S 10 R 5063/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 R 5063/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Rentenversicherung
1. Die Durchführung von Tätigkeiten im Bereich "Büroorganisation" (z.B. Abwicklung des Zahlungsverkehrs, Durchführung der Korrespondenz, vorbereitende Buchführung) für eine Firma, wird in der Regel im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt, wenn dieselbe Tätigkeit von derselben Person früher bereits im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurde und keine gewichtigen, auf ein Unternehmerrisiko hinweisenden Umstände im Einzelfall hinzu treten.
2. Bei einer Betriebsprüfung ist der Ablauf der Verjährung von Beitragsnachforderungen regelmäßig bis zur Beschlussbesprechung gehemmt. Erfolgt eine Anhörung auf schriftlichem Wege, endet die Hemmung erst mit der Beendigung des schriftlichen Anhörungsverfahrens.
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 6.741,32 EUR nach einer von Mai 2010 bis März 2011 durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2009.

Die Klägerin ist eine Softwarefirma, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Computerprogrammierer Herr C. ist. Herr C. erledigte in der Vergangenheit die Aufträge als "Einmannfirma". Als die Klägerin von dem Unternehmen S. AG einen größeren Auftrag erhielt (Projektauftrag P ...Web) mietete die Klägerin für hierfür benötigte "Subunternehmer" (freie Mitarbeiter) in P. Büroräume an. Bei den sog. freien Mitarbeitern handelte es sich ebenfalls um Softwareprogrammierer, die Herrn C. bei der Durchführung des Projekts unterstützten. Mit der Beendigung des Projekts im Jahre 2009 endete auch die Beauftragung der Subunternehmen. In den Jahren 2010 und 2011 wurden keine neuen Aufträge an Subunternehmen bzw. freie Mitarbeiter seitens der Klägerin vergeben.

Die Beigeladene zu 1) ist die Lebensgefährtin des Herrn C. und war bei der Klägerin ab ca. 2004 bis 31.10.2006 abhängig beschäftigt. Die Tätigkeit bestand in der Abwicklung des Zahlungsverkehrs, Durchführung der Korrespondenz, Rechnungsverwaltung und die vorbereitende Buchführung. Nachdem es im Jahre 2006 geschäftliche Differenzen gegeben hat, löste die Beigeladene zu 1) das Arbeitsverhältnis auf.

Am 25.04.2007 schlossen der Geschäftführer der Klägerin und die Beigeladene zu 1) einen sog. "Freienmitarbeitervertrag".

Die Tätigkeit wird dabei unter § 1 wie folgt beschrieben:

Tätigkeit

Frau C. wird ab dem 01.05.2007 für den Auftraggeber als freie Mitarbeiterin tätig.
Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Ausführung nachstehender Tätigkeiten:

1. Prüfung und Korrektur von Rechtschreibung und Grammatik des E-Mail-Schriftverkehrs von Herrn C., sowie Korrektur von Firmenkorrespondenz und Textkorrektur der Dokumentationen des Auftraggebers.
2. Vorbereitung der firmeninternen Buchhaltungsunterlagen für den Steuerberater.
3. Entgegennahme von Telefonaten und sofortige Weiterleitung per SMS oder Email an den Auftraggeber. Bei Nichtbesetzung des QUIQ Büros nimmt Frau C ... eingehende Anrufe in ihren Büroräumen entgegen und leitet sie an den Auftraggeber weiter.
Im Laufe der Zeit übernahm die Beigeladene zu 1) auch einen Teilbereich des sog. "Softwaretestings". Hierbei überprüfte sie die von Herrn C. entwickelte Software an Hand eines Prüfungskatalogs.

Bereits mit Antrag vom 07.03.2007 beantragte die Beigeladene zu 1) bei der Bundesagentur für Arbeit einen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III a. F. für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Mit Bescheid vom 01.06.2007 wurde der Gründungszuschuss zunächst für den Zeitraum 15.05.2007 bis 14.02.2008 bewilligt. Mit Weiterbewilligungsbescheid wurde der Bewilligungszeitraum bis zum 14.08.2008 verlängert.

Vom 02.05.2010 bis 29.03.2011 führte die Beklagte bei der Klägerin für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2009 eine sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung durch. Mit Schreiben vom 22.02.2012 hörte die Beklagte die Klägerin dazu an, dass beabsichtigt sei, für den Zeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2009 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 6.741.32 EUR nachzufordern. Insbesondere sei die Beigeladene zu 1) für den Zeitraum vom 15.05.2007 bis 31.12.2009 mit kurzen Unterbrechungen als Beschäftigte der Klägerin im Sinne des § 7 SGB IV einzustufen und somit versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Mit Bescheid vom 24.05.2012 setzte die Beklagte eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 6.741.32 EUR fest.

Im Wesentlichen stützt sich die Beklagte in der Begründung des Bescheids auf folgende Erwägungen:

- Bei den geschilderten Tätigkeiten wie "diverse Büroarbeiten, Programmtestung" handele es sich um typische Arbeitsleistungen die im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt würden.

- Bis 31.10.2006 habe die Beigeladene zu 1.) für die Klägerin im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses Büroarbeiten ausgeübt. Anschließend sei sie arbeitslos gemeldet gewesen und habe Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit bezogen.

- Das Argument, dass die Beigeladene zu 1.) einen Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit erhalten habe, sei für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit nicht relevant. Der von der Bundesagentur für Arbeit von 05.2007 bis 08.2008 gewährte Gründungszuschuss führe nicht, wie der Existenzgründungszuschuss, zur gesetzlichen Vermutung der Selbständigkeit.

- Auch das auf Antrag von der Bundesagentur für Arbeit festgestellte Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung für selbständig Tätige stelle keine bindende Feststellung einer selbständigen Tätigkeit dar. Diese Entscheidung obliege allein der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund bzw. im Rahmen einer Betriebsprüfung dem zuständigen Rentenversicherungsträger. Gleiches gelte grundsätzlich auch für die freiwillige Krankenversicherung bei der AOK.

- Die Ausführung der beschriebenen Arbeiten in den eigenen Räumen sei auch im Rahmen eines Heimarbeitsplatzes möglich und werde, auch bedingt durch die heute zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten, vielfach praktiziert.

- Die Weisungsgebundenheit bei Ausführung der Arbeit sei möglicherweise auf ein äußerst geringes Maß herabgesetzt gewesen, aber durch die Ordnung des Betriebes geprägt. Die Beigeladene zu 1.) habe ausschließlich, wie jeder andere Arbeitnehmer auch, ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt.

- Anhaltspunkte für eine selbständige Tätigkeit seien nicht ersichtlich. Die Beigeladene zu 1.) habe in dieser Beschäftigung kein für einen Selbständigen typisches Unternehmerrisiko zu tragen; der Besitz eines PC und/oder eines Laptops seien zwischenzeitlich keine besonderen Arbeitsmittel mehr, sondern fast in jedem Haushalt vorhanden.

Gegen den Betriebsprüfungsbescheid vom 24.05.2012 legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 21.06.2012 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2012 zurückgewiesen wurde.

Am 28.08.2012 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut:

Die Beiträge bis einschließlich 30.09.2007 seien bereits nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährt. Nach dem Vertrag über die freie Mitarbeit vom 25.04.2007 sei die Beigeladene zu 1) auch keinerlei Weisungen der Klägerin unterlegen gewesen. Die vertragliche Vereinbarung sei tatsächlich so durchgeführt worden. Die Beigeladene habe ihre Dienste auch verschiedenen Auftraggebern u. a. durch Werbung (eigene Homepage) angeboten. In der Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und Arbeitszeit sei sie frei gewesen. Die Deutsche Rentenversicherung gebe lediglich Standardformulierungen floskelartig wieder, ohne dabei auf die konkreten Umstände des Einzelfalls einzugehen. So tätigt sie Ausführungen zu leitenden Angestellten, was auf Frau C. nicht einmal ansatzweise zutreffe. Eine gesetzmäßige Einzelfallentscheidung unter Abwägung der für und gegen eine versicherungspflichtige Tätigkeit sprechenden Tatsachen habe nicht stattgefunden.

Zusammenfassend weist der Klägervertreter auf folgende Indizien hin, welche für eine Selbständigkeit der Beigeladenen zu 1) sprechen sollen:

- Gewährung eines Gründungszuschusses;
- Arbeitslosenversicherung für Selbstständige;
- Kranken- und Pflegeversicherung für Selbstständige;
- keine Weisungsgebundenheit;
- keine persönliche Abhängigkeit;
- freie Arbeitszeiteinteilung;
- eigenes Unternehmerrisiko;
- eigenes Kapital zur Anschaffung von Betriebsmitteln;
- Gewährleistungspflichten;
- Ergreifung von Werbemaßnahmen;
- Fortbildungsmaßnahmen.

Die Klägerin beantragt,

den Beitragsbescheid vom 24.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1.) bis 4.) stellen keinen eigenen Antrag.

Die Beklagte weist darauf hin, dass nach § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV die Verjährung der Beiträge für die Dauer der Betriebsprüfung gehemmt sei. Vorliegend habe die Prüfung am 02.05.2010 begonnen und habe mit Bescheid vom 24.05.2012 geendet. In dieser Zeit seien zahlreiche Ermittlungen durchgeführt worden. Die Beigeladene zu 1) habe für die Klägerin typische Aufgaben einer Bürokraft erledigt. Es möge zwar sein, dass die Beigeladene zu 1) keine konkreten Weisungen erhalten habe, aus dem im "Freienmitarbeitervertrag" umschriebenen Tätigkeitsfeld ergebe sich jedoch, dass keinerlei weitere Weisungen notwendig gewesen wären. Insbesondere habe auch jedes Unternehmerrisiko gefehlt. Der Beigeladenen zu 1) sei jede Stunde tatsächlich geleisteter Arbeit vergütet worden. Sie setzte alleine ihre Arbeitskraft ein. Dies sei typisch für einen Beschäftigten.

Die Beklagte verweist im Übrigen auf ihre Ausführungen im Bescheid vom 24.05.2012 und im Widerspruchsbescheid vom 02.08.2012.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 03.07.2013 und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Da die Beteiligten ihr Einverständnis nach § 124 Abs. 2 SGG erteilt haben, konnte das Gericht ohne - weitere - mündliche Verhandlung entscheiden.

Der Bescheid der Beklagten vom 24.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bezüglich der Organisation der Bürotätigkeit und des Softwaretestings zu Recht als abhängige Beschäftigung für den Zeitraum 15.05.2007 bis 31.12.2009 beurteilt und damit in nicht zu beanstandender Weise einen Gesamtsozialversicherungsbeitrag in Höhe von 6.741,32 EUR festgesetzt.

1. a) Nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung bei den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber dem Arbeitgeber. Inhalt und Umfang der Prüfung ergeben sich insbesondere aus den Vorschriften bezüglich der Meldepflichten des Arbeitgebers nach § 28a SGB IV, Zahlung des Gesamt-sozialversicherungsbeitrages gemäß § 28e SGB IV i.V.m. § 28d SGB IV, den Aufzeichnungspflichten und der Einreichung der Beitragsnachweise nach § 28f SGB IV. Darüber hinaus bestimmt § 28p Abs. 1 Satz 4 SGB IV, dass von der Prüfung die Lohnunterlagen erfasst werden, für die Beiträge nicht bezahlt wurden. Inhalt der Betriebsprüfung ist insbesondere die von den Arbeitgebern vorgenommene Beurteilung der Beschäftigungsverhältnisse. Im Rahmen einer Betriebsprüfung ist zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die beim oder für den zu prüfenden Betrieb Beschäftigten der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Hierbei ist zu beurteilen, ob sie nicht versicherungspflichtig, versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.11.2011 - L 9 AL 26/09).

In der gesetzlichen Rentenversicherung sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VI). Nach dem Recht der Arbeitsförderung sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch, SGB III). Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IV, ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20.05.1996 - 1 BvR 21/96). Seit dem 01.01.1999 sind im Gesetz als Anhaltspunkte für eine solche Beschäftigung aufgeführt eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1999, BGBl I 2000, 2).

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R, Rz. 15 - zitiert nach juris). Dabei hängt der Grad der persönlichen Abhängigkeit ganz entscheidend von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen (vgl. zu den identischen Abgrenzungskriterien eines Arbeitsverhältnisses BAG, Urteil vom 20.01.2010 - 5 AZR 99/09, Rz. 13 - zitiert nach juris). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R, Rz. 15 - zitiert nach juris). Maßgeblich ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R, Rz. 17 - zitiert nach juris). Dagegen geht eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung praktizierte Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung nur vor, soweit eine, zumal formlose, Abbedingung rechtlich überhaupt möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.2006 - B 12 KR 30/04 R, Rz. 25 - zitiert nach juris).

Indizien für eine Beschäftigung sind der Abschluss eines Arbeitsvertrags, Anwesenheits- und Zeitkontrollen, Arbeitsplätze in den Räumen des Arbeitgebers, Arbeitszeit nach Vorgaben des Arbeitgebers, fehlende eigene Betriebsmittel, bezahlter Urlaub, feste gleich bleibende Vergütung, Verbuchung als Lohnsteuer, wirtschaftliche Abhängigkeit und der Wille der Vertragspartner. Für eine selbständige Tätigkeit sprechen die Vorhaltung eigenen Arbeitsmaterials, die Verbuchung der Einnahmen mit Umsatzsteuer, die Beschäftigung und Bezahlung eigenen Personals, die eigene Gewerbeanmeldung, das Unternehmerrisiko, das Vergütungsrisiko (vgl. Segebrecht, JurisPK SGB IV, 2. Aufl. § 7 Rn. 117).

c) Anders als die Beklagte in ständiger Praxis annimmt, schließt der alleinige Einsatz der eigenen Arbeitskraft die Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht von vornherein aus (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R, Juris - zu Freelance Piloten; BAG, Urteil vom 27.06.2001 - 5 AZR 561/99, BAGE 98, 146). Das Fehlen von - hochwertigen -Betriebsmitteln hängt zum Teil auch mit der Veränderung der Arbeitswelt im Sinne einer Intellektualisierung und Entmaterialisierung des Betriebsbegriffes zusammen. In einem entmaterialisierten, im Wesentlichen nur noch virtuellen Betrieb fehlt es in aller Regel an einem physischen Arbeitsplatz innerhalb eines räumlichen Gebildes. Das Know-How hochqualifizierter Mitarbeiter ist das wichtigste und oft auch einzige Betriebskapital.

2. Im vorliegenden Fall stellt sich nach Auffassung der Kammer die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) nach ihren Gesamtumständen auch für den Zeitraum vom 15.05.2007 bis 31.12.2009 mit kurzen Unterbrechungen als Fall einer abhängigen Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV dar. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Tätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum von derjenigen, in der die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin beschäftigt war, substantiell unterschied.

Dies ergibt sich aus folgender Gesamtabwägung:

a) Die Kammer verkennt nicht, dass - wie auch die Klägerseite zutreffend vorgetragen hat - einige Punkte für eine selbständige Tätigkeit sprechen.

Prüfungsmaßstab ist zunächst der schriftliche Vertrag über die Tätigkeit als freier Mitarbeiter vom 25.04.2007. Die darin getroffenen Vereinbarungen (z. B. § 2 keine Weisungsgebundenheit; keine Pflicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung) sprechen isoliert für sich betrachtet für eine selbständige Tätigkeit. Ferner sprechen im streitgegenständlichen Fall folgende Punkte für eine selbständige Tätigkeit:

- keine Vereinbarung von Sozialleistungen wie Urlaubsgeld, bezahlter Urlaub, Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall, Weihnachtsgeld, Zuschüsse zur Kranken- oder Rentenversicherung (vgl. u. a. § 10 Vertrag)
- Entfallen des Vergütungsanspruchs bei unterbliebener Leistungserbringung (§ 8 Vertrag),
- die Anmeldung eines Gewerbes und
- der Bezug eines Gründungszuschusses.

Die Beigeladene zu 1) war im streitgegenständlichen Zeitraum auch für mehrere Auftraggeber tätig. Dies waren jedoch, wie in der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2013 vorgetragen wurde, im Wesentlichen die klägerische Firma und die Firma F. O., deren Mitgesellschafter der Geschäftsführer der Klägerin ist. Da sich die Beigeladene zu 1) auch um ihren Sohn kümmern musste, war es ihr nach eigenem Vortrag im streitgegenständlichen Zeitraum nur eingeschränkt möglich, weitere Aufträge anzunehmen.

Die Beigeladene zu 1) war zum Teil auch werbend tätig. So verfügte sie über eine eigene Internetpräsenz und ließ Flyer drucken und an potentielle Geschäftskunden verschicken. Weitere - nennenswerte - Aufträge von Dritten hat sie jedoch nicht erhalten. Mangels weiterer zeitlicher Ressourcen war es ihr auch faktisch nicht möglich weitere Aufträge anzunehmen.

Auch die Bewilligung eines "Gründungszuschusses" nach § 57 SGB III a. F. für den Zeitraum vom 15.05.2007 bis zum 14.08.2008 spricht grundsätzlich für eine selbständige Tätigkeit. Die bestandskräftigen Bescheide der Bundesagentur für Arbeit sind für den Rentenversicherungsträger jedoch nicht bindend (vgl. dazu SG Landshut, Urteil v. 03.07.2013 - S 10 R 5033/12). Der Rentenversicherungsträger kann in eigener Zuständigkeit prüfen, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Die Kammer vertritt zwar die Auffassung, dass bei der Bewilligung eines Gründungszuschusses durch die Bundesagentur für Arbeit nach dem SGB III der Rentenversicherungsträger bei der Feststellung einer Beschäftigung eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legen sollte (ausführlich SG Landshut a.a.O.). Sprechen jedoch eindeutige Indizien für eine Beschäftigung, so stellt auch die Bewilligung des Gründungszuschusses keine "Sperrwirkung" für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit dar.

b) Gegen eine selbständige Tätigkeit und für eine abhängige Beschäftigung bei der Klägerin spricht jedoch entscheidend, dass die Beigeladene zu 1) ca. drei Jahre bei der Klägerin als Arbeitnehmerin beschäftigt war und weder vorgetragen wurde noch sonst ersichtlich ist, dass sich die Tätigkeit als "Selbständige" von ihrer bisherigen Tätigkeit als "Beschäftigte" substantiell unterschied. Die Tätigkeit bestand jeweils in der Abwicklung des Zahlungsverkehrs, der Durchführung der Korrespondenz, der Rechnungsverwaltung und der vorbereitenden Buchführung. Der Vortrag des Geschäftsführers der Klägerin, dass die Bürotätigkeit eine untergeordnete Rolle eingenommen habe und der Schwerpunkt im Bereich des Softwaretestings lag, ist zumindest deshalb anzuzweifeln, weil der Bereich des Softwaretestings im schriftlichen Vertrag keinen Niederschlag fand. Auch aus der Übersicht über die Einkünfte der Beigeladenen zu 1) für die Jahre 2008/2009 (vgl. Bl. 71 Verwaltungsakte) ergibt sich, dass die Bürotätigkeit der Schwerpunkt ihres Tätigkeitsbereichs war. Eine Statusänderung bei im Wesentlichen gleichbleibender Tätigkeit und gleichen Rahmenbedingungen ist grundsätzlich nicht bzw. nur mit gewichtigen Gründen möglich (vgl. in diesem Zusammenhang auch BayLSG, Urteil v. 23.04.2009 - L 4 KR 229/07). Im Grunde handelt es sich um Tätigkeiten, wie sie in Firmen üblicherweise von entsprechenden Arbeitnehmern (Sekretärinnen) verrichtet werden. Die Beigeladene zu 1) hatte bei dieser Tätigkeit auch keine erkennbaren eigenen Entscheidungsbefugnisse. Die Büroorganisation ergab sich bereits aus der Natur der Sache. Auch der Projektauftrag (Softwaretesting) war konkret vorgegeben. Eine irgendwie geartete individuelle Arbeitsleistung, wie sie für selbstständige Tätigkeiten typisch ist, erbrachte sie nicht. Diesem Aspekt kommt jedoch bei der rechtlichen Beurteilung wesentliche Bedeutung zu, weil bei einfachen, typischen Arbeitnehmer-Verrichtungen, die der Beschäftigte ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübt, die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis spricht (vgl. dazu ausdrücklich: BSG, Urteil vom 18. Mai 1983 - 13 RK 41/81).
Die Beigeladene zu 1) ist durchaus in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Sie verrichtete im Wesentlichen dieselben Tätigkeiten wie in den Jahren 2004 bis 2006. Sie arbeitete mit den anderen von der Klägerin beauftragten Mitarbeitern zusammen. Das Arbeiten "Hand in Hand" mit anderen Beschäftigten des Auftraggebers und das Angewiesensein auf deren Mitarbeit und Mitwirken sprechen für eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation und damit für eine abhängige Beschäftigung. Die Klägerin stellte der Beigeladenen zu 1), wenn auch keinen festen, so doch einen Gemeinschaftsarbeitsplatz mit PC zur Verfügung, den sie jederzeit nutzen konnte. Die Beigeladene verfügte sogar über einen Schlüssel für die Räume der Klägerin. Bestimmte Tätigkeiten haben sogar zwingend in den Büroräumen der Klägerin durchgeführt werden müssen. Auch die Teilnahme an Teambesprechungen zeigt, dass die Klägerin in die Arbeitsorganisation eingebunden war.
Dass sie regelmäßig Teile ihrer Tätigkeit auch außerhalb der Firmenräume verrichten konnte, steht der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Telearbeit und Heimarbeit zu frei gewählten Zeiten ist in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen gerade bei Bürotätigkeiten nicht unüblich.
Fehlende inhaltliche Einzelweisungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr ist die innerhalb eines vorgegebenen Rahmens frei gestaltete Arbeitsleistung bei bestimmten Tätigkeiten üblich, ohne Anhaltspunkt für eine Selbstständigkeit zu sein. Von daher tritt in der Gesamtwürdigung für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung die Eingebundenheit der Klägerin in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) und ihre "dienende Teilhabe" am Arbeitsprozess in den Vordergrund.
c) Die Beigeladene zu 1) trug auch kein nennenswertes unternehmerisches Risiko, was nach Ansicht der Kammer ein besonders gewichtiges Entscheidungskriterium darstellt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.04.2013 - L 4 R 2078/11- v. 22.03.2013 - L 4 KR 3725/11). Maßgebliches Kriterium für ein solches Risiko eines Selbstständigen ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sächlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R -; in juris). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr wurde der Beigeladenen zu 1) ausweislich § 8 des Vertrages vom 25.04.2007 jede Stunde tatsächlich geleisteter Arbeit auch tatsächlich vergütet. Sie erhielt für jede geleistete Arbeitsstunde eine garantierte Vergütung in Höhe von jeweils 15,00 EUR, zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer. Unabhängig davon, dass die Höhe des Stundensatzes nicht dem "typischen" Stundenlohn eines Selbständigen entspricht, hatte ihr weder ein Verlust von Arbeitskraft noch ein Verlust eigenen Kapitals gedroht. Vielmehr war ihr vertraglich versprochen, für tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen eine im Voraus vorhersehbare und berechenbare Vergütung zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes zu erhalten. Bezeichnenderweise erklärte der Geschäftsführer der Klägerin, dass er die Beigeladene zu 1) habe unterstützen wollen. Sie hatte auch keine Möglichkeit, im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin den eigenen wirtschaftlichen Erfolg zu beeinflussen. Die Beigeladene zu 1) setzte auch keine nennenswerten eigenen Betriebsmittel ein.
Auch das Fehlen eines vertraglichen Urlaubsanspruchs oder eines vertraglichen Anspruchs auf Entgeltfortzahlung können vorliegend nicht als Indiz für ein Unternehmerrisiko gewertet werden. Denn solche Vertragsgestaltungen sind als typisch anzusehen, wenn beide Seiten eine selbstständige freie Mitarbeit wollten. Letztlich ist dies ebenso wie die Gewerbeanmeldung und die Veranlagung zur Einkommenssteuer mit Einkünften aus Gewerbebetrieb, die ebenfalls auf der Tatsache beruhen, dass eine selbstständige Tätigkeit gewollt war, nicht entscheidend. Vielmehr ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht die von den Beteiligten gewählte vertragliche Beziehung maßgebend. Solche Vereinbarungen sind im Übrigen eher typisch bei Scheinselbstständigkeit, die die Arbeitnehmerrechte wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Ansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und nicht zuletzt die Beitragszahlung zur Sozialversicherung umgehen soll. Dem Arbeitnehmer werden dadurch sämtliche Schutzmöglichkeiten genommen, ohne dass dies im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder gar Gewinne kompensiert wird (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 12. Dezember 2008 - L 4 R 3542/05 - und vom 02. September 2011 - L 4 R 1036/10 -; beide in juris).
d) Schließlich steht der Annahme einer Beschäftigteneigenschaft nicht entgegen, dass die Beigeladene zu 1) die Lebensgefährtin des Geschäftsführers der Klägerin ist. Auch Ehe- und Lebenspartner sowie Angehörige können in einem Beschäftigungsverhältnis zueinander stehen. Wegen der beziehungsbedingten besonderen Verbundenheit werden sie in einem weniger engen Über-/Unterordnungsverhältnis stehen, als dies im Normalarbeitsverhältnis der Fall ist. Dennoch können Ehe- und Lebenspartner sowie Angehörige untereinander beschäftigt sein (Rittweger, in: Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht Hrsg: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Stand: 01.06.2013; § 7 Rn. 10m). Vorliegend spricht die Tatsache, dass tatsächlich ein angemessenes Arbeitsentgelt gezahlt wurde und die Beigeladene zu 1) eine fremde Arbeitskraft ersetzt hat, für eine abhängige Beschäftigung. Von einer "aktiven Mitunternehmerschaft" kann vorliegend nicht gesprochen werden (vgl. LSG Hamburg, Beschluss v. 06.07.2010 - L 8 KR 171/09).

3. Die Beigeladene zu 1) ist nicht nach § 8 SGB IV versicherungsfrei in den Zweigen der Sozialversicherung. Denn sie erhielt für ihre Tätigkeit bei der Klägerin regelmäßig ein über der Grenze der Entgeltgeringfügigkeit von EUR 400,00, seit 01. Januar 2013 von EUR 450,00
liegendes Arbeitsentgelt. Ferner war die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres nicht auf 50 Arbeitstage bzw. zwei Monate begrenzt.

4. Die Beiträge - insbesondere für das Jahr 2007 - waren jedoch im Zeitpunkt ihrer Festsetzung mit Bescheid vom 24.05.2012 auch noch nicht nach § 25 Abs 1 SGB IV verjährt.

a) Nach § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen nach § 22 Abs 1 SGB IV, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen und der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt entstanden ist. Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB IV werden laufende Beiträge, die geschuldet werden, entsprechend den Regelungen der Satzung der Kranken- und Pflegekasse fällig. Nach § 23 Abs 1 Satz 2 SGB IV werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt; ein verbleibender Restbeitrag wird zum drittletzten Bankarbeitstag des Folgemonats fällig. Die Beiträge 15.05.2007 bis einschließlich Dezember 2007 wurden danach grundsätzlich im Jahr 2007 fällig, so dass die Frist des § 25 Abs 1 SGB V am 31.12.2011 endete.

b) Vorliegend ist jedoch eine Hemmung der Verjährung für den Zeitraum 02.05.2010 bis 22.02.2012 (genau genommen 14 Tage nach Bekanntgabe des Anhörungsschreibens vom 22.02.2012) eingetreten. Hemmung ist der Stillstand der Verjährung, so dass der Zeitraum, während dessen die Hemmung besteht, nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird (vgl. § 209 BGB). Nach § 25 Abs 2 Satz 2 SGB IV ist die Verjährung für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt. Die Hemmung beginnt mit dem Tag des Beginns der Betriebsprüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und endet mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung (§ 25 Abs 2 Satz 4 SGB IV).

Die Einleitung der Betriebsprüfung erfolgte zunächst nach unstreitigem Vortrag am 02.05.2010. Selbst wenn unter "Prüfung beim Arbeitgeber" im Sinne des § 25 Abs.2 S. 2 SGB IV nicht die Prüfung im engeren Sinne, bei der die mit der Prüfung Beauftragten des Rentenversicherungsträgers im Betrieb oder bei der Abrechnungsstelle erscheinen, um die Prüfung vorzunehmen, verstanden werden kann, beginnt diese jedenfalls nicht durch die bloße Ankündigung der Prüfstelle, in eine Prüfung einsteigen zu wollen, einem reinen Anhörungsschreiben oder einem informellen Treffen. Wie sich im Umkehrschluss aus § 25 Abs.2 Satz 5 SGB IV ergibt, kann vielmehr verjährungshemmend frühestens der Tag sein, der in der Prüfankündigung genannt ist: Nach § 25 Abs.2 S. 5 SGB IV ist dieser Tag nämlich maßgebend, wenn der ursprünglich vorgesehene Termin verschoben werden muss, es sei denn, die prüfende Stelle hat den Umstand, dass die Prüfung nicht beginnen konnte, zu vertreten (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. November 2012 - L 1 KR 350/12 B ER -, juris; SG Würzburg, Beschluss vom 07.02.2012 - S 6 R 74/12 ER -, juris Rn. 37;). Vorliegend fehlt es an einem entsprechenden Vortrag und es ist auch von Amts wegen nichts ersichtlich, dass die Betriebsprüfung erst nach dem 02.05.2010 begann.

Trotz eines schon erfolgten Beginns der Prüfung tritt (rückwirkend, d.h. von Anfang an) eine Hemmung nicht ein, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen wird und dies die Prüfinstitution zu vertreten hat (Absatz 2 Satz 3). Dabei wird es sich vorwiegend um Fälle handeln, in denen personelle oder organisatorische Gründe, die also im Verantwortungsbereich der Prüfinstitution liegen, zur Unterbrechung der Prüfung führen. Für einen derartigen Fall bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte.

Nach § 25 Abs. 2 Satz 4 SGB IV endet die Hemmung grundsätzlich mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides (§§ 28p Abs. 1 Satz 5, 37 Abs. 2 SGB X), spätestens aber sechs Kalendermonate nach Abschluss der Prüfung. Abschluss der Prüfung ist grundsätzlich das sog. "Schlussgespräch", das die Funktion einer Anhörung i.S.d. § 24 SGB X hat (vgl. hier BayLSG, Urteil vom 30.04.2010 - L 5 R 832/08 -). Kommt es binnen sechs Monaten nach dem Schlussgespräch nicht zur Bekanntgabe des Beitragsbescheides, endet die Hemmung also mit dem Tag des Schlussgesprächs. Erfolgt eine Anhörung - wie im streitgegenständlichen Verfahren - auf schriftlichem Wege (vgl. Anhörungsschreiben vom 22.02.2012 - Bl. 202 Beklagtenakte) endet die Hemmung mit der Beendigung des Anhörungsverfahrens (so Segebrecht, in: jurisPK-SGB IV, Stand 01.02.2011; § 25 Rn. 56; Hönigmann, DStR 2002, 222).

c) Damit sind im streitgegenständlichen Fall bei der Berechnung der vierjährigen Verjährungsfrist allenfalls der Zeitraum 01.01.2008 bis 01.05.2010 sowie der Zeitraum 23.02.2012 bis 24.05.2012 zu berücksichtigen. Ein Ablauf der Vierjahresfrist liegt somit nicht vor.

Aus den oben genannten Gründen war die Klage abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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