L 4 RA 8/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 14 RA 3192/98 W 01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 RA 8/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Übergangsregelung in Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG ist verfassungsgemäß (BSG, Urteil vom 10. April 2003, B 4 RA 41/02).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2002 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2003 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung der Zeiträume 2. September 1975 bis 31. August 1980 und 1. Juni 1989 bis 2. Oktober 1990 als rentenrechtliche Zeiten. Diese Zeiträume verbrachte die am 1940 geborene Klägerin als mitreisende Ehefrau in Dubna/Russland, weil ihr Ehemann als Wissenschaftler an das dortige Institut für Kernforschung entsandt war.

Mit Bescheid vom 6. Juli 1993, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 1993, lehnte die Beklagte die Anerkennung dieser Zeiträume als Beitragszeiten ab. Eine Anerkennung von Zeiten als Ehefrau eines ins Ausland entsandten Ehemannes sei rechtlich nicht vorgesehen. Ansprüche aus den Verträgen der DDR mit der UdSSR könne die Klägerin nicht herleiten, weil ihr Rentenanspruch nicht vor dem 1. Januar 1996 entstehe (DDRVtrV vom 18. Dezember 1992, Art. 7 Abs. 4). Ein insoweit für das Kontenklärungsverfahren verfolgtes Klageverfahren endete am 14. Oktober 1996 mit einem vor dem 16. Senat des Landessozialgerichts Berlin (L 16 An 231/95) abgegebenen Teilanerkenntnis der Beklagten, in welchem sie erklärte:

Wir merken die Zeiten vom 2. September 1975 bis 31. August 1980 und vom 1. Juni 1989 bis 2. Oktober 1990 als Zeiten versicherungspflichtiger Tätigkeit im Sinne des Art. 2 § 19 des Rentenüberleitungsgesetzes vor.

Mit Bescheid vom 8. November 1996 führte die Beklagte dieses Anerkenntnis aus. Gleichzeitig wies sie "vorsorglich" darauf hin, dass gemäß Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG eine Leistung aus der Vormerkung nur erwachsen könne, wenn die Rente bis zum

31. Dezember 1996 beginne. Gegen diesen Zusatz wandte die Klägerin sich mit einem Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 1997 zurückwies. Die hiergegen gerichtete Klage (S 37 An 2958/97) nahm die Klägerin zurück, nachdem die Beklagte erklärt hatte:

Der streitgegenständliche Absatz 2 des Bescheides vom 8. November 1996 enthält keine Regelung. Es werden keine Rechtsfolgen aus diesem Absatz auch für spätere Bescheide hergeleitet.

Auf Antrag der Klägerin erließ die Beklagte am 13. November 1997 einen Kontenklärungsbescheid, der die beiden fraglichen Zeiträume nicht aufführte. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 1998 unter Hinweis auf §§ 15, 16 FRG zurück. Auch bleibe es bei dem Bescheid vom 8. November 1996.

Ein weiterer Kontenklärungsbescheid erging am 26. Mai 1998. Er führte die hier streitigen Zeiträume ebenfalls nicht auf. Der Widerspruch hiergegen blieb unbeschieden.

Mit der am 23. Juli 1998 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Anerkennung der beiden genannten Zeiträume als Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach Art. 2 § 19 RÜG. Sie seien aufgrund des Sozialversicherungsabkommens zwischen der DDR und der UdSSR fester Bestandteil des DDR-Versicherungsverlaufs gewesen. Soweit das Übergangsrecht anderes vorsehe, sei es unter Verstoß gegen Art. 14 GG verfassungswidrig. Auch müsse es bei dem von der Beklagten am 14. Oktober 1996 abgegebenen Teilanerkenntnis bleiben.

Mit Urteil vom 25. November 2002 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der beiden Zeiträume als Zeiten versicherungspflichtiger Tätigkeit nach

Art. 2 § 1 und § 19 Nr. 12 RÜG lägen nicht vor, denn diese Übergangsregelung gelte nur für einen im Falle der Klägerin nicht gegebenen Rentenbeginn bis zum 31. Dezember 1996.

Gegen das ihr am 27. Januar 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. Februar 2003 Berufung eingelegt. Soweit die Übergangsregelung nur einen Rentenbeginn bis 31. Dezember 1996 erfasse, sei sie verfassungswidrig. Die nach DDR-Recht bestehenden Rentenanwartschaften seien nach Art. 14 GG geschützt. Im Übrigen habe die Beklagte am 27. Januar 1998 ausdrücklich erklärt, dass Absatz 2 des Bescheides vom 8. November 1996 keine Regelung darstelle; damit habe sie die streitigen Zeiträume unbegrenzt anerkannt und auf eine zeitliche Beschränkung verzichtet.

Mit Bescheid vom 17. März 2003 hat die Beklagte der Klägerin Altersrente für Frauen ab 1. Mai 2003 bewilligt (Zahlbetrag: 699,41 Euro). Die beiden streitigen Zeiträume sind im Versicherungsverlauf nach wie vor nicht enthalten. Einen Widerspruch gegen diesen Bescheid hat die Klägerin nicht eingelegt.

Mit Schriftsatz vom 24. April 2006 hat die Klägerin auf einen entsprechenden rechtlichen Hinweis des Gerichts erklärt, auch ihrer Ansicht nach habe der Rentenbescheid die bisherigen Bescheide ersetzt und sei Gegenstand des Verfahrens geworden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. November 2002 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2003 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, eine weitere Beitragszeit vom 2. September 1975 bis 31. August 1980 und vom 1. Juni 1989 bis 2. Oktober 1990 anzuerkennen und die Altersrente unter Beachtung dieser Zeiten neu zu berechnen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, die Klage gegen den Bescheid vom 17. März 2003 abzuweisen und den Hilfsantrag zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Auch sie vertritt die Auffassung, der Rentenbescheid vom 17. März 2003 sei Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte, den Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie den Inhalt der Akten S 13 An 4775/93 (L 16 An 231/95) und S 37 An 2958/97 Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

1. Nachdem der Klägerin im Laufe des Berufungsverfahrens Altersrente bewilligt worden ist, ist der vorangegangene Streit im Rahmen der Kontenklärung zu einem Streit über die Höhe der Rente geworden. Ist nämlich ein Kontenklärungsbescheid im Klageweg angefochten und ergeht während des Rechtsstreits der Bescheid über die Rentenleistung, dann wird der Rentenbescheid in entsprechender Anwendung von § 96 Abs. 1 SGG (i.V.m. § 153 SGG) jedenfalls dann in den Rechtsstreit (in das Berufungsverfahren) einbezogen, wenn dies dem Willen der Beteiligten – wie hier – nicht widerspricht. Über den Rentenbescheid hat das Landessozialgericht sodann erstinstanzlich kraft Klage zu entscheiden. Der Grundgedanke von § 96 SGG rechtfertigt die Einbeziehung des Rentenbescheides in das Verfahren, denn sie ist prozessökonomisch, indem ein gesondertes Streitverfahren gegen den Rentenbescheid vermieden wird und dieselben Fragen in demselben Prozess abschließend geklärt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 1978, 11 RA 9/78, SozR 1500 § 96 Nr. 13; Urteil vom 19. September 1979, 11 RA 90/78, SozR 1500 § 96 Nr. 18; Urteil vom 22. September 1981, 1 RA 31/80, SozR 1500 § 53 Nr. 2; Urteil vom 4. Mai 1999, B 4 RA 28/98 R, zitiert nach juris; LSG Niedersachsen; Urteil vom 25. November 1982, L 10 J 85/82, zitiert nach juris; Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 9d zu § 96).

Gleichzeitig ist das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen die Kontenklärungsbescheide entfallen, denn diese wurden vom Rentenbescheid überholt bzw. ersetzt und sind damit gegenstandslos geworden; die in ihnen enthaltenen Prämissen hinsichtlich der anzuerkennenden Versicherungszeiten sind nämlich vollständig und inhaltsgleich in den die eigentliche Regelungs- und Außenwirkung entfaltenden Rentenbescheid eingeflossen. Es ist nunmehr einzig sinnvoll und effektiv, gegen den Rentenbescheid selbst vorzugehen (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 1981, 1 RA 31/80, SozR 1500 § 53 Nr. 2).

Wegen der vom erstinstanzlichen Urteil ausgehenden Beschwer ist dagegen nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung entfallen. Es ist jedenfalls unschädlich, dass die Klägerin die Aufhebung des Urteils beantragt (vgl. insoweit aber BSG, Urteil vom 31. März 2004, B 4 RA 11/03 R, zitiert nach juris). Nicht hingegen bedarf es der gesonderten Anfechtung der nach Erlass des Rentenbescheides erledigten Kontenklärungsbescheide, denn die in ihnen enthaltenen, aus Sicht der Klägerin nachteiligen Regelungen haben sich auch in dem mit der Klage angefochtenen Rentenbescheid vom 17. März 2003 verkörpert.

2. Die so verstandene Berufung bzw. Klage hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung weiterer rentenrechtlicher Zeiten vom 2. September 1975 bis 31. August 1980 und vom 1. Juni 1989 bis 2. Oktober 1990.

a) Ein Anspruch ergibt sich nicht aus den von der Beklagten in den vorangegangenen Gerichtsverfahren abgegebenen Erklärungen. Sie bezogen sich ersichtlich nur auf das seinerzeit streitgegenständliche Kontenklärungsverfahren. Indem die Klägerin meint, hieraus Rechte in Bezug auf den Wert ihrer Rente ableiten zu können, verkennt sie das gestufte Verhältnis von Kontenklärungs- und Rentenverfahren. Der Vormerkungs- oder Kontenklärungsbescheid ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der auf der Grundlage des bei seinem Erlass geltenden Rechts Feststellungen über Tatbestände einer rentenversicherungsrechtlich relevanten Vorleistung trifft, die grundsätzlich in den späteren Rentenbescheid und damit in den Rentenwert eingehen. Verbindlich festgestellt wird im Vormerkungsbescheid sowohl der Rechtscharakter der rentenrechtlichen Zeit als auch deren zeitlicher Umfang und damit, ob ein behaupteter Tatbestand nach seinen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nach dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Vormerkungsbescheides geltenden materiellen Recht erfüllt ist, so dass die Möglichkeit besteht, dass er rentenrechtlich relevant werden kann. Nicht hingegen ist Gegenstand eines Vormerkungsbescheides die abschließende Entscheidung über die Anrechnung und Bewertung dieser Zeiten (vgl. Bundessozialgericht, Urteile vom 30. März 2004, B 4 RA 36/02 R, SozR 4-2600 § 149 Rdnr. 10 f und vom 21. März 1991, 4/1 RA 35/90, SozR 3-2200 § 1325 Nr. 3 Seite 6).

Das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 14. Oktober 1996 nahm so denn auch konkret Bezug auf Art. 2 § 19 RÜG, der es in Verbindung mit Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG grundsätzlich gestattete, die von der Klägerin geltend gemachten Zeiträume in den Versicherungsverlauf aufzunehmen, weil zumindest theoretisch ein Rentenbeginn bis 31. Dezember 1996 noch denkbar war und die beiden Zeiträume so Auswirkungen auf den Wert der Rente hätten entfalten können. Lediglich der Gesetzeslage entsprach dann auch der Hinweis im Ausführungsbescheid vom 8. November 1996, wonach eine Leistung aus der Vormerkung nur erwachsen könne, wenn die Rente bis zum 31. Dezember 1996 beginne. Dass die Beklagte im später wegen dieses Hinweises geführten Streitverfahren erklärte, eine Regelung sei damit nicht getroffen und Rechtsfolgen würden aus diesem Absatz nicht hergeleitet, ist belanglos und sollte ersichtlich nur der unstreitigen Beilegung des Klageverfahrens gelten. Tatsächlich ergeben sich die maßgeblichen Regelungen nämlich aus dem Gesetz (Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG, dazu unten b), während die fragliche Passage im Bescheid vom 8. November 1996 gerade nur hinweisenden Charakter hatte.

Eine Zusicherung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X, gerichtet auf unbeschränkte Anerkennung der fraglichen Zeiträume als Zeiten versicherungspflichtiger Tätigkeit, hat die Beklagte bei alledem nicht abgegeben. Der Empfängerhorizont lässt eine solche Auslegung der Erklärungen der Beklagten im Kontenklärungsverfahren nicht zu. Die Beklagte hat nie Zweifel daran gelassen, das Begehren der Klägerin auf Grundlage des geltenden Rechts zu bescheiden und keine darüber hinaus gehenden Ansprüche zuerkennen zu wollen. Ohnehin spricht vieles dafür, dass eine unter evidentem Verstoß gegen die Stichtagsregelung in Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG abgegebene Zusicherung unwirksam wäre (§ 34 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 1 SGB X).

b) Auch von Gesetzes wegen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung der beiden in Dubna/UdSSR zugebrachten Zeiträume als Zeiten versicherungspflichtiger Tätigkeit. Eine Anerkennung kommt nur auf der Grundlage von Art. 2 § 19 Abs. 2 Nr. 12 RÜG in Betracht. Danach gelten als Zeiten einer versicherungspflichtigen Tätigkeit auch solche Zeiten, in denen Versicherte weder pflichtversichert noch beitragspflichtig waren und sich vor dem 3. Oktober 1990 im Rahmen der dienstlichen Entsendung von Ehepaaren außerhalb des Beitrittsgebiets aufgehalten haben, ohne selbst eine berufliche Tätigkeit auszuüben, wenn unmittelbar vor der Entsendung eine Pflichtversicherung bestanden hat. Diese Regelung ist ersichtlich auf eine Biographie wie diejenige der Klägerin zugeschnitten, die aufgrund des zwischen der DDR und der UdSSR geltenden Abkommensrechts damit rechnen durfte, dass die Jahre der Entsendung ihres Ehemannes auch in ihren Versicherungsverlauf Eingang finden würden. Allerdings begrenzt Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG als Übergangsregelung den Anspruch auf Rente nach dieser Vorschrift auf Personen, deren Rente in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 beginnt. Danach fehlt es an einer Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin im positiven Recht.

Der Senat hält die entscheidende Übergangsregelung mit dem Stichtag 31. Dezember 1996 für verfassungsgemäß und sieht sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 10. April 2003, B 4 RA 41/02 R, SozR 4-2600 § 260 Nr. 1, Punkt 3. und 4. der Begründung). Zur vergleichbaren Stichtagsregelung in § 4 Abs. 4 AAÜG hat das Bundessozialgericht zunächst ausgeführt:

3. ( ) a) § 4 Abs. 4 AAÜG verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Eigentumsschutz hatten Renten und Rentenanwartschaften des Beitrittsgebietes ( ) nur, soweit sie durch den und nach Maßgabe des EV als vermögenswerte subjektive Rechte der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannt worden waren. Die Zahlbetragsgarantie im EV war jedoch nur für (Bestandsrentner und) rentennahe Jahrgänge des Beitrittsgebiets bis 30. Juni 1995 als Eigentumsposition ausgestaltet, nicht jedoch zu Gunsten derjenigen, deren Vollrecht auf die SGB VI-Rente nach dem 30. Juni 1995 entstand.

b) Die Stichtagsregelung verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dem Gesetzgeber ist es zur Regelung bestimmter Sachverhalte nicht verwehrt, Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl. BVerfGE 87, 1, 43).

Es trifft zwar zu, dass der Kläger gegenüber der o.g. Gruppe der Zugangsrentner wegen des Stichtages benachteiligt ist, weil er im Gegensatz zu dieser Personengruppe nicht in den Genuss der durch den EV ausgestalteten Zahlbetragsgarantie gelangt und auf ihn die grundsätzlich begünstigende Regelung des § 4 Abs. 4 AAÜG keine Anwendung mehr findet. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Denn der allgemeine Gleichheitssatz - in seiner hier maßgeblichen Ausprägung - ist nur verletzt, wenn eine Personengruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten ohne sachlichen Grund anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72, 88; 82, 60, 86; 94, 241, 260 = SozR 3-2200 § 1255a Nr. 5). Im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung war dem Gesetzgeber bei der Neuordnung sozialrechtlicher Rechtsverhältnisse ein besonders großer Gestaltungsspielraum eingeräumt (vgl. BVerfGE 100, 59, 94 f = SozR 3-8570 § 6 Nr 3; Beschluss vom 13. Dezember 2002 - 1 BvR 1144/00).

Das BVerfG hat entschieden, dass die Stichtagsregelung im EV - und somit auch in Fortschreibung des EV in § 4 Abs. 4 AAÜG - als Folge des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums verfassungsgemäß ist (vgl. BVerfGE 100, 1, 46 = SozR 3-8570 § 10 Nr. 3; NZS 2003, 87, 89). Es hat hierzu u.a. ausgeführt: Welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung als maßgeblich anzusehen seien, entscheide grundsätzlich der Gesetzgeber. Es bleibe innerhalb seiner Gestaltungsbefugnis, wenn er es ablehne, zu Lasten der Versichertengemeinschaft oder Allgemeinheit den alters- oder schicksalsbedingten Umstand voll auszugleichen, dass Personen im erwerbsfähigen Alter bessere Chancen haben als Rentner und Angehörige rentennaher Jahrgänge. Mit Art. 3 Abs. 1 GG sei es vereinbar, dass die begünstigende Wirkung der "Zahlbetragsgarantie" nach dem EV auf Bestandsrentner und Rentenneuzugänge bis zum 30. Juni 1995 begrenzt sei ( ). Vor dem Hintergrund des Staatsbankrotts der DDR und den im Hinblick hierauf von der Bundesrepublik Deutschland organisatorisch und finanziell zu bewältigenden Problemen wirtschaftlicher und finanzieller Art und unter Beachtung der Gesamtleistungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland, der Stabilität der Finanzen des Bundes und der Länder sowie der Rentenversicherungsträger war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, den Zeitraum für die Übergangsregelung auszudehnen. Im Hinblick auf die Gesamtkonzeption bei der Überführung von Anwartschaften des Beitrittsgebietes in das SGB VI mit den o.g. schonenden Übergangsvorschriften ist die Stichtagsregelung sachlich gerechtfertigt. Es ist auch nicht willkürlich, dass nach Ablauf von etwa 5 1/2 Jahren nach dem Beitritt die für alle Rentenberechtigten nach dem SGB VI geltenden gesetzlichen Bestimmungen zur Anwendung gelangen, zumal die Rentenberechtigte aus den Beitrittsgebieten begünstigenden Vorschriften (auch diejenigen der §§ 5 bis 8 AAÜG bei früheren Inhabern einer Versorgungsanwartschaft) bei der Ermittlung der EP weiterhin Anwendung finden. ( )

Unter Bezugnahme auf diese Erwägungen hat das Bundessozialgericht sodann auch die Stichtagsregelung in Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG ausdrücklich für verfassungsgemäß erklärt:

4. Aus den bereits genannten Gründen (vgl. zu 3.) ist es verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass auch Art. 2 RÜG ( ), der für rentennahe Jahrgänge aus der Sozialversicherung und der FZR (der DDR) einen Bestandsschutz ausgestaltet, wegen der Stichtagsregelung in Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG auf Zugangsrentner ab 1. Januar 1997 keine Anwendung findet. ( )

5. Nach alledem fehlt es an einer Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers im positiven Recht. Sollte er der Auffassung sein, der Bundesgesetzgeber müsse - weitere - übergangsrechtliche Regelungen auch für Zugangsrentner ab 1. Juli 1995 bzw. ab 1. Januar 1997 schaffen, so ist der Rechtsweg hierfür nicht eröffnet. Eine verfassungswidrige Lage ist im Hinblick auf den Gesamtkomplex der Regelungen bei Überführung der Renten und Rentenanwartschaften aus der Sozialversicherung, der FZR sowie den Versorgungssystemen nicht erkennbar.

Diesen Erwägungen, die auf den Fall der Klägerin übertragbar sind, schließt der Senat sich nach eigener Sachprüfung an.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG liegen nicht vor; der Rechtsstreit hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung, weil das Bundessozialgericht die in Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3 RÜG enthaltene Stichtagsregelung im zitierten Urteil vom 10. April 2003 bereits ausdrücklich für verfassungsgemäß erklärt hat.
Rechtskraft
Aus
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