Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 2 SO 1001/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 125/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einer vorläufigen Leistungserbringung für ambulantes betreutes Wohnen durch den zuerst abgegangenen Träger der Sozialhilfe.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Kosten der Beigeladenen zu 1) + 2) sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Kostenübernahme für das betreute Gruppenwohnen nach abgeschlossener Suchttherapie in der S C-Nachsorge gemäß den §§ 67, 68 des 12. Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die 1979 geborene Antragstellerin leidet an einer Alkoholkrankheit. Sie absolvierte in der Zeit vom 10. August bis 30. November 2005 auf Kosten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bzw. jetzt der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV-Bund) eine Langzeitentwöhnung in der Fklinik in M. Im unmittelbaren Anschluss befand sie sich vom 30. November 2005 bis 10. März 2006 ebenfalls auf Kosten der DRV-Bund im Adaptionshaus B (Träger T B-B e. V.) in B-B. Vor der Entwöhnungsbehandlung lebte die Klägerin bei ihren Eltern in E im Landkreis W. Dort war sie seit ihrer Geburt bis zum 23. Januar 2006 polizeilich gemeldet; dann erfolgte die Ummeldung nach B unter der Anschrift des Adaptionshauses.
Mit Datum vom 06. Februar 2006 beantragte die Antragstellerin mit zwei inhaltsgleichen Schreiben unter Beifügung einer ausführlichen Befürwortung des Dipl. Pädagogen B beim Antragsgegner und beim Beigeladenen zu 1) die Übernahme der Kosten für das ambulante betreute Wohnen des Einrichtungsträgers C-Verband für das Erzbistum B e. V. nach den §§ 67, 68 SGB XII.
Dieser Antrag ging ausweislich der Verwaltungsakte des Antragsgegners bei diesem am 09. Februar 2006 (vorab per Fax) ein, lag jedenfalls am 10. Februar 2006 nach einem Handzeichen dort vor. Am 21. Februar 2006 fand ein Gespräch mit der Antragstellerin statt, das zur Nachreichung verschiedener Unterlagen (z. B. Personalausweis, Anmeldebestätigung) und zu einer hausinternen Befürwortung führte.
Bei dem Beigeladenen zu 1) ging der Antrag vom 06. Februar 2006 auf dem Postwege am 13. Februar 2006 ein.
Diesen Antrag lehnte der Beigeladene zu 1) mit Bescheid vom 27. Februar 2006 mit der Begründung ab, dass die Maßnahme des ambulanten betreuten Wohnens nicht eine geeignete Maßnahme für die Antragstellerin sei. Geeignet sei insofern der Aufenthalt in einem Übergangswohnheim für Suchtkranke (18 Monate), anschließend ambulant betreutes Wohnen für seelisch behinderte Menschen; dabei handele es sich um Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff SGB XII (i. V. m. § 3 der Eingliederungshilfe VO), die gegenüber der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß § 67 SGB XII vorrangig sei. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. März 2006 Widerspruch eingelegt (der mittlerweile mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2006 abschlägig beschieden ist: Für die hier zu gewährende Eingliederungshilfe sei die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 2 SGB XII i. V. m. § 3 Nr. 1 des Ausführungsgesetzes zum SGB XII des Landes Sachsen Anhalt – AG SGB XII LSA – gegeben).
Nach Erhalt des Ablehnungsbescheides des Beigeladenen zu 1) hat der C-Verband für die Antragstellerin am 03. März 2006 ergänzend mit förmlichem Sozialhilfeantrag die Übernahme der Kosten der Maßnahme beim Antragsgegner beantragt. Mit Schreiben vom 22. März 2006 an den C-Verband lehnte der Antragsgegner die Übernahme der Kosten mit der Begründung ab, er sei für die Bearbeitung des Antrages nicht zuständig. Die Antragstellerin habe bis zur Aufnahme in das Adaptionshaus B bei ihren Eltern in E gewohnt, sodass sich die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII richte, mit der Folge, dass der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig sei, der vor Eintritt in das betreute Wohnen zuletzt örtlich zuständig gewesen sei, also der Träger für den Wohnort in E. Durch den Aufenthalt im Adaptionshaus zur Entwöhnung sei keine Änderung der Zuständigkeit eingetreten.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem Schreiben vom 23. März 2006, mit dem sie unter anderem geltend machte, ihr sei eine Kostenzusage mündlich erteilt worden. Nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 05. April 2006 angekündigt hatte, dass der Widerspruch voraussichtlich (in der nächsten Beiratssitzung am 21. Juni 2006) zurückgewiesen werden würde, hat die Antragstellerin mit am 18. April 2006 beim Sozialgericht – SG – Berlin eingegangenen Antrag die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes und die Verpflichtung des Antraggegners zur Übernahme der Kosten für das betreute Gruppenwohnen ab 11. März 2006 beantragt.
Der Antragsgegner hat weiterhin seine Zuständigkeit unter Hinweis auf § 98 Abs. 5 SGB XII verneint und dazu auf einen Beschluss des SG Speyer vom 02. Februar 2005 (S 16 ER 10/05 SO in Zeitschrift für Fürsorgewesen 2006, Seite 64) verwiesen.
Der mit Beschluss vom 04. Mai 2006 beigeladene Landkreis Wittenberg (als örtlicher Sozialhilfeträger) hat entsprechend seinem Bescheid vom 27. Februar 2006 ebenfalls seine Zuständigkeit verneint. Auch sei die begehrte Maßnahme nicht geeignet.
Das SG hat im Hinblick auf das Vorbringen des Beigeladenen noch eine Auskunft vom C-Verband eingeholt, wonach die Nachsorgeeinrichtung in einer Leistungsvereinbarung mit dem Land Berlin als ambulante Einrichtung anerkannt worden sei.
Sodann hat das SG mit Beschluss vom 16. Mai 2006 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Kosten für das betreute Gruppenwohnen der Antragstellerin in der S C - Nachsorge vorläufig für die Zeit vom 11. März 2006 bis 31. Juli 2006 zu übernehmen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt: Dem Antrag sei zu entsprechen, da die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht habe (§ 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – i. V. m. § 920 der Zivilprozessordnung – ZPO –). Nach der hier gebotenen summarischen Prüfung sei der Antragsgegner der zuständige Leistungsträger. Obwohl es sich hier um eine Form einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII handele, seien dessen Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift bleibe für Leistungen an Personen, die Leistungen in Form ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhielten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig gewesen sei. Vor Inkrafttreten dieses Buches begründete Zuständigkeiten blieben hiervon unberührt. Es sei zwar der vom Antragsgegner geäußerten Auffassung, wonach eine so genannte "hypothetische Zuständigkeit" für § 98 Abs. 5 SGB XII ausreiche, zu folgen, dass heißt der Träger bleibe zuständig, der für vorhergehende stationäre Maßnahmen zuständig gewesen wären, wenn diese nicht von einem anderen Träger (hier DRV-Bund) zu übernehmen gewesen wären. Vorliegend greife § 98 Abs. 5 SGB XII jedoch nicht, da der Beigeladene zu 1), der für die von der Antragstellerin begehrte Maßnahme nach § 67 SGB XII der nach dem AG SGB XII LSA sachlich zuständige Träger wäre, nicht auch für die stationäre Maßnahme in der Fklinik bzw. im Adoptionshaus B der sachlich zuständige Träger gewesen wäre. Bei den zuletzt genannten Maßnahmen handele es sich um Leistungen der Eingliederungshilfe, für die gemäß § 3 Nr. 1 AG SGB XII LSA der überörtliche Träger, also die Sozialagentur Sachsen-Anhalt (Beigeladene zu 2) zuständig gewesen wäre. Für die von der Antragstellerin begehrten Hilfen wäre jedoch der örtliche Träger, hier der Beigeladene zu 1) zuständig, da es sich um Hilfe in einer ambulanten Einrichtung handele. Dies ergebe sich daraus, dass in § 3 Nr. 3 AG SGB XII LSA eine sachliche Zuständigkeit der Sozialagentur Sachsen-Anhalt nur für den Fall bestimmt sei, dass Leistungen nach den §§ 67 ff SGB XII in einer teilstationären oder stationären Einrichtung zu gewähren seien. Bei der Einrichtung der C "Betreutes Gruppenwohnen" handele es sich aber um eine ambulante Einrichtung. Dies habe der Antragsgegner nicht bezweifelt; soweit der Beigeladene es bezweifele, sei dem nicht zu folgen. Nach Auskunft des Leiters dieser Einrichtung bestehe mit dem Land Berlin nämlich eine Leistungsvereinbarung, in der die Einrichtung als ambulante Einrichtung ausdrücklich anerkannt sei. Damit sei der überörtliche Träger nicht zuständig für die ambulanten Hilfen und damit fielen die örtliche und die sachliche Zuständigkeit auseinander; eine einheitliche Gesamtzuständigkeit werde nicht begründet. Damit könne der bisher zuständige überörtliche Träger Leistungen nach § 98 Abs. 5 SGB XII nicht erbringen. Es greife dann die allgemeine Vorschrift des Absatzes 1, wonach der Träger örtlich zuständig werde, in dessen Bereich die Einrichtung liege. In diesen Fällen gehe § 98 Abs. 5 SGB XII also ins Leere. Dafür lebe § 106 Abs. 3 SGB XII auf; der neue örtlich zuständige Träger habe einen Kostenerstattungsanspruch, der aber spätestens nach Ablauf von 2 Jahren ende (Hinweis auf Jahn, Sozialgesetzbuch für die Praxis, SGB XII, § 98, Rdnr. 69). § 97 Abs. 3 SGB XII, nach dem ein Auseinanderfallen von sachlicher und örtlicher Zuständigkeit vermieden werden solle, trete erst im Jahre 2007 in Kraft. Da sich die Antragstellerin im Lande Berlin tatsächlich aufhalte, sei gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nunmehr das Land Berlin zuständiger Leistungsträger, das im Rahmen einer internen Zuständigkeitsregelung den Antragsgegner als zuständig bestimmt habe. Da der Antragsgegner keine Zweifel daran habe, dass die beantragte Leistung nach den §§ 67, 68 SGB XII die für die Antragstellerin geeignete Maßnahme darstelle, seien weitere Ausführungen hierzu entbehrlich. Auch ein Anordnungsgrund sei gegeben, da bei Unklarheit über die Kostenübernahme das Verbleiben der Antragstellerin in dem betreuten Gruppenwohnen gefährdet sei.
Gegen den ihm am 24. Mai 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 09. Juni 2006. Die Regelung des § 98 Abs. 5 SGB XII bewirke hier die Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1). Vor Antritt der stationären Maßnahme habe die Antragstellerin in E im Landkreis Wittenberg gelebt und dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Von der stationären Einrichtung sei die Antragstellerin am 11. März 2006 unmittelbar in das betreute Wohnen übergegangen. Da im Verhältnis zu den Trägern der Orte der stationären Einrichtungen gemäß § 109 SGB XII kein gewöhnlicher Aufenthalt in der stationären Einrichtung begründet werde, sei unmittelbar vor Eintritt in das betreute Wohnen der Beigeladene zu 1) gemäß § 98 Abs. 1 und 2 SGB XII örtlich zuständig gewesen. Durch das Abstellen auf die sachliche Zuständigkeit werde im Ergebnis durch ein Landesgesetz eine Bestimmung des Bundesgesetzes wirkungslos. Die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII sei jedoch eindeutig. Sie weise dem Sozialhilfeträger im Land Sachsen-Anhalt (örtlicher bzw. überörtlicher Träger) die Zuständigkeit über die beantragte Maßnahme zu. Dies könne nicht dadurch unterlaufen werden, dass der zuletzt sachlich und örtlich zuständige Sozialhilfeträger (überörtlicher Sozialhilfeträger) nicht mehr sachlich zuständig sei, allenfalls noch örtlich.
Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt hilfsweise,
den Beigeladenen zu 1) zu einer entsprechenden Leistung zu verpflichten.
Der Beigeladene zu 1) hält den angefochtenen Beschluss im Ergebnis für zutreffend. Eine Anwendung des § 98 Abs. 5 SGB XII scheide bereits deshalb aus, weil zuvor eine Zuständigkeit des örtlichen oder überörtlichen Sozialhilfeträgers tatsächlich nicht gegeben gewesen sei und daher auch nicht erhalten bleiben könne. Auch werde im Rahmen des § 98 Abs. 5 SGB XII nicht beachtet, dass § 67 Satz 2 SGB XII einen Nachrang dieser Leistung gegenüber Leistungen nach anderen Vorschriften dieses Buches formuliere. Die Antragstellerin rechne aufgrund ihrer Suchterkrankung zu den seelisch behinderten Menschen im Sinne des § 53 SGB XII i. V. m. § 3 der Eingliederungshilfe VO. Die Antragstellerin habe mithin auf die hier beanspruchte Leistung Anspruch im Rahmen des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 Satz 1 SGB IX. Diese Leistungen der Eingliederungshilfe seien vorrangig in Anspruch zu nehmen. Zwar sei gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII und ableitend aus § 3 Nr. 3 AG SGB XII LSA der örtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig für Leistungen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten im Sinne von §§ 67 ff SGB XII, wenn es erforderlich sei, ambulante Hilfe zu gewähren. Erforderlichkeit liege jedoch nicht vor, da vorrangig Eingliederungshilfeleistungen zu erbringen seien. Für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Sinne von §§ 53 ff SGB XII sei gemäß § 97 Abs. 2 SGB XII i. V. m. § 3 Nr. 1 AG SGB XII LSA der überörtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig. Das sei hier die Sozialagentur Sachsen-Anhalt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AG SGB XII LSA würden die örtlichen Träger der Sozialhilfe zu im Sinne von § 3 den überörtlichen Trägern obliegenden Aufgaben herangezogen. Der Landkreis Wittenberg wäre herangezogene Gebietskörperschaft und würde im Namen der Sozialagentur Sachsen-Anhalt handeln.
Der Senat hat mit Beschluss vom 04. Juli 2006 die Sozialagentur Sachsen-Anhalt als überörtlichen Sozialhilfeträger für den früheren Wohnort der Antragstellerin zum Verfahren beigeladen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antragsgegner zur Gewährung von Sozialhilfe in Form der Übernahme der Kosten für das betreute Gruppenwohnen verpflichtet.
Für diesen sich aus §§ 67, 68 SGB XII ergebenden Ausspruch ist der Antragsgegner – zumindest zunächst – zuständiger Leistungsträger, wobei dahinstehen kann, ob sich dies aus § 43 SGB I oder § 14 SGB IX ergibt. Im Hinblick auf diese jedenfalls im Falle eines zunächst bestehenden Zuständigkeitsstreits die Leistungspflicht regelnden Bestimmungen kann darüber hinaus im vorliegenden Rechtsstreit auch dahinstehen, wie die Regelung in § 98 Abs. 5 SGB XII zu verstehen ist.
Es ist zwar richtig, worauf der Beigeladene zu 1) hinweist, dass die hier zu gewährende Leistung (auch) im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte nach den §§ 53 ff SGB XII (i. V. m. dem SGB IX), die ebenfalls ambulante Hilfen vorsieht (§ 54 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX), erbracht werden kann. Daraus folgt jedoch nicht - auch wenn gemäß § 3 Nr. 1 AG SGB XII LSA (AG) die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers fällt - im Hinblick auf den Nachrang der Leistungen nach §§ 67, 68 SGB XII, dass der Beigeladene zu 1) als örtlicher Träger damit grundsätzlich von einer Leistungspflicht frei ist. Denn der Nachrang gemäß § 67 Satz 2 SGB XII kommt nur zum Tragen, wenn eine Leistung nach anderen Bestimmungen nicht nur rechtlich möglich ist, sondern tatsächlich gewährt oder konkret angeboten wird (vgl. LPK SGB XII, Rdnr. 27 ff zu § 67; Grube/Warendorf, SGB XII, Rdnr. 11 f zu § 67; Schellhorn, SGB XII, Sozialhilfe, 17. Auflage 2006, Rdz. 24 zu § 67). Daran fehlt es jedoch vorliegend. Der Beigeladene zu 1) hat zwar in seinem Schriftsatz vom 21. Juni 2006 darauf hingewiesen, dass ambulantes betreutes Wohnen als Hilfeleistung auch im Landkreis Wittenberg abgesichert werden kann. Doch ist nicht erkennbar, dass über den bloßen Hinweis hinaus eine Zusage (ggf. als herangezogene Gebietskörperschaft im Namen des überörtlichen Trägers - § 3 Nr. 1, § 4 und 6 Satz 2 AG) – und nur diese wäre im Rahmen des § 67 Satz 2 SGB XII beachtlich – gemacht werden sollte, da man ansonsten auf ein völliges Unverständnis für die Probleme eines Suchtkranken schließen müsste. Denn das Angebot eines ambulanten betreuten Wohnens in Z wäre eine völlig ungeeignete Hilfe für die Antragstellerin. Dieser Ort liegt nämlich in unmittelbarer Nähe des früheren Wohnortes der Antragstellerin und damit ihres "Suchtortes", obwohl es angezeigt ist, dass die Antragstellerin zur Stabilisierung der erreichten Entwöhnung von ihrem bisherigen Umfeld fernzuhalten ist. Die Erforderlichkeit einer in diesem Sinne "ortsfernen" Hilfe ist also nicht zweifelhaft.
Mithin ist es in Anwendung der ab 01. Januar 2005 neu eingeführten Regelung des § 98 Abs. 5 SGB XII (vgl. dazu Gutachten des Deutschen Vereins für Öffentliche und Private Fürsorge e. V. vom 10. April 2006 – G 21/05) bei Annahme einer "fiktiven" oder "hypothetischen" Leistungspflicht des für den früheren Wohnort zuständigen Sozialhilfeträgers denkbar, auch für die nachfolgende ambulante betreute Wohnmöglichkeit die örtliche Zuständigkeit aus diesem Wohnort zu bestimmen (so Hauck/Nofz, SGB XII Sozialhilfe, Rdz. 96 zu § 98; anderer Ansicht das zuvor genannte Gutachten vom 10. April 2006). Ob eine so gefundene bundesgesetzlich geregelte örtliche Zuständigkeit durch eine landesrechtliche Regelung, die innerhalb der örtlichen Zuständigkeit eine Aufteilung in zwei Ebenen vornimmt, ins Leere geht wie das SG annimmt, erscheint jedenfalls zweifelhaft. Soweit die Beigeladene zu 2) unter Hinweis auf ein Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2006 (12 LC 528/04) zu Beginn des ambulanten betreuten Gruppenwohnens einen gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin und damit die aus § 98 Abs. 1 SGB XII folgende Zuständigkeit des Antragsgegners annimmt, bleibt dabei unberücksichtigt, dass diese Entscheidung ersichtlich einen Sachverhalt betrifft, bei dessen Würdigung die hier streitige und erst ab 01. Januar 2005 eingeführte Regelung noch nicht vorhanden war. Eine endgültige Klärung des Regelungsgehaltes des § 98 Abs. 5 SGB XII kann vorliegend jedoch dahinstehen, da eine (vorläufige) Zuständigkeitsregelung im Falle eines Streits zwischen verschiedenen Leistungsträgern vorhanden ist und der Streit über die zutreffende Zuständigkeit zwischen den Leistungsträgern anschließend im Rahmen eines Erstattungsverfahrens geklärt werden kann.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB I kann, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen. Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt. Diese Voraussetzungen zur vorläufigen Leistungserbringung sind erfüllt, da die Antragstellerin einen entsprechenden Anspruch hat und jedenfalls mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auch ein Antrag auf Gewährung vorläufiger Leistungen durch den Antragsgegner vorliegt.
Dass es sich bei der Aufnahme in die Nachsorgeeinrichtung der C um eine Form ambulanter betreuter Wohnmöglichkeit zur Überwindung von mit sozialen Schwierigkeiten verbundenen besonderen Lebensverhältnissen handelt, ist angesichts der Situation der Antragstellerin nach erfolgreicher Suchtentwöhnung nicht zweifelhaft. Denn die Antragstellerin bedarf nach der erfolgreichen Suchtbehandlung wegen der in diesen Fällen erfahrungsgemäß bestehenden erheblichen Rückfallgefahr eines behutsamen Übergangs in eine "normale" Lebenssituation und damit noch eines betreuten Wohnens, wie auch die befürwortende Stellungnahme des Cverbandes belegt.
Allerdings ist zweifelhaft, ob § 43 Abs. 1 SGB I hier im Hinblick auf die Bestimmung des § 14 SGB IX einschlägig ist. Hierzu wird einerseits vertreten, dass § 14 SGB IX nur die Zuständigkeit zwischen Rehabilitationsträgern verschiedener Leistungsgesetze regele und dagegen nicht anwendbar sei bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit zweier Träger von Leistungen nach den selben Rechtsgrundlagen (vgl. Beschluss des OVG Hamburg vom 09.10.2003 – 4 Bs 458/03 in FEVS 55, Seite 365). Dagegen wird geltend gemacht, § 14 SGB IX unterscheide nicht zwischen Rehabilitationsträgern unterschiedlicher Gesetze und auch nicht zwischen örtlicher und sachlicher Zuständigkeit. Somit gelte er dem Wortlaut nach für alle Zuständigkeitsfragen. Er sei als verfahrensrechtliche Grundsatznorm auch gerade als völlig neues Zuständigkeitserklärungsverfahren geschaffen worden, um den Nachteilen, die sich aus dem gegliederten Sozialleistungssystem ergeben, für den Hilfebedürftigen zu begegnen (vgl. dazu Urteil des BSG vom 26.10.2004 – B 7 AL 16/04 R-SozR 4-3250 § 14 Nr. 1; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.11.2005 – L 9 B 268/05 SO ER, zitiert nach Juris; jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Frage kann im Ergebnis ebenfalls offen bleiben, da der Antragsgegner als zuerst angegangener Rehabilitationsträger den Antrag nicht nach einer Zuständigkeitsprüfung innerhalb von zwei Wochen unverzüglich weitergeleitet hat. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Muss für diese Feststellung ein Gutachten nicht eingeholt werden, entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang (§ 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX). Da bei der Antragstellerin – jedenfalls bei summarischer Prüfung – ein Rehabilitationsbedarf besteht und dies von den Beteiligten – insbesondere von dem Antragsgegner in der begehrten Form – nicht grundsätzlich in Abrede gestellt wird, ist der Antragsgegner auch nach Maßgabe des § 14 SGB IX zur (vorläufigen) Leistungserbringung verpflichtet.
Mithin kann die Beschwerde des Antragsgegners im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Kosten der Beigeladenen zu 1) + 2) sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Kostenübernahme für das betreute Gruppenwohnen nach abgeschlossener Suchttherapie in der S C-Nachsorge gemäß den §§ 67, 68 des 12. Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die 1979 geborene Antragstellerin leidet an einer Alkoholkrankheit. Sie absolvierte in der Zeit vom 10. August bis 30. November 2005 auf Kosten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bzw. jetzt der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV-Bund) eine Langzeitentwöhnung in der Fklinik in M. Im unmittelbaren Anschluss befand sie sich vom 30. November 2005 bis 10. März 2006 ebenfalls auf Kosten der DRV-Bund im Adaptionshaus B (Träger T B-B e. V.) in B-B. Vor der Entwöhnungsbehandlung lebte die Klägerin bei ihren Eltern in E im Landkreis W. Dort war sie seit ihrer Geburt bis zum 23. Januar 2006 polizeilich gemeldet; dann erfolgte die Ummeldung nach B unter der Anschrift des Adaptionshauses.
Mit Datum vom 06. Februar 2006 beantragte die Antragstellerin mit zwei inhaltsgleichen Schreiben unter Beifügung einer ausführlichen Befürwortung des Dipl. Pädagogen B beim Antragsgegner und beim Beigeladenen zu 1) die Übernahme der Kosten für das ambulante betreute Wohnen des Einrichtungsträgers C-Verband für das Erzbistum B e. V. nach den §§ 67, 68 SGB XII.
Dieser Antrag ging ausweislich der Verwaltungsakte des Antragsgegners bei diesem am 09. Februar 2006 (vorab per Fax) ein, lag jedenfalls am 10. Februar 2006 nach einem Handzeichen dort vor. Am 21. Februar 2006 fand ein Gespräch mit der Antragstellerin statt, das zur Nachreichung verschiedener Unterlagen (z. B. Personalausweis, Anmeldebestätigung) und zu einer hausinternen Befürwortung führte.
Bei dem Beigeladenen zu 1) ging der Antrag vom 06. Februar 2006 auf dem Postwege am 13. Februar 2006 ein.
Diesen Antrag lehnte der Beigeladene zu 1) mit Bescheid vom 27. Februar 2006 mit der Begründung ab, dass die Maßnahme des ambulanten betreuten Wohnens nicht eine geeignete Maßnahme für die Antragstellerin sei. Geeignet sei insofern der Aufenthalt in einem Übergangswohnheim für Suchtkranke (18 Monate), anschließend ambulant betreutes Wohnen für seelisch behinderte Menschen; dabei handele es sich um Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff SGB XII (i. V. m. § 3 der Eingliederungshilfe VO), die gegenüber der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß § 67 SGB XII vorrangig sei. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 23. März 2006 Widerspruch eingelegt (der mittlerweile mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2006 abschlägig beschieden ist: Für die hier zu gewährende Eingliederungshilfe sei die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 2 SGB XII i. V. m. § 3 Nr. 1 des Ausführungsgesetzes zum SGB XII des Landes Sachsen Anhalt – AG SGB XII LSA – gegeben).
Nach Erhalt des Ablehnungsbescheides des Beigeladenen zu 1) hat der C-Verband für die Antragstellerin am 03. März 2006 ergänzend mit förmlichem Sozialhilfeantrag die Übernahme der Kosten der Maßnahme beim Antragsgegner beantragt. Mit Schreiben vom 22. März 2006 an den C-Verband lehnte der Antragsgegner die Übernahme der Kosten mit der Begründung ab, er sei für die Bearbeitung des Antrages nicht zuständig. Die Antragstellerin habe bis zur Aufnahme in das Adaptionshaus B bei ihren Eltern in E gewohnt, sodass sich die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII richte, mit der Folge, dass der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig sei, der vor Eintritt in das betreute Wohnen zuletzt örtlich zuständig gewesen sei, also der Träger für den Wohnort in E. Durch den Aufenthalt im Adaptionshaus zur Entwöhnung sei keine Änderung der Zuständigkeit eingetreten.
Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem Schreiben vom 23. März 2006, mit dem sie unter anderem geltend machte, ihr sei eine Kostenzusage mündlich erteilt worden. Nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 05. April 2006 angekündigt hatte, dass der Widerspruch voraussichtlich (in der nächsten Beiratssitzung am 21. Juni 2006) zurückgewiesen werden würde, hat die Antragstellerin mit am 18. April 2006 beim Sozialgericht – SG – Berlin eingegangenen Antrag die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes und die Verpflichtung des Antraggegners zur Übernahme der Kosten für das betreute Gruppenwohnen ab 11. März 2006 beantragt.
Der Antragsgegner hat weiterhin seine Zuständigkeit unter Hinweis auf § 98 Abs. 5 SGB XII verneint und dazu auf einen Beschluss des SG Speyer vom 02. Februar 2005 (S 16 ER 10/05 SO in Zeitschrift für Fürsorgewesen 2006, Seite 64) verwiesen.
Der mit Beschluss vom 04. Mai 2006 beigeladene Landkreis Wittenberg (als örtlicher Sozialhilfeträger) hat entsprechend seinem Bescheid vom 27. Februar 2006 ebenfalls seine Zuständigkeit verneint. Auch sei die begehrte Maßnahme nicht geeignet.
Das SG hat im Hinblick auf das Vorbringen des Beigeladenen noch eine Auskunft vom C-Verband eingeholt, wonach die Nachsorgeeinrichtung in einer Leistungsvereinbarung mit dem Land Berlin als ambulante Einrichtung anerkannt worden sei.
Sodann hat das SG mit Beschluss vom 16. Mai 2006 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Kosten für das betreute Gruppenwohnen der Antragstellerin in der S C - Nachsorge vorläufig für die Zeit vom 11. März 2006 bis 31. Juli 2006 zu übernehmen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt: Dem Antrag sei zu entsprechen, da die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht habe (§ 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – i. V. m. § 920 der Zivilprozessordnung – ZPO –). Nach der hier gebotenen summarischen Prüfung sei der Antragsgegner der zuständige Leistungsträger. Obwohl es sich hier um eine Form einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII handele, seien dessen Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift bleibe für Leistungen an Personen, die Leistungen in Form ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhielten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig gewesen sei. Vor Inkrafttreten dieses Buches begründete Zuständigkeiten blieben hiervon unberührt. Es sei zwar der vom Antragsgegner geäußerten Auffassung, wonach eine so genannte "hypothetische Zuständigkeit" für § 98 Abs. 5 SGB XII ausreiche, zu folgen, dass heißt der Träger bleibe zuständig, der für vorhergehende stationäre Maßnahmen zuständig gewesen wären, wenn diese nicht von einem anderen Träger (hier DRV-Bund) zu übernehmen gewesen wären. Vorliegend greife § 98 Abs. 5 SGB XII jedoch nicht, da der Beigeladene zu 1), der für die von der Antragstellerin begehrte Maßnahme nach § 67 SGB XII der nach dem AG SGB XII LSA sachlich zuständige Träger wäre, nicht auch für die stationäre Maßnahme in der Fklinik bzw. im Adoptionshaus B der sachlich zuständige Träger gewesen wäre. Bei den zuletzt genannten Maßnahmen handele es sich um Leistungen der Eingliederungshilfe, für die gemäß § 3 Nr. 1 AG SGB XII LSA der überörtliche Träger, also die Sozialagentur Sachsen-Anhalt (Beigeladene zu 2) zuständig gewesen wäre. Für die von der Antragstellerin begehrten Hilfen wäre jedoch der örtliche Träger, hier der Beigeladene zu 1) zuständig, da es sich um Hilfe in einer ambulanten Einrichtung handele. Dies ergebe sich daraus, dass in § 3 Nr. 3 AG SGB XII LSA eine sachliche Zuständigkeit der Sozialagentur Sachsen-Anhalt nur für den Fall bestimmt sei, dass Leistungen nach den §§ 67 ff SGB XII in einer teilstationären oder stationären Einrichtung zu gewähren seien. Bei der Einrichtung der C "Betreutes Gruppenwohnen" handele es sich aber um eine ambulante Einrichtung. Dies habe der Antragsgegner nicht bezweifelt; soweit der Beigeladene es bezweifele, sei dem nicht zu folgen. Nach Auskunft des Leiters dieser Einrichtung bestehe mit dem Land Berlin nämlich eine Leistungsvereinbarung, in der die Einrichtung als ambulante Einrichtung ausdrücklich anerkannt sei. Damit sei der überörtliche Träger nicht zuständig für die ambulanten Hilfen und damit fielen die örtliche und die sachliche Zuständigkeit auseinander; eine einheitliche Gesamtzuständigkeit werde nicht begründet. Damit könne der bisher zuständige überörtliche Träger Leistungen nach § 98 Abs. 5 SGB XII nicht erbringen. Es greife dann die allgemeine Vorschrift des Absatzes 1, wonach der Träger örtlich zuständig werde, in dessen Bereich die Einrichtung liege. In diesen Fällen gehe § 98 Abs. 5 SGB XII also ins Leere. Dafür lebe § 106 Abs. 3 SGB XII auf; der neue örtlich zuständige Träger habe einen Kostenerstattungsanspruch, der aber spätestens nach Ablauf von 2 Jahren ende (Hinweis auf Jahn, Sozialgesetzbuch für die Praxis, SGB XII, § 98, Rdnr. 69). § 97 Abs. 3 SGB XII, nach dem ein Auseinanderfallen von sachlicher und örtlicher Zuständigkeit vermieden werden solle, trete erst im Jahre 2007 in Kraft. Da sich die Antragstellerin im Lande Berlin tatsächlich aufhalte, sei gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nunmehr das Land Berlin zuständiger Leistungsträger, das im Rahmen einer internen Zuständigkeitsregelung den Antragsgegner als zuständig bestimmt habe. Da der Antragsgegner keine Zweifel daran habe, dass die beantragte Leistung nach den §§ 67, 68 SGB XII die für die Antragstellerin geeignete Maßnahme darstelle, seien weitere Ausführungen hierzu entbehrlich. Auch ein Anordnungsgrund sei gegeben, da bei Unklarheit über die Kostenübernahme das Verbleiben der Antragstellerin in dem betreuten Gruppenwohnen gefährdet sei.
Gegen den ihm am 24. Mai 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 09. Juni 2006. Die Regelung des § 98 Abs. 5 SGB XII bewirke hier die Zuständigkeit des Beigeladenen zu 1). Vor Antritt der stationären Maßnahme habe die Antragstellerin in E im Landkreis Wittenberg gelebt und dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Von der stationären Einrichtung sei die Antragstellerin am 11. März 2006 unmittelbar in das betreute Wohnen übergegangen. Da im Verhältnis zu den Trägern der Orte der stationären Einrichtungen gemäß § 109 SGB XII kein gewöhnlicher Aufenthalt in der stationären Einrichtung begründet werde, sei unmittelbar vor Eintritt in das betreute Wohnen der Beigeladene zu 1) gemäß § 98 Abs. 1 und 2 SGB XII örtlich zuständig gewesen. Durch das Abstellen auf die sachliche Zuständigkeit werde im Ergebnis durch ein Landesgesetz eine Bestimmung des Bundesgesetzes wirkungslos. Die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII sei jedoch eindeutig. Sie weise dem Sozialhilfeträger im Land Sachsen-Anhalt (örtlicher bzw. überörtlicher Träger) die Zuständigkeit über die beantragte Maßnahme zu. Dies könne nicht dadurch unterlaufen werden, dass der zuletzt sachlich und örtlich zuständige Sozialhilfeträger (überörtlicher Sozialhilfeträger) nicht mehr sachlich zuständig sei, allenfalls noch örtlich.
Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt hilfsweise,
den Beigeladenen zu 1) zu einer entsprechenden Leistung zu verpflichten.
Der Beigeladene zu 1) hält den angefochtenen Beschluss im Ergebnis für zutreffend. Eine Anwendung des § 98 Abs. 5 SGB XII scheide bereits deshalb aus, weil zuvor eine Zuständigkeit des örtlichen oder überörtlichen Sozialhilfeträgers tatsächlich nicht gegeben gewesen sei und daher auch nicht erhalten bleiben könne. Auch werde im Rahmen des § 98 Abs. 5 SGB XII nicht beachtet, dass § 67 Satz 2 SGB XII einen Nachrang dieser Leistung gegenüber Leistungen nach anderen Vorschriften dieses Buches formuliere. Die Antragstellerin rechne aufgrund ihrer Suchterkrankung zu den seelisch behinderten Menschen im Sinne des § 53 SGB XII i. V. m. § 3 der Eingliederungshilfe VO. Die Antragstellerin habe mithin auf die hier beanspruchte Leistung Anspruch im Rahmen des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 Satz 1 SGB IX. Diese Leistungen der Eingliederungshilfe seien vorrangig in Anspruch zu nehmen. Zwar sei gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII und ableitend aus § 3 Nr. 3 AG SGB XII LSA der örtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig für Leistungen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten im Sinne von §§ 67 ff SGB XII, wenn es erforderlich sei, ambulante Hilfe zu gewähren. Erforderlichkeit liege jedoch nicht vor, da vorrangig Eingliederungshilfeleistungen zu erbringen seien. Für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Sinne von §§ 53 ff SGB XII sei gemäß § 97 Abs. 2 SGB XII i. V. m. § 3 Nr. 1 AG SGB XII LSA der überörtliche Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig. Das sei hier die Sozialagentur Sachsen-Anhalt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AG SGB XII LSA würden die örtlichen Träger der Sozialhilfe zu im Sinne von § 3 den überörtlichen Trägern obliegenden Aufgaben herangezogen. Der Landkreis Wittenberg wäre herangezogene Gebietskörperschaft und würde im Namen der Sozialagentur Sachsen-Anhalt handeln.
Der Senat hat mit Beschluss vom 04. Juli 2006 die Sozialagentur Sachsen-Anhalt als überörtlichen Sozialhilfeträger für den früheren Wohnort der Antragstellerin zum Verfahren beigeladen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antragsgegner zur Gewährung von Sozialhilfe in Form der Übernahme der Kosten für das betreute Gruppenwohnen verpflichtet.
Für diesen sich aus §§ 67, 68 SGB XII ergebenden Ausspruch ist der Antragsgegner – zumindest zunächst – zuständiger Leistungsträger, wobei dahinstehen kann, ob sich dies aus § 43 SGB I oder § 14 SGB IX ergibt. Im Hinblick auf diese jedenfalls im Falle eines zunächst bestehenden Zuständigkeitsstreits die Leistungspflicht regelnden Bestimmungen kann darüber hinaus im vorliegenden Rechtsstreit auch dahinstehen, wie die Regelung in § 98 Abs. 5 SGB XII zu verstehen ist.
Es ist zwar richtig, worauf der Beigeladene zu 1) hinweist, dass die hier zu gewährende Leistung (auch) im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte nach den §§ 53 ff SGB XII (i. V. m. dem SGB IX), die ebenfalls ambulante Hilfen vorsieht (§ 54 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX), erbracht werden kann. Daraus folgt jedoch nicht - auch wenn gemäß § 3 Nr. 1 AG SGB XII LSA (AG) die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers fällt - im Hinblick auf den Nachrang der Leistungen nach §§ 67, 68 SGB XII, dass der Beigeladene zu 1) als örtlicher Träger damit grundsätzlich von einer Leistungspflicht frei ist. Denn der Nachrang gemäß § 67 Satz 2 SGB XII kommt nur zum Tragen, wenn eine Leistung nach anderen Bestimmungen nicht nur rechtlich möglich ist, sondern tatsächlich gewährt oder konkret angeboten wird (vgl. LPK SGB XII, Rdnr. 27 ff zu § 67; Grube/Warendorf, SGB XII, Rdnr. 11 f zu § 67; Schellhorn, SGB XII, Sozialhilfe, 17. Auflage 2006, Rdz. 24 zu § 67). Daran fehlt es jedoch vorliegend. Der Beigeladene zu 1) hat zwar in seinem Schriftsatz vom 21. Juni 2006 darauf hingewiesen, dass ambulantes betreutes Wohnen als Hilfeleistung auch im Landkreis Wittenberg abgesichert werden kann. Doch ist nicht erkennbar, dass über den bloßen Hinweis hinaus eine Zusage (ggf. als herangezogene Gebietskörperschaft im Namen des überörtlichen Trägers - § 3 Nr. 1, § 4 und 6 Satz 2 AG) – und nur diese wäre im Rahmen des § 67 Satz 2 SGB XII beachtlich – gemacht werden sollte, da man ansonsten auf ein völliges Unverständnis für die Probleme eines Suchtkranken schließen müsste. Denn das Angebot eines ambulanten betreuten Wohnens in Z wäre eine völlig ungeeignete Hilfe für die Antragstellerin. Dieser Ort liegt nämlich in unmittelbarer Nähe des früheren Wohnortes der Antragstellerin und damit ihres "Suchtortes", obwohl es angezeigt ist, dass die Antragstellerin zur Stabilisierung der erreichten Entwöhnung von ihrem bisherigen Umfeld fernzuhalten ist. Die Erforderlichkeit einer in diesem Sinne "ortsfernen" Hilfe ist also nicht zweifelhaft.
Mithin ist es in Anwendung der ab 01. Januar 2005 neu eingeführten Regelung des § 98 Abs. 5 SGB XII (vgl. dazu Gutachten des Deutschen Vereins für Öffentliche und Private Fürsorge e. V. vom 10. April 2006 – G 21/05) bei Annahme einer "fiktiven" oder "hypothetischen" Leistungspflicht des für den früheren Wohnort zuständigen Sozialhilfeträgers denkbar, auch für die nachfolgende ambulante betreute Wohnmöglichkeit die örtliche Zuständigkeit aus diesem Wohnort zu bestimmen (so Hauck/Nofz, SGB XII Sozialhilfe, Rdz. 96 zu § 98; anderer Ansicht das zuvor genannte Gutachten vom 10. April 2006). Ob eine so gefundene bundesgesetzlich geregelte örtliche Zuständigkeit durch eine landesrechtliche Regelung, die innerhalb der örtlichen Zuständigkeit eine Aufteilung in zwei Ebenen vornimmt, ins Leere geht wie das SG annimmt, erscheint jedenfalls zweifelhaft. Soweit die Beigeladene zu 2) unter Hinweis auf ein Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2006 (12 LC 528/04) zu Beginn des ambulanten betreuten Gruppenwohnens einen gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin und damit die aus § 98 Abs. 1 SGB XII folgende Zuständigkeit des Antragsgegners annimmt, bleibt dabei unberücksichtigt, dass diese Entscheidung ersichtlich einen Sachverhalt betrifft, bei dessen Würdigung die hier streitige und erst ab 01. Januar 2005 eingeführte Regelung noch nicht vorhanden war. Eine endgültige Klärung des Regelungsgehaltes des § 98 Abs. 5 SGB XII kann vorliegend jedoch dahinstehen, da eine (vorläufige) Zuständigkeitsregelung im Falle eines Streits zwischen verschiedenen Leistungsträgern vorhanden ist und der Streit über die zutreffende Zuständigkeit zwischen den Leistungsträgern anschließend im Rahmen eines Erstattungsverfahrens geklärt werden kann.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB I kann, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen besteht und zwischen mehreren Leistungsträgern streitig ist, wer zur Leistung verpflichtet ist, der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen. Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt. Diese Voraussetzungen zur vorläufigen Leistungserbringung sind erfüllt, da die Antragstellerin einen entsprechenden Anspruch hat und jedenfalls mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auch ein Antrag auf Gewährung vorläufiger Leistungen durch den Antragsgegner vorliegt.
Dass es sich bei der Aufnahme in die Nachsorgeeinrichtung der C um eine Form ambulanter betreuter Wohnmöglichkeit zur Überwindung von mit sozialen Schwierigkeiten verbundenen besonderen Lebensverhältnissen handelt, ist angesichts der Situation der Antragstellerin nach erfolgreicher Suchtentwöhnung nicht zweifelhaft. Denn die Antragstellerin bedarf nach der erfolgreichen Suchtbehandlung wegen der in diesen Fällen erfahrungsgemäß bestehenden erheblichen Rückfallgefahr eines behutsamen Übergangs in eine "normale" Lebenssituation und damit noch eines betreuten Wohnens, wie auch die befürwortende Stellungnahme des Cverbandes belegt.
Allerdings ist zweifelhaft, ob § 43 Abs. 1 SGB I hier im Hinblick auf die Bestimmung des § 14 SGB IX einschlägig ist. Hierzu wird einerseits vertreten, dass § 14 SGB IX nur die Zuständigkeit zwischen Rehabilitationsträgern verschiedener Leistungsgesetze regele und dagegen nicht anwendbar sei bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit zweier Träger von Leistungen nach den selben Rechtsgrundlagen (vgl. Beschluss des OVG Hamburg vom 09.10.2003 – 4 Bs 458/03 in FEVS 55, Seite 365). Dagegen wird geltend gemacht, § 14 SGB IX unterscheide nicht zwischen Rehabilitationsträgern unterschiedlicher Gesetze und auch nicht zwischen örtlicher und sachlicher Zuständigkeit. Somit gelte er dem Wortlaut nach für alle Zuständigkeitsfragen. Er sei als verfahrensrechtliche Grundsatznorm auch gerade als völlig neues Zuständigkeitserklärungsverfahren geschaffen worden, um den Nachteilen, die sich aus dem gegliederten Sozialleistungssystem ergeben, für den Hilfebedürftigen zu begegnen (vgl. dazu Urteil des BSG vom 26.10.2004 – B 7 AL 16/04 R-SozR 4-3250 § 14 Nr. 1; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 09.11.2005 – L 9 B 268/05 SO ER, zitiert nach Juris; jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese Frage kann im Ergebnis ebenfalls offen bleiben, da der Antragsgegner als zuerst angegangener Rehabilitationsträger den Antrag nicht nach einer Zuständigkeitsprüfung innerhalb von zwei Wochen unverzüglich weitergeleitet hat. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Muss für diese Feststellung ein Gutachten nicht eingeholt werden, entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang (§ 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX). Da bei der Antragstellerin – jedenfalls bei summarischer Prüfung – ein Rehabilitationsbedarf besteht und dies von den Beteiligten – insbesondere von dem Antragsgegner in der begehrten Form – nicht grundsätzlich in Abrede gestellt wird, ist der Antragsgegner auch nach Maßgabe des § 14 SGB IX zur (vorläufigen) Leistungserbringung verpflichtet.
Mithin kann die Beschwerde des Antragsgegners im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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