wechselwirkung ist auch bei der Auslegung des Unternehmensbegriffes und der Häufigkeit der Veranstaltungen zu berücksichtigen, sodass die Einschränkung der tatbestandlichen Weite der Generalklausel zum 01.01.1997 (WFG, BGBl. I S. 1461), geändert zum 01.07.2001 (KSVÄndG 2, BGBl. I S. 1027), durch § 24 Abs. 2 S. 2 KSVG einfließt. Zwar ist hierbei zu berücksichtigen, dass es sich bei § 24 Abs. 2 S. 2 KSVG nicht unmittelbar um eine Definition des Begriffes des Unternehmens handelt, sondern die gelegentliche Auftragserteilung im Vordergrund steht. Aber beim sozialversicherungsrechtlichen Unternehmensbegriff des KSVG ist die Nachhaltigkeit und Regelmäßigkeit und damit die nicht nur gelegentliche Auftragserteilung ein Kriterium von entscheidender Bedeutung bei der Prüfung der Unternehmereigenschaft, sodass zumindest mittelbar die in § 24 Abs. 2 S. 2 KSVG geregelte Zahl von Veranstaltungen nicht völlig unbeachtet bleiben kann.
Insgesamt lässt sich aus der Gesetzeshistorie und -systematik im Hinblick auf die Häufigkeit der Veranstaltungen und ihre Bedeutung für die Abgabepflicht schließen, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hat, nicht jegliche Verwertung künstlerischer oder publizistischer Leistungen abgabepflichtig zu machen und, dass grundsätzlich einzelne Beauftragungen selbständiger Künstler nicht zur Abgabepflicht nach dem KSVG führen.
bb) Im Rahmen der Umsetzung der gesetzlichen Regelung lässt die Rechtsprechung eine jährlich einmal stattfindende Veranstaltung für die Wertung als Unternehmen nur dann ausreichen, wenn es sich um eine außerordentlich große Maßnahme handelt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung setzt der Begriff des sonstigen Unternehmens als eigenständig zu beurteilendes Tatbestandsmerkmal voraus, dass die Tätigkeit mit einer gewissen Regelmäßigkeit (BSG, Urteil vom 12.04.1995 - Az: 3 RK 4/94) bzw. Nachhaltigkeit (BSG, Urteil vom 08.12.1988 – Az:12 RK 1/86) ausgeübt wird. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG sieht das Erfordernis der gewissen Regelmäßigkeit bzw. Nachhaltigkeit grundsätzlich erst dann als erfüllt an, wenn jährlich 2 bis 3 Veranstaltungen ausgerichtet werden, bei denen ein Unternehmer als Vermarkter fremder künstlerischer Leistungen auftritt. Eine Gleichstellung mit typischen Unternehmen nach § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG ist bei jährlich einmalig stattfindenden Veranstaltungen grundsätzlich nicht gegeben und im Ausnahmefall nur denkbar, wenn es sich dabei aufgrund der Dauer und des Ausmaßes der Veranstaltung mit umfangreichen Planungs- und Vorbereitungshandlungen um eine Großveranstaltung handelt (BSG, Urteil vom 08.12.1988 – AZ: 12 RK 8/88, vom 20.03.1994 – AZ: 3/12 RK 33/92, vom 12.04.1995 – AZ: 3 RK 4/94, vom 25.10.1995 – AZ: 3 RK 15/94, vom 20.03.1997 – AZ: 3 RK 17/96 und vom 16.04.1998 - AZ: B 3 KR 5/97 R).
cc) Unter Berücksichtigung der historische Entwicklung der gesetzlichen Regelung und der Systematik des Gesetzes sieht die Kammer keinen Grund von der bisherigen Rechtsprechung des BSG abzuweichen. Mit der Fassung vom 25.09.1996 (WFG, BGBl. I S. 1461) erfolgte eine Einschränkung der tatbestandlichen Weite des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG. Die Gesetzesbegründung zu § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG in der folgenden Fassung vom 25.09.1996 (WFG, BGBl. I S. 1461) lautet: " Die Abgabeverpflichtung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG ist von der Rechtsprechung so extensiv ausgelegt worden, dass insbesondere im Interesse von Vereinen, die das heimatliche Brauchtum pflegen, gesetzliche Korrekturen und Einschränkungen der Abgabepflicht geboten sind. Künftig sollen die Nummern 2 und 3 des § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG nur die typischen Verwerter künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen erfassen, d. h. der Hauptzweck muss wie bei Konzertchören die öffentliche Aufführung oder Darbietung sein (Nummer 2) bzw. die Organisation von Veranstaltungen mit Künstlern muss zum wesentlichen Geschäftsinhalt gehören (Nummer 3). Gesang-, Musik- und Karnevalsvereine sowie Liebhaber-orchester fallen damit regelmäßig nicht mehr unter die Abgabepflicht des § 24 Abs. 1 KSVG” (BT-Drucks 13/5108 S.17 zu Art. 9 c (neu)). Hieraus folgt, dass, insbesondere im Interesse von Vereinen, die das heimatliche Brauchtum pflegen, einschränkend unter § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG nur die typischen Verwerter künstlerischer oder publizistischer Werke und Leistungen erfasst werden sollen. Unter Berücksichtigung dieses gesetzgeberischen Willens und der oben dargelegten Gesetzessystematik folgt die Kammer der Rechtsprechung des BSG.
dd) Eine ausnahmsweise typischen Verwertern gleichzustellende Veranstaltung einer Großveranstaltung, liegt nach Auffassung des Gerichts mit der Open-Air-Veranstaltung in W. nicht vor. Ob eine Großveranstaltung vorliegt, ist im Rahmen einer abwägenden Gesamtschau der Kriterien, wie Zahl der engagierten Künstler, Bekanntheitsgrad der Veranstaltung, angesprochenes Publikum, Dauer der Veranstaltung, Organisationsaufwand für die Planung und Durchführung der Veranstaltung etc. zu beurteilen unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens und der Gesetzessystematik. Hier sei nochmals darauf hingewiesen, dass ein vom wesentlichen Zweck des Klägers unabhängig zu beurteilendes Tatbestandsmerkmal zu prüfen ist. Somit ist dieses Tatbestandsmerkmal objektiv zu erörtern und nicht am Maßstab des Klägers zu beurteilen. Aus diesem Grunde kann auch hinsichtlich des erwirtschafteten Umsatzes der Veranstaltung nicht der Schluss gezogen werden, dass es sich um eine Großveranstaltung handelt. Zwar erfordert die Veranstaltung des Open-Airs einen gewissen Planungs- und Vorbereitungsaufwand, der die Vereinsressourcen in gewissem Umfang bindet und mit 10 bis 15 Musikbands pro Veranstaltung ist eine gewisse Bedeutung unzweifelhaft gegeben. Aber gegen eine Großveranstaltung spricht das angesprochene Publikum. In der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2010 waren die Parteien übereinstimmend der Auffassung, dass der Bekanntheitsgrad des Open-Air-Konzertes in W. nicht über den Gemeindebereich bzw. das nähere Umfeld der Gemeinde L. hinaus geht und auch der Besucherkreis sich auf diesen regionalen räumlichen Umgriff beschränkt. Die Veranstaltungsdauer von zwei Tagen rechtfertigt keine Einstufung als Großveranstaltung, weil zweitägige Veranstaltungen mit regionalem Charakter nach allgemeiner Lebenserfahrung keine Besonderheit darstellen.
Unter Abwägung der Gesamtumstände ist die Kammer der Auffassung, dass keine Großveranstaltung vorliegt, die eine Einstufung des Klägers zu den sonstigen Unternehmern im Sinne des § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG rechtfertigen würde.
Der Kläger ist somit nicht nach § 24 Abs. I S. 1 Nr. 3 KSVG zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, so dass der Bescheid vom 12.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 aufzuheben ist.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
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Rechtskraft
Aus
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