L 14 B 81/02 AL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AL 1365/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 81/02 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. September 2002 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Mit Bescheid vom 7. März 2001 verpflichtete die Beklagte den Kläger, ihr vermeintlich zu Unrecht erbrachte Arbeitslosenhilfe in Höhe von 3.647,48 DM zu erstatten. Dagegen erhob der Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren im September 2001 Klage.

Mit Vollstreckungsankündigung vom 7. März 2002 setzte das Hauptzollamt Berlin den Kläger davon in Kenntnis, dass es aus einem Bescheid des Arbeitsamtes "IV Berlin (West)" vom 8. März 2001 einen Betrag von 1.910,15 Euro zuzüglich Mahngebühren in Höhe von 9,85 Euro zu vollstrecken habe; der Kläger könne die Vollstreckung durch Zahlung des Gesamtbetrages in Höhe von 1.920,- Euro vermeiden.

Der Kläger hat daraufhin am 22. März 2002 Klage mit dem Antrag erhoben, die Vollstreckung der Beklagten gegen den Kläger aus dem Bescheid vom 8. März 2001 - hilfsweise aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 7. März 2001 - für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die fragliche Forderung mit Rücksicht auf die aufschiebende Wirkung der im September 2001 erhobenen Klage derzeit nicht beigetrieben werde, worüber das Hauptzollamt unterrichtet worden sei.

Der Kläger hat daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 4. September 2002 hat das Sozialgericht entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien, da dies nicht angemessen erscheine. Der Kläger habe sich gegen eine angekündigte Vollstreckung gewandt. Für eine - statthafte - Klage auf Feststellung des Eintritts der aufschiebenden Wirkung (der im September 2001 erhobenen) Klage habe jedoch kein Rechtsschutzbedürfnis bestanden. Zum einen hätte ein Hinweis des Klägers an die Beklagte auf den Eintritt der aufschiebenden Wirkung zur Einstellung der Vollstreckungsmaßnahme genügt. Zum anderen wäre es ihm möglich gewesen, sein Begehren im bereits anhängigen Klageverfahren zu verfolgen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 30. September 2002 eingelegte Beschwerde des Klägers, zu deren Begründung er anführt, dass die Vollstreckungsankündigung vom 7. März 2002 rechtswidrig gewesen sei. Auch die dieser Ankündigung vorausgehende "Zahlungsmitteilung" vom 10. Dezember 2001 hätte nicht erfolgen dürfen. Er könne nicht darauf verwiesen werden, ein Hinweis an die Beklagte auf den Eintritt der aufschiebenden Wirkung hätte zur Einstellung der Vollstreckungsmaßnahme genügt. Wenn sich die Beklagte rechtswidrig verhalte, müsse es ihm überlassen bleiben, wie er sich dagegen wehre. Er habe in zulässiger Weise eine Klage auf Unzulässigkeit der von der Beklagten veranlassten Vollstreckung erhoben, so dass diese die durch diese Klage entstandenen Kosten zu tragen habe. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, sein Begehren im bereits anhängigen Klageverfahren zu verfolgen, zumal er nicht nur einstweiligen Rechtsschutz begehrt, sondern eine Klage auf Unzulässigkeit der Vollstreckung erhoben habe.

Die statthafte (§172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) und auch im Übrigen zulässige (§ 173 SGG) Beschwerde ist unbegründet.

Die Beklagte hat dem Kläger keine Kosten zu erstatten.

Endet der Rechtsstreit - wie hier - ohne Urteil, hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben (§ 193 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGG). Diese Entscheidung ist nach billigem Ermessen zu treffen, wobei ungeachtet der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens die Erfolgsaussichten der Klage angemessen zu berücksichtigen sind; denn regelmäßig ist es nicht billig, dass einem Beteiligten, dessen Klage keinen Erfolg gehabt hätte, gleichwohl Kosten zu erstatten wären.

Die vom Kläger erhobene "Vollstreckungsabwehrklage" (§ 767 der Zivilprozessordnung [ZPO]) hätte keinen Erfolg gehabt, da sie unzulässig war. Die Beklagte hat für die Vollstreckung ihrer Geldforderung aus dem Bescheid vom (richtig:) 7. März 2001 nach § 66 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB X) die Vollstreckung nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) gewählt. Die öffentlich-rechtlichen Geldforderungen der Beklagten werden in diesem Fall durch die Vollstreckungsbehörden der Bundesfinanzverwaltung vollstreckt (§ 4 Buchst. b VwVG). Das Verwaltungszwangsverfahren und der Vollstreckungsschutz richten sich dann nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§ 5 Abs. 1 VwVG). Dies schließt einen Vollstreckungsschutz durch eine Vollstreckungsabwehrklage nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung aus. Vielmehr ist nach § 258 der Abgabenordnung (AO) von Amts wegen - gegebenenfalls auch auf Antrag oder nach einem (hier allerdings augenscheinlich unterbliebenen) Hinweis des Vollstreckungsschuldners - die Vollstreckung einzustellen, wenn der den Vollstreckungsschuldner zur Leistung verpflichtende Verwaltungsakt - beispielsweise (wie hier) infolge des Eintritts der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs - nicht mehr vollstreckbar ist. Zuständig für die Entscheidung über die Einstellung der Vollstreckung ist die nach § 4 VwVG zuständige Vollstreckungsbehörde - hier also das Hauptzollamt -, nicht jedoch eine Behörde der Beklagten. Lehnt die Vollstreckungsbehörde die Einstellung der Vollstreckung ab oder bleibt sie untätig, sind dem Vollstreckungsschuldner dagegen die vorgesehenen Rechtsbehelfe (Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bzw. "Untätigkeitseinspruch" nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO sowie gegebenenfalls Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Untätigkeitsklage beim Finanzgericht) gegeben, nicht jedoch die Vollstreckungsgegenklage (vgl. auch BFH, Beschluss vom 11. September 1989 - VII B 129/89 - sowie Beschluss vom 19. Februar 1991 - VII B 188/90 -).

Auch andere Gesichtspunkte gebieten keine - auch nur teilweise - Kostenerstattung aus Billigkeitserwägungen. Zwar dürfte die Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes letztlich darauf beruhen, dass die Beklagte diesem nicht (rechtzeitig) mitgeteilt hat, dass der Bescheid vom 7. März 2001 infolge des Eintritts der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage nicht (mehr) vollstreckbar war. Dennoch ist es nicht angemessen, die Beklagte aufgrund dieses Versäumnisses mit den Kosten des vorliegenden Klageverfahrens zu belasten. Der Kläger, der es offensichtlich nicht für nötig hielt, auf die Vollstreckungsankündigung und die augenscheinlich vorangegangene Zahlungsaufforderung (nicht: "Zahlungsmitteilung") vom 10. Dezember 2001 mit einem Hinweis auf die bereits erhobene Klage zu reagieren, irrt, wenn er meint, es müsse ihm überlassen bleiben, wie er sich dagegen wehre. Abgesehen davon, dass er hier - wie oben erwogen - keineswegs eine zulässige Klage erhoben hat, gebietet schon und auch die sich aus dem zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Sozialrechtsverhältnis ergebende Pflicht der Beteiligten, "sich gegenseitig vor vermeidbarem, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schaden zu bewahren", die auch nicht dadurch entfällt, dass die schadensgeneigte Lage durch Fehlverhalten der anderen Seite entstanden ist (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1995 - 11 RAr 75/95 -, SozR 3-4100 § 105 Nr. 2), vor Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe zunächst regelmäßig außergerichtlich Abhilfe zu suchen. Dass dies hier von vornherein aussichtslos gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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