Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 360/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 1179/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu höheren Versicherungsbeiträgen zu ihrer freiwilligen Versicherung bei der Beklagten ab 1. Januar 2001. Sie ist Richterin im Land Brandenburg und erhält eine Besoldung nach der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands ("Ostbesoldung").
Mit Schreiben vom 8.12.2000 teilte die Beklagte ihr die Beitragshöhe ab dem 01.01.2001 mit. Die Klägerin erhob Widerspruch. Eine gleiche Bemessungsgrenze für Ost und West sei rechtswidrig. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Gesetzgeber habe die Trennung der Rechtskreise in der gesetzlichen Krankenversicherung zum 01.01.2001 aufgehoben. Deshalb entspreche die Beitragsbemessung den gesetzlichen Vorgaben.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin hat zur Begründung ausgeführt, sie werde im Vergleich zu Kollegen in den alten Bundesländern benachteiligt. Es gelte die gleiche Beitragsbemessungsgrenze, obwohl das Gehalt niedriger sei.
Das Sozialgericht Potsdam (SG) hat die Klage mit Urteil vom15. September 2005 als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in rechtmäßiger Höhe festgesetzt. Die Beitragshöhe ergebe sich aus § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 19 Abs. 5 der Satzung der Beklagten. Danach gelte grundsätzlich der Betrag der jeweils maßgebenden Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung als monatlicher Beitragswert. Das Gehalt der Klägerin habe über der Beitragsbemessungsgrenze gelegen, sodass die Beiträge nach dieser zu berechnen gewesen seien. Die Abschaffung einer (niedrigeren) Beitragsbemessungsgrenze im Beitrittsgebiet aufgrund des Gesetzes zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22. Dezember 1999 sei verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe die Trennung in der gesetzlichen Krankenversicherung in West und Ost aufheben können, obwohl im öffentlichen Dienst noch – verfassungsgemäß – eine unterschiedliche Besoldung vorgenommen werde. Es liege auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes vor. Es gebe keine Gruppen mit solchen Unterschieden, die eine Ungleichbehandlung der mit der Klägerin vergleichbaren Personengruppen geböte.
Hiergegen wendet sich die Klägerin in ihrer Berufung. Das im Schnitt niedrigere Einkommen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen in den neuen Bundesländern benachteilige diese bei gleich hoher Beitragsbemessungsgrenze. Hingegen erhöhe sich das schon höhere Nettoeinkommen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen in den alten Bundesländern. Sie vergleiche sich mit Richtern im Justizdienst der alten Bundesländer. Verglichen mit einem Versicherten, der das zu erwartende Westgehalt der Klägerin verdiene, stehe die Klägerin schlechter. Die Beitragsbemessungsgrenze sei nicht auf Westniveau angehoben worden, sondern es sei ein einheitliches Niveau geschaffen worden. Deshalb könnten auch die Gründe des Bundessozialgerichts (BSG), in der Entscheidung vom 30. März 2000 – B 12 KR 13/99 R – zur einheitlichen Regelung in Berlin nicht übertragen werden. In Berlin habe es nämlich bereits ein einheitliches –hohes- Einkommensniveau gegeben.
Die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze Ost verbessere zudem die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenkasse nicht durchgreifend. Lediglich die Krankenkassen in den neuen Bundesländern hätten Vorteile, weil einer verbesserten Einnahmeseite die nach wie vor niedrigeren Ausgaben gegenüber stünden. Auch erfolge in anderen Sparten der Sozialversicherung noch immer eine Unterscheidung der Beitragsbemessungsgrenzen. Die Klägerin müsse schließlich den Beitrag zur Gänze alleine tragen und habe kein Recht auf einen Zuschuss.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. September 2005 und den Bescheid vom 8. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der Beitragsberechnung ab 1. Januar 2001 weiterhin von der Beitragsbemessungsgrenze Ost auszugehen,
hilfsweise festzustellen, dass für die Klägerin ab 1. Januar 2001 bei der Festsetzung ihrer Beiträge bei der Beklagten zur Kranken- und Pflegeversicherung weiterhin eine Beitragsbemessungsgrenze Ost zugrunde zu legen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass sie nicht die Möglichkeit habe, niedrigere Beitragsbemessungsgrenzen einzuführen. Die Grenze der Satzungsautonomie werde bereits durch § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V deutlich.
Dem Gericht hat die Akte der Beklagten und ihre Satzung vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und die Satzung der Beklagten verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und durch den Berichterstatter alleine anstelle des Senats (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zunächst verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG), als unbegründet zurückzuweisen.
Die zulässige Klage muss in der Sache ohne Erfolg bleiben.
Die Klage ist als Aufhebungs- und Verpflichtungsklage zulässig (§ 54 Abs. 1 SGG). Jedenfalls der Widerspruchsbescheid der Beklagten hat dem Schreiben der Beklagten vom 8. Dezember 2000 die Gestalt eines anfechtbaren Verwaltungsaktes gegeben (ebenso BSG, Urteil vom 30.03.2000 –B 12 KR 13/99 R- NZS 2001, 87). Die hilfsweise (nur) für den Fall der Unzulässigkeit des Hauptantrages erhobene Feststellungsklage ist damit gegenstandslos.
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin wendet sich alleine gegen die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze Ost. Die entsprechenden Vorschriften, konkret Art. 1 Nr. 1 und Nr. 2 des Gesetzes zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom
22. Dezember 1999 (BGBl I 2657), sind jedoch verfassungsgemäß. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) wird durch die Abschaffung einer gesonderten Beitragsbemessungsgrenze für die Beitrittsländer sowie die Schaffung einer einheitlichen Beitragsbemessungsgrenze nicht verletzt.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), U. v. 12.2.2003 -1 BvR 624/01 BVerfGE 107, 205, 213f m.w.N.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er allerdings grundsätzlich berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen (so BVerfG, B. v. 22.05.2001 – 1 BvL 4/96 – BVerfGE 103, 392, 402 m.w.N.).
Durch die Abschaffung der gesonderten Beitragsbemessungsgrenze für die Beitrittsländer wird nicht eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. auch BSG, a.a.O. S.87 mit Bezug auf BVerfG BVerfGE 87, 234, 255 und BVerfGE 55, 72, 88):
Zunächst ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die gesetzliche Krankenversicherung in ganz Deutschland zu vereinheitlichen, die getrennten Versicherungskreise West und Ost aufzugeben und eine einzige Beitragsbemessungsgrenze vorzusehen, damit also ausschließlich das Einkommen als Anknüpfungspunkt zu wählen, nicht sachwidrig. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass ab 2001 der Personenkreis der gesetzlich Krankenversicherten –also primär die Arbeitnehmer- einheitlich für ganz Deutschland bestimmt werden kann. Im Gegensatz zur Einführung der Beitragsbemessungsgrenze West in Berlin-Ost zum 01.01.1995 gibt es damit innerhalb Deutschlands keine ungleichen Regelungen mehr (vgl. zur damaligen Argumentation, die Ungleichbehandlung zwischen (Ost-) Berlinern und Brandenburgern sei ungerecht: BSG, a.a.O.). Dass das Lohnniveau in den neuen Bundesländern auch 2001 und später unter dem der alten gelegen hat, lässt die Schaffung einer einheitlichen Bemessungsgrenze nicht abstrakt sachwidrig erscheinen. Anknüpfungspunkt für die konkrete Betroffenheit ist nicht das allgemeine Lohnniveau. Vielmehr sind es die individuellen Bezüge. Auch die Klägerin muss nicht mehr Beiträge leisten als jemand anderes mit gleichen Einnahmen.
Aus demselben Grund kann sie nicht mit Erfolg einwenden, die Beitragsbemessungsgrenze sei aus Sicht der Beschäftigten in den alten Bundesländern relativ gesenkt worden. Unmaßgeblich ist auch, dass in anderen Bereichen der Sozialversicherung noch zwischen West und Ost differenziert wird.
Weiter sind ganz allgemein die Regelungen zum Umfang des (Pflicht-)Mitgliederkreises der gesetzlichen Krankenversicherung verfassungsgemäß (vgl. den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 4. Februar 2004 – 1 BvR 11/03 – zur Beschwerde einer privaten Krankenversicherung gegen die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze durch das Beitragssicherungsgesetz vom 23. Dezember 2002, SozR 4 – 2500 § 5 Nr. 1S. 4ff).
Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass aufgrund Art. 3 I GG bei der Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze zwingend eine gesetzliche Differenzierung bei freiwillig Versicherten danach geboten ist, ob Zuschüsse zu den Beiträgen geleistet werden, oder ob die Versicherten – wie die Klägerin – diese alleine aufzubringen haben.
Verfassungsrechtlich unbedenklich kann der Gesetzgeber davon ausgegehen, dass derjenige, der mehr als den Betrag der Jahresentgeltgrenze verdient, eines besonderen Schutzes nicht bedarf (BVerfG, B. v. 15.03.2000 -1 BvL 16/96-20/96, 1 BvL 18/97- BVerfGE 102, 66, 89f; bestätigt –und fortgeführt- durch BVerfG , U. v. 12.02.2003, a.a.O.S. 214f). Besondere Schutzvorschriften innerhalb dieses Personenkreises muss es nicht geben. Die Klägerin verdient so viel, dass sie zu dieser Gruppe gehört.
Bei der erlaubten typisierenden Betrachtung muss der Bundesgesetzgeber auch nicht speziell auf die Gruppe der freiwillig versicherten Beamten und Richter Rücksicht nehmen, denen ihr Dienstherr einerseits Zuschüsse verweigert, andererseits auch Beihilfeansprüche im Hinblick auf die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ablehnt. Die Gewährleistung des Art. 3 I GG ist insoweit Sache des Dienstherrn.
Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die Frage, ob eine der Entscheidung zugrundeliegende Gesetzesnorm verfassungswidrig ist, hat regelmäßig grundsätzliche Bedeutung (BVerfG, B. v. 14. 06.1994 -1 BvR 1022/88- BVerfGE 91, 93,105f). Das BSG hat sich mit der Verfassungsmäßigkeit des Art. 1 Nr. 1 und Nr. 2 des Gesetzes zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung –soweit ersichtlich- noch nicht befasst.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu höheren Versicherungsbeiträgen zu ihrer freiwilligen Versicherung bei der Beklagten ab 1. Januar 2001. Sie ist Richterin im Land Brandenburg und erhält eine Besoldung nach der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands ("Ostbesoldung").
Mit Schreiben vom 8.12.2000 teilte die Beklagte ihr die Beitragshöhe ab dem 01.01.2001 mit. Die Klägerin erhob Widerspruch. Eine gleiche Bemessungsgrenze für Ost und West sei rechtswidrig. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Gesetzgeber habe die Trennung der Rechtskreise in der gesetzlichen Krankenversicherung zum 01.01.2001 aufgehoben. Deshalb entspreche die Beitragsbemessung den gesetzlichen Vorgaben.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin hat zur Begründung ausgeführt, sie werde im Vergleich zu Kollegen in den alten Bundesländern benachteiligt. Es gelte die gleiche Beitragsbemessungsgrenze, obwohl das Gehalt niedriger sei.
Das Sozialgericht Potsdam (SG) hat die Klage mit Urteil vom15. September 2005 als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte habe in den angefochtenen Bescheiden die Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in rechtmäßiger Höhe festgesetzt. Die Beitragshöhe ergebe sich aus § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 19 Abs. 5 der Satzung der Beklagten. Danach gelte grundsätzlich der Betrag der jeweils maßgebenden Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung als monatlicher Beitragswert. Das Gehalt der Klägerin habe über der Beitragsbemessungsgrenze gelegen, sodass die Beiträge nach dieser zu berechnen gewesen seien. Die Abschaffung einer (niedrigeren) Beitragsbemessungsgrenze im Beitrittsgebiet aufgrund des Gesetzes zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22. Dezember 1999 sei verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe die Trennung in der gesetzlichen Krankenversicherung in West und Ost aufheben können, obwohl im öffentlichen Dienst noch – verfassungsgemäß – eine unterschiedliche Besoldung vorgenommen werde. Es liege auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes vor. Es gebe keine Gruppen mit solchen Unterschieden, die eine Ungleichbehandlung der mit der Klägerin vergleichbaren Personengruppen geböte.
Hiergegen wendet sich die Klägerin in ihrer Berufung. Das im Schnitt niedrigere Einkommen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen in den neuen Bundesländern benachteilige diese bei gleich hoher Beitragsbemessungsgrenze. Hingegen erhöhe sich das schon höhere Nettoeinkommen der Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen in den alten Bundesländern. Sie vergleiche sich mit Richtern im Justizdienst der alten Bundesländer. Verglichen mit einem Versicherten, der das zu erwartende Westgehalt der Klägerin verdiene, stehe die Klägerin schlechter. Die Beitragsbemessungsgrenze sei nicht auf Westniveau angehoben worden, sondern es sei ein einheitliches Niveau geschaffen worden. Deshalb könnten auch die Gründe des Bundessozialgerichts (BSG), in der Entscheidung vom 30. März 2000 – B 12 KR 13/99 R – zur einheitlichen Regelung in Berlin nicht übertragen werden. In Berlin habe es nämlich bereits ein einheitliches –hohes- Einkommensniveau gegeben.
Die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze Ost verbessere zudem die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenkasse nicht durchgreifend. Lediglich die Krankenkassen in den neuen Bundesländern hätten Vorteile, weil einer verbesserten Einnahmeseite die nach wie vor niedrigeren Ausgaben gegenüber stünden. Auch erfolge in anderen Sparten der Sozialversicherung noch immer eine Unterscheidung der Beitragsbemessungsgrenzen. Die Klägerin müsse schließlich den Beitrag zur Gänze alleine tragen und habe kein Recht auf einen Zuschuss.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 15. September 2005 und den Bescheid vom 8. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der Beitragsberechnung ab 1. Januar 2001 weiterhin von der Beitragsbemessungsgrenze Ost auszugehen,
hilfsweise festzustellen, dass für die Klägerin ab 1. Januar 2001 bei der Festsetzung ihrer Beiträge bei der Beklagten zur Kranken- und Pflegeversicherung weiterhin eine Beitragsbemessungsgrenze Ost zugrunde zu legen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass sie nicht die Möglichkeit habe, niedrigere Beitragsbemessungsgrenzen einzuführen. Die Grenze der Satzungsautonomie werde bereits durch § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V deutlich.
Dem Gericht hat die Akte der Beklagten und ihre Satzung vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und die Satzung der Beklagten verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und durch den Berichterstatter alleine anstelle des Senats (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die zunächst verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG), als unbegründet zurückzuweisen.
Die zulässige Klage muss in der Sache ohne Erfolg bleiben.
Die Klage ist als Aufhebungs- und Verpflichtungsklage zulässig (§ 54 Abs. 1 SGG). Jedenfalls der Widerspruchsbescheid der Beklagten hat dem Schreiben der Beklagten vom 8. Dezember 2000 die Gestalt eines anfechtbaren Verwaltungsaktes gegeben (ebenso BSG, Urteil vom 30.03.2000 –B 12 KR 13/99 R- NZS 2001, 87). Die hilfsweise (nur) für den Fall der Unzulässigkeit des Hauptantrages erhobene Feststellungsklage ist damit gegenstandslos.
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin wendet sich alleine gegen die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze Ost. Die entsprechenden Vorschriften, konkret Art. 1 Nr. 1 und Nr. 2 des Gesetzes zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom
22. Dezember 1999 (BGBl I 2657), sind jedoch verfassungsgemäß. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) wird durch die Abschaffung einer gesonderten Beitragsbemessungsgrenze für die Beitrittsländer sowie die Schaffung einer einheitlichen Beitragsbemessungsgrenze nicht verletzt.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), U. v. 12.2.2003 -1 BvR 624/01 BVerfGE 107, 205, 213f m.w.N.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er allerdings grundsätzlich berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen (so BVerfG, B. v. 22.05.2001 – 1 BvL 4/96 – BVerfGE 103, 392, 402 m.w.N.).
Durch die Abschaffung der gesonderten Beitragsbemessungsgrenze für die Beitrittsländer wird nicht eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. auch BSG, a.a.O. S.87 mit Bezug auf BVerfG BVerfGE 87, 234, 255 und BVerfGE 55, 72, 88):
Zunächst ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die gesetzliche Krankenversicherung in ganz Deutschland zu vereinheitlichen, die getrennten Versicherungskreise West und Ost aufzugeben und eine einzige Beitragsbemessungsgrenze vorzusehen, damit also ausschließlich das Einkommen als Anknüpfungspunkt zu wählen, nicht sachwidrig. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass ab 2001 der Personenkreis der gesetzlich Krankenversicherten –also primär die Arbeitnehmer- einheitlich für ganz Deutschland bestimmt werden kann. Im Gegensatz zur Einführung der Beitragsbemessungsgrenze West in Berlin-Ost zum 01.01.1995 gibt es damit innerhalb Deutschlands keine ungleichen Regelungen mehr (vgl. zur damaligen Argumentation, die Ungleichbehandlung zwischen (Ost-) Berlinern und Brandenburgern sei ungerecht: BSG, a.a.O.). Dass das Lohnniveau in den neuen Bundesländern auch 2001 und später unter dem der alten gelegen hat, lässt die Schaffung einer einheitlichen Bemessungsgrenze nicht abstrakt sachwidrig erscheinen. Anknüpfungspunkt für die konkrete Betroffenheit ist nicht das allgemeine Lohnniveau. Vielmehr sind es die individuellen Bezüge. Auch die Klägerin muss nicht mehr Beiträge leisten als jemand anderes mit gleichen Einnahmen.
Aus demselben Grund kann sie nicht mit Erfolg einwenden, die Beitragsbemessungsgrenze sei aus Sicht der Beschäftigten in den alten Bundesländern relativ gesenkt worden. Unmaßgeblich ist auch, dass in anderen Bereichen der Sozialversicherung noch zwischen West und Ost differenziert wird.
Weiter sind ganz allgemein die Regelungen zum Umfang des (Pflicht-)Mitgliederkreises der gesetzlichen Krankenversicherung verfassungsgemäß (vgl. den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 4. Februar 2004 – 1 BvR 11/03 – zur Beschwerde einer privaten Krankenversicherung gegen die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze durch das Beitragssicherungsgesetz vom 23. Dezember 2002, SozR 4 – 2500 § 5 Nr. 1S. 4ff).
Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass aufgrund Art. 3 I GG bei der Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze zwingend eine gesetzliche Differenzierung bei freiwillig Versicherten danach geboten ist, ob Zuschüsse zu den Beiträgen geleistet werden, oder ob die Versicherten – wie die Klägerin – diese alleine aufzubringen haben.
Verfassungsrechtlich unbedenklich kann der Gesetzgeber davon ausgegehen, dass derjenige, der mehr als den Betrag der Jahresentgeltgrenze verdient, eines besonderen Schutzes nicht bedarf (BVerfG, B. v. 15.03.2000 -1 BvL 16/96-20/96, 1 BvL 18/97- BVerfGE 102, 66, 89f; bestätigt –und fortgeführt- durch BVerfG , U. v. 12.02.2003, a.a.O.S. 214f). Besondere Schutzvorschriften innerhalb dieses Personenkreises muss es nicht geben. Die Klägerin verdient so viel, dass sie zu dieser Gruppe gehört.
Bei der erlaubten typisierenden Betrachtung muss der Bundesgesetzgeber auch nicht speziell auf die Gruppe der freiwillig versicherten Beamten und Richter Rücksicht nehmen, denen ihr Dienstherr einerseits Zuschüsse verweigert, andererseits auch Beihilfeansprüche im Hinblick auf die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ablehnt. Die Gewährleistung des Art. 3 I GG ist insoweit Sache des Dienstherrn.
Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die Frage, ob eine der Entscheidung zugrundeliegende Gesetzesnorm verfassungswidrig ist, hat regelmäßig grundsätzliche Bedeutung (BVerfG, B. v. 14. 06.1994 -1 BvR 1022/88- BVerfGE 91, 93,105f). Das BSG hat sich mit der Verfassungsmäßigkeit des Art. 1 Nr. 1 und Nr. 2 des Gesetzes zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung –soweit ersichtlich- noch nicht befasst.
Rechtskraft
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