L 24 KR 43/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 4 KR 152/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 43/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 15. April 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Gewährung einer Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach der Intracytoplasmatischen Spermieninjektionsmethode (ICSI).

Die 1972 geborene Klägerin, die bei der Beklagten krankenversichert ist, ist mit H. K. verheiratet, der ebenfalls gesetzlich krankenversichert ist.

Nachdem bei der Klägerin vom Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. H bereits zwei Behandlungszyklen, ab August 2002 bzw. ab September 2002, durchgeführt worden waren, beantragte die Klägerin am 28. November 2002 unter Vorlage privatärztlicher Liquidationen die Übernahme der dafür entstandenen Kosten. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03. Dezember 2002 ab, da der behandelnde Arzt seit 01. Juli 2002 zu entscheiden habe, ob er unter Berücksichtigung des § 27 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und der Richtlinien über die künstliche Befruchtung eine Abrechnung über die Krankenversicherungskarte vornehmen könne. Eine Kostenerstattung von Privatrechnungen sei nicht möglich. Daraufhin wurden diese Leistungen als Sachleistungen "über die Krankenversicherungskarte abgerechnet".

Zwei weitere Behandlungszyklen, ab Dezember 2002 und Mai 2003, wurden über den Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. H als Sachleistung gewährt.

Am 19. Juni 2003 beantragte die Klägerin Gewährung zwei weiterer ICSI-Therapien einschließlich Kryokonservierung. Sie fügte die Bescheinigung des Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. Hvom 12. Juni 2003 bei, wonach beim Ehemann der Klägerin ein Oligo-Astheno-Teratozoospermien (OAT)-Syndrom III. Grades vorliege. In der Zeit von August 2002 bis Mai 2003 seien insgesamt 4 ICSI-Zyklen erfolglos durchgeführt worden. Wegen der sehr guten ovariellen Stimulierbarkeit der Klägerin, der hohen Befruchtungsrate und der hoch aufgebauten Schleimhaut bestehe eine sehr gute Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Schwangerschaft.

Die Beklagte holte die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) der Frauenärztin Dr. S vom 01. Juli 2003 ein.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2003 lehnte die Beklagte die Bewilligung von zwei weiteren ICSI-Therapien unter Hinweis auf die Stellungnahme des MDK ab, wonach keine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe.

Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, es bestehe nach Ansicht ihres behandelnden Arztes eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Herbeiführung einer Schwangerschaft, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. September 2003 aus denselben Gründen zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 29. September 2003 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben.

Sie ist der Ansicht gewesen, die Möglichkeit der Schwangerschaft durch künstliche Befruchtung sei nicht aussichtslos. Die bisher durchgeführten ICSI seien möglicherweise wegen ihrer schweren körperlichen Arbeit im Pflegedienst und einer unzureichenden psychologischen Begleitung nicht erfolgreich gewesen. Die Entscheidung der Beklagten stelle eine Ungleichbehandlung und somit einen Verstoß gegen Art. 2 des Grundgesetzes (GG) dar.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. September 2003 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den fünften und sechsten Versuch nach der ICSI-Therapie zu gewähren.

Das Sozialgericht hat vom Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. H die gesamte Patientenakte der Klägerin beigezogen und Beweis erhoben durch das schriftliche Sachverständigengutachten des Arztes für Frauenheilkunde Dr. Peter S vom 10. Dezember 2004 nebst ergänzender Vernehmung.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, eine hinreichende Erfolgsaussicht könne nur bestehen, wenn die Gesamtumstände eine überdurchschnittliche Erfolgsaussicht begründeten. Dies sei nach dem Gutachten nicht der Fall. Die Stimulationsdauer gehe bei der Klägerin nicht über die normalen Erwartungen hinaus, die Befruchtungsquote sei unterdurchschnittlich und die Teilungsquote sowie die morphologisch eingeschätzte Qualität der Eizellen seien nicht optimal. Es könne daher nicht nachvollzogen werden, dass der Sachverständige dennoch eine hinreichende Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft habe erkennen können. Im Übrigen sei seit dem 01. Januar 2004 die Anzahl der möglichen Befruchtungsversuche mittels ICSI generell auf drei Versuche beschränkt.

Mit Urteil vom 15. April 2005 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide antragsgemäß verurteilt: § 27 a SGB V sei in der Fassung bis zum In-Kraft-Treten des Gesundheits-Modernisierungsgesetzes (GMG) anzuwenden, denn die Therapie sei bereits vor dem 01. Januar 2004 begonnen worden, so dass Versicherungs- und Leistungsfall noch im Jahr 2003 gelegen hätten. Danach könne zwar nach vier erfolglosen abgeschlossenen Versuchen eine hinreichende Erfolgsaussicht nur noch in Einzelfällen mit besonderer Begründung bejaht werden. Ein solcher Ausnahmefall liege vor. Die Beschränkung auf in der Regel vier Versuche zur Herbeiführung einer Schwangerschaft beruhe auf der Erkenntnis, dass ein gesundes Ehepaar typischerweise vier und mehr Zyklen zur Erreichung einer Schwangerschaft benötige. Dieses ansonsten gesunde Ehepaar werde bei der künstlichen Befruchtung mit der allgemeinen Norm verglichen. Wenn allerdings besondere fertilitätshemmende Faktoren hinzukämen, könne die allgemeine Norm nicht der Maßstab sein. Die Verhältnisse bei der Klägerin und ihrem Ehemann entsprächen nicht diesem Regelfall. Nach den Ausführungen des Sachverständigen lägen in der Regel die Ursachen für die Kinderlosigkeit bei einem Partner. Bei ca. 30 v. H. lägen die Ursachen hingegen bei beiden Partnern, wie dies vorliegend der Fall sei. Zwar könne die eher schlechte Qualität der Eizelle, die morphologisch mit C anzugeben sei, durch die ICSI-Therapie nicht verändert werden. Die mangelnde Beweglichkeit und Anzahl der Spermien könne jedoch durch diese Therapie umgangen werden. Mehr Versuchszyklen führten daher zu einer höheren Schwangerschaftswahrscheinlichkeit. Die bei der Klägerin gegebene 15prozentige Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft beim fünften und sechsten Versuch liege nach Aussage des Sachverständigen durchaus noch im Normbereich für einen fünften und sechsten Versuch.

Gegen das ihr am 09. Mai 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. Mai 2005 eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie trägt vor: Die vom Sozialgericht gegebene Begründung entspreche nicht den Richtlinien zur künstlichen Befruchtung in der Fassung bis zum 31. Dezember 2003. Die Beurteilung des Sachverständigen sei auch widersprüchlich, wenn zum einen von zwei transferierten Embryonen je Versuch (also 8 insgesamt) die Rede sei, zum anderen jedoch von 6 Embryonen insgesamt gesprochen werde. Diese Anzahl sei für ein gutes Erfolgsergebnis recht gering, da man bis zu 3 Embryonen pro Versuch einsetzen könne. Die nach alledem nur geringe Wahrscheinlichkeit reiche für einen weiteren Versuch nicht aus.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 15. April 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die zwischenzeitlich erfolgte Gesetzesänderung sei unbeachtlich, denn die Behandlung sei, nachdem bereits vier Versuche zur Herbeiführung der Schwangerschaft im Wesentlichen auf Kosten der Beklagten durchgeführt worden seien, noch nicht beendet.

Der Senat hat vom Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. Hdie gesamte Patientenakte der Klägerin beigezogen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 52 bis 58 der Gerichtsakten und Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift vom 15. April 2005 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ( ), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt. Der Bescheid vom 10. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. September 2003 ist zwar rechtswidrig. Die Klägerin hat jedoch wegen der zum 01. Januar 2004 eingetretenen Rechtsänderung keinen Anspruch auf Gewährung einer Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mittels ICSI.

Nach § 27 a Abs. 1 und 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2003 maßgebenden Fassung gilt: Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn

1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,

2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht in der Regel nicht mehr, wenn die Maßnahme viermal ohne Erfolg durchgeführt worden ist,

3. die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind,

4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und

5. sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121 a SGB V erteilt worden ist.

§ 27 a Abs. 1 SGB V gilt auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden und bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist § 27 a Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 SGB V nicht anzuwenden.

Durch Art. 1 Nr. 14 Buchstaben a bis c des Gesetzes vom 14. November 2003 (BGBl I 2003, 2190) wurde § 27 a SGB V mit Wirkung zum 01. Januar 2004 geändert. Die nunmehr maßgebenden Regelungen (§ 27 a Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 SGB V) lauten wie folgt:

Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn

1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,

2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden ist,

3. die Personen, die die Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind,

4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und

5. sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121 a SGB V erteilt worden ist.

§ 27 a Abs. a Abs. 1 SGB V gilt auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden und bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist § 27 a Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 SGB V nicht anzuwenden.

Anspruch auf Sachleistungen nach § 27 a Abs. 1 SGB V besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben.

Die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach § 27 a Abs. 1 SGB V bestimmte bzw. bestimmt nach § 27 a Abs. 4 SGB V (in beiden Fassungen) der Gemeinsame Bundesausschuss (der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen) in den Richtlinien nach § 92 SGB V.

In den zum 01. Juli 2002 aufgrund des Beschlusses des Bundesausschusses vom 26. Februar 2002 in Kraft getretenen Richtlinien über künstliche Befruchtung (Bundesanzeiger 2002 Nr. 92) in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung war unter Ziffer 8 Sätze 1 bis 3 bestimmt: Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung dürfen nur durchgeführt werden, wenn hinreichende Aussicht besteht, dass durch die gewählte Behandlungsmethode eine Schwangerschaft herbeigeführt wird. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht für die jeweiligen Behandlungsmaßnahmen in der Regel dann nicht, wenn sie bei der ICSI (Nr. 10.5 dieser Richtlinien) bis zu viermal vollständig durchgeführt wurden, ohne dass eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft eingetreten ist. Darüber hinausgehende Behandlungsversuche bedürfen der Genehmigung durch die Krankenkasse. Außerdem war dort bestimmt: Bei der ICSI nach Nr. 10.5 gilt die Maßnahme dann als vollständig durchgeführt, wenn die Spermieninjektion in die Eizelle(n) erfolgt ist. Bei der ICSI besteht - abweichend von der zuvor genannten Zahl - eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits nach zweimaliger vollständiger Durchführung der Maßnahmen dann nicht, wenn in beiden Fällen eine Befruchtung nicht eingetreten ist.

Medizinische Indikation für eine ICSI war nach Ziffer 11.5 dieser Richtlinien über künstliche Befruchtung eine männliche Fertilitätsstörung, die unter dort im Einzelnen näher angegebenen Maßstäben festzustellen war.

Mit der zum 01. Januar 2004 eingetretenen Rechtsänderung wurde die bis dahin bestandene Möglichkeit, trotz viermaligen vergeblichen Versuchs der Herbeiführung einer Schwangerschaft durch Insemination nach Stimulationsverfahren ausnahmsweise eine oder mehrere weitere Maßnahmen durchzuführen, beseitigt. Nach der Neufassung wird nunmehr unwiderlegbar vermutet, dass nach drei vergeblichen Versuchen der bezeichneten Maßnahme keine hinreichende Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft mehr besteht (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB V, 44. Ergänzungslieferung, Höfler, § 27 a Rdnr. 15; der Gesetzentwurf - BT-Drucksache 15/1525 zu § 27 a SGB V, S. 83 - führt dazu in der Begründung aus: Eine neue Eingrenzung auf "Leistungsanspruch drei Versuche" berücksichtigt damit das Kriterium einer "hinreichenden Erfolgsaussicht" für die Herbeiführung einer Schwangerschaft).

Die bei der Klägerin im Zeitraum von August 2002 bis Mai 2003 vorgenommenen Behandlungen erfolgten mittels Stimulationsverfahrens, also durch hormonelle Anregung der Fortpflanzungsorgane, wie im Gutachten des Sachverständigen Dr. S ausgeführt ist. Weitere Behandlungsversuche waren somit nach der bisherigen Rechtslage davon abhängig, dass eine hinreichende Aussicht auf eine Schwangerschaft gleichwohl noch bestand.

Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, setzte dies zum einen voraus, dass abweichend vom gesetzlichen Regelfall beim in Frage kommenden Ehepaar Besonderheiten vorlagen und dass zum anderen auch unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten noch eine hinreichende Aussicht auf eine Schwangerschaft angenommen werden konnte. Eine solche hinreichende Aussicht war gegeben, wenn im konkreten Einzelfall die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, nicht wesentlich schlechter zu beurteilen war als die Wahrscheinlichkeit, generell bei einem 5. Versuch schwanger zu werden. Die Ansicht der Beklagten, es müsse beim 5. Versuch eine darüber hinausgehende Wahrscheinlichkeit bestanden haben, war mit dem Gesetzeswortlaut des bisherigen § 27 a Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz SGB V nicht vereinbar. Dieser Vorschrift lassen sich keinerlei Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass hinsichtlich der hinreichenden Aussicht eine graduelle Unterscheidung vorgenommen, insbesondere eine höhere, als die für einen fünften Versuch übliche Wahrscheinlichkeit verlangt wurde. Der Wortlaut knüpft vielmehr einheitlich an einer hinreichenden Aussicht an. Lediglich in den Regelfällen, soweit somit individuelle Besonderheiten nicht vorhanden waren, genügte ab dem 5. Versuch diese gewöhnliche Wahrscheinlichkeit nicht mehr.

Nach dem Sachverständigen Dr. Sbestanden zum einen Besonderheiten bei der Klägerin und ihrem Ehemann, die jedoch zum anderen einer hinreichenden Aussicht auf eine Schwangerschaft nicht entgegenstanden.

Der Ehemann der Klägerin leidet nach diesem Sachverständigen an einer deutlichen andrologischen Subfertilität mit einem OAT-Syndrom. Seit dem Jahre 2002 wurden fünf Spermiogramme erstellt, die eine deutliche Astenozoospermie III. Grades zeigten. Der Anteil der sich progressiv linear bewegenden Spermien nach der WHO-Gruppe A lag bei 0 bis 2 v. H., also unter der Norm von kleiner als 25 v. H., wie von Ziffer 11.5 der Richtlinien über künstliche Befruchtung nach dem Merkmal "Progressmotilität" gefordert. Der Anteil der unbeweglichen Spermien betrug nach dem Sachverständigen Dr. S 69 bis 85 v. H., so dass die "Gesamtmotilität" nach Ziffer 11.5 der Richtlinien über künstliche Befruchtung mit Werten von kleiner als 30 bzw. kleiner als 50 nicht erreicht wurde. Nach Ziffer 11.5 dieser Richtlinien stellt das entscheidende Kriterium die Progressmotilität dar, so dass dahinstehen kann, ob die weiteren in dieser Ziffer genannten Merkmale beim Ehemann der Klägerin ebenfalls erfüllt sind. Wenn der Sachverständige Dr. S angesichts dieser Befunde eine eindeutige Indikation zur Durchführung der ICSI gesehen hat, ist dies nachvollziehbar.

In den vier vorangegangenen ICSI-Versuchen kam es auch jeweils zur Befruchtung (mit 5 Eizellen, jeweils einer Eizelle bzw. 5 Eizellen), so dass der weitere unter Ziffer 8 der Richtlinien über künstliche Befruchtung genannte Sachverhalt einer nicht eingetretenen Befruchtung bereits nach zweimaliger vollständiger Durchführung nicht vorlag.

Wie der Sachverständige Dr. S vor dem Sozialgericht dargelegt hat, liegen die Ursachen für die Kinderlosigkeit in der Regel bei einem Partner. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass das Gesetz in § 27 a Abs. 1 Nr. 2 erster Halbsatz SGB V ebenfalls von einem solchen Regelfall ausging. Bei ca. 30 v. H. der Fälle liegen die Ursachen hingegen bei beiden Partnern. Dabei ist die Kombination, wie sie bei der Klägerin und ihrem Ehemann vorliegt, darüber hinaus selten. Zwar ist die Ursache der Kinderlosigkeit vorliegend vornehmlich beim Ehemann zu suchen, nämlich in der geringeren Anzahl und der verringerten Beweglichkeit der Spermien. Für sich betrachtet mag dieser Einzelfall als Regelfall von § 27 a Abs. 1 Nr. 2 erster Halbsatz SGB V erfasst werden, der grundsätzlich Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27 a Abs. 1 Nr. 1 SGB V erforderlich macht. Allerdings besteht im vorliegenden Sachverhalt die Besonderheit darin, dass die Qualität der Eizelle der Klägerin mit C (befriedigend) zu bewerten ist. Das Zusammentreffen dieser beiden Faktoren stellt eine Besonderheit dar, die eine Abweichung vom Regelfall des § 27 a Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz SGB V rechtfertigt. Dies ist nach dem Sachverständigen nachvollziehbar.

Trotz dieser Besonderheit hat der Sachverständige Dr. Sbeurteilt, dass eine hinreichende Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft gegeben ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin schwanger wird, unterscheidet sich nicht von der Wahrscheinlichkeit, generell im fünften Versuch schwanger zu werden. Dabei hat der Sachverständige die Ergebnisse der bisherigen vier KSI-Behandlungen berücksichtigt.

Die Befruchtungsquote von 52 v. H., ausgehend davon, dass sich 16 von 31 Eizellen fertilisieren ließen, war bei der Klägerin im Vergleich zu den Angaben in dem Deutschen IVF-Register (DIR) 2003 mit 61 v. H. eher unterdurchschnittlich. Ebenfalls prognostisch nicht optimal waren die Teilungsquoten der Embryonen und die morphologisch eingeschätzte Qualität. So wird bei einem Embryotransfer am dritten Tag nach der Eizellentnahme die Entwicklung zu 4- bis 8-Zell-Embryonen erwartet, während bei der Klägerin lediglich in einem Fall ein 4-Zell-Embryo übertragen werden konnte. Alle anderen Embryonen befanden sich im 2- bis 3-Zell-Stadium am Tag des Transfers. In den vier ICSI-Versuchen wurden insgesamt 6 Embryonen transferiert, wobei 4 Embryonen (66 v. H.) der prognostisch weniger günstigen Kategorie (befriedigend) zugeordnet werden konnten, während 2 Embryonen morphologisch sehr gut erschienen. Demgegenüber hat der Sachverständige Dr. S das Alter der Klägerin (kleiner als 35 Jahre) ebenso wie die hormonelle Follikelreifungsphase und die Zahl der gewonnenen Eizellen in den vier ICSI-Behandlungen als günstig beurteilt. Außerdem hat er die Stimulationsdauer mit 9 bis 12 Tagen und die Zahl der durchschnittlich gefundenen Eizellen (9 pro Zyklus) als im Bereich der normalen Erwartungen gesehen. Zusammengefasst hat er aufgrund dieser Befunde beurteilt, dass bei Durchführung eines fünften oder sechsten Behandlungszyklus eine Schwangerschaftswahrscheinlichkeit von etwa 15 v. H. zu erwarten ist.

Diese Schwangerschaftswahrscheinlichkeit weicht nicht von der Wahrscheinlichkeit im Rahmen eines fünften Versuchs nach einer ICSI-Behandlung ab.

Nach dem Sachverständigen Dr. S liegt die Schwangerschaftsrate laut DIR 2003 in Deutschland in einem ICSI-Versuch bei 25 bis 30 v. H., durchschnittlich bei 27,6 v. H. Mit zunehmenden Alter wird diese Quote geringer, wobei sie bei einer 31jährigen Frau bei 36 v. H. liegt. Die Erfolgsrate sinkt ebenfalls mit der Zahl zunehmender Behandlungen in statistischen Darstellungen. Bei einer aktuellen Datenanalyse fand sich im dritten Versuch eine Schwangerschaftsrate von 21 v. H., im vierten Versuch von 20 v. H. und ab dem fünften Versuch von 19 v. H. Die individuelle Schwangerschaftswahrscheinlichkeit sinkt jedoch nach jedem erfolglos durchgeführten Versuch lediglich um etwa 1 bis 2 v. H., so dass bei der Annahme eines solchen Abfalls nach dem vierten Versuch immer noch eine ausreichende Schwangerschaftswahrscheinlichkeit von mindestens 15 v. H. abzuleiten ist.

Wenn der Sachverständige Dr. S eine solche Wahrscheinlichkeit auch bei der Klägerin angenommen hat, ist dies trotz teilweise unterdurchschnittlicher Faktoren noch nachvollziehbar, denn das Alter der Klägerin mit 31 Jahre im Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens sowie die teilweise durchschnittlichen und guten anderen Prognosefaktoren gleichen diese Nachteile aus (vgl. seine ergänzende Vernehmung im Termin des Sozialgerichts).

Damit waren die Voraussetzungen des § 27 a Abs. 1 Nr. 2 SGB V in der ursprünglichen Fassung erfüllt. Dasselbe gilt für die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 27 a Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 4 SGB V. Die von § 27 a Abs. 1 Nr. 5 SGB V geforderte Unterrichtung und Überweisung lag nach der Patientenakte des Facharztes für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. H ebenfalls vor. Die entsprechende Beratung wurde danach von dem Frauenarzt Dr. T am 19. August 2002 vorgenommen. Die sonstige nach letztgenannter Regelung erforderliche Voraussetzung konnte, soweit sie nicht ohnehin in der Person des Dr. H vorhanden war, noch erfüllt werden.

Damit bestand bis zum 31. Dezember 2003 ein Anspruch auf eine weitere, nämlich fünfte medizinische Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Soweit das Sozialgericht - ausgehend von seiner Rechtsansicht - auch zur Gewährung einer weiteren sechsten Maßnahme verurteilt hat, hätte sein Urteil allerdings auch auf der Grundlage der von ihm angewandten Rechtsvorschrift keinen Bestand haben können. Ein Anspruch auf eine jeweils weitere medizinische Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft kann überhaupt erst dann entstehen, wenn eine solche vorangegangene Maßnahme ohne Erfolg durchgeführt wurde.

§ 27 a Abs. 1 SGB V gibt zwar ein Recht auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Aus § 27 a Abs. 1 Nr. 2 SGB V wird jedoch deutlich, indem auf eine vier- bzw. dreimalige vorangegangene Maßnahme abgestellt wird, dass nicht ein einmaliger Anspruch auf mehrere Behandlungszyklen, sondern vielmehr ein wiederholter Anspruch auf jeweils einen Behandlungszyklus unter der Voraussetzung der Erfolglosigkeit des jeweils vorangegangenen Behandlungszyklus besteht. Darauf deutet bereits der Eingangssatz des § 27 a Abs. 1 SGB V bei systematischer Auslegung hin. "Medizinische Maßnahmen" bezeichnen nicht die einzelnen medizinischen Vorgänge, die zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich sind, sondern mehrere aus solchen Einzelvorgängen zusammengefasste Gesamtvorgänge auf jeweils einen Behandlungszyklus. Dies folgt auch aus dem Zweck des § 27 a Abs. 1 SGB V. Ausgehend vom natürlichen Zeugungsakt, der eine Schwangerschaft herbeiführt und den die künstliche Befruchtung ersetzen soll, hat der Begriff der künstlichen Befruchtung nur solche Maßnahmen im Blick, die dem einzelnen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen. Maßnahme in diesem Sinne ist somit die Substitution des singulären Zeugungsaktes. Sie beschränkt sich in der zeitlichen Dimension auf den einzelnen (substituierten) Akt (so Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 25. Mai 2000 - B 8 KN 3/99 KR R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 27 a Nr. 1; BSG, Urteil vom 22. März 2005 - B 1 KR 11/03 R).

Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts hat die Klägerin seit dem 01. Januar 2004 keinen Anspruch mehr auf eine weitere Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Mit dem fünften Behandlungszyklus wurde bis zum 31. Dezember 2003 nicht begonnen, so dass der Senat § 27 a SGB V in der neuen Fassung anzuwenden hat.

Danach kommt eine Insemination nach Stimulationsverfahren nicht in Betracht, wenn diese Behandlung bereits dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden ist.

Ein solcher Sachverhalt liegt bei der Klägerin vor, denn es wurden bereits vier Behandlungszyklen nach der ICSI-Methode durchgeführt.

Ausgehend vom Zweck dieser Regelung, der darauf gerichtet ist, die Anspruchsvoraussetzungen zu verschärfen und die Ausgaben für die künstliche Befruchtung auf die Fälle medizinischer Notwendigkeit zu begrenzen, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bereits nach drei vergeblichen Versuchen als nicht mehr gegeben angesehen wird (Kasseler Kommentar, a.a.O., SGB V § 27 a Rdnr. 15 unter Hinweis auf den Fraktionsentwurf Bundestagsdrucksache 15/1525 S. 83), besteht eine hinreichende Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft nach der gesetzlichen Vermutung nicht mehr, wenn bereits drei erfolglose Versuche unternommen wurden.

Der Senat hat das Recht anzuwenden, das im Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebend ist, also § 27 a SGB V in der ab dem 01. Januar 2004 geltenden Fassung, denn aus Rechtsvorschriften, die nicht mehr geltendes Recht sind, können zukünftige Ansprüche nicht hergeleitet werden.

Das Sozialgericht dürfte insoweit zwar grundsätzlich keine andere Rechtsauffassung vertreten. Es hat das bisherige Recht allein deswegen für anwendbar gehalten, weil es sich um eine bereits begonnene und noch nicht abgeschlossene Behandlung gehandelt, also der Versicherungs- und Leistungsfall noch im Jahr 2003 gelegen habe.

Dieser Ansicht des Sozialgerichts kann nicht zugestimmt werden. Das SGB V enthält keine allgemeine Vorschrift dahingehend, dass sich der jeweilige einzelne Anspruch auf eine bestimmte Leistung nach dem Recht richtet, das zum Zeitpunkt des Versicherungs- oder Leistungsfalles galt. Unabhängig davon dürfte es oftmals bereits schwierig sein, den Versicherungs- und Leistungsfall, aus dem dann alle abzuleitenden Ansprüche resultieren, hinreichend sicher zu bestimmen. Dies gilt gerade für den vorliegenden Sachverhalt. Es wäre nämlich insoweit zu fragen, ob der Versicherungs- und Leistungsfall bereits mit der Heirat, dem gemeinsamen Entschluss der Ehegatten, ein Kind zu zeugen, der ärztlichen Feststellung des Vorliegens einer Fertilitätsstörung oder erst mit dem Entschluss der Ehegatten, die Kinderlosigkeit nicht hinzunehmen, oder zu einem noch späteren Zeitpunkt eingetreten ist. Das SGB V kennt zudem keinen allgemeinen Grundsatz, wonach dasjenige Recht, das zu Beginn einer Krankenbehandlung galt, bis zum endgültigen Abschluss einer solchen Behandlung anzuwenden ist. Dies hätte notwendigerweise zur Folge, dass mit dem erstmaligen Auftreten einer bestimmten Erkrankung alle daraus erforderlich werdenden Leistungen sich nach jenem Recht richten würden, so dass insbesondere bei nicht heilbaren Krankheiten, also solchen, die ständig oder wiederkehrend Behandlungsbedürftigkeit bedingen, jegliche Rechtsänderungen nicht zu berücksichtigen wären. Da sich somit dem SGB V die vom Sozialgericht aufgezeigten Grundsätze nicht entnehmen lassen, richtet sich das Bestehen eines Anspruches nach dem jeweils geltenden Recht.

Wie der Senat bereits dargelegt hat, gibt es einen einzigen umfassenden Anspruch auf Durchführung einer Vielzahl von Behandlungszyklen nicht. Vielmehr begründet erst der erfolglose Versuch einer vorangegangenen Maßnahme einen weiteren Anspruch auf die wiederholte Durchführung, sofern zu diesem Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen weiterhin vorliegen. Das Sozialgericht ist offenbar davon ausgegangen, wie auch der Tenor, der auf die Verurteilung eines fünften und sechsten Versuches nach der ICSI-Therapie gerichtet ist, vermuten lässt, es würde ein einheitlicher Anspruch bestehen. Unter dieser, allerdings nicht zutreffenden Prämisse wäre die Anwendung des bisherigen Rechts konsequent gewesen.

Da das klägerische Begehren auf ein künftiges Handeln der Beklagten gerichtet ist, was im Antrag auf Verurteilung zur Leistung und im entsprechenden Ausspruch im Urteil zum Ausdruck kommt, hat das Gericht das Recht anzuwenden, das im Zeitpunkt der Entscheidung gilt. Rechtsänderungen, die seit der Verwaltungsentscheidung eingetreten sind, müssen insbesondere dann berücksichtigt werden, wenn das neue Recht nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfassen will; der Umstand, dass in einem gerichtlichen Verfahren auch um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes gestritten wird, tritt demgegenüber bei einer Anfechtungs- und Leistungsklage in den Hintergrund (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 2001 - B 1 KR 4/00 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 28 Nr. 5 und BSG, Urteil vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 37/02 R, jeweils unter Hinweis auf eine insoweit ständige Rechtsprechung unter Angabe weiterer Fundstellen; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage, § 54 Rdnrn. 32 und 34). Demgemäß begründet auch eine unverändert fortbestehende Erkrankung keinen Anspruch auf Leistungen nach dem bisherigen Recht, wenn es zwischenzeitlich zu einer Rechtsänderung gekommen ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 25/03 R zur Behandlung mit dem Arzneimittel Viagra bei Vorliegen einer erektilen Dysfunktion über den 31. Dezember 2003 hinaus).

§ 27 a SGB V in der neuen Fassung ist zum 01. Januar 2004 ohne Übergangsregelungen in Kraft getreten, so dass alle Sachverhalte erfasst werden.

Die Anwendung früheren Rechts kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn ein Kostenerstattungsanspruch streitig ist, der Versicherte sich also die Sachleistung selbst beschafft hat und die ihm dadurch entstandenen Kosten als Geldzahlungsanspruch geltend macht (BSG, Urteil vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 37/02 R m.w.N.; BSG, Urteil vom 19. Juni 2001 - B 1 KR 27/00 R; BSG, Urteil vom 21. November 1991 - 3 RK 32/89, abgedruckt in SozR 3-2500 § 12 Nr. 2 unter Hinweis auf den in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt). Gleiches gilt, wenn mit der Erfüllung des konkreten Anspruches noch zu dem Zeitpunkt begonnen wurde, zu dem das später außer Kraft getretene Gesetz noch gültig war, auch wenn das neue Gesetz diesen Anspruch nicht mehr vorsieht (BSG, Urteil vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 37/02 R).

Um letztgenannte Sachverhalte geht es vorliegend nicht.

§ 27 a SGB V in der ab 01. Januar 2004 geltenden Fassung trägt das erhobene Begehren nicht, so dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine weitere Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft hat.

Dadurch werden Grundrechte der Klägerin nicht verletzt.

Nach Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dieses Grundrecht gewährleistet einerseits Schutz vor störenden Eingriffen des Staates und ist andererseits eine Institutsgarantie und wertentscheidende Grundsatznorm (Bundesverfassungsgericht - BVerfGE 87, 1, 35; 82, 60, 81; 31, 58, 67; 6, 55, 76). Die Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern wird damit zwar erfasst. Dieses Grundrecht vermittelt aber regelmäßig keine konkreten Leistungsansprüche (BVerfGE 82, 60, 81; 39, 316, 326). Kann eine solche Gemeinschaft aufgrund eines krankhaften Zustandes eines Partners jedoch nicht begründet werden, wird der Schutzbereich dieses Grundrechts nicht berührt, denn eine Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern soll durch eine ausgleichende Maßnahme überhaupt erst geschaffen werden.

Auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) wird nicht verletzt. Diese Vorschrift gewährt dem Versicherten zwar die freie Selbstbestimmung über ärztliche Heileingriffe und belässt ihm die Entscheidung über die in seinem Fall anzuwendende Therapie. Aus diesem Grundrecht kann jedoch kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Bereitstellung entsprechender medizinischer Versorgung oder auf Gewährung finanzieller Leistungen hierfür abgeleitet werden. Die aus dieser Grundrechtsnorm resultierende objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor dieses Rechtsgut zu stellen, beschränkt sich darauf, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutz des Grundrechts trifft, die nicht völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (BVerfGE 88, 203, 294; 46, 160, 164; 39, 1, 36/42/44). Da § 27 a SGB V die ICSI-Therapie als krankenversicherungsrechtliche Leistung nicht grundsätzlich ausschließt, scheidet eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG aus.

Art. 3 Abs. 1 GG, der gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, wird ebenfalls nicht verletzt. Dem Gesetzgeber ist nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das nur Grundrecht nur dann, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe von Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfGE 102, 41, 54). § 27 a SGB V gewährt allen Versicherten im Fall einer Fertilitätsstörung die von der Klägerin geltend gemachte Maßnahme in gleicher Weise und im gleichen Umfang. Wenn das Gesetz hierbei nicht zwischen bestimmten Fertilitätsstörungen unterscheidet oder besonders schwerwiegende Fertilitätsstörungen nicht anders behandelt, liegt darin noch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber durfte vielmehr davon ausgehen, dass gerade bei schwerwiegenden Fertilitätsstörungen eine hinreichende Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft bei dreimaligem erfolglosen Versuch nicht mehr besteht. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, deswegen für diesen Personenkreis darüber hinausgehende Maßnahmen vorzusehen, ist aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht abzuleiten. Es obliegt insoweit dem Gesetzgeber im Rahmen seines Ermessens, die Grenzen festzulegen, innerhalb derer er eine notwendige, zweckmäßige und wirtschaftliche Behandlung einer solchen Erkrankung als gewährleistet ansieht.

Art. 20 Abs. 1 GG, wonach die Bundesrepublik Deutschland u. a. ein sozialer Bundesstaat ist, führt gleichfalls nicht zum Erfolg. Das Sozialstaatsprinzip schließt zwar notwendig die soziale Hilfe für die Mitbürger ein, die wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen an ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung gehindert sind. Die staatliche Gemeinschaft muss ihnen die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein sichern. Es liegt hierbei grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu entscheiden, in welchem Umfang soziale Hilfe unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel und anderer gleichrangiger Staatsaufgaben gewährt werden kann und soll (BVerfGE 82, 60, 80; 40, 121, 133). Angesichts der erheblichen Schwierigkeiten, die gesetzliche Krankenversicherung zu finanzieren und die Anlass für das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (GMG) und damit auch für die Änderung des § 27 a SGB V gewesen sind, überschreitet der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er einzelne Leistungen des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung hinsichtlich ihres Umfanges beschränkt. Dadurch werden die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein nicht berührt.

Die Berufung der Beklagten hat somit Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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