Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AL 17/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2006 und unter Änderung des Bescheides vom 19.07.2006 verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 01.06. bis 07.06.2006 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung.
Der aus Sierra Leone stammende 1953 geborene Kläger meldete sich erstmals am 08.05. zum 01.06.2006 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Ausweislich vorgelegter Arbeitsbescheinigungen war er zuvor vom 17.06.2002 bis 25.10.2002 als Produktionshelfer und vom 24.03.2004 bis 31.05.2006 als Helfer versicherungspflichtig beschäftigt. Sein zuletzt genanntes Arbeitsverhältnis endete durch am 02.05.2006 ausgehändigte fristgerechte Kündigung vom 02.05.2006. In dem Kündigungsschreiben heißt es u.a.: "Wir weisen Sie darauf hin, dass Sie dazu verpflichtet sind, sich innerhalb von fünf Werktagen nach Erhalt der Kündigung, beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden (SGB III; § 37 b)." In einem Telefonvermerk vom 24.05.2006 heißt es u.a., der Kunde sei der deutschen Sprache absolut nicht mächtig.
Mit Bescheid vom 23.05.2006 stellte die Beklagte den Eintritt einer einwöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 01.06. bis 07.06.2006 fest. Er habe sich entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nicht innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis der Kündigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet.
Zur Begründung seines am 30.05.2006 eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, nach Aussprache der Kündigung durch den Arbeitgeber keine Möglichkeit gehabt zu haben, sich arbeitslos zu melden. Zunächst habe er noch arbeiten müssen. Seit dem 04.05.2006 habe er unter starken Rückenschmerzen gelitten und sich erst nach einem Arztbesuch am 08.05.2006 melden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gestützt auf § 144 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 7 SGB III als unbegründet zurück. Das Kündigungsschreiben sei dem Kläger am 02.05.2006 übergeben worden. Demzufolge hätte er sich spätestens am 05.05.2006 arbeitsuchend melden müssen. Tatsächlich habe er sich erst am 08.05.2006 persönlich arbeitsuchend gemeldet. Auch unter Berücksichtigung seines Vortrages, dass er bis zum 04.05.2006 habe arbeiten müssen, hätte nichts dagegen gesprochen, sich am arbeitsfreien 05.05.2006 arbeitsuchend zu melden.
Zur Begründung seiner am 21.07.2006 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, er habe die verspätete Arbeitsuchendmeldung nicht zu vertreten. Er habe sich entsprechend des Hinweises seines Arbeitgebers im Kündigungsschreiben verhalten und sich innerhalb von 5 Werktagen nach Erhalt der Kündigung arbeitsuchend gemeldet. Dass tatsächlich eine kürzere Frist gelte, habe er nicht gewusst. Diese fehlende Kenntnis sei zumindest bei der Frage, ob er für sein Verhalten einen wichtigen Grund gehabt habe, zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 19.07.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld aufgrund des am 01.06.2006 entstandenen Anspruchs ab 08.06.2006 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 20,45 EUR. In diesem Bewilligungsbescheid ist als Grund für die Nichtleistung für die Zeit vom 01.06. bis 07.06.2006 angegeben: "Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung".
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2006 und unter Änderung des Bescheides vom 19.07.2006 zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 01. bis 07.06.2006 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig und meint, dass nach dem Gesetzeswortlaut eine Kenntnis des Arbeitnehmers hinsichtlich der möglichen Folgen einer Arbeitsaufgabe vor Eintritt des Sperrzeit begründenden Ereignisses nicht gefordert werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakten und der den Kläger betreffenden Leistungsakten der Beklagten. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 01.06. bis 07.06.2006, denn es ist keine Sperrzeit für diesen Zeitraum eingetreten.
Gegenstand des Verfahrens ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG auch der Bewilligungsbescheid vom 19.07.2006, soweit er den streitbefangenen Zeitraum trifft, denn durch diesen Bewilligungsbescheid sind die angefochtenen Sperrzeitbescheide leistungsrechtlich umgesetzt worden.
Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer der Sperrzeit (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 7 SGB III u.a. vor, wenn der Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 37 b SGB III nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung). Nach § 37 b Satz 1 SGB III sind Personen, deren Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung nach § 37 b Satz 2 SGB III innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen.
Der Kläger hat sich versicherungswidrig verhalten, denn er ist seiner Meldepflicht nach § 37 b SGB III nicht nachgekommen. Durch die Kündigung vom 02.05. zum 31.05.2006, von der er am 02.05.2006 Kenntnis erlangt hat, liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate. Durch die Arbeitsuchendmeldung erst am 08.05.2006 hat der Kläger sich nicht innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes arbeitsuchend gemeldet. Um seiner sich aus § 37 b Satz 2 SGB III bestehenden Pflicht zu genügen, hätte sich der Kläger spätestens am 05.05.2006 arbeitsuchend melden müssen.
Auf die Kenntnis des Klägers von seiner Meldepflicht kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Meldefristen des § 37 b SGB III richten sich nur nach dem objektiven Ende des Beschäftigungsverhältnisses und auf subjektive Faktoren - wie Kenntnis der Meldepflicht und des Laufes der Frist - kommt es nicht an (Winkler in Gagel, SGB III, Kommentar, § 37 b RdNr. 16; a.A. SG Aachen, S 11 AL 47/06, Urt. v. 22.08.2006, nicht rechtskräftig, das bei fehlender Kenntnis von der Meldepflicht kein versicherungswidriges Verhalten sieht).
Gleichwohl tritt eine Sperrzeit nicht ein, denn der Kläger hatte für sein Verhalten einen wichtigen Grund. Die Unkenntnis der Meldepflicht oder der Fristen, bzw. Meldehindernisse für die Verletzung der Meldepflicht, sind nach der Neufassung der § 37 b SGB III im Rahmen einer Verschuldensprüfung bei der Prüfung eines wichtigen Grundes im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III zu berücksichtigen (Winkler a.a.O. RdNr. 17 und a.a.O. § 144 RdNr. 203). Als wichtiger Grund kommen alle Gründe in Betracht, die dem Arbeitnehmer die rechtzeitige Meldung unmöglich oder unzumutbar machen, wobei Unkenntnis der Meldepflicht ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechtes ist (Winkler a.a.O.). Weiß der Arbeitnehmer nicht, dass und wann er sich arbeitsuchend zu melden hat, kommt es darauf an, ob die Unkenntnis unverschuldet ist (Winkler a.a.O.).
Unter Berücksichtigung aller aktenkundigen Umstände kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er sich erst am 08.05.2006 arbeitsuchend gemeldet hat. Durch diese mit seiner Arbeitslosmeldung verbundene Arbeitsuchendmeldung ist er bei der Beklagten erstmals in Erscheinung getreten. Erstmals hat er durch Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Er hatte damit weder aus vorangegangener Erfahrung noch entsprechenden Hinweisen der Beklagten in Merkblättern oder Aufhebungsbescheiden Kenntnis von einer Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung. Einziger Hinweis auf diese Verpflichtung war für ihn der entsprechende Hinweis in der am 02.05.2006 ausgestellten und ausgehändigten Kündigung. Dieser Hinweis ging dahin, dass er sich innerhalb von fünf Werktagen nach Erhalt der Kündigung arbeitsuchend zu melden habe. Diese Frist hat er mit seiner Arbeitsuchendmeldung am 08.05.2006 eingehalten, denn wegen der fehlenden Dienstbereitschaft der Beklagten am Wochenende des 6. und 7. Mai 2006 wäre eine solche 5-Werktages-Frist erst am 09.05.2006 abgelaufen. Dass dieser Hinweis des Arbeitgebers objektiv unzutreffend war und wohl noch auf Informationen des Arbeitgebers aus der Verwaltungspraxis der Beklagten zur früheren Rechtslage beruhte, kann dem Kläger nicht angelastet werden. Insbesondere kann von ihm nicht gefordert werden, dass er sich etwa bei der Beklagten vorab hätte erkundigen können oder müssen, ob diese Frist zutrifft, denn durch die ausdrückliche Nennung einer gesetzlichen Vorschrift in dem Hinweis konnte der Kläger darauf vertrauen, dass ihm sein Arbeitgeber einen zutreffenden Hinweis erteilt hat. Eine Verpflichtung zur Überprüfung einer Gesetzesvorschrift besteht für Arbeitnehmer bzw. Arbeitslose nicht.
Die Aufhebung der Sperrzeitentscheidung bewirkt, dass dem Kläger ohne entsprechende Sperrzeit bedingte Minderung der Anspruchsdauer auch für die Zeit vom 01.06. bis 07.06.2006 Arbeitslosengeld zu bewilligen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 EUR nicht übersteigt. Dieser Wert wird bei einer einwöchigen Sperrzeit und einem täglichen Leistungssatz von 20,45 EUR nicht erreicht. Im Hinblick auf die hier anzuwendende seit 01.01.2006 geltende Fassung der §§ 37 b, 144 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 7 SGB III und der hierzu fehlenden höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere zur Berücksichtigung von Unkenntnis über die Verpflichtung zur Arbeitsuchendmeldung und deren Berücksichtigung im Rahmen der Überprüfung eines wichtigen Grundes hat das Gericht die Berufung zugelassen.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung.
Der aus Sierra Leone stammende 1953 geborene Kläger meldete sich erstmals am 08.05. zum 01.06.2006 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Ausweislich vorgelegter Arbeitsbescheinigungen war er zuvor vom 17.06.2002 bis 25.10.2002 als Produktionshelfer und vom 24.03.2004 bis 31.05.2006 als Helfer versicherungspflichtig beschäftigt. Sein zuletzt genanntes Arbeitsverhältnis endete durch am 02.05.2006 ausgehändigte fristgerechte Kündigung vom 02.05.2006. In dem Kündigungsschreiben heißt es u.a.: "Wir weisen Sie darauf hin, dass Sie dazu verpflichtet sind, sich innerhalb von fünf Werktagen nach Erhalt der Kündigung, beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden (SGB III; § 37 b)." In einem Telefonvermerk vom 24.05.2006 heißt es u.a., der Kunde sei der deutschen Sprache absolut nicht mächtig.
Mit Bescheid vom 23.05.2006 stellte die Beklagte den Eintritt einer einwöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 01.06. bis 07.06.2006 fest. Er habe sich entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nicht innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis der Kündigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldet.
Zur Begründung seines am 30.05.2006 eingelegten Widerspruchs machte der Kläger geltend, nach Aussprache der Kündigung durch den Arbeitgeber keine Möglichkeit gehabt zu haben, sich arbeitslos zu melden. Zunächst habe er noch arbeiten müssen. Seit dem 04.05.2006 habe er unter starken Rückenschmerzen gelitten und sich erst nach einem Arztbesuch am 08.05.2006 melden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gestützt auf § 144 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 7 SGB III als unbegründet zurück. Das Kündigungsschreiben sei dem Kläger am 02.05.2006 übergeben worden. Demzufolge hätte er sich spätestens am 05.05.2006 arbeitsuchend melden müssen. Tatsächlich habe er sich erst am 08.05.2006 persönlich arbeitsuchend gemeldet. Auch unter Berücksichtigung seines Vortrages, dass er bis zum 04.05.2006 habe arbeiten müssen, hätte nichts dagegen gesprochen, sich am arbeitsfreien 05.05.2006 arbeitsuchend zu melden.
Zur Begründung seiner am 21.07.2006 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, er habe die verspätete Arbeitsuchendmeldung nicht zu vertreten. Er habe sich entsprechend des Hinweises seines Arbeitgebers im Kündigungsschreiben verhalten und sich innerhalb von 5 Werktagen nach Erhalt der Kündigung arbeitsuchend gemeldet. Dass tatsächlich eine kürzere Frist gelte, habe er nicht gewusst. Diese fehlende Kenntnis sei zumindest bei der Frage, ob er für sein Verhalten einen wichtigen Grund gehabt habe, zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 19.07.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld aufgrund des am 01.06.2006 entstandenen Anspruchs ab 08.06.2006 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 20,45 EUR. In diesem Bewilligungsbescheid ist als Grund für die Nichtleistung für die Zeit vom 01.06. bis 07.06.2006 angegeben: "Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung".
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2006 und unter Änderung des Bescheides vom 19.07.2006 zu verurteilen, ihm auch für die Zeit vom 01. bis 07.06.2006 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für rechtmäßig und meint, dass nach dem Gesetzeswortlaut eine Kenntnis des Arbeitnehmers hinsichtlich der möglichen Folgen einer Arbeitsaufgabe vor Eintritt des Sperrzeit begründenden Ereignisses nicht gefordert werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakten und der den Kläger betreffenden Leistungsakten der Beklagten. Diese Akten haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 01.06. bis 07.06.2006, denn es ist keine Sperrzeit für diesen Zeitraum eingetreten.
Gegenstand des Verfahrens ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG auch der Bewilligungsbescheid vom 19.07.2006, soweit er den streitbefangenen Zeitraum trifft, denn durch diesen Bewilligungsbescheid sind die angefochtenen Sperrzeitbescheide leistungsrechtlich umgesetzt worden.
Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer der Sperrzeit (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 7 SGB III u.a. vor, wenn der Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 37 b SGB III nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung). Nach § 37 b Satz 1 SGB III sind Personen, deren Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung nach § 37 b Satz 2 SGB III innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen.
Der Kläger hat sich versicherungswidrig verhalten, denn er ist seiner Meldepflicht nach § 37 b SGB III nicht nachgekommen. Durch die Kündigung vom 02.05. zum 31.05.2006, von der er am 02.05.2006 Kenntnis erlangt hat, liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate. Durch die Arbeitsuchendmeldung erst am 08.05.2006 hat der Kläger sich nicht innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes arbeitsuchend gemeldet. Um seiner sich aus § 37 b Satz 2 SGB III bestehenden Pflicht zu genügen, hätte sich der Kläger spätestens am 05.05.2006 arbeitsuchend melden müssen.
Auf die Kenntnis des Klägers von seiner Meldepflicht kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Meldefristen des § 37 b SGB III richten sich nur nach dem objektiven Ende des Beschäftigungsverhältnisses und auf subjektive Faktoren - wie Kenntnis der Meldepflicht und des Laufes der Frist - kommt es nicht an (Winkler in Gagel, SGB III, Kommentar, § 37 b RdNr. 16; a.A. SG Aachen, S 11 AL 47/06, Urt. v. 22.08.2006, nicht rechtskräftig, das bei fehlender Kenntnis von der Meldepflicht kein versicherungswidriges Verhalten sieht).
Gleichwohl tritt eine Sperrzeit nicht ein, denn der Kläger hatte für sein Verhalten einen wichtigen Grund. Die Unkenntnis der Meldepflicht oder der Fristen, bzw. Meldehindernisse für die Verletzung der Meldepflicht, sind nach der Neufassung der § 37 b SGB III im Rahmen einer Verschuldensprüfung bei der Prüfung eines wichtigen Grundes im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGB III zu berücksichtigen (Winkler a.a.O. RdNr. 17 und a.a.O. § 144 RdNr. 203). Als wichtiger Grund kommen alle Gründe in Betracht, die dem Arbeitnehmer die rechtzeitige Meldung unmöglich oder unzumutbar machen, wobei Unkenntnis der Meldepflicht ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechtes ist (Winkler a.a.O.). Weiß der Arbeitnehmer nicht, dass und wann er sich arbeitsuchend zu melden hat, kommt es darauf an, ob die Unkenntnis unverschuldet ist (Winkler a.a.O.).
Unter Berücksichtigung aller aktenkundigen Umstände kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er sich erst am 08.05.2006 arbeitsuchend gemeldet hat. Durch diese mit seiner Arbeitslosmeldung verbundene Arbeitsuchendmeldung ist er bei der Beklagten erstmals in Erscheinung getreten. Erstmals hat er durch Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben. Er hatte damit weder aus vorangegangener Erfahrung noch entsprechenden Hinweisen der Beklagten in Merkblättern oder Aufhebungsbescheiden Kenntnis von einer Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung. Einziger Hinweis auf diese Verpflichtung war für ihn der entsprechende Hinweis in der am 02.05.2006 ausgestellten und ausgehändigten Kündigung. Dieser Hinweis ging dahin, dass er sich innerhalb von fünf Werktagen nach Erhalt der Kündigung arbeitsuchend zu melden habe. Diese Frist hat er mit seiner Arbeitsuchendmeldung am 08.05.2006 eingehalten, denn wegen der fehlenden Dienstbereitschaft der Beklagten am Wochenende des 6. und 7. Mai 2006 wäre eine solche 5-Werktages-Frist erst am 09.05.2006 abgelaufen. Dass dieser Hinweis des Arbeitgebers objektiv unzutreffend war und wohl noch auf Informationen des Arbeitgebers aus der Verwaltungspraxis der Beklagten zur früheren Rechtslage beruhte, kann dem Kläger nicht angelastet werden. Insbesondere kann von ihm nicht gefordert werden, dass er sich etwa bei der Beklagten vorab hätte erkundigen können oder müssen, ob diese Frist zutrifft, denn durch die ausdrückliche Nennung einer gesetzlichen Vorschrift in dem Hinweis konnte der Kläger darauf vertrauen, dass ihm sein Arbeitgeber einen zutreffenden Hinweis erteilt hat. Eine Verpflichtung zur Überprüfung einer Gesetzesvorschrift besteht für Arbeitnehmer bzw. Arbeitslose nicht.
Die Aufhebung der Sperrzeitentscheidung bewirkt, dass dem Kläger ohne entsprechende Sperrzeit bedingte Minderung der Anspruchsdauer auch für die Zeit vom 01.06. bis 07.06.2006 Arbeitslosengeld zu bewilligen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,00 EUR nicht übersteigt. Dieser Wert wird bei einer einwöchigen Sperrzeit und einem täglichen Leistungssatz von 20,45 EUR nicht erreicht. Im Hinblick auf die hier anzuwendende seit 01.01.2006 geltende Fassung der §§ 37 b, 144 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 7 SGB III und der hierzu fehlenden höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere zur Berücksichtigung von Unkenntnis über die Verpflichtung zur Arbeitsuchendmeldung und deren Berücksichtigung im Rahmen der Überprüfung eines wichtigen Grundes hat das Gericht die Berufung zugelassen.
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