Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
28
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 7 AL 708/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AL 155/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 19. Mai 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld -Alg- und der sich hieraus ergebenden Erstattungsforderung der Beklagten.
Der 1940 geborene, verheiratete und in B wohnhafte Kläger stand bei der Beklagten mit Unterbrechungen seit 1992 im Leistungsbezug. Er übte während des Leistungsbezuges mehrfach Nebenbeschäftigungen aus.
Nach dem Bezug von Unterhaltsgeld meldete sich der Kläger am 25. Januar 2001 mit Wirkung zum 12. Februar 2001 arbeitslos und beantragte mit einem Antragsvordruck der Beklagten die Gewährung von Alg. Durch seine Unterschrift bestätigte er den Erhalt und die Kenntnisnahme vom Inhalt des "Merkblatt 1 für Arbeitslose" sowie die unverzügliche Anzeige von Änderungen.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2001 bewilligte ihm die Beklagte daraufhin ab dem 12. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2001 (Anpassungsstichtag) Alg mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 402,57 DM (Bemessungsentgelt 1130 DM; Leistungsgruppe A; 60 v. H.; Leistungsentgelt-VO 2001). Durch Bescheid vom 26. Juli 2001 wurde dem Kläger ab dem 1. Juli 2001 Alg mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 405,23 DM (Bemessungsentgelt 1140 DM; Leistungsgruppe A; 60 v. H.; Leistungsentgelt-VO 2001) bis zum 31. Dezember 2001 bewilligt und ausgezahlt. Im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2002 (Anpassungsstichtag) bewilligte ihm die Beklagte durch Bescheid vom 10. Januar 2002 Alg mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 207,62 EUR (Bemessungsentgelt 585 EUR; Leistungsgruppe A; 60 v.H.; Leistungsentgelt-VO 2002), im Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Dezember 2002 durch Bescheid vom 26. Juli 2002 Alg mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 211,26 EUR (Bemessungsentgelt 600 EUR, Leistungsgruppe A; 60 v. H.; Leistungsentgelt-VO 2002).
Am 28. Mai 2001 hatte der Kläger eine Beschäftigung bei der R gGmbH B in B aufgenommen. Geschäftsführer der R gGmbH B ist der Zeuge D E. Gegenstand der Tätigkeit des Klägers war der Transport von Behinderten in unterschiedlichen Touren, die wöchentlich eingeteilt wurden. In jeder Tour war eine Früh- und eine Spättour eingerichtet, da die zu befördernden Personen morgens abgeholt und am Abend in die Wohneinrichtung zurückgebracht werden mussten. Infolge von Erkrankungen der Behinderten oder anderer Mitarbeiter der R gGmbH konnten sich die Touren auch täglich verändern. Jede Tour dauerte jeweils zwischen 1 ¾ und 2 ¾ Stunden, gelegentlich auch länger. Zuständig für die Einteilung der Touren war der Zeuge Kappes, der diese Tätigkeit von der Zeugin S nach deren Ausscheiden aus Altersgründen übernommen hatte. Er führte die Einstellungsgespräche mit den im Behindertentransport eingesetzten Arbeitnehmern und erstellte die Lohnabrechnung anhand von Fahrer-Tourennachweisen, welche durch die Fahrer ausgefüllt wurden. Ausweislich der vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichten Quittungen erhielt er als Lohn für seine Tätigkeit im Juni 2001 30,25 DM, für einen weiteren Monat sowie die Monate August 2001, September 2001, Oktober 2001, November 2001 jeweils den Betrag in Höhe öhe Hvon 314,88 DM, im Dezember 2001 302,50 DM und im Januar 2003 (gemeint war wohl 2002) 164,88 EUR bar ausbezahlt.
Die von der R gGmbH B für den Zeitraum Mai 2001 bis März 2002, die Monate Oktober 2002, November 2002 sowie Dezember 2002 ausgestellten Bescheinigungen über Nebeneinkommen des Klägers, die in der Folgezeit zu den Verwaltungsvorgängen gelangten, weisen wöchentliche Arbeitszeiten unter 15 Stunden aus. Es wurde jeweils ein wöchentliches Arbeitsentgelt unter 315 DM bzw. 165 EUR bescheinigt. Unterschrieben waren die Bescheinigungen von dem Zeugen K.
Aufgrund einer bei der R gGmbH B am 9. Dezember 2002 durchgeführten Außenprüfung gelangten vom Kläger und vom Zeugen K unterschriebene Stundenabrechnungen für die Monate Juli 2001 bis November 2001 und Januar 2002 bis März 2002 sowie Fahrer-Tourennachweise betreffend die Monate November und Dezember 2002 zu den Verwaltungsvorgängen. Die hierin angegebenen täglichen Arbeitszeiten wichen erheblich von Angaben in den Bescheinigungen über Nebeneinkommen ab. Danach überschritt der Kläger den auf den Tourennachweisen vermerkten monatlichen Stundendurchschnitt von 57,25 Stunden in den Monaten Juli 2001, September 2001, November 2001 und Januar 2002. In den Monaten August 2001, Oktober 2001, Dezember 2001, Februar 2002 und März 2002 erreichte die Zahl der gearbeiteten Stunden hingegen nicht den monatlichen Stundendurchschnitt von 57,25 Stunden. Auf den Stundenabrechnungen waren handschriftlich die "Soll"-und "Ist" – Stunden der jeweiligen Monate vermerkt. Der ermittelte Saldo, der sich nach Abzug der tatsächlich verrichteten Arbeitsstunden von der vermerkten Soll-Arbeitszeit 57,25 Stunden ergab, wurde in den nächsten Monat übertragen. Soweit der Kläger in einem Monat die Sollstundenzahl nicht erreichte, wurde der Saldo aus den Vormonaten verrechnet. Per Ende März 2002 ergab sich ein ausgeglichenes Stundenkonto, d. h. ein Saldo zu Gunsten des Klägers bestand nicht mehr.
Jeweils am 19. November 2001, 1. März 2002, 12. März 2002 und 29. Januar 2003 sprach der Kläger bei der Beklagten persönlich vor.
Nach Auswertung der sichergestellten Unterlagen stellte die Beklagte die Zahlung von Alhi zum 1. Januar 2003 ein und hörte den Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2003 zu dem Umstand einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung bei der R gGmbH B an. Bei einer persönlichen Vorsprache des Klägers bei der Beklagten am 29. Januar 2003 teilte der Kläger die Beendigung der Nebentätigkeit bei der R gGmbH B zum 31. Januar 2003 mit. Mit vom Kläger am 14. Februar 2003 unterschriebenem Formblatt räumte er ein, dass der von der Beklagten ermittelte Sachverhalt zutreffe.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Februar 2003 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg im Zeitraum vom 2. Juli 2001 bis zum 11. März 2002 sowie vom 18. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 mit der Begründung auf, der Kläger sei seiner aus § 60 SGB I folgenden Mitteilungsverpflichtung nicht nachgekommen. Gleichzeitig forderte sie die Erstattung des überzahlten Alg sowie von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 13.322,29 EUR. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers beschränkte die Beklagte durch Bescheid vom 22. September 2003 die Aufhebung der Bewilligung von Alg auf den Zeitraum vom 2. Juli 2001 bis zum 28. Februar 2002 sowie vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 und reduzierte die Erstattungsforderung auf insgesamt 12.931,38 EUR.
Durch Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2003 wies sie den Widerspruch des Klägers, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 22. September 2003 abgeholfen worden war, zurück. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, die Saldierung der Arbeitszeiten in den strittigen Zeiträumen habe eine über 15 Stunden wöchentlich dauernde Arbeitszeit und damit eine im Sinne des § 8 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV - sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ergeben mit der Folge, dass die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 118 Abs. 2 Satz 2 SGB III und damit der Anspruch des Klägers auf Alg mit der Aufnahme der Tätigkeit bei der R gGmbH B entfallen sei. Die Bildung einer durchschnittlichen Arbeitszeit sei wegen der nicht gleichen Arbeitsbedingungen nicht vorzunehmen. Es lägen auch die Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung gem. § 45 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III vor, denn der Kläger hätte aufgrund der Hinweise im "Merkblatt für Arbeitslose" wissen müssen, dass die Bewilligung der Leistung rechtswidrig gewesen sei. Dass es sich bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit nicht um eine lediglich geringfügige Tätigkeit handeln würde, habe der Kläger gewusst, weshalb er sich auf Vertrauensschutz nicht berufen könne.
Am 10. Oktober 2003 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Frankfurt/Oder Klage erhoben und geltend gemacht, entgegen der Ansicht der Beklagten habe er auch während des Zeitraumes der Beschäftigung bei der R gGmbH B der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Bei Aufnahme der Tätigkeit sei eine monatliche Arbeitszeit von höchstens 64,9 Stunden vereinbart worden, wobei er wegen der schwankenden Auftragslage auf Abruf tätig sein sollte. Aus dem Gegenstand der Tätigkeit habe sich die Notwendigkeit von schwankenden Arbeitszeiten bei gleich bleibendem monatlichem Gehalt ergeben, weil es nicht möglich gewesen sei, die zu befördernden Personen bei Erreichen der 14,9 Stundengrenze auf halber Strecke stehen zu lassen. Mehrstunden seien angespart und durch Freizeitausgleich abgebaut worden. Abzustellen sein deshalb auf die gesamte Dauer der Beschäftigung bei der R gGmbH B oder auf einen Zeitraum von zwölf Monaten. Während dieser Zeiträume sei die zulässige Arbeitszeit im Durchschnitt nicht überschritten worden. Die Angaben in den Nebentätigkeitsbescheinigungen seien lediglich zur Vereinfachung entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten ausgefüllt worden, nicht jedoch mit Betrugsabsicht. Zudem sei ihm grob fahrlässiges Verhalten nicht vorzuwerfen, denn er habe angenommen, dass eine durchschnittliche Arbeitszeit von weniger als 15 Wochenstunden zulässig sei. Ein anderslautender Hinweis sei den Merkblättern der Beklagten auch nicht zu entnehmen gewesen. Im Übrigen habe der Zeuge K erklärt, die Führung eines Stundenkontos sei mit der Beklagten abgestimmt worden.
Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Mai 2004 ein vom Kläger angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben und dementsprechend die streitgegenständlichen Bescheide abgeändert und die Erstattungsforderung auf 12.378,80 EUR reduziert.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 27. Februar 2003, geändert durch Bescheid vom 22. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2003 in der Fassung der Erklärung der Beklagten vom 19. Mai 2004 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist bei der von ihr vertretenen Ansicht verblieben, wonach der Aufhebungsbescheid in der geänderten Fassung rechtmäßig sei.
Mit Urteil vom 19. Mai 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien nach Abgabe des Teilanerkenntnisses rechtmäßig ergangen. Bezüglich des Zeitraums vom 2. Juli 2001 bis zum 11. März 2002 lägen die Voraussetzungen der Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 26. Juli 2001 und vom 10. Januar 2002 gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, denn bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit bei der R gGmbH B habe es sich spätestens ab dem 2. Juli 2001 nicht um eine im Sinne des § 118 Abs. 2 SGB III geringfügige Beschäftigung gehandelt, weil der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht weniger als 15 Stunden pro Woche gearbeitet habe. Bereits in der Woche vom 2. Juli bis zum 8. Juli 2002 habe er insgesamt 20,58 Stunden gearbeitet. An diesem Ergebnis ändere sich nichts, wenn ausgehend von einem Beschäftigungsbeginn am 28. Juni 2001 auf die Beschäftigungswoche abgestellt werden würde. Unerheblich sei auch, dass der Kläger nicht in allen Wochen die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten habe, denn durch die Überschreitung dieser Grenze in den Wochen vom 2. Juli 2001 bis zum 8. Juli 2001 und vom 9. Juli 2001 bis zum 15. Juli 2001 sei die Wirkung der Arbeitslosmeldung entfallen. Nicht zu beanstanden sei die Wertung der Beklagten, die Vorsprache des Klägers am 12. März 2002 als erneute Arbeitslosmeldung anzusehen. Es sei entgegen der Ansicht des Klägers auch keine durchschnittliche Arbeitszeit zu bilden. Eine solche setze die Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit voraus, die der Kläger jedoch nicht getroffen habe. Die voraussichtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses sei nicht maßgebend, da dies nur gelte, wenn im Voraus weder aus der Natur der Sache noch aus den vertraglichen Vereinbarung eine Klärung über das Ausmaße der Beschäftigung möglich sei. Der Zeitaufwand habe im Falle des Klägers jedoch erkennbar von Anbeginn an die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten. Die Überschreitungen beruhten nicht auf schwankenden Arbeitszeiten, sondern auf schwankenden Toureneinteilungen. Schließlich hätte der Kläger aus den unmissverständlichen Hinweisen im "Merkblatt 1 für Arbeitslose" entnehmen können, dass sein Anspruch auf Alg durch die Aufnahme der Tätigkeit bei der R gGmbH mit Erreichen der 15 Stunden Grenze erloschen war. Diesen Hinweisen sei nicht - wie vom Kläger behauptet - zu entnehmen, dass eine Durchschnittsberechnung zulässig sei. Ihm sei deshalb grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, denn auf den Hinweis des Zeugen K, dass die Führung eines Stundenkontos zulässig sei, hätte sich der Kläger nicht verlassen dürfen. Bezüglich der Aufhebung der Bewilligung von Alg im Zeitraum vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 sei § 48 SGB X anzuwenden. Da der Kläger ab dem 28. Oktober 2002 mehr als kurzzeitig beschäftigt gewesen sei und dies der Beklagten nicht unverzüglich mitgeteilt habe, sei die Wirkung der letzten Arbeitslosmeldung vom 12. März 2002 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III und damit sein Anspruch auf Alg entfallen.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. Juli 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. Juli 2004 Berufung beim Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingelegt. Der Kläger ist bei seiner Ansicht verblieben, wonach es sich bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit um eine noch zulässige geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 118 SGB III gehandelt habe und sein Anspruch auf Alg deshalb mit Aufnahme der Tätigkeit am 28. Juni 2001 bei der R gGmbH B nicht erloschen sei. Bezogen auf die maßgebende gesamte Dauer des Beschäftigungsverhältnisses sei er durchschnittlich lediglich 12,68 Stunden wöchentlich tätig gewesen. Dies habe auch der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit entsprochen, allein auf diese Vereinbarung sei jedoch bei der Beurteilung der Geringfügigkeit einer Beschäftigung abzustellen. Sofern zu seinen Gunsten am Monatsende ein Saldo verblieben sei, habe er hierfür Freizeitausgleich erhalten, es sei ihm jedoch jeweils nur der vereinbarte Lohn in Höhe von monatlich 165 EUR bzw. 314,88 DM ausbezahlt worden. Er habe darauf geachtet, dass dieser Betrag nicht überschritten werde, die Arbeitszeit habe hingegen für ihn keine Bedeutung gehabt. Er hätte gegebenenfalls auch unentgeltlich gearbeitet, weil für ihn nur wichtig gewesen sei, eine Beschäftigung zu haben. Bei Anwendung des subjektiven Fahrlässigkeitsbegriffs sei ihm auch der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht zu machen, denn es sei bei ca. 35 Kollegen in Absprache mit der Beklagten ebenso wie in seinem Falle verfahren worden. Zwar habe er das Merkblatt der Beklagten erhalten und gelesen, der Zeuge K habe ihm jedoch erklärt, es sei mit dem Arbeitsamt abgesprochen worden, dass ein Zeitausgleich über die Monate hinweg erfolgen könne und die Angaben auf den Nebentätigkeitsbescheinigungen, die er gegengezeichnet habe, nicht mit den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden übereinstimmen müssten. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eingeräumt, es sei bei seiner Einstellung weder über eine monatliche noch über eine wöchentliche Arbeitszeit gesprochen worden. Mit der R gGmbH B sei nur vereinbart worden, dass die Arbeitszeit seinen Anspruch auf Alg nicht gefährden dürfe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 19. Mai 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2003 in der Fassung des Bescheides vom 22. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2003 in der Fassung der Erklärung der Beklagten vom 19. Mai 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Ansicht fest, wonach es sich bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit nicht lediglich um eine im Sinne des § 118 Abs. 2 SGB III geringfügige Tätigkeit gehandelt und der Kläger diesen Umstand zumindest grob fahrlässig nicht erkannt habe.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 8. Dezember 2005 sind der Geschäftsführer der R gGmbH B D E, der Mitarbeiter des R J K und ein ehemaliger Mitarbeiter des R B H als Zeugen vernommen worden. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf Bl. 115-121 der Gerichtsakte verwiesen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht die ehemalige Mitarbeiterin der R gGmbH B H S, den früheren Mitarbeiter der Beklagten M F und den Mitarbeiter der Beklagten M S als Zeugen vernommen. Wegen des Inhalts dieser Zeugenaussagen wird auf Bl. 154 bis 157 der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf die Gerichtsakte zu diesem Rechtsstreit und die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten zur Stammnummer Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 EUR übersteigt, denn die Erstattungsforderung der Beklagten beträgt insgesamt 12.378,80 EUR.
Die Berufung ist nicht begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts, wonach die Aufhebung der Bewilligungsbescheide bezüglich des Zeitraumes vom 2. Juli 2001 bis zum 28. Februar 2002 und vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 rechtmäßig war, ist zutreffend. Denn die angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 27. Februar 2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2003 in der Fassung der Erklärung der Beklagten vom 19. Mai 2004 sind rechtmäßig. Das Sozialgericht hat die zulässige Klage deshalb zu Recht abgewiesen.
1. ) Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 2. Juli 2001 bis zum 28. Februar 2002, welches durch Bescheide vom 26. Juli 2001 und vom 10. Januar 2002 bewilligt worden war, ist § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch –SGB X-. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit, das heißt für die Zeit vor Bekanntgabe des Rücknahmebescheides, zurückgenommen werden.
Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass die Bescheide vom 26. Juli 2001 und vom 10. Januar 2002 bei Erlass rechtswidrig waren, weil der Kläger keinen Anspruch auf das ihm für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum durch diese Bescheide bewilligte Alg hatte.
Gem. § 117 Sozialgesetzbuch Drittes Buch -SGB III- in der im Jahre 2001 geltenden, mit Wirkung vom 1. Januar 1998 eingeführten Fassung haben Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitnehmer, die
1. arbeitslos sind,
2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
Diese Voraussetzungen lagen jedoch in dem hier streitbefangenen Zeitraum ab dem 2. Juli 2001 nicht mehr vor, weil der Kläger bereits spätestens ab dem 2. Juli 2001 nicht mehr arbeitslos war.
Gem. § 118 Abs. 1 SGB III in der im Jahre 2001 geltenden Fassung -a. F.- ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der
vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche).
Gem. § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. schließt die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wobei gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben. Um eine solche geringfügige Beschäftigung handelte es sich hier jedoch nicht.
Ob eine Beschäftigung kurzzeitig ist, ist zunächst den vertraglichen Vereinbarungen über die Arbeitszeit zu entnehmen. Maßgebend ist, welche Arbeitszeit vorausschauend vereinbart worden war. Erst wenn Vereinbarungen hinsichtlich der Arbeitszeit nicht bestehen, ist darauf abzustellen, ob die Beschäftigung der Natur der Sache nach auf weniger als 15 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegt (vgl. Urteil des BSG vom 15. Juni 1988, Az.: 7 RAr 12/87 = Die Beiträge 1988, 286-292; Urteil vom 15. Mai 1985, Az.: 7 RAr 22/84, zitiert nach Juris).
Entscheidend für die Prognose sind bei der gebotenen vorausschauenden Betrachtung grundsätzlich die Merkmale und Umstände, wie sie bei Beginn der Beschäftigung vorliegen. Ausreichend ist in jedem Fall eine ungefähre Einschätzung, welche Arbeitszeit in der Woche nach dem Arbeitsvertrag oder der bisherigen Übung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten war (Steinmeyer in Gagel, Kommentar zum SGB III, Rn. 70 zu § 119). Kurzzeitig stellt die Beschäftigung sich somit dar, wenn sie nach den Vereinbarungen voraussichtlich auf weniger als 15 Stunden wöchentlich beschränkt wird. In Einzelfällen kann die tatsächliche Erfüllung des Beschäftigungsverhältnisses, wie es sich aus der rückschauenden Beurteilung ergibt, mit gewürdigt werden, etwa wenn von Anfang an wesentliche Merkmale auf eine kurzzeitige Beschäftigung hindeuten, eine Klärung im voraus aber nicht möglich war (Urteil des BSG vom 15. Juni 1988, Az.: 7 RAr 12/87 a.a.O.).
Bei der Beurteilung, ob es sich bei der vereinbarten Tätigkeit des Klägers um eine im Sinne des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. kurzzeitige Beschäftigung gehandelt hat, ist damit auf die tatsächlich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbarten Arbeitsstunden abzustellen. Mit seinem Einwand, er habe tatsächlich nicht mehr als 165 EUR pro Monat verdient, kann der Kläger nicht gehört werden, denn § 118 Abs. 2 SGB III a. F. stellt auf eine Zeitgrenze ab und nicht auf die Höhe des Erwerbseinkommens. Es kommt deshalb auf die tatsächlich in der Beschäftigungswoche zu leistenden Arbeitsstunden an und nicht darauf, wann und ob diese Arbeitsstunden vergütet oder wegen der Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos in einer anderen Abrechnungsperiode verrechnet werden sollten.
Der Kläger hatte bei der anzuwendenden vorausschauenden Betrachtung im Zeitpunkt der Vereinbarung der Beschäftigung mit seinem Arbeitgeber keine lediglich kurzzeitige Beschäftigung – zumindest mündlich – vereinbart. Gegen eine derartige Vereinbarung spricht zwar entgegen der Ansicht des Sozialgerichts nicht schon eine Vereinbarung einer monatlichen Arbeitszeit von 64 Wochenstunden (wobei diese Behauptung den handschriftlichen Vermerken auf den Stundennachweisen widerspricht) denn hiervon ausgehend lässt sich die Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14,77 Stunden (64 X 3: 13) ermitteln (vgl. hierzu Steinmeyer in Gagel, Kommentar zum SGB III, Rn. 73 zu § 119). Da § 118 Abs. 2 SGB III a. F. auf die wöchentliche Arbeitszeit abstellt, die der Arbeitnehmer in einer gewöhnlichen Arbeitswoche erbringen soll und die ihm vom Arbeitgeber zu vergüten ist, muss die Wochenarbeitszeit aus der Monatsarbeitszeit entwickelt werden (BSG, Urteil vom 15. Mai 1985, Az.: 7 RAr 22/84 a.a.O.).
Der Vereinbarung einer im Sinne von § 118 Abs. 1 SGB III a. F. kurzzeitigen Beschäftigung steht vorliegend jedoch entgegen, dass der Kläger mit der R gGmbH darüber hinaus abgesprochen hatten, dass die Arbeitszeit von 64 Wochenstunden pro Monat flexibel eingeteilt werden und der Kläger "auf Abruf" tätig sein sollte. Vereinbart waren schwankende Arbeitszeiten und die Führung eines Stundenkontos, durch welches ein monatlicher Saldo ausgeglichen werden konnte.
Zwar musste nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 102 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz bei der Prüfung, ob eine nur kurzzeitige Beschäftigung vorlag, die voraussichtliche Arbeitszeit ermittelt werden, wenn mit schwankenden Arbeitszeiten zu rechnen war. Das Bundessozialgericht hat ausgeführt, es erscheine – sofern bei der Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses Besonderheiten wie z. Bsp. eine zeitliche Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht erkennbar sind – sachgerecht, einen Zwölf-Monats-Zeitraum zu Grunde zu legen (vgl. u. a. Urteile vom 15. Mai 1985, a.a.O, und vom 15. Mai 1985 a.a.O.). Es mache bei schwankenden Arbeitszeiten keinen Unterschied, ob der Arbeitlose die vereinbarte monatliche Arbeitszeit im Wesentlichen gleichmäßig auf die Wochen verteilt zu erbringen hatte oder ob die Arbeitszeit von Woche zu Woche schwanken konnte. Es verbiete sich auch, einzelne Monate, in denen sich bei einer monatlichen noch zulässig vereinbarten Arbeitzeit eine Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze errechnen lässt, unter Außerachtlassung günstigerer Monate für sich zu betrachten. Schon aus verwaltungspraktischen Erwägungen sei es nicht unsachgemäß und deshalb mit Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar, wenn bei der Unterscheidung kurzzeitiger von anderen Beschäftigungen auf die vereinbarte Arbeitszeit in einer gewöhnlichen Arbeitswoche abgestellt werde. Bezogen auf den Gesamtzeitraum der Beschäftigung lag damit nach der Rechtsprechung des BSG im Falle des Klägers eine Beschäftigung vor, durch welche die Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. nicht überschritten wurde.
Der Senat folgt dieser noch zu § 102 Arbeitsförderungsgesetz ergangenen Rechtsprechung jedoch nicht. Das Sozialgericht hat bereits mit überzeugenden Argumenten ausgeführt, dass sich die zum Arbeitsförderungsgesetzt aufgestellten Grundsätze nicht auf die Regelungen des SGB III übertragen lassen. Die Anwendung der zu § 102 Arbeitsförderungsgesetz aufgestellten Grundsätze hätte zur Folge, dass auch eine Vereinbarung, wonach ein Arbeitnehmer insgesamt sechs Monate tätig sein soll, er in den ersten drei Monaten jedoch 29,9 Wochenstunden arbeiten soll und in den letzen drei Monaten überhaupt keine Arbeitsleistung zu erbringen hätte, zulässig wäre. Dieses Ergebnis wiederspricht jedoch dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, das auf eine wöchentliche Arbeitszeit von unter 15 Stunden abstellt. Dem praktischen Bedürfnis schwankender Arbeitszeiten wird durch das Gesetz gerade durch die Regelung Rechnung getragen, dass gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben sollen. Die im vorliegenden Fall getroffene Vereinbarung beinhaltete hingegen eine nicht mehr nur gelegentliche Abweichung von der Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. und ist deshalb mit dieser Regelung nicht in Übereinstimmung zu bringen. Der Kläger hat selbst vorgetragen, es sei vereinbart worden, dass Mehrstunden in Folgewochen oder –monaten ausgeglichen werden würden. Dies wurde umgesetzt, indem der Kläger wochen- oder tageweise nicht arbeitete.
Der Einwand des Klägers, die Dauer der Tätigkeit sei im Voraus nicht planbar gewesen, überzeugt nicht, er rechtfertigt insbesondere nicht die erweiternde Auslegung des § 118 Abs. 2 SGB III a. F ... Denn ausgehend von einer zulässigen Wochenarbeitszeit unter 15 Stunden hätte die Arbeitszeit des Klägers entsprechend dem noch zulässigen Umfang verteilt werden können. Sofern es gleichwohl infolge unvorhersehbarer Ereignisse zu einer – geringfügigen – Überschreitung gekommen wäre, hätte dem die Regelung des § 118 Abs. 2 Satz 2 SGB III a. F. Rechnung getragen. Die Vereinbarung war jedoch von vornherein darauf angelegt, die Geringfügigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. zu überschreiten und diese Überschreitung in anderen Folgewochen auszugleichen. Es handelte sich bei den Überschreitungen auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht um unvorhersehbare Überschreitungen, denn Überschreitungen von fünf bis acht Stunden pro Woche beruhten nicht auf unvorhersehbaren Ereignissen wie Krankheit oder Ausfall eines anderen Fahrers, sondern auf der Übernahme der Tour durch den Kläger. Die Dauer der Touren, dies zeigen die Stundenabrechnungen des Klägers, veränderten sich selbst nämlich nur unwesentlich. Bei einer "Beschäftigung auf Abruf" hätte der Kläger anders eingeplant werden müssen, um die Geringfügigkeitsgrenze nicht zu überschreiten. Eine Ungewissheit im Umfang der Arbeitszeit bestand nach alledem nicht wegen der Eigenart der vom Kläger auszuführenden Tätigkeit im Behindertentransport, sondern wegen der vom Kläger erklärten Bereitschaft, für die R gGmbH im Rahmen deren Bedarfs als Fahrer tätig zu werden. Es wäre jedoch auch möglich gewesen, eine feste Arbeitszeit zu vereinbaren und für die Vertretungen – wie dies in anderen Branchen auch üblich ist – sog. Springer einzustellen.
Selbst wenn wegen der schwankenden Arbeitszeiten der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit eine durchschnittliche Arbeitszeit zu ermitteln sein würde, kann dies nach alledem nur bedeuten, dass der bei der Bildung einer durchschnittlichen Arbeitszeit auf den Durchschnitt pro Beschäftigungswoche abgestellt werden muss, denn § 118 Abs. 2 SGB III a. F. gibt einen Wochenzeitraum vor. Innerhalb dieser Beschäftigungswoche kann die tägliche Arbeitszeit variieren. Die Parteien waren sich jedoch darüber einig, dass der Kläger in manchen Beschäftigungswochen die zulässige Arbeitszeit – zum Teil deutlich - überschreiten und er in anderen Beschäftigungswochen keine Arbeitsleistungen erbringen sollte. Vereinbart war damit gerade keine durchschnittliche Wochenarbeitszeit unter 15 Stunden.
Die Überschreitungen der Kurzzeitigkeitsgrenze waren auch nicht im Sinne des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. unerheblich. Zwar bleiben hiernach bei der Feststellung der Beschäftigungslosigkeit gelegentliche Abweichungen der Arbeitszeit, die nur von geringer Dauer sind, außer Betracht. Unschädlich ist die Überschreitung der Kurzzeitigkeitsdauer jedoch nur, wenn sie sowohl gelegentlich als auch von geringer Dauer ist. Eine geringe Dauer liegt vor, wenn die Überschreitung nur einen kurzen Zeitraum andauert. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann die Überschreitung bei einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis bei monatlicher Abrechnung bis zu einem Monat andauern (Urteil des BSG vom 14. Juli 1988, Az.: 11/7 RAr 41/87 = SozR 4100 § 115 Nr. 2). Gelegentliche Abweichungen sind solche, die nicht in regelmäßiger Wiederkehr auftreten und nicht vorhersehbar sind (BSG Urteil vom 14. Juli 1988, a.a.O.).
Um solche nur gelegentliche Abweichungen handelte es sich jedoch nicht, weil diese Überschreitungen von Anfang an vereinbart und damit vorhersehbar waren. Da schon das Merkmal "gelegentlich" wegen dieser Vorhersehbarkeit bereits bei Beginn der Beschäftigung nicht vorlag, kommt es auf die Dauer der Überschreitung in der Folgezeit nicht mehr an.
Unerheblich ist schließlich, dass der Kläger nicht in allen Wochen mehr als kurzzeitig tätig war (vgl. auch LSG Brandenburg, Urteil vom 24. März 2004, Az.: L 10 AL 142/03). Denn dadurch, dass der Kläger ab dem 2. Juli 2001 nicht nur kurzzeitig beschäftigt war und dies der Beklagten nicht unverzüglich mitteilte, erlosch die Wirkung der Arbeitslosmeldung gem. § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III. Der Kläger war damit zu dem hier zu beurteilenden Zeitpunkt am 2. Juli 2001 nicht mehr arbeitslos. Wegen dieser fehlenden Anspruchsvoraussetzung stand dem Kläger ab diesem Zeitpunkt kein Alg mehr zu.
Für einen erneuten Anspruch auf Arbeitslosengeld hätte es daher einer erneuten Arbeitslosmeldung und eines erneuten Leistungsantrages bedurft. Nicht zu beanstanden ist die Wertung der persönlichen Vorsprache des Klägers am 1. März 2002 als Arbeitslosmeldung.
2.) Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 26. Juli 2002 bezüglich des Zeitraumes vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X -.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Die Bewilligung von Alg durch den Bescheid vom 26. Juli 2002 enthält einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil sich die Bewilligung über einen gewissen Zeitraum erstreckt.
In dem von der Aufhebung ab dem 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 betroffenen Zeitraum lag ebenfalls keine Arbeitslosigkeit des Klägers vor. Mit Aufnahme der Tätigkeit des Klägers am 28. Oktober 2002 entfiel dessen Arbeitslosigkeit gem. § 118 Abs. 1 SGB III a. F, so dass ihm ab diesem Zeitpunkt die ihm mit Bescheid vom 26. Juli 2002 gewährten Leistungen aufgrund einer im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X wesentlichen Änderung der Verhältnisse nicht mehr zustanden.
Gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Der Schuldvorwurf muss dabei alle Elemente des Tatbestandes umfassen, mithin den Eintritt der Änderung, deren Nachteiligkeit und die Mitteilungspflicht (Gesamtkommentar Sozialversicherung SGB X, § 48 Anm. 86 f.). Die Pflicht des Klägers zur Mitteilung der geänderten Umstände, nämlich der Aufnahme einer nicht lediglich geringfügigen Beschäftigung, folgt aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -.
Gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch Kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Sowohl die Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 26. Juni 2001 und vom 10. Januar 2002 gem. § 45 Abs. 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit als auch die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26. Juli 2002 ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse am 28. Oktober 2002 setzt damit zumindest grob fahrlässiges Verhalten des Klägers voraus:
§ 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X verlangt, dass die Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auf grober Fahrlässigkeit beruhte.
§ 48 Abs. 2 Nr. 2 bzw. 4 SGB X setzt grob fahrlässiges Verhalten des Klägers in Bezug auf die Unkenntnis vom Wegfall des Anspruchs beziehungsweise in Bezug auf die Nichtmitteilung der für den Kläger nachteiligen Änderung der Verhältnisse voraus.
Der Kläger hat zur Überzeugung des Senates in diesem Sinne grob fahrlässig gehandelt indem er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße missachtet hat. Vorausgesetzt wird dabei eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes, d. h. eine besonders grobe und auch subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Anzulegen ist bei der Prüfung der groben Fahrlässigkeit nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab (BSG, Urteil vom 24. April 1997, 11 RAr 89/96 m. w. N. = SozR). Subjektiv unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Hierbei sind auch die persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 6.März 1997, 7 RAr 40/96, DBlR 4372, SGB X § 45). Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis kann dem Betroffenen in der Regel vorgeworfen werden, wenn Hinweise oder Belehrungen, die die Behörde in beigefügten Merkblättern oder im Antragsformular deutlich und verständlich gegeben hat, nicht beachtet werden und die Aushändigung noch nicht zu lange zurücklag (von Wulffen/Wiesner, Kommentar zum SGB X, 4. Auflage, § 45 Anm. 24).
Der Kläger hat in seinem Antrag auf Alg versichert, das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" erhalten und von dessen Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Diese Kenntnisnahme hat er in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt. Über die Auswirkungen einer die Kurzzeitigkeitsgrenze überschreitende Beschäftigung auf den Anspruch auf Alg und auch darauf, dass die Beschäftigungs- und nicht die Kalenderwoche für die Beurteilung maßgebend ist, als auch auf die ihn treffende Mitteilungspflicht wurde er durch das ihm bei Antragstellung überreichte "Merkblatt 1 für Arbeitslose" hingewiesen:
Im Merkblatt für Arbeitslose wird auf Seite 17 unter dem Stichwort "Arbeitslosigkeit" darauf hingewiesen, dass ein Antragsteller für den Bezug von Alg arbeitslos sein muss. "Arbeitslos ist, wer vorübergehend in keinem Beschäftigungsverhältnis steht und eine Beschäftigung sucht. Arbeitslos ist auch, wer nur eine weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung oder Tätigkeit als Arbeitnehmer, Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger ausübt ... die Woche in diesem Sinne ist nicht mit der Kalenderwoche identisch, sondern umfasst sieben aufeinanderfolgende Tage der Beschäftigung bzw. Tätigkeit".
Auf Seite 19 heißt es weiter: "Bei der Aufnahme jeder Beschäftigung prüft das Arbeitsamt, ob diese Beschäftigung die Arbeitslosigkeit und damit den Anspruch auf Arbeitslosengeld entfallen lässt. Der Anspruch entfällt also, wenn die aufgenommene Beschäftigung 15 Stunden wöchentlich erreicht oder übersteigt."
Hinsichtlich der Folgen der Arbeitslosmeldung heißt es auf Seite 17 weiter: "Bei Nichtanzeige oder verspäteter Anzeige kann die Leistung erst wieder nach erneuter Arbeitslosmeldung gezahlt werden".
Hieraus hätte der Kläger erkennen können, dass durch die mit der R gGmbH B getroffene Vereinbarung die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten wird und er der Beklagten diesen Umstand mitteilen musste. Dies gilt umso mehr, als der Kläger in der Vergangenheit des Öfteren Nebentätigkeiten während des Leistungsbezuges ausgeübt hat und daher mit den entsprechenden Regelungen vertraut gewesen sein dürfte. Die behauptete Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit der bewilligten Leistung, des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen in Folge der Aufnahme der Tätigkeit bei der R gGmbH sowie von seiner Mitteilungspflicht beruhte deshalb (zumindest) auf grober Fahrlässigkeit.
Die Behauptung des Klägers, der Zeuge K habe ihm mitgeteilt, dass die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos mit der Beklagten abgesprochen gewesen und er deshalb von der Zulässigkeit einer derartigen Vereinbarung ausgegangen sei, rechtfertigt keine andere Bewertung seines Verhaltens. Aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung war er intellektuell durchaus in der Lage, den Zusammenhang zwischen dem zeitlichen Umfang einer Beschäftigung und dessen Auswirkungen auf seinen Anspruch auf Alg zu verstehen. Er hätte auch erkennen müssen, dass er sich auf diese – unterstellte – Auskunft des Zeugen K nicht verlassen durfte. Da er wusste, dass die Nebentätigkeitsbescheinigungen falsch ausgestellt wurden, hätten sich ihm Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses mit der R gGmbH geradezu aufdrängen müssen. Es bleibt unverständlich, weshalb der Kläger mit diesem Vorgehen einverstanden war, wenn er von der Zulässigkeit der Führung eines Arbeitszeitkontos ausging. Dem Kläger war es deshalb zuzumuten, sich persönlich an die Beklagte zu wenden und eine Klärung herbeizuführen. Auch das Unterlassen dieser Beratung durch die Beklagte wertet der Senat als grob-fahrlässiges Verhalten.
Die bei der Aufhebung durch § 48 Abs. 4 SGB X sowie § 45 Abs. 3 und 4 SGB X i. V. m. § 48 Abs. 4 SGB X vorgeschriebenen Fristen sind eingehalten.
Da die in § 45 Abs. 1 SGB X und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X genannten Voraussetzungen vorliegen, hatte die Beklagte gemäß § 330 Abs. 3 SGB III die Bewilligung von Arbeitslosengeld in dem noch streitgegenständlichen Zeitraum aufzuheben. Eine Ermessensausübung ist auch in atypischen Fällen nicht zulässig.
Die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung des zu Unrecht gezahlten Arbeitslosengeldes ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Die Erstattungsforderung errechnet sich wie folgt:
Der Kläger hat in den Zeiträumen vom 2. Juli 2001 bis zum 28. Februar 2002 und vom 28. Oktober bis zum 31. Dezember 2002 insgesamt Alg in Höhe von 9.124,78 EUR erhalten:
- 2. Juli 2001 bis 31. Dezember 2001: 183 KT X tägl. Zahlbetrag 29,58 EUR = 5.416,56 EUR
- 1. Januar 2002 bis 28. Februar 2002: 59 KT X tägl. Zahlbetrag 29,66 EUR = 1.749,94 EUR
- 28. Oktober 2002 bis 31. Dezember 2002: 65 KT X tägl. Zahlbetrag 30,18 EUR = 1.961,70 EUR
Die Erstattungspflicht hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherung folgt aus § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III:
Im Zeitraum vom 2. Juli bis zum 31. Dezember 2001 ergibt sich der Betrag von 1.682,27 EUR und im Zeitraum vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 der Betrag von 646,29 EUR.
Im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 28. Februar waren 59 Kalendertage zugrunde zu legen, dies ergibt den Betrag von 571,96 EUR.
Auch die gem. § 335 Abs. 5 SGB III in Verbindung mit §§ 57 Abs. 1, 55 Abs. 1 SGB XI und § 232a Abs. 1 Nr. 1 SGB V zu erstattenden Pflegeversicherungsbeiträge hat das Sozialgericht zutreffend ermittelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreites Rechnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld -Alg- und der sich hieraus ergebenden Erstattungsforderung der Beklagten.
Der 1940 geborene, verheiratete und in B wohnhafte Kläger stand bei der Beklagten mit Unterbrechungen seit 1992 im Leistungsbezug. Er übte während des Leistungsbezuges mehrfach Nebenbeschäftigungen aus.
Nach dem Bezug von Unterhaltsgeld meldete sich der Kläger am 25. Januar 2001 mit Wirkung zum 12. Februar 2001 arbeitslos und beantragte mit einem Antragsvordruck der Beklagten die Gewährung von Alg. Durch seine Unterschrift bestätigte er den Erhalt und die Kenntnisnahme vom Inhalt des "Merkblatt 1 für Arbeitslose" sowie die unverzügliche Anzeige von Änderungen.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2001 bewilligte ihm die Beklagte daraufhin ab dem 12. Februar 2001 bis zum 30. Juni 2001 (Anpassungsstichtag) Alg mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 402,57 DM (Bemessungsentgelt 1130 DM; Leistungsgruppe A; 60 v. H.; Leistungsentgelt-VO 2001). Durch Bescheid vom 26. Juli 2001 wurde dem Kläger ab dem 1. Juli 2001 Alg mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 405,23 DM (Bemessungsentgelt 1140 DM; Leistungsgruppe A; 60 v. H.; Leistungsentgelt-VO 2001) bis zum 31. Dezember 2001 bewilligt und ausgezahlt. Im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2002 (Anpassungsstichtag) bewilligte ihm die Beklagte durch Bescheid vom 10. Januar 2002 Alg mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 207,62 EUR (Bemessungsentgelt 585 EUR; Leistungsgruppe A; 60 v.H.; Leistungsentgelt-VO 2002), im Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Dezember 2002 durch Bescheid vom 26. Juli 2002 Alg mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 211,26 EUR (Bemessungsentgelt 600 EUR, Leistungsgruppe A; 60 v. H.; Leistungsentgelt-VO 2002).
Am 28. Mai 2001 hatte der Kläger eine Beschäftigung bei der R gGmbH B in B aufgenommen. Geschäftsführer der R gGmbH B ist der Zeuge D E. Gegenstand der Tätigkeit des Klägers war der Transport von Behinderten in unterschiedlichen Touren, die wöchentlich eingeteilt wurden. In jeder Tour war eine Früh- und eine Spättour eingerichtet, da die zu befördernden Personen morgens abgeholt und am Abend in die Wohneinrichtung zurückgebracht werden mussten. Infolge von Erkrankungen der Behinderten oder anderer Mitarbeiter der R gGmbH konnten sich die Touren auch täglich verändern. Jede Tour dauerte jeweils zwischen 1 ¾ und 2 ¾ Stunden, gelegentlich auch länger. Zuständig für die Einteilung der Touren war der Zeuge Kappes, der diese Tätigkeit von der Zeugin S nach deren Ausscheiden aus Altersgründen übernommen hatte. Er führte die Einstellungsgespräche mit den im Behindertentransport eingesetzten Arbeitnehmern und erstellte die Lohnabrechnung anhand von Fahrer-Tourennachweisen, welche durch die Fahrer ausgefüllt wurden. Ausweislich der vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichten Quittungen erhielt er als Lohn für seine Tätigkeit im Juni 2001 30,25 DM, für einen weiteren Monat sowie die Monate August 2001, September 2001, Oktober 2001, November 2001 jeweils den Betrag in Höhe öhe Hvon 314,88 DM, im Dezember 2001 302,50 DM und im Januar 2003 (gemeint war wohl 2002) 164,88 EUR bar ausbezahlt.
Die von der R gGmbH B für den Zeitraum Mai 2001 bis März 2002, die Monate Oktober 2002, November 2002 sowie Dezember 2002 ausgestellten Bescheinigungen über Nebeneinkommen des Klägers, die in der Folgezeit zu den Verwaltungsvorgängen gelangten, weisen wöchentliche Arbeitszeiten unter 15 Stunden aus. Es wurde jeweils ein wöchentliches Arbeitsentgelt unter 315 DM bzw. 165 EUR bescheinigt. Unterschrieben waren die Bescheinigungen von dem Zeugen K.
Aufgrund einer bei der R gGmbH B am 9. Dezember 2002 durchgeführten Außenprüfung gelangten vom Kläger und vom Zeugen K unterschriebene Stundenabrechnungen für die Monate Juli 2001 bis November 2001 und Januar 2002 bis März 2002 sowie Fahrer-Tourennachweise betreffend die Monate November und Dezember 2002 zu den Verwaltungsvorgängen. Die hierin angegebenen täglichen Arbeitszeiten wichen erheblich von Angaben in den Bescheinigungen über Nebeneinkommen ab. Danach überschritt der Kläger den auf den Tourennachweisen vermerkten monatlichen Stundendurchschnitt von 57,25 Stunden in den Monaten Juli 2001, September 2001, November 2001 und Januar 2002. In den Monaten August 2001, Oktober 2001, Dezember 2001, Februar 2002 und März 2002 erreichte die Zahl der gearbeiteten Stunden hingegen nicht den monatlichen Stundendurchschnitt von 57,25 Stunden. Auf den Stundenabrechnungen waren handschriftlich die "Soll"-und "Ist" – Stunden der jeweiligen Monate vermerkt. Der ermittelte Saldo, der sich nach Abzug der tatsächlich verrichteten Arbeitsstunden von der vermerkten Soll-Arbeitszeit 57,25 Stunden ergab, wurde in den nächsten Monat übertragen. Soweit der Kläger in einem Monat die Sollstundenzahl nicht erreichte, wurde der Saldo aus den Vormonaten verrechnet. Per Ende März 2002 ergab sich ein ausgeglichenes Stundenkonto, d. h. ein Saldo zu Gunsten des Klägers bestand nicht mehr.
Jeweils am 19. November 2001, 1. März 2002, 12. März 2002 und 29. Januar 2003 sprach der Kläger bei der Beklagten persönlich vor.
Nach Auswertung der sichergestellten Unterlagen stellte die Beklagte die Zahlung von Alhi zum 1. Januar 2003 ein und hörte den Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2003 zu dem Umstand einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung bei der R gGmbH B an. Bei einer persönlichen Vorsprache des Klägers bei der Beklagten am 29. Januar 2003 teilte der Kläger die Beendigung der Nebentätigkeit bei der R gGmbH B zum 31. Januar 2003 mit. Mit vom Kläger am 14. Februar 2003 unterschriebenem Formblatt räumte er ein, dass der von der Beklagten ermittelte Sachverhalt zutreffe.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Februar 2003 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg im Zeitraum vom 2. Juli 2001 bis zum 11. März 2002 sowie vom 18. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 mit der Begründung auf, der Kläger sei seiner aus § 60 SGB I folgenden Mitteilungsverpflichtung nicht nachgekommen. Gleichzeitig forderte sie die Erstattung des überzahlten Alg sowie von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 13.322,29 EUR. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers beschränkte die Beklagte durch Bescheid vom 22. September 2003 die Aufhebung der Bewilligung von Alg auf den Zeitraum vom 2. Juli 2001 bis zum 28. Februar 2002 sowie vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 und reduzierte die Erstattungsforderung auf insgesamt 12.931,38 EUR.
Durch Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2003 wies sie den Widerspruch des Klägers, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 22. September 2003 abgeholfen worden war, zurück. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, die Saldierung der Arbeitszeiten in den strittigen Zeiträumen habe eine über 15 Stunden wöchentlich dauernde Arbeitszeit und damit eine im Sinne des § 8 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV - sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ergeben mit der Folge, dass die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 118 Abs. 2 Satz 2 SGB III und damit der Anspruch des Klägers auf Alg mit der Aufnahme der Tätigkeit bei der R gGmbH B entfallen sei. Die Bildung einer durchschnittlichen Arbeitszeit sei wegen der nicht gleichen Arbeitsbedingungen nicht vorzunehmen. Es lägen auch die Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung gem. § 45 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III vor, denn der Kläger hätte aufgrund der Hinweise im "Merkblatt für Arbeitslose" wissen müssen, dass die Bewilligung der Leistung rechtswidrig gewesen sei. Dass es sich bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit nicht um eine lediglich geringfügige Tätigkeit handeln würde, habe der Kläger gewusst, weshalb er sich auf Vertrauensschutz nicht berufen könne.
Am 10. Oktober 2003 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Frankfurt/Oder Klage erhoben und geltend gemacht, entgegen der Ansicht der Beklagten habe er auch während des Zeitraumes der Beschäftigung bei der R gGmbH B der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Bei Aufnahme der Tätigkeit sei eine monatliche Arbeitszeit von höchstens 64,9 Stunden vereinbart worden, wobei er wegen der schwankenden Auftragslage auf Abruf tätig sein sollte. Aus dem Gegenstand der Tätigkeit habe sich die Notwendigkeit von schwankenden Arbeitszeiten bei gleich bleibendem monatlichem Gehalt ergeben, weil es nicht möglich gewesen sei, die zu befördernden Personen bei Erreichen der 14,9 Stundengrenze auf halber Strecke stehen zu lassen. Mehrstunden seien angespart und durch Freizeitausgleich abgebaut worden. Abzustellen sein deshalb auf die gesamte Dauer der Beschäftigung bei der R gGmbH B oder auf einen Zeitraum von zwölf Monaten. Während dieser Zeiträume sei die zulässige Arbeitszeit im Durchschnitt nicht überschritten worden. Die Angaben in den Nebentätigkeitsbescheinigungen seien lediglich zur Vereinfachung entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten ausgefüllt worden, nicht jedoch mit Betrugsabsicht. Zudem sei ihm grob fahrlässiges Verhalten nicht vorzuwerfen, denn er habe angenommen, dass eine durchschnittliche Arbeitszeit von weniger als 15 Wochenstunden zulässig sei. Ein anderslautender Hinweis sei den Merkblättern der Beklagten auch nicht zu entnehmen gewesen. Im Übrigen habe der Zeuge K erklärt, die Führung eines Stundenkontos sei mit der Beklagten abgestimmt worden.
Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Mai 2004 ein vom Kläger angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben und dementsprechend die streitgegenständlichen Bescheide abgeändert und die Erstattungsforderung auf 12.378,80 EUR reduziert.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 27. Februar 2003, geändert durch Bescheid vom 22. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2003 in der Fassung der Erklärung der Beklagten vom 19. Mai 2004 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist bei der von ihr vertretenen Ansicht verblieben, wonach der Aufhebungsbescheid in der geänderten Fassung rechtmäßig sei.
Mit Urteil vom 19. Mai 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien nach Abgabe des Teilanerkenntnisses rechtmäßig ergangen. Bezüglich des Zeitraums vom 2. Juli 2001 bis zum 11. März 2002 lägen die Voraussetzungen der Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 26. Juli 2001 und vom 10. Januar 2002 gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, denn bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit bei der R gGmbH B habe es sich spätestens ab dem 2. Juli 2001 nicht um eine im Sinne des § 118 Abs. 2 SGB III geringfügige Beschäftigung gehandelt, weil der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht weniger als 15 Stunden pro Woche gearbeitet habe. Bereits in der Woche vom 2. Juli bis zum 8. Juli 2002 habe er insgesamt 20,58 Stunden gearbeitet. An diesem Ergebnis ändere sich nichts, wenn ausgehend von einem Beschäftigungsbeginn am 28. Juni 2001 auf die Beschäftigungswoche abgestellt werden würde. Unerheblich sei auch, dass der Kläger nicht in allen Wochen die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten habe, denn durch die Überschreitung dieser Grenze in den Wochen vom 2. Juli 2001 bis zum 8. Juli 2001 und vom 9. Juli 2001 bis zum 15. Juli 2001 sei die Wirkung der Arbeitslosmeldung entfallen. Nicht zu beanstanden sei die Wertung der Beklagten, die Vorsprache des Klägers am 12. März 2002 als erneute Arbeitslosmeldung anzusehen. Es sei entgegen der Ansicht des Klägers auch keine durchschnittliche Arbeitszeit zu bilden. Eine solche setze die Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit voraus, die der Kläger jedoch nicht getroffen habe. Die voraussichtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses sei nicht maßgebend, da dies nur gelte, wenn im Voraus weder aus der Natur der Sache noch aus den vertraglichen Vereinbarung eine Klärung über das Ausmaße der Beschäftigung möglich sei. Der Zeitaufwand habe im Falle des Klägers jedoch erkennbar von Anbeginn an die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten. Die Überschreitungen beruhten nicht auf schwankenden Arbeitszeiten, sondern auf schwankenden Toureneinteilungen. Schließlich hätte der Kläger aus den unmissverständlichen Hinweisen im "Merkblatt 1 für Arbeitslose" entnehmen können, dass sein Anspruch auf Alg durch die Aufnahme der Tätigkeit bei der R gGmbH mit Erreichen der 15 Stunden Grenze erloschen war. Diesen Hinweisen sei nicht - wie vom Kläger behauptet - zu entnehmen, dass eine Durchschnittsberechnung zulässig sei. Ihm sei deshalb grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen, denn auf den Hinweis des Zeugen K, dass die Führung eines Stundenkontos zulässig sei, hätte sich der Kläger nicht verlassen dürfen. Bezüglich der Aufhebung der Bewilligung von Alg im Zeitraum vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 sei § 48 SGB X anzuwenden. Da der Kläger ab dem 28. Oktober 2002 mehr als kurzzeitig beschäftigt gewesen sei und dies der Beklagten nicht unverzüglich mitgeteilt habe, sei die Wirkung der letzten Arbeitslosmeldung vom 12. März 2002 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III und damit sein Anspruch auf Alg entfallen.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29. Juli 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. Juli 2004 Berufung beim Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingelegt. Der Kläger ist bei seiner Ansicht verblieben, wonach es sich bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit um eine noch zulässige geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 118 SGB III gehandelt habe und sein Anspruch auf Alg deshalb mit Aufnahme der Tätigkeit am 28. Juni 2001 bei der R gGmbH B nicht erloschen sei. Bezogen auf die maßgebende gesamte Dauer des Beschäftigungsverhältnisses sei er durchschnittlich lediglich 12,68 Stunden wöchentlich tätig gewesen. Dies habe auch der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit entsprochen, allein auf diese Vereinbarung sei jedoch bei der Beurteilung der Geringfügigkeit einer Beschäftigung abzustellen. Sofern zu seinen Gunsten am Monatsende ein Saldo verblieben sei, habe er hierfür Freizeitausgleich erhalten, es sei ihm jedoch jeweils nur der vereinbarte Lohn in Höhe von monatlich 165 EUR bzw. 314,88 DM ausbezahlt worden. Er habe darauf geachtet, dass dieser Betrag nicht überschritten werde, die Arbeitszeit habe hingegen für ihn keine Bedeutung gehabt. Er hätte gegebenenfalls auch unentgeltlich gearbeitet, weil für ihn nur wichtig gewesen sei, eine Beschäftigung zu haben. Bei Anwendung des subjektiven Fahrlässigkeitsbegriffs sei ihm auch der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht zu machen, denn es sei bei ca. 35 Kollegen in Absprache mit der Beklagten ebenso wie in seinem Falle verfahren worden. Zwar habe er das Merkblatt der Beklagten erhalten und gelesen, der Zeuge K habe ihm jedoch erklärt, es sei mit dem Arbeitsamt abgesprochen worden, dass ein Zeitausgleich über die Monate hinweg erfolgen könne und die Angaben auf den Nebentätigkeitsbescheinigungen, die er gegengezeichnet habe, nicht mit den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden übereinstimmen müssten. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eingeräumt, es sei bei seiner Einstellung weder über eine monatliche noch über eine wöchentliche Arbeitszeit gesprochen worden. Mit der R gGmbH B sei nur vereinbart worden, dass die Arbeitszeit seinen Anspruch auf Alg nicht gefährden dürfe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 19. Mai 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2003 in der Fassung des Bescheides vom 22. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2003 in der Fassung der Erklärung der Beklagten vom 19. Mai 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Ansicht fest, wonach es sich bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit nicht lediglich um eine im Sinne des § 118 Abs. 2 SGB III geringfügige Tätigkeit gehandelt und der Kläger diesen Umstand zumindest grob fahrlässig nicht erkannt habe.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 8. Dezember 2005 sind der Geschäftsführer der R gGmbH B D E, der Mitarbeiter des R J K und ein ehemaliger Mitarbeiter des R B H als Zeugen vernommen worden. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf Bl. 115-121 der Gerichtsakte verwiesen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht die ehemalige Mitarbeiterin der R gGmbH B H S, den früheren Mitarbeiter der Beklagten M F und den Mitarbeiter der Beklagten M S als Zeugen vernommen. Wegen des Inhalts dieser Zeugenaussagen wird auf Bl. 154 bis 157 der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten und wegen des Verfahrens wird auf die Gerichtsakte zu diesem Rechtsstreit und die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten zur Stammnummer Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 EUR übersteigt, denn die Erstattungsforderung der Beklagten beträgt insgesamt 12.378,80 EUR.
Die Berufung ist nicht begründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts, wonach die Aufhebung der Bewilligungsbescheide bezüglich des Zeitraumes vom 2. Juli 2001 bis zum 28. Februar 2002 und vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 rechtmäßig war, ist zutreffend. Denn die angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 27. Februar 2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2003 in der Fassung der Erklärung der Beklagten vom 19. Mai 2004 sind rechtmäßig. Das Sozialgericht hat die zulässige Klage deshalb zu Recht abgewiesen.
1. ) Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 2. Juli 2001 bis zum 28. Februar 2002, welches durch Bescheide vom 26. Juli 2001 und vom 10. Januar 2002 bewilligt worden war, ist § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch –SGB X-. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit, das heißt für die Zeit vor Bekanntgabe des Rücknahmebescheides, zurückgenommen werden.
Zutreffend hat das Sozialgericht festgestellt, dass die Bescheide vom 26. Juli 2001 und vom 10. Januar 2002 bei Erlass rechtswidrig waren, weil der Kläger keinen Anspruch auf das ihm für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum durch diese Bescheide bewilligte Alg hatte.
Gem. § 117 Sozialgesetzbuch Drittes Buch -SGB III- in der im Jahre 2001 geltenden, mit Wirkung vom 1. Januar 1998 eingeführten Fassung haben Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitnehmer, die
1. arbeitslos sind,
2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben und
3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
Diese Voraussetzungen lagen jedoch in dem hier streitbefangenen Zeitraum ab dem 2. Juli 2001 nicht mehr vor, weil der Kläger bereits spätestens ab dem 2. Juli 2001 nicht mehr arbeitslos war.
Gem. § 118 Abs. 1 SGB III in der im Jahre 2001 geltenden Fassung -a. F.- ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der
vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche).
Gem. § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. schließt die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wobei gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben. Um eine solche geringfügige Beschäftigung handelte es sich hier jedoch nicht.
Ob eine Beschäftigung kurzzeitig ist, ist zunächst den vertraglichen Vereinbarungen über die Arbeitszeit zu entnehmen. Maßgebend ist, welche Arbeitszeit vorausschauend vereinbart worden war. Erst wenn Vereinbarungen hinsichtlich der Arbeitszeit nicht bestehen, ist darauf abzustellen, ob die Beschäftigung der Natur der Sache nach auf weniger als 15 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegt (vgl. Urteil des BSG vom 15. Juni 1988, Az.: 7 RAr 12/87 = Die Beiträge 1988, 286-292; Urteil vom 15. Mai 1985, Az.: 7 RAr 22/84, zitiert nach Juris).
Entscheidend für die Prognose sind bei der gebotenen vorausschauenden Betrachtung grundsätzlich die Merkmale und Umstände, wie sie bei Beginn der Beschäftigung vorliegen. Ausreichend ist in jedem Fall eine ungefähre Einschätzung, welche Arbeitszeit in der Woche nach dem Arbeitsvertrag oder der bisherigen Übung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten war (Steinmeyer in Gagel, Kommentar zum SGB III, Rn. 70 zu § 119). Kurzzeitig stellt die Beschäftigung sich somit dar, wenn sie nach den Vereinbarungen voraussichtlich auf weniger als 15 Stunden wöchentlich beschränkt wird. In Einzelfällen kann die tatsächliche Erfüllung des Beschäftigungsverhältnisses, wie es sich aus der rückschauenden Beurteilung ergibt, mit gewürdigt werden, etwa wenn von Anfang an wesentliche Merkmale auf eine kurzzeitige Beschäftigung hindeuten, eine Klärung im voraus aber nicht möglich war (Urteil des BSG vom 15. Juni 1988, Az.: 7 RAr 12/87 a.a.O.).
Bei der Beurteilung, ob es sich bei der vereinbarten Tätigkeit des Klägers um eine im Sinne des § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. kurzzeitige Beschäftigung gehandelt hat, ist damit auf die tatsächlich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbarten Arbeitsstunden abzustellen. Mit seinem Einwand, er habe tatsächlich nicht mehr als 165 EUR pro Monat verdient, kann der Kläger nicht gehört werden, denn § 118 Abs. 2 SGB III a. F. stellt auf eine Zeitgrenze ab und nicht auf die Höhe des Erwerbseinkommens. Es kommt deshalb auf die tatsächlich in der Beschäftigungswoche zu leistenden Arbeitsstunden an und nicht darauf, wann und ob diese Arbeitsstunden vergütet oder wegen der Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos in einer anderen Abrechnungsperiode verrechnet werden sollten.
Der Kläger hatte bei der anzuwendenden vorausschauenden Betrachtung im Zeitpunkt der Vereinbarung der Beschäftigung mit seinem Arbeitgeber keine lediglich kurzzeitige Beschäftigung – zumindest mündlich – vereinbart. Gegen eine derartige Vereinbarung spricht zwar entgegen der Ansicht des Sozialgerichts nicht schon eine Vereinbarung einer monatlichen Arbeitszeit von 64 Wochenstunden (wobei diese Behauptung den handschriftlichen Vermerken auf den Stundennachweisen widerspricht) denn hiervon ausgehend lässt sich die Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14,77 Stunden (64 X 3: 13) ermitteln (vgl. hierzu Steinmeyer in Gagel, Kommentar zum SGB III, Rn. 73 zu § 119). Da § 118 Abs. 2 SGB III a. F. auf die wöchentliche Arbeitszeit abstellt, die der Arbeitnehmer in einer gewöhnlichen Arbeitswoche erbringen soll und die ihm vom Arbeitgeber zu vergüten ist, muss die Wochenarbeitszeit aus der Monatsarbeitszeit entwickelt werden (BSG, Urteil vom 15. Mai 1985, Az.: 7 RAr 22/84 a.a.O.).
Der Vereinbarung einer im Sinne von § 118 Abs. 1 SGB III a. F. kurzzeitigen Beschäftigung steht vorliegend jedoch entgegen, dass der Kläger mit der R gGmbH darüber hinaus abgesprochen hatten, dass die Arbeitszeit von 64 Wochenstunden pro Monat flexibel eingeteilt werden und der Kläger "auf Abruf" tätig sein sollte. Vereinbart waren schwankende Arbeitszeiten und die Führung eines Stundenkontos, durch welches ein monatlicher Saldo ausgeglichen werden konnte.
Zwar musste nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 102 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz bei der Prüfung, ob eine nur kurzzeitige Beschäftigung vorlag, die voraussichtliche Arbeitszeit ermittelt werden, wenn mit schwankenden Arbeitszeiten zu rechnen war. Das Bundessozialgericht hat ausgeführt, es erscheine – sofern bei der Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses Besonderheiten wie z. Bsp. eine zeitliche Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht erkennbar sind – sachgerecht, einen Zwölf-Monats-Zeitraum zu Grunde zu legen (vgl. u. a. Urteile vom 15. Mai 1985, a.a.O, und vom 15. Mai 1985 a.a.O.). Es mache bei schwankenden Arbeitszeiten keinen Unterschied, ob der Arbeitlose die vereinbarte monatliche Arbeitszeit im Wesentlichen gleichmäßig auf die Wochen verteilt zu erbringen hatte oder ob die Arbeitszeit von Woche zu Woche schwanken konnte. Es verbiete sich auch, einzelne Monate, in denen sich bei einer monatlichen noch zulässig vereinbarten Arbeitzeit eine Überschreitung der Kurzzeitigkeitsgrenze errechnen lässt, unter Außerachtlassung günstigerer Monate für sich zu betrachten. Schon aus verwaltungspraktischen Erwägungen sei es nicht unsachgemäß und deshalb mit Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar, wenn bei der Unterscheidung kurzzeitiger von anderen Beschäftigungen auf die vereinbarte Arbeitszeit in einer gewöhnlichen Arbeitswoche abgestellt werde. Bezogen auf den Gesamtzeitraum der Beschäftigung lag damit nach der Rechtsprechung des BSG im Falle des Klägers eine Beschäftigung vor, durch welche die Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. nicht überschritten wurde.
Der Senat folgt dieser noch zu § 102 Arbeitsförderungsgesetz ergangenen Rechtsprechung jedoch nicht. Das Sozialgericht hat bereits mit überzeugenden Argumenten ausgeführt, dass sich die zum Arbeitsförderungsgesetzt aufgestellten Grundsätze nicht auf die Regelungen des SGB III übertragen lassen. Die Anwendung der zu § 102 Arbeitsförderungsgesetz aufgestellten Grundsätze hätte zur Folge, dass auch eine Vereinbarung, wonach ein Arbeitnehmer insgesamt sechs Monate tätig sein soll, er in den ersten drei Monaten jedoch 29,9 Wochenstunden arbeiten soll und in den letzen drei Monaten überhaupt keine Arbeitsleistung zu erbringen hätte, zulässig wäre. Dieses Ergebnis wiederspricht jedoch dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, das auf eine wöchentliche Arbeitszeit von unter 15 Stunden abstellt. Dem praktischen Bedürfnis schwankender Arbeitszeiten wird durch das Gesetz gerade durch die Regelung Rechnung getragen, dass gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben sollen. Die im vorliegenden Fall getroffene Vereinbarung beinhaltete hingegen eine nicht mehr nur gelegentliche Abweichung von der Kurzzeitigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. und ist deshalb mit dieser Regelung nicht in Übereinstimmung zu bringen. Der Kläger hat selbst vorgetragen, es sei vereinbart worden, dass Mehrstunden in Folgewochen oder –monaten ausgeglichen werden würden. Dies wurde umgesetzt, indem der Kläger wochen- oder tageweise nicht arbeitete.
Der Einwand des Klägers, die Dauer der Tätigkeit sei im Voraus nicht planbar gewesen, überzeugt nicht, er rechtfertigt insbesondere nicht die erweiternde Auslegung des § 118 Abs. 2 SGB III a. F ... Denn ausgehend von einer zulässigen Wochenarbeitszeit unter 15 Stunden hätte die Arbeitszeit des Klägers entsprechend dem noch zulässigen Umfang verteilt werden können. Sofern es gleichwohl infolge unvorhersehbarer Ereignisse zu einer – geringfügigen – Überschreitung gekommen wäre, hätte dem die Regelung des § 118 Abs. 2 Satz 2 SGB III a. F. Rechnung getragen. Die Vereinbarung war jedoch von vornherein darauf angelegt, die Geringfügigkeitsgrenze des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. zu überschreiten und diese Überschreitung in anderen Folgewochen auszugleichen. Es handelte sich bei den Überschreitungen auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht um unvorhersehbare Überschreitungen, denn Überschreitungen von fünf bis acht Stunden pro Woche beruhten nicht auf unvorhersehbaren Ereignissen wie Krankheit oder Ausfall eines anderen Fahrers, sondern auf der Übernahme der Tour durch den Kläger. Die Dauer der Touren, dies zeigen die Stundenabrechnungen des Klägers, veränderten sich selbst nämlich nur unwesentlich. Bei einer "Beschäftigung auf Abruf" hätte der Kläger anders eingeplant werden müssen, um die Geringfügigkeitsgrenze nicht zu überschreiten. Eine Ungewissheit im Umfang der Arbeitszeit bestand nach alledem nicht wegen der Eigenart der vom Kläger auszuführenden Tätigkeit im Behindertentransport, sondern wegen der vom Kläger erklärten Bereitschaft, für die R gGmbH im Rahmen deren Bedarfs als Fahrer tätig zu werden. Es wäre jedoch auch möglich gewesen, eine feste Arbeitszeit zu vereinbaren und für die Vertretungen – wie dies in anderen Branchen auch üblich ist – sog. Springer einzustellen.
Selbst wenn wegen der schwankenden Arbeitszeiten der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit eine durchschnittliche Arbeitszeit zu ermitteln sein würde, kann dies nach alledem nur bedeuten, dass der bei der Bildung einer durchschnittlichen Arbeitszeit auf den Durchschnitt pro Beschäftigungswoche abgestellt werden muss, denn § 118 Abs. 2 SGB III a. F. gibt einen Wochenzeitraum vor. Innerhalb dieser Beschäftigungswoche kann die tägliche Arbeitszeit variieren. Die Parteien waren sich jedoch darüber einig, dass der Kläger in manchen Beschäftigungswochen die zulässige Arbeitszeit – zum Teil deutlich - überschreiten und er in anderen Beschäftigungswochen keine Arbeitsleistungen erbringen sollte. Vereinbart war damit gerade keine durchschnittliche Wochenarbeitszeit unter 15 Stunden.
Die Überschreitungen der Kurzzeitigkeitsgrenze waren auch nicht im Sinne des § 118 Abs. 2 SGB III a. F. unerheblich. Zwar bleiben hiernach bei der Feststellung der Beschäftigungslosigkeit gelegentliche Abweichungen der Arbeitszeit, die nur von geringer Dauer sind, außer Betracht. Unschädlich ist die Überschreitung der Kurzzeitigkeitsdauer jedoch nur, wenn sie sowohl gelegentlich als auch von geringer Dauer ist. Eine geringe Dauer liegt vor, wenn die Überschreitung nur einen kurzen Zeitraum andauert. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann die Überschreitung bei einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis bei monatlicher Abrechnung bis zu einem Monat andauern (Urteil des BSG vom 14. Juli 1988, Az.: 11/7 RAr 41/87 = SozR 4100 § 115 Nr. 2). Gelegentliche Abweichungen sind solche, die nicht in regelmäßiger Wiederkehr auftreten und nicht vorhersehbar sind (BSG Urteil vom 14. Juli 1988, a.a.O.).
Um solche nur gelegentliche Abweichungen handelte es sich jedoch nicht, weil diese Überschreitungen von Anfang an vereinbart und damit vorhersehbar waren. Da schon das Merkmal "gelegentlich" wegen dieser Vorhersehbarkeit bereits bei Beginn der Beschäftigung nicht vorlag, kommt es auf die Dauer der Überschreitung in der Folgezeit nicht mehr an.
Unerheblich ist schließlich, dass der Kläger nicht in allen Wochen mehr als kurzzeitig tätig war (vgl. auch LSG Brandenburg, Urteil vom 24. März 2004, Az.: L 10 AL 142/03). Denn dadurch, dass der Kläger ab dem 2. Juli 2001 nicht nur kurzzeitig beschäftigt war und dies der Beklagten nicht unverzüglich mitteilte, erlosch die Wirkung der Arbeitslosmeldung gem. § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III. Der Kläger war damit zu dem hier zu beurteilenden Zeitpunkt am 2. Juli 2001 nicht mehr arbeitslos. Wegen dieser fehlenden Anspruchsvoraussetzung stand dem Kläger ab diesem Zeitpunkt kein Alg mehr zu.
Für einen erneuten Anspruch auf Arbeitslosengeld hätte es daher einer erneuten Arbeitslosmeldung und eines erneuten Leistungsantrages bedurft. Nicht zu beanstanden ist die Wertung der persönlichen Vorsprache des Klägers am 1. März 2002 als Arbeitslosmeldung.
2.) Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 26. Juli 2002 bezüglich des Zeitraumes vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X -.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Die Bewilligung von Alg durch den Bescheid vom 26. Juli 2002 enthält einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil sich die Bewilligung über einen gewissen Zeitraum erstreckt.
In dem von der Aufhebung ab dem 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 betroffenen Zeitraum lag ebenfalls keine Arbeitslosigkeit des Klägers vor. Mit Aufnahme der Tätigkeit des Klägers am 28. Oktober 2002 entfiel dessen Arbeitslosigkeit gem. § 118 Abs. 1 SGB III a. F, so dass ihm ab diesem Zeitpunkt die ihm mit Bescheid vom 26. Juli 2002 gewährten Leistungen aufgrund einer im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X wesentlichen Änderung der Verhältnisse nicht mehr zustanden.
Gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Der Schuldvorwurf muss dabei alle Elemente des Tatbestandes umfassen, mithin den Eintritt der Änderung, deren Nachteiligkeit und die Mitteilungspflicht (Gesamtkommentar Sozialversicherung SGB X, § 48 Anm. 86 f.). Die Pflicht des Klägers zur Mitteilung der geänderten Umstände, nämlich der Aufnahme einer nicht lediglich geringfügigen Beschäftigung, folgt aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -.
Gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch Kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Sowohl die Rücknahme der Bewilligungsbescheide vom 26. Juni 2001 und vom 10. Januar 2002 gem. § 45 Abs. 2 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit als auch die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26. Juli 2002 ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse am 28. Oktober 2002 setzt damit zumindest grob fahrlässiges Verhalten des Klägers voraus:
§ 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X verlangt, dass die Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auf grober Fahrlässigkeit beruhte.
§ 48 Abs. 2 Nr. 2 bzw. 4 SGB X setzt grob fahrlässiges Verhalten des Klägers in Bezug auf die Unkenntnis vom Wegfall des Anspruchs beziehungsweise in Bezug auf die Nichtmitteilung der für den Kläger nachteiligen Änderung der Verhältnisse voraus.
Der Kläger hat zur Überzeugung des Senates in diesem Sinne grob fahrlässig gehandelt indem er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße missachtet hat. Vorausgesetzt wird dabei eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes, d. h. eine besonders grobe und auch subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. Anzulegen ist bei der Prüfung der groben Fahrlässigkeit nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab (BSG, Urteil vom 24. April 1997, 11 RAr 89/96 m. w. N. = SozR). Subjektiv unentschuldbar ist ein Verhalten, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Hierbei sind auch die persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 6.März 1997, 7 RAr 40/96, DBlR 4372, SGB X § 45). Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis kann dem Betroffenen in der Regel vorgeworfen werden, wenn Hinweise oder Belehrungen, die die Behörde in beigefügten Merkblättern oder im Antragsformular deutlich und verständlich gegeben hat, nicht beachtet werden und die Aushändigung noch nicht zu lange zurücklag (von Wulffen/Wiesner, Kommentar zum SGB X, 4. Auflage, § 45 Anm. 24).
Der Kläger hat in seinem Antrag auf Alg versichert, das "Merkblatt 1 für Arbeitslose" erhalten und von dessen Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Diese Kenntnisnahme hat er in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt. Über die Auswirkungen einer die Kurzzeitigkeitsgrenze überschreitende Beschäftigung auf den Anspruch auf Alg und auch darauf, dass die Beschäftigungs- und nicht die Kalenderwoche für die Beurteilung maßgebend ist, als auch auf die ihn treffende Mitteilungspflicht wurde er durch das ihm bei Antragstellung überreichte "Merkblatt 1 für Arbeitslose" hingewiesen:
Im Merkblatt für Arbeitslose wird auf Seite 17 unter dem Stichwort "Arbeitslosigkeit" darauf hingewiesen, dass ein Antragsteller für den Bezug von Alg arbeitslos sein muss. "Arbeitslos ist, wer vorübergehend in keinem Beschäftigungsverhältnis steht und eine Beschäftigung sucht. Arbeitslos ist auch, wer nur eine weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung oder Tätigkeit als Arbeitnehmer, Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger ausübt ... die Woche in diesem Sinne ist nicht mit der Kalenderwoche identisch, sondern umfasst sieben aufeinanderfolgende Tage der Beschäftigung bzw. Tätigkeit".
Auf Seite 19 heißt es weiter: "Bei der Aufnahme jeder Beschäftigung prüft das Arbeitsamt, ob diese Beschäftigung die Arbeitslosigkeit und damit den Anspruch auf Arbeitslosengeld entfallen lässt. Der Anspruch entfällt also, wenn die aufgenommene Beschäftigung 15 Stunden wöchentlich erreicht oder übersteigt."
Hinsichtlich der Folgen der Arbeitslosmeldung heißt es auf Seite 17 weiter: "Bei Nichtanzeige oder verspäteter Anzeige kann die Leistung erst wieder nach erneuter Arbeitslosmeldung gezahlt werden".
Hieraus hätte der Kläger erkennen können, dass durch die mit der R gGmbH B getroffene Vereinbarung die Kurzzeitigkeitsgrenze überschritten wird und er der Beklagten diesen Umstand mitteilen musste. Dies gilt umso mehr, als der Kläger in der Vergangenheit des Öfteren Nebentätigkeiten während des Leistungsbezuges ausgeübt hat und daher mit den entsprechenden Regelungen vertraut gewesen sein dürfte. Die behauptete Unkenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit der bewilligten Leistung, des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen in Folge der Aufnahme der Tätigkeit bei der R gGmbH sowie von seiner Mitteilungspflicht beruhte deshalb (zumindest) auf grober Fahrlässigkeit.
Die Behauptung des Klägers, der Zeuge K habe ihm mitgeteilt, dass die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos mit der Beklagten abgesprochen gewesen und er deshalb von der Zulässigkeit einer derartigen Vereinbarung ausgegangen sei, rechtfertigt keine andere Bewertung seines Verhaltens. Aufgrund des persönlichen Eindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung war er intellektuell durchaus in der Lage, den Zusammenhang zwischen dem zeitlichen Umfang einer Beschäftigung und dessen Auswirkungen auf seinen Anspruch auf Alg zu verstehen. Er hätte auch erkennen müssen, dass er sich auf diese – unterstellte – Auskunft des Zeugen K nicht verlassen durfte. Da er wusste, dass die Nebentätigkeitsbescheinigungen falsch ausgestellt wurden, hätten sich ihm Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses mit der R gGmbH geradezu aufdrängen müssen. Es bleibt unverständlich, weshalb der Kläger mit diesem Vorgehen einverstanden war, wenn er von der Zulässigkeit der Führung eines Arbeitszeitkontos ausging. Dem Kläger war es deshalb zuzumuten, sich persönlich an die Beklagte zu wenden und eine Klärung herbeizuführen. Auch das Unterlassen dieser Beratung durch die Beklagte wertet der Senat als grob-fahrlässiges Verhalten.
Die bei der Aufhebung durch § 48 Abs. 4 SGB X sowie § 45 Abs. 3 und 4 SGB X i. V. m. § 48 Abs. 4 SGB X vorgeschriebenen Fristen sind eingehalten.
Da die in § 45 Abs. 1 SGB X und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X genannten Voraussetzungen vorliegen, hatte die Beklagte gemäß § 330 Abs. 3 SGB III die Bewilligung von Arbeitslosengeld in dem noch streitgegenständlichen Zeitraum aufzuheben. Eine Ermessensausübung ist auch in atypischen Fällen nicht zulässig.
Die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung des zu Unrecht gezahlten Arbeitslosengeldes ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
Die Erstattungsforderung errechnet sich wie folgt:
Der Kläger hat in den Zeiträumen vom 2. Juli 2001 bis zum 28. Februar 2002 und vom 28. Oktober bis zum 31. Dezember 2002 insgesamt Alg in Höhe von 9.124,78 EUR erhalten:
- 2. Juli 2001 bis 31. Dezember 2001: 183 KT X tägl. Zahlbetrag 29,58 EUR = 5.416,56 EUR
- 1. Januar 2002 bis 28. Februar 2002: 59 KT X tägl. Zahlbetrag 29,66 EUR = 1.749,94 EUR
- 28. Oktober 2002 bis 31. Dezember 2002: 65 KT X tägl. Zahlbetrag 30,18 EUR = 1.961,70 EUR
Die Erstattungspflicht hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherung folgt aus § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III:
Im Zeitraum vom 2. Juli bis zum 31. Dezember 2001 ergibt sich der Betrag von 1.682,27 EUR und im Zeitraum vom 28. Oktober 2002 bis zum 31. Dezember 2002 der Betrag von 646,29 EUR.
Im Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 28. Februar waren 59 Kalendertage zugrunde zu legen, dies ergibt den Betrag von 571,96 EUR.
Auch die gem. § 335 Abs. 5 SGB III in Verbindung mit §§ 57 Abs. 1, 55 Abs. 1 SGB XI und § 232a Abs. 1 Nr. 1 SGB V zu erstattenden Pflegeversicherungsbeiträge hat das Sozialgericht zutreffend ermittelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreites Rechnung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
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