Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 16 KA 193/05
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 3 KA 117/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 17/10 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 9. Dezember 2009 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 167 712 Euro festgesetzt.
Gründe:
I
1
Streitig ist die Entziehung einer vertragsärztlichen Zulassung.
2
Der 1941 geborene Kläger, ein Facharzt für Allgemeinmedizin, beantragte erstmals im Februar 2003 wegen schwerer Erkrankung das Ruhen seiner Zulassung, was der Zulassungsausschuss ihm für die Zeit vom 1.3.2003 bis zum 29.2.2004 bewilligte (Beschluss vom 26.5.2003). Im März 2003 übergab er seine Praxisräume an eine bereits zugelassene Ärztin; er zog nach Bayern um. Im Februar 2004 beantragte er das weitere Ruhen seiner Zulassung, wiederum wegen schwerer Erkrankung, für ein zusätzliches Jahr. Dies lehnte der Zulassungsausschuss (ZA) ab, der ihn mit der Frage nach dem Zeitpunkt voraussichtlicher Wiederaufnahme seiner vertragsärztlichen Tätigkeit angeschrieben, aber keine Antwort erhalten hatte (Beschluss vom 23.2.2004). Den Widerspruch des Klägers wies der beklagte Berufungsausschuss (BA) zurück (Beschluss vom 27.4.2005). Diesen Bescheid focht der Kläger nicht an.
3
Bereits im März und April 2004 - also noch vor Abschluss des Rechtsstreits wegen des Ruhens - hatte der ZA beim Kläger angefragt, ob er auf seine Zulassung verzichte, andernfalls ein Verfahren auf Entziehung der Zulassung eingeleitet werden müsse. In dem zweiten Schreiben kündigte der ZA zusätzlich an, er beabsichtige, alsbald über die Entziehung seiner Zulassung zu entscheiden. Der ZA beschloss am 31.8.2004, dass dem Kläger die Zulassung mit sofortiger Wirkung entzogen werde, weil er seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausübe und auch aus dem Planungsbereich weggezogen sei.
4
Der Kläger erhob Widerspruch, zahlte aber nicht die Verfahrensgebühr von 50 Euro ein. Der Beklagte teilte ihm mit, dass sein Widerspruch als zurückgenommen gelte und somit der Bescheid des ZA bestandskräftig geworden sei (Schreiben vom 7.4.2005). Auf Antrag des Klägers, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren - mit der Begründung, er sei nicht darauf hingewiesen worden, eine Stundung der Gebühr erhalten zu können -, hat sich der Beklagte am 27.4.2005 (also zeitgleich mit der Zurückweisung des Widerspruchs gegen die Ablehnung des zweiten Ruhensantrags) mit der Angelegenheit befasst: Er hat (1.) den Antrag auf Wiedereinsetzung abgelehnt und (2.) festgestellt, dass der Widerspruch als zurückgenommen gelte, sowie - zusätzlich - (3.) den Widerspruch in der Sache zurückgewiesen.
5
Auf einen rechtlichen Hinweis des vom Kläger angerufenen SG hin hat sich der Beklagte am 18.7.2007 erneut mit der Angelegenheit befasst; er hat den Bescheid vom 27.4.2005 hinsichtlich der Punkte 1. und 2. aufgehoben und den Widerspruch des Klägers als zulässig, aber unbegründet zurückgewiesen: Der Zulassungsentziehungsgrund des Nicht-mehr-Ausübens vertragsärztlicher Tätigkeit sei gegeben, denn der Kläger habe dreieinhalb Jahre lang seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht ausgeübt.
6
Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteile vom 22.10.2008 und vom 9.12.2009). Im Urteil des LSG ist unter anderem ausgeführt: Es spreche viel dafür, dass schon der Widerspruchsbescheid vom 27.4.2005 zutreffend - nämlich der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des ZA vom 31.8.2004 unzulässig - gewesen sei und der Beklagte, da ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung wegen der Auswirkungen auf die Rechtsstellungen von Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkassen vorliege, eine neue Sachentscheidung überhaupt nicht habe treffen können. Aber auch, wenn man die neue Entscheidung des Beklagten vom 18.7.2007 zugrunde lege, sei die Klage erfolglos. Die Zulassung sei dem Kläger zu Recht entzogen worden. Dieser habe seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausgeübt, ohne dass Anhaltspunkte für deren Wiederaufnahme in angemessener Zeit vorgelegen hätten; er habe bereits im März 2003 seine Praxisräume verkauft. Ein Wegzug iS des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V habe ebenfalls vorgelegen. Seine Angabe, er hätte dennoch durchgehend den Willen der Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit gehabt, sei ohne Bedeutung.
7
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichungen von der BSG-Rechtsprechung und einen Verfahrensmangel geltend.
II
8
Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Seine Rügen sind, soweit er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, unbegründet. Die Rügen einer Rechtsprechungsabweichung sind teils schon nicht zulässig und im Übrigen unbegründet. Die Verfahrensrüge ist unbegründet.
9
1. Eine grundsätzliche Bedeutung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN). Diese Voraussetzungen sind bei den vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen nicht erfüllt.
10
a) Der Kläger hält die folgenden Verfahrensfragen für grundsätzlich bedeutsam,
· ob der BA in Verfahren der Zulassungsentziehung jedenfalls dann, wenn der Widerspruch nicht schon aus formellen Gründen zurückzuweisen ist, eine mündliche Verhandlung durchführen muss,
· und ob der Vorsitzende des BA das Entscheidungsverfahren ohne mündliche Verhandlung vorwegnehmen darf, indem er vorab ankündigt, voraussichtlich werde so verfahren.
11
Eine grundsätzliche Bedeutung kommt diesen Fragen indessen im Fall des Klägers nicht zu. Es fehlt schon - jedenfalls bei der erstgenannten Frage - an der Klärungsbedürftigkeit. Denn § 45 Abs 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) gestattet die Zurückweisung eines Widerspruchs ohne mündliche Verhandlung, und der Senat hat bereits geklärt, dass diese Vorschrift auch auf Verfahren der Zulassungsentziehung anzuwenden ist (BSG vom 6.2.2008 - B 6 KA 9/07 B - Juris RdNr 8 ff). Überdies fehlt es bei beiden Rechtsfragen an der Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit). Denn in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren bestünde ersichtlich keine Notwendigkeit, die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage zu klären, ob in bestimmten Konstellationen eine mündliche Verhandlung zwingend ist. Der vorliegende Fall war durch Besonderheiten des Einzelfalls geprägt. Der BA hatte sich schon erstmals am 27.4.2005 mit dem Widerspruch des Klägers befasst. Er war zu dem Ergebnis gekommen, der Widerspruch gelte mangels Zahlung der Verfahrensgebühr als zurückgenommen und deshalb sei die vom ZA ausgesprochene Zulassungsentziehung bereits bestandskräftig geworden. Ergänzend zu dieser formellen Bewertung befasste sich der BA mit dem Begehren des Klägers auch in der Sache und kam zu dem Ergebnis, die Zulassungsentziehung sei auch inhaltlich rechtmäßig. Vor dem Hintergrund dieser inhaltlichen Vorbefassung kann nicht beanstandet werden, dass sich der Vorsitzende des BA in seinem Schreiben vom 13.6.2007 zu der Prognose in der Lage sah, der BA werde am 18.7.2007 voraussichtlich ohne mündliche Verhandlung (erneut inhaltlich) über den Widerspruch entscheiden. Da zudem der Kläger seitdem inhaltlich nichts maßgebliches Neues zur Frage des Nicht-Mehr-Ausübens der vertragsärztlichen Tätigkeit vorbrachte, kann auch nicht beanstandet werden, dass der BA dann auch tatsächlich ohne mündliche Verhandlung entschied.
12
b) Der Kläger hält weiterhin für grundsätzlich bedeutsam,
· ob es sich bei der Frist für die Zahlung der Verfahrensgebühr (§ 45 Abs 1 Ärzte-ZV) um eine Ausschlussfrist handelt, die keinen Raum für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand belässt.
13
Auch aufgrund dieser Frage kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Frage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren zur Entscheidung anstehen könnte. Das LSG hat in seinem Urteil zwar erwogen, ob der Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des ZA vom 31.8.2004 nicht schon überhaupt unzulässig gewesen sei (LSG-Urteil S 13: "Vieles spricht dafür, dass "). Letztlich tragend hat das LSG sein Urteil aber darauf gegründet, dass die Zulassungsentziehung in der Sache rechtmäßig gewesen sei (aaO S 15: "Unabhängig hiervon ist die Klage unbegründet, weil "). Bei diesen tragenden materiellen Erwägungen ist das LSG davon ausgegangen, dass der Widerspruch des Klägers zulässig gewesen sei, also nicht wegen verspäteter Zahlung der Verfahrensgebühr als zurückgenommen gelte. Insofern hat das LSG die Zulässigkeit des Widerspruchs unterstellt. Für die tragenden Gründe des LSG-Urteils ist mithin nicht relevant, ob bei Versäumung der Frist für die Zahlung der Gebühr eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist. Die Frage ist deshalb nicht entscheidungserheblich, dh es fehlt die Klärungsfähigkeit.
14
2. Erfolglos sind auch die Rügen des Klägers, dem LSG seien Abweichungen von der Rechtsprechung des BSG anzulasten (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Diese Rügen sind unbegründet.
15
a) Der Kläger rügt als Divergenz, das Urteil des LSG beruhe auf der "lapidaren Aussage, ein Anhörungsmangel des Beklagten sei bis zur letzten Tatsacheninstanz noch heilbar", während das BSG in verschiedenen Urteilen die Heilbarkeit erheblich einschränke, nämlich dafür eine qualifizierte Anhörungsnachholung durch die Behörde selbst fordere (die vorliegend nicht erfolgt sei). Eine Divergenz gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG setzt voraus, dass Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht miteinander vereinbar sind (stRspr, vgl zB BSG vom 17.6.2009 - B 6 KA 58/08 B - RdNr 6 und BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - Juris RdNr 9). Das LSG-Urteil einerseits und die höchstrichterlichen Entscheidungen andererseits müssen jeweils abstrakte Rechtssätze bzw Obersätze enthalten, die einander widersprechen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
16
Der Kläger stellt zutreffend die in manchen Urteilen des 4. Senats des BSG enthaltene Aussage dar, dass die Nachholung einer Anhörung im anschließenden Klageverfahren dieselbe rechtliche Qualität haben müsse wie eine Anhörung, die vor Erlass des Verwaltungsakts durchgeführt wurde. Dem stellt er den (knappen) Satz in dem hier angefochtenen Berufungsurteil gegenüber, wonach dem BA unterlaufene Anhörungsfehler geheilt werden könnten. In diesem Satz selbst liegt jedoch noch kein Widerspruch zu den Aussagen des 4. Senats des BSG. Eine Unvereinbarkeit mit den Rechtssätzen des BSG ergibt sich vielmehr erst bei interpretativer Anreicherung des Satzes des LSG, wie dies der Kläger tut: Er legt den Satz des LSG vor dem Hintergrund des hier entschiedenen Falles dahin aus, das LSG sehe jeden Anhörungsmangel des Beklagten als noch bis zur letzten Tatsacheninstanz heilbar an, ohne dass es dabei besondere Anforderungen stelle. Hieraus wird deutlich, dass nicht schon der Satz des LSG als solcher mit den Aussagen der BSG-Urteile unvereinbar ist, sondern dass sich ein Widerspruch erst aus dem Kontext ergibt, in dem das Urteil des LSG steht, dh aus der vom LSG im vorliegenden konkreten Fall vorgenommenen Rechtsanwendung. Somit ist aber nur die Subsumtion des LSG im Einzelfall betroffen, und in der Unvereinbarkeitsrüge des Klägers liegt eine sogenannte bloße Subsumtionsrüge. Dies reicht nicht für eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG aus (stRspr, vgl zB BSG vom 28.1.2009 - B 6 KA 53/07 B - Juris RdNr 25 f, insoweit in MedR 2010, 344, nicht abgedruckt; BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - Juris RdNr 9, 11; dazu ausführlich BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f).
17
Die Ausrichtung der Rüge des Klägers, die auf das Fehlen einer wirksamen Heilung und damit auf die Aufdeckung eines Verfahrensfehlers des BA zielt, lässt erkennen, dass der Kläger zutreffend erkennt, dass ihm dafür nicht der Weg einer Verfahrensrüge zur Verfügung steht (weshalb er eben den Weg einer Divergenzrüge gewählt hat): Mit einer Verfahrensrüge gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG können nur Verfahrensmängel in dem vom LSG durchgeführten gerichtlichen Verfahren, nicht aber solche in dem vorausgegangenen Verfahren des SG oder der Verwaltungsbehörde geltend gemacht werden (stRspr, vgl zuletzt BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 2/09 B - RdNr 8 f). Der Versuch, auf den Weg einer Divergenzrüge gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG auszuweichen, kann allerdings - wie dargelegt - in einer Konstellation der vorliegenden Art keinen Erfolg haben.
18
b) Unbegründet ist auch die weitere vom Kläger erhobene Divergenzrüge, mit der er sich gegen die Auffassung des LSG wendet, die Frist für die Zahlung der Verfahrensgebühr dürfte eine Ausschlussfrist sein, bei der eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht komme. Das Urteil des LSG kann jedoch auf der von ihm insoweit geltend gemachten Abweichung von der Rechtsprechung des BSG nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG "beruhen".
19
Das LSG hat zum einen nur ausgeführt, es neige zu der Auffassung der Qualifizierung als Ausschlussfrist - es hat also nicht abschließend Stellung genommen -; zum anderen hat das LSG sein Urteil nicht tragend auf eine Unzulässigkeit des Widerspruchs wegen verspäteter Zahlung der Verfahrensgebühr gestützt, sondern darauf, dass die Zulassungsentziehung in der Sache rechtmäßig gewesen sei (vgl oben 1. b). Bei diesen tragenden materiellen Erwägungen ist das LSG davon ausgegangen, dass der Widerspruch des Klägers zulässig gewesen sei, hat also eine erfolgreiche Wiedereinsetzung zugrunde gelegt. Insofern ist die Frage, ob bei Versäumung der Frist für die Zahlung der Verfahrensgebühr eine Wiedereinsetzung möglich oder nicht möglich ist, für die tragenden Gründe des LSG-Urteils nicht relevant.
20
Ebenso fehlt es an einem "Beruhen" auf einer etwaigen Divergenz insoweit, als der Kläger rügt, jedenfalls hätte ein Fall der Fristversäumung aufgrund höherer Gewalt angenommen werden müssen, weil eine schwere onkologische Erkrankung höhere Gewalt darstelle.
21
c) Unbegründet ist ferner die vom Kläger erhobene Rüge, eine Rechtsprechungsabweichung des LSG liege darin, dass es für bedeutungslos halte, ob er durchgehend den Willen der Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit hatte. Der Kläger verkennt insoweit den Kontext, in dem die Ausführungen der von ihm angeführten BSG-Rechtsprechung stehen. Nach dieser Rechtsprechung liegt ein Nicht-mehr-Ausüben schon dann vor, wenn objektiv keine nennenswerte vertragsärztliche Tätigkeit mehr entfaltet wird (vgl BSGE 85, 1, 5 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 31 f; siehe auch BSG USK 84272 S 1385 = Juris RdNr 10 f) und die Wiederaufnahme der Tätigkeit nicht binnen eines kurzen absehbaren Zeitraums erfolgt, und erst recht dann, wenn auch der Wille zur weiteren Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit fehlt (siehe hierzu BSG USK aaO RdNr 10). In dieser Weise hat das Fehlen des Willens (nur) eine zusätzliche, absichernde Bedeutung. Es lässt sich in keiner BSG-Entscheidung ein Rechtssatz in dem vom Kläger formulierten Sinne finden, dass schon allein der Wille des Arztes zu weiterer Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit ein Hindernis für die Entziehung der Zulassung sei.
22
3. Unbegründet ist schließlich auch die vom Kläger erhobene Rüge des Vorliegens eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
23
Der Kläger sieht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, dass das LSG sich nicht mit seinem Vorbringen befasst habe, das SG habe ihm die Mitteilung des Vorsitzenden des BA vom 13.6.2007 nicht zugeleitet. Hätte das LSG sich damit befasst, so hätte es - so macht es der Kläger geltend - auch die formelle Rechtswidrigkeit der Zulassungsentziehung erkannt, die sich aus der Vorwegnahme des Einstimmigkeitserfordernisses des § 45 Abs 2 Ärzte-ZV durch den Vorsitzenden ergebe. Diese Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs hat in der Sache keinen Erfolg.
24
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung erwägt, auch wenn sich dies nicht ausdrücklich aus dem Urteil ergibt. Eine gegenteilige Annahme - und ein Versäumnis des Gerichts, auf eine bestimmte Argumentation der Beteiligten ausdrücklich einzugehen - bedarf greifbarer Anhaltspunkte, die der Beschwerdeführer aufzuzeigen hat (vgl dazu BSGE 88, 193, 204 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 13; BVerfGE 70, 288, 293; 79, 51, 61; 87, 1, 33; 96, 205, 216 f; BVerfG (Kammer), NJW-RR 2002, 68, 69). Zudem muss ersichtlich sein, dass das vermeintlich unberücksichtigt gebliebene Vorbringen zu einem anderen Urteilsspruch hätten führen können (vgl BSGE 69, 280, 284 = SozR 3-4100 § 128a Nr 5 S 35 mwN). Nur dann läge im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ein Verfahrensmangel vor, "auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann". An diesen Voraussetzungen fehlt es.
25
Es kann schon nicht angenommen werden, dass das LSG sich nicht mit seinem Vorbringen befasst hätte, das SG habe ihm die Mitteilung des Vorsitzenden des BA vom 13.6.2007 nicht zugeleitet. Dafür fehlt es an den dafür erforderlichen greifbaren Anhaltspunkten. Solche benennt auch der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht. Er beruft sich vielmehr global darauf, dass die Mitteilung vom 13.6.2007 so wesentlich sei, dass sich das LSG deshalb hätte ausdrücklich mit ihr auseinandersetzen und so zur Schlussfolgerung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses des BA kommen müssen. Hiermit überzeichnet der Kläger indessen das Gewicht der Mitteilung: Ihr kommt vor dem Hintergrund der Vorbefassung des BA am 27.4.2005 kein ausschlaggebendes Gewicht zu, wie sich aus den Ausführungen oben unter 1. a ergibt. Auch ist nicht ersichtlich, dass das vermeintlich unberücksichtigt gebliebene Vorbringen zu einem anderen Urteilsspruch hätte führen können und insofern das Urteil des LSG iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG "auf dem Verfahrensmangel beruhen kann". Hiergegen spricht vor allem, dass vor dem Hintergrund der Vorbefassung am 27.4.2005 der Vorsitzende rechtlich unbedenklich in seinem Schreiben vom 13.6.2007 die Prognose wagen durfte, der BA werde am 18.7.2007 voraussichtlich ohne mündliche Verhandlung inhaltlich über den Widerspruch entscheiden (vgl oben 1. a). War also diese Prognose unbedenklich und angesichts der Vorbefassung vom 27.4.2005 auch die Verfahrensweise des BA, am 18.7.2007 ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, nicht zu beanstanden, so ist nicht erkennbar, inwiefern eine eingehendere Befassung des LSG mit seinem Vorbringen, das SG habe ihm die Mitteilung des Vorsitzenden des BA vom 13.6.2007 nicht zugeleitet, zu einem anderen Urteilsspruch des LSG hätte führen können.
26
4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG abgesehen.
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
28
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3, § 40 GKG. Seine Bemessung erfolgt entsprechend den Ausführungen im vorinstanzlichen Urteil, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden sind.
Gründe:
I
1
Streitig ist die Entziehung einer vertragsärztlichen Zulassung.
2
Der 1941 geborene Kläger, ein Facharzt für Allgemeinmedizin, beantragte erstmals im Februar 2003 wegen schwerer Erkrankung das Ruhen seiner Zulassung, was der Zulassungsausschuss ihm für die Zeit vom 1.3.2003 bis zum 29.2.2004 bewilligte (Beschluss vom 26.5.2003). Im März 2003 übergab er seine Praxisräume an eine bereits zugelassene Ärztin; er zog nach Bayern um. Im Februar 2004 beantragte er das weitere Ruhen seiner Zulassung, wiederum wegen schwerer Erkrankung, für ein zusätzliches Jahr. Dies lehnte der Zulassungsausschuss (ZA) ab, der ihn mit der Frage nach dem Zeitpunkt voraussichtlicher Wiederaufnahme seiner vertragsärztlichen Tätigkeit angeschrieben, aber keine Antwort erhalten hatte (Beschluss vom 23.2.2004). Den Widerspruch des Klägers wies der beklagte Berufungsausschuss (BA) zurück (Beschluss vom 27.4.2005). Diesen Bescheid focht der Kläger nicht an.
3
Bereits im März und April 2004 - also noch vor Abschluss des Rechtsstreits wegen des Ruhens - hatte der ZA beim Kläger angefragt, ob er auf seine Zulassung verzichte, andernfalls ein Verfahren auf Entziehung der Zulassung eingeleitet werden müsse. In dem zweiten Schreiben kündigte der ZA zusätzlich an, er beabsichtige, alsbald über die Entziehung seiner Zulassung zu entscheiden. Der ZA beschloss am 31.8.2004, dass dem Kläger die Zulassung mit sofortiger Wirkung entzogen werde, weil er seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausübe und auch aus dem Planungsbereich weggezogen sei.
4
Der Kläger erhob Widerspruch, zahlte aber nicht die Verfahrensgebühr von 50 Euro ein. Der Beklagte teilte ihm mit, dass sein Widerspruch als zurückgenommen gelte und somit der Bescheid des ZA bestandskräftig geworden sei (Schreiben vom 7.4.2005). Auf Antrag des Klägers, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren - mit der Begründung, er sei nicht darauf hingewiesen worden, eine Stundung der Gebühr erhalten zu können -, hat sich der Beklagte am 27.4.2005 (also zeitgleich mit der Zurückweisung des Widerspruchs gegen die Ablehnung des zweiten Ruhensantrags) mit der Angelegenheit befasst: Er hat (1.) den Antrag auf Wiedereinsetzung abgelehnt und (2.) festgestellt, dass der Widerspruch als zurückgenommen gelte, sowie - zusätzlich - (3.) den Widerspruch in der Sache zurückgewiesen.
5
Auf einen rechtlichen Hinweis des vom Kläger angerufenen SG hin hat sich der Beklagte am 18.7.2007 erneut mit der Angelegenheit befasst; er hat den Bescheid vom 27.4.2005 hinsichtlich der Punkte 1. und 2. aufgehoben und den Widerspruch des Klägers als zulässig, aber unbegründet zurückgewiesen: Der Zulassungsentziehungsgrund des Nicht-mehr-Ausübens vertragsärztlicher Tätigkeit sei gegeben, denn der Kläger habe dreieinhalb Jahre lang seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht ausgeübt.
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Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteile vom 22.10.2008 und vom 9.12.2009). Im Urteil des LSG ist unter anderem ausgeführt: Es spreche viel dafür, dass schon der Widerspruchsbescheid vom 27.4.2005 zutreffend - nämlich der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des ZA vom 31.8.2004 unzulässig - gewesen sei und der Beklagte, da ein Verwaltungsakt mit Doppelwirkung wegen der Auswirkungen auf die Rechtsstellungen von Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkassen vorliege, eine neue Sachentscheidung überhaupt nicht habe treffen können. Aber auch, wenn man die neue Entscheidung des Beklagten vom 18.7.2007 zugrunde lege, sei die Klage erfolglos. Die Zulassung sei dem Kläger zu Recht entzogen worden. Dieser habe seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht mehr ausgeübt, ohne dass Anhaltspunkte für deren Wiederaufnahme in angemessener Zeit vorgelegen hätten; er habe bereits im März 2003 seine Praxisräume verkauft. Ein Wegzug iS des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V habe ebenfalls vorgelegen. Seine Angabe, er hätte dennoch durchgehend den Willen der Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit gehabt, sei ohne Bedeutung.
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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichungen von der BSG-Rechtsprechung und einen Verfahrensmangel geltend.
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Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Seine Rügen sind, soweit er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, unbegründet. Die Rügen einer Rechtsprechungsabweichung sind teils schon nicht zulässig und im Übrigen unbegründet. Die Verfahrensrüge ist unbegründet.
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1. Eine grundsätzliche Bedeutung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN). Diese Voraussetzungen sind bei den vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen nicht erfüllt.
10
a) Der Kläger hält die folgenden Verfahrensfragen für grundsätzlich bedeutsam,
· ob der BA in Verfahren der Zulassungsentziehung jedenfalls dann, wenn der Widerspruch nicht schon aus formellen Gründen zurückzuweisen ist, eine mündliche Verhandlung durchführen muss,
· und ob der Vorsitzende des BA das Entscheidungsverfahren ohne mündliche Verhandlung vorwegnehmen darf, indem er vorab ankündigt, voraussichtlich werde so verfahren.
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Eine grundsätzliche Bedeutung kommt diesen Fragen indessen im Fall des Klägers nicht zu. Es fehlt schon - jedenfalls bei der erstgenannten Frage - an der Klärungsbedürftigkeit. Denn § 45 Abs 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) gestattet die Zurückweisung eines Widerspruchs ohne mündliche Verhandlung, und der Senat hat bereits geklärt, dass diese Vorschrift auch auf Verfahren der Zulassungsentziehung anzuwenden ist (BSG vom 6.2.2008 - B 6 KA 9/07 B - Juris RdNr 8 ff). Überdies fehlt es bei beiden Rechtsfragen an der Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit). Denn in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren bestünde ersichtlich keine Notwendigkeit, die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage zu klären, ob in bestimmten Konstellationen eine mündliche Verhandlung zwingend ist. Der vorliegende Fall war durch Besonderheiten des Einzelfalls geprägt. Der BA hatte sich schon erstmals am 27.4.2005 mit dem Widerspruch des Klägers befasst. Er war zu dem Ergebnis gekommen, der Widerspruch gelte mangels Zahlung der Verfahrensgebühr als zurückgenommen und deshalb sei die vom ZA ausgesprochene Zulassungsentziehung bereits bestandskräftig geworden. Ergänzend zu dieser formellen Bewertung befasste sich der BA mit dem Begehren des Klägers auch in der Sache und kam zu dem Ergebnis, die Zulassungsentziehung sei auch inhaltlich rechtmäßig. Vor dem Hintergrund dieser inhaltlichen Vorbefassung kann nicht beanstandet werden, dass sich der Vorsitzende des BA in seinem Schreiben vom 13.6.2007 zu der Prognose in der Lage sah, der BA werde am 18.7.2007 voraussichtlich ohne mündliche Verhandlung (erneut inhaltlich) über den Widerspruch entscheiden. Da zudem der Kläger seitdem inhaltlich nichts maßgebliches Neues zur Frage des Nicht-Mehr-Ausübens der vertragsärztlichen Tätigkeit vorbrachte, kann auch nicht beanstandet werden, dass der BA dann auch tatsächlich ohne mündliche Verhandlung entschied.
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b) Der Kläger hält weiterhin für grundsätzlich bedeutsam,
· ob es sich bei der Frist für die Zahlung der Verfahrensgebühr (§ 45 Abs 1 Ärzte-ZV) um eine Ausschlussfrist handelt, die keinen Raum für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand belässt.
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Auch aufgrund dieser Frage kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Frage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren zur Entscheidung anstehen könnte. Das LSG hat in seinem Urteil zwar erwogen, ob der Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des ZA vom 31.8.2004 nicht schon überhaupt unzulässig gewesen sei (LSG-Urteil S 13: "Vieles spricht dafür, dass "). Letztlich tragend hat das LSG sein Urteil aber darauf gegründet, dass die Zulassungsentziehung in der Sache rechtmäßig gewesen sei (aaO S 15: "Unabhängig hiervon ist die Klage unbegründet, weil "). Bei diesen tragenden materiellen Erwägungen ist das LSG davon ausgegangen, dass der Widerspruch des Klägers zulässig gewesen sei, also nicht wegen verspäteter Zahlung der Verfahrensgebühr als zurückgenommen gelte. Insofern hat das LSG die Zulässigkeit des Widerspruchs unterstellt. Für die tragenden Gründe des LSG-Urteils ist mithin nicht relevant, ob bei Versäumung der Frist für die Zahlung der Gebühr eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist. Die Frage ist deshalb nicht entscheidungserheblich, dh es fehlt die Klärungsfähigkeit.
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2. Erfolglos sind auch die Rügen des Klägers, dem LSG seien Abweichungen von der Rechtsprechung des BSG anzulasten (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Diese Rügen sind unbegründet.
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a) Der Kläger rügt als Divergenz, das Urteil des LSG beruhe auf der "lapidaren Aussage, ein Anhörungsmangel des Beklagten sei bis zur letzten Tatsacheninstanz noch heilbar", während das BSG in verschiedenen Urteilen die Heilbarkeit erheblich einschränke, nämlich dafür eine qualifizierte Anhörungsnachholung durch die Behörde selbst fordere (die vorliegend nicht erfolgt sei). Eine Divergenz gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG setzt voraus, dass Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht miteinander vereinbar sind (stRspr, vgl zB BSG vom 17.6.2009 - B 6 KA 58/08 B - RdNr 6 und BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - Juris RdNr 9). Das LSG-Urteil einerseits und die höchstrichterlichen Entscheidungen andererseits müssen jeweils abstrakte Rechtssätze bzw Obersätze enthalten, die einander widersprechen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
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Der Kläger stellt zutreffend die in manchen Urteilen des 4. Senats des BSG enthaltene Aussage dar, dass die Nachholung einer Anhörung im anschließenden Klageverfahren dieselbe rechtliche Qualität haben müsse wie eine Anhörung, die vor Erlass des Verwaltungsakts durchgeführt wurde. Dem stellt er den (knappen) Satz in dem hier angefochtenen Berufungsurteil gegenüber, wonach dem BA unterlaufene Anhörungsfehler geheilt werden könnten. In diesem Satz selbst liegt jedoch noch kein Widerspruch zu den Aussagen des 4. Senats des BSG. Eine Unvereinbarkeit mit den Rechtssätzen des BSG ergibt sich vielmehr erst bei interpretativer Anreicherung des Satzes des LSG, wie dies der Kläger tut: Er legt den Satz des LSG vor dem Hintergrund des hier entschiedenen Falles dahin aus, das LSG sehe jeden Anhörungsmangel des Beklagten als noch bis zur letzten Tatsacheninstanz heilbar an, ohne dass es dabei besondere Anforderungen stelle. Hieraus wird deutlich, dass nicht schon der Satz des LSG als solcher mit den Aussagen der BSG-Urteile unvereinbar ist, sondern dass sich ein Widerspruch erst aus dem Kontext ergibt, in dem das Urteil des LSG steht, dh aus der vom LSG im vorliegenden konkreten Fall vorgenommenen Rechtsanwendung. Somit ist aber nur die Subsumtion des LSG im Einzelfall betroffen, und in der Unvereinbarkeitsrüge des Klägers liegt eine sogenannte bloße Subsumtionsrüge. Dies reicht nicht für eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG aus (stRspr, vgl zB BSG vom 28.1.2009 - B 6 KA 53/07 B - Juris RdNr 25 f, insoweit in MedR 2010, 344, nicht abgedruckt; BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - Juris RdNr 9, 11; dazu ausführlich BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f).
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Die Ausrichtung der Rüge des Klägers, die auf das Fehlen einer wirksamen Heilung und damit auf die Aufdeckung eines Verfahrensfehlers des BA zielt, lässt erkennen, dass der Kläger zutreffend erkennt, dass ihm dafür nicht der Weg einer Verfahrensrüge zur Verfügung steht (weshalb er eben den Weg einer Divergenzrüge gewählt hat): Mit einer Verfahrensrüge gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG können nur Verfahrensmängel in dem vom LSG durchgeführten gerichtlichen Verfahren, nicht aber solche in dem vorausgegangenen Verfahren des SG oder der Verwaltungsbehörde geltend gemacht werden (stRspr, vgl zuletzt BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 2/09 B - RdNr 8 f). Der Versuch, auf den Weg einer Divergenzrüge gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG auszuweichen, kann allerdings - wie dargelegt - in einer Konstellation der vorliegenden Art keinen Erfolg haben.
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b) Unbegründet ist auch die weitere vom Kläger erhobene Divergenzrüge, mit der er sich gegen die Auffassung des LSG wendet, die Frist für die Zahlung der Verfahrensgebühr dürfte eine Ausschlussfrist sein, bei der eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht komme. Das Urteil des LSG kann jedoch auf der von ihm insoweit geltend gemachten Abweichung von der Rechtsprechung des BSG nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG "beruhen".
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Das LSG hat zum einen nur ausgeführt, es neige zu der Auffassung der Qualifizierung als Ausschlussfrist - es hat also nicht abschließend Stellung genommen -; zum anderen hat das LSG sein Urteil nicht tragend auf eine Unzulässigkeit des Widerspruchs wegen verspäteter Zahlung der Verfahrensgebühr gestützt, sondern darauf, dass die Zulassungsentziehung in der Sache rechtmäßig gewesen sei (vgl oben 1. b). Bei diesen tragenden materiellen Erwägungen ist das LSG davon ausgegangen, dass der Widerspruch des Klägers zulässig gewesen sei, hat also eine erfolgreiche Wiedereinsetzung zugrunde gelegt. Insofern ist die Frage, ob bei Versäumung der Frist für die Zahlung der Verfahrensgebühr eine Wiedereinsetzung möglich oder nicht möglich ist, für die tragenden Gründe des LSG-Urteils nicht relevant.
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Ebenso fehlt es an einem "Beruhen" auf einer etwaigen Divergenz insoweit, als der Kläger rügt, jedenfalls hätte ein Fall der Fristversäumung aufgrund höherer Gewalt angenommen werden müssen, weil eine schwere onkologische Erkrankung höhere Gewalt darstelle.
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c) Unbegründet ist ferner die vom Kläger erhobene Rüge, eine Rechtsprechungsabweichung des LSG liege darin, dass es für bedeutungslos halte, ob er durchgehend den Willen der Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit hatte. Der Kläger verkennt insoweit den Kontext, in dem die Ausführungen der von ihm angeführten BSG-Rechtsprechung stehen. Nach dieser Rechtsprechung liegt ein Nicht-mehr-Ausüben schon dann vor, wenn objektiv keine nennenswerte vertragsärztliche Tätigkeit mehr entfaltet wird (vgl BSGE 85, 1, 5 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 31 f; siehe auch BSG USK 84272 S 1385 = Juris RdNr 10 f) und die Wiederaufnahme der Tätigkeit nicht binnen eines kurzen absehbaren Zeitraums erfolgt, und erst recht dann, wenn auch der Wille zur weiteren Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit fehlt (siehe hierzu BSG USK aaO RdNr 10). In dieser Weise hat das Fehlen des Willens (nur) eine zusätzliche, absichernde Bedeutung. Es lässt sich in keiner BSG-Entscheidung ein Rechtssatz in dem vom Kläger formulierten Sinne finden, dass schon allein der Wille des Arztes zu weiterer Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit ein Hindernis für die Entziehung der Zulassung sei.
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3. Unbegründet ist schließlich auch die vom Kläger erhobene Rüge des Vorliegens eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
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Der Kläger sieht eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, dass das LSG sich nicht mit seinem Vorbringen befasst habe, das SG habe ihm die Mitteilung des Vorsitzenden des BA vom 13.6.2007 nicht zugeleitet. Hätte das LSG sich damit befasst, so hätte es - so macht es der Kläger geltend - auch die formelle Rechtswidrigkeit der Zulassungsentziehung erkannt, die sich aus der Vorwegnahme des Einstimmigkeitserfordernisses des § 45 Abs 2 Ärzte-ZV durch den Vorsitzenden ergebe. Diese Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs hat in der Sache keinen Erfolg.
24
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung erwägt, auch wenn sich dies nicht ausdrücklich aus dem Urteil ergibt. Eine gegenteilige Annahme - und ein Versäumnis des Gerichts, auf eine bestimmte Argumentation der Beteiligten ausdrücklich einzugehen - bedarf greifbarer Anhaltspunkte, die der Beschwerdeführer aufzuzeigen hat (vgl dazu BSGE 88, 193, 204 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 13; BVerfGE 70, 288, 293; 79, 51, 61; 87, 1, 33; 96, 205, 216 f; BVerfG (Kammer), NJW-RR 2002, 68, 69). Zudem muss ersichtlich sein, dass das vermeintlich unberücksichtigt gebliebene Vorbringen zu einem anderen Urteilsspruch hätten führen können (vgl BSGE 69, 280, 284 = SozR 3-4100 § 128a Nr 5 S 35 mwN). Nur dann läge im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ein Verfahrensmangel vor, "auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann". An diesen Voraussetzungen fehlt es.
25
Es kann schon nicht angenommen werden, dass das LSG sich nicht mit seinem Vorbringen befasst hätte, das SG habe ihm die Mitteilung des Vorsitzenden des BA vom 13.6.2007 nicht zugeleitet. Dafür fehlt es an den dafür erforderlichen greifbaren Anhaltspunkten. Solche benennt auch der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht. Er beruft sich vielmehr global darauf, dass die Mitteilung vom 13.6.2007 so wesentlich sei, dass sich das LSG deshalb hätte ausdrücklich mit ihr auseinandersetzen und so zur Schlussfolgerung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses des BA kommen müssen. Hiermit überzeichnet der Kläger indessen das Gewicht der Mitteilung: Ihr kommt vor dem Hintergrund der Vorbefassung des BA am 27.4.2005 kein ausschlaggebendes Gewicht zu, wie sich aus den Ausführungen oben unter 1. a ergibt. Auch ist nicht ersichtlich, dass das vermeintlich unberücksichtigt gebliebene Vorbringen zu einem anderen Urteilsspruch hätte führen können und insofern das Urteil des LSG iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG "auf dem Verfahrensmangel beruhen kann". Hiergegen spricht vor allem, dass vor dem Hintergrund der Vorbefassung am 27.4.2005 der Vorsitzende rechtlich unbedenklich in seinem Schreiben vom 13.6.2007 die Prognose wagen durfte, der BA werde am 18.7.2007 voraussichtlich ohne mündliche Verhandlung inhaltlich über den Widerspruch entscheiden (vgl oben 1. a). War also diese Prognose unbedenklich und angesichts der Vorbefassung vom 27.4.2005 auch die Verfahrensweise des BA, am 18.7.2007 ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, nicht zu beanstanden, so ist nicht erkennbar, inwiefern eine eingehendere Befassung des LSG mit seinem Vorbringen, das SG habe ihm die Mitteilung des Vorsitzenden des BA vom 13.6.2007 nicht zugeleitet, zu einem anderen Urteilsspruch des LSG hätte führen können.
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4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG abgesehen.
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
28
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3, § 40 GKG. Seine Bemessung erfolgt entsprechend den Ausführungen im vorinstanzlichen Urteil, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden sind.
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