L 4 AL 44/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 57 AL 4664/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 44/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 13. Juni 2002 unter dem Aspekt der Bedürftigkeit.

Die 1957 geborene Klägerin bezog bis zum 12. Juni 2002 Arbeitslosengeld. Am 4. Juni 2002 beantragte sie die Bewilligung von Anschlussarbeitslosenhilfe für die Zeit ab 13. Juni 2002. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung machte sie für sich und ihren am 3. Juni 1948 geborenen Ehemann folgende Angaben zum Vermögen:

Girokonto: 621,00 EUR sowie 2.778,00 EUR Sparbuch: 23,00 EUR sowie 55,00 EUR Kapitalbildende Lebensversicherung: Rückkaufwert von 4.956,00 EUR.

Außerdem gab sie an, dass ihrem Ehemann ein 1.585 Quadratmeter großes Grundstück in N gehöre. Der Bodenrichtwert betrage 90,00 EUR pro Quadratmeter. (Grundstückswert somit 142.650,00 EUR). Auf dem Grundstück befinde sich eine 63 Quadratmeter große abrissreife Ruine. In einer gesonderten Aufstellung machte die Klägerin folgende Kosten für dieses Grundstück geltend: Abrisskosten in Höhe von bis zu 25.000,- EUR; Wasserverbrauch: 94,- EUR jährlich; Abgabenbescheid 2001: 150,98 EUR; Versicherung 2001: 90,38 EUR; Kosten Kanalisation 2001: 3.751,- EUR; Abwasserschacht 2001: 401,36 EUR; Summe: 29.487,72 EUR.

Die Klägerin und ihr Ehemann erklärten am 4. Juni 2002 eidesstattlich, dass das Grundstück der Altersvorsorge diene.

Mit Bescheid vom 23. Juli 2002 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit ab. Ausgehend von 70 Prozent des Grundstückswertes (99.855,- EUR), unter Abzug der grundstücksbezogenen Kosten in Höhe von 29.487,72 EUR und unter Abzug eines Freibetrages in Höhe von 50.960,- EUR (520,- EUR pro Lebensjahr der Eheleute) verbleibe verwertbares Vermögen in Höhe von 19.407,28 EUR. Damit habe die Klägerin keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.

Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, über das Grundvermögen verfüge sie nicht gemeinsam mit ihrem Ehemann, vielmehr sei dieser Alleineigentümer. Sie habe keine rechtliche Möglichkeit, ihn zu einer Verwertung des Grundstücks zu veranlassen. Sie lebe in intakter Ehe. Indem man ihren Ehemann auf eine Verwertung des Grundstücks verweise, würden sie schlechter gestellt als geschiedene Eheleute, denn im Falle des Scheiterns der Ehe sei ihr Ehemann nicht verpflichtet, sein Grundeigentum zu veräußern. Das im Eigentum des Ehemannes stehende Grundstück stelle dessen einzige Altersvorsorge dar. Die grundstücksbezogenen Kosten seien bei der Ermittlung des Vermögens nicht berücksichtigt worden.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 18. September 2002 zurück. Auszugehen sei von einem Verkehrswert des Grundstücks in Höhe von 142.650,- EUR und von einem Freibetrag für beide Eheleute in Höhe von 520,- EUR je vollendetem Lebensjahr. Weil das Grundstück von den Eheleuten nicht bewohnt werde, scheide eine Privilegierung nach § 1 Abs. 3 Nr. 5 der Arbeitslosenhilfeverordnung aus. Weil Grundstücke üblicherweise mit bis zu höchstens 70 % des Verkehrswertes beliehen werden könnten, habe man nur 99.855,- EUR als Vermögen angesetzt. Hiervon seien gemäß der Aufstellung der Klägerin grundstücksbezogene Kosten in Höhe von 29.487,72 EUR abgesetzt worden, womit ein Wert in Höhe von 70.363,28 EUR verblieben sei. Nach Abzug des Freibetrages verbleibe verwertbares Vermögen in Höhe von 19.407,28 EUR. Bedürftigkeit bestehe damit nicht, ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe sei nicht gegeben.

Hiergegen hat die Klägerin am 9. Oktober 2002 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihr Widerspruchsvorbringen vertieft hat. Sie hält die Regelungen in § 193 Abs. 2 SGB III und in § 1 Abs. 1 der Arbeitslosenhilfeverordnung für verfassungswidrig.

Mit Urteil vom 19. Januar 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, im Wesentlichen ausgeführt: Nach der hier geltenden Arbeitslosenhilfeverordnung in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung sei bei der Klägerin und ihrem Ehemann zum maßgeblichen Zeitpunkt am 13. Juni 2002 ein verwertbares Vermögen in Höhe von 19.407,28 EUR zu berücksichtigen. Die Beklagte habe diesen Betrag zutreffend ermittelt. Zu berücksichtigen sei ein Freibetrag in Höhe von 520,- EUR je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Ehepartners. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte vom Grundstückswert nur 70 % in Ansatz gebracht habe, denn bei Grundstücken sei die Beleihungsgrenze mit bis zu höchstens 70 % des Verkehrswertes anzunehmen. Sämtliche von der Klägerin für das Grundstück angegebenen Kosten seien abgezogen worden. Das ermittelte Vermögen sei nicht privilegiert, weil das Grundstück von den Eheleuten nicht bewohnt werde. Es sei verfassungsrechtlich unbedenklich, bei der Frage der Bedürftigkeit des Arbeitslosen auch das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen. Der Ehegatte bilde mit dem Arbeitslosen eine Einsatzgemeinschaft. Hierzu gehöre der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte ebenso wie der Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft. Es bestehe keine willkürliche Ungleichbehandlung gegenüber getrennt lebenden Ehegatten, denn zivilrechtlich seien nicht getrennt lebende Ehegatten einander verpflichtet, durch Arbeit und Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Hieran knüpfe § 193 Abs. 2 SGB III an.

Gegen das ihr am 11. Mai 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. Juni 2004 Berufung eingelegt. Das Vermögen bestehe im Wesentlichen aus dem Grundstück in N, das der Alterssicherung der Eheleute diene. Die Verwertung des Grundstücks als einziger wesentlicher Vermögensposten sei unzumutbar und damit offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 6 der Arbeitslosenhilfeverordnung. Durch die Verwertung des Grundstücks sei es dem Ehemann nicht möglich, sein Alter angemessen zu sichern. Der Freibetrag von 520,- EUR pro Lebensjahr sei zu gering. Er gewährleiste keine angemessene Zusatzversorgung. Zudem sei ein Verkauf des Grundstücks unwirtschaftlich. Der zu erwartende Erlös hätte in keinem angemessenen Verhältnis zum Wert des Grundstücks gestanden. Die Klägerin und ihr Ehemann seien nicht gehalten, ihr Vermögen zu verschleudern. Sofern nur das im Rahmen der so genannten Riester-Rente erworbene Vermögen oder das Vermögen Selbständiger privilegiert werde, erscheine die Arbeitslosenhilfeverordnung 2002 verfassungswidrig. Der vorausschauend wirtschaftende Arbeitslose werde gegenüber anderen Hilfeempfängern benachteiligt, denn er werde verpflichtet, sein Vermögen einzusetzen, während derjenige, der sein Vermögen unwirtschaftlich vermindert habe, Leistungen erhalte.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 13. Juni 2002 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das mit der Berufung angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Entscheidung des Sozialgerichts Berlin vom 19. Januar 2004 beurteilt die Sach- und Rechtslage zutreffend. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Anschlussarbeitslosenhilfe ab dem 13. Juni 2002, denn sie ist nicht bedürftig.

Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III nur Arbeitnehmer, die – abgesehen von weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen – bedürftig sind. Bedürftigkeit liegt grundsätzlich vor, soweit der Arbeitslose seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann, § 193 Abs. 1 SGB III. Nicht bedürftig ist der Arbeitslose demgegenüber gemäß § 193 Abs. 2 SGB III, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht gerechtfertigt ist. Inwieweit bei dieser Beurteilung Vermögen zu berücksichtigen ist, konkretisiert für den vorliegenden Fall (begehrter Leistungsbeginn: Juni 2002) die auf § 206 Nr. 1 SGB III beruhende Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 13. Dezember 2001 (AlhiV 2002, gültig ab 1. Januar 2002). Ihr ist zu entnehmen, wie lange und mit Rücksicht auf welches Vermögen die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht gerechtfertigt ist.

Als bei der Klägerin zu berücksichtigendes Vermögen ergibt sich in Anwendung der AlhiV 2002 ein Betrag von mindestens 29.487,72 Euro.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AlhiV 2002 ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen und seines Partners (nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte, Lebenspartner oder Partner in eheähnlicher Gemeinschaft) zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag überschreitet. Freibetrag ist nach § 1 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002 ein Betrag von 520 Euro je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen und seines Partners. Dieser Betrag darf für den Arbeitslosen und seinen Partner jeweils 33.800 Euro nicht übersteigen.

Die Klägerin hatte zu Beginn der begehrten Arbeitslosenhilfezahlung (13. Juni 2002) das 44. Lebensjahr vollendet, ihr Ehemann das 54. Lebensjahr. Damit stand ihr zum maßgeblichen Zeitpunkt ein Freibetrag in Höhe von 50.960 Euro zu (98 mal 520).

Die Klägerin und ihr (nicht dauernd getrennt lebender) Ehemann verfügten – entsprechend der Berechnung der Beklagten – zum Zeitpunkt der Antragstellung am 4. Juni 2002, auf den nach § 1 Abs. 4 Satz 2 AlhiV 2002 abzustellen ist, über Vermögen in Höhe von wenigstens 19.407,28 Euro, was ausschließlich auf den Wert des Grundstücks zurückgeht. Dieser Wert lässt schon zugunsten der Klägerin das Giro- und Sparbuchvermögen von insgesamt 3.477 Euro außer Betracht, ebenso wie die Lebensversicherung mit einem Rückkaufwert von 4.956 Euro. Gleichzeitig sind die geltend gemachten grundstücksbezogenen Aufwendungen in maximalem Umfange berücksichtigt, obwohl durchaus fraglich erscheint, warum lediglich prognostizierte Abrisskosten oder Belastungen aus dem Vorjahr für den Antragsmonat wertmindend wirken sollen. Darüber hinaus hat die Beklagte lediglich 70 Prozent des Verkehrswerts von 142.650 Euro in Ansatz gebracht, obwohl auch dies nicht zwingend erscheint. Aus alledem errechnet sich für den Antragsmonat zu berücksichtigendes, die Bedürftigkeit ausschließendes Vermögen in Höhe von 19.407,28 Euro.

Dieses Vermögen ist ohne weiteres verwertbar im Sinne von § 1 Abs. 1 AlhiV 2002, denn es kann übertragen oder belastet werden.

Das Vermögen ist auch berücksichtigungsfähig im Sinne von § 1 Abs. 3 AlhiV 2002. Keine der dort genannten Varianten ist einschlägig. Es handelt sich weder um Hausrat (Nr. 1) noch um ein Kraftfahrzeug des Arbeitslosen (Nr. 2). Ebenso wenig geht es um das nach § 10a oder dem XI. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes geförderte Altersvorsorgevermögen (Nr. 3) oder um nachweislich für die Alterssicherung bestimmte Sachen und Rechte des Arbeitslosen (oder seines Partners), weil weder die Klägerin noch ihr Ehemann nach § 231 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind (Nr. 4). Das Vermögen ist auch nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 5 AlhiV 2002 privilegiert, denn dies gilt nur für ein Hausgrundstück von angemessener Größe, das der Arbeitslose bewohnt, oder eine entsprechende Eigentumswohnung oder Sachen und Rechte, die nachweislich alsbald zur Erhaltung eines solchen Hausgrundstückes oder einer solchen Eigentumswohnung verwendet werden sollen. Das Grundstück des Ehemannes ist unbewohnt und nur mit einer Ruine bebaut.

Die Berücksichtigung des Grundstücks ist schließlich auch nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV 2002 ausgeschlossen, denn es ist nichts dafür ersichtlich (und auch nicht vorgetragen), dass seine Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist. Die Regelung ist dahingehend zu verstehen, dass sie den Arbeitslosen davor schützt, Verwertungshandlungen vornehmen zu müssen, bei denen der Erlös in einem deutlichen Missverhältnis zu dem tatsächlichen Wert des einzusetzenden Vermögensgegenstandes steht; es wird nicht von ihm verlangt, sein Vermögen zu verschleudern. Dagegen kann – wie offenbar von der Klägerin vertreten – eine Vermögensverwertung nicht schon dann als offensichtlich unwirtschaftlich angesehen werden, wenn sie (gegebenenfalls) die Aufrechterhaltung einer angemessenen Altersversorgung wesentlich erschwert. Dies würde nämlich bedeuten, § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV 2002 neben dem Verschleuderungsschutz auch die Bedeutung einer Angemessenheits- oder Billigkeitsklausel beizumessen. Wortlaut und Regelungszusammenhang lassen eine solche Auslegung aber nicht zu. Dies ergibt sich aus einem Vergleich zur AlhiV 1974. Diese hatte in § 6 Abs. 3 Satz 1 ebenfalls eine Freistellung von der Verwertung bei offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit bestimmt und dies als eine Fallgruppe der "unzumutbaren Verwertung" angesehen. Die zweite Fallgruppe bildeten Sachverhalte, die dahin gehend zu würdigen waren, dass die Verwertung unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise nicht erwartet werden konnte. Dass dieser Tatbestand der Berücksichtigungsfreiheit in der hier anzuwendenden Fassung der AlhiV nicht mehr enthalten ist, der "Unwirtschaftlichkeitstatbestand" dagegen wortgleich übernommen wurde, lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass Erwägungen zur individuellen Zumutbarkeit der Verwertung und zur Billigkeit des Ansinnens, vorhandenes Vermögen zur Abwendung der Bedürftigkeit einzusetzen, bei Anwendung der AlhiV 2002 nicht mehr anzustellen sind. § 1 Abs. 3 Nr. 6 AlhiV 2002 enthält damit einen rein ökonomischen Begriff der Verwertbarkeit, der einzig und allein auf den strikt monetären Vergleich der Kosten der Anschaffung eines Vermögenswerts mit dem Erlös etwa bei einem Verkauf abstellt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 3. Mai 2005, B 7a/7 AL 84/04 R; vgl. auch Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 2. September 2003, L 6 AL 16/03).

Eine Verwertung des dem Ehemann der Klägerin zustehenden Grundstücks ist nicht offensichtlich unwirtschaftlich. So kommt etwa neben dem Verkauf als "Verwertung" stets auch eine Beleihung in Betracht. Warum eine solche unwirtschaftlich sein sollte, ist nicht erkennbar.

Die Beklagte hat damit in zutreffender Anwendung der AlhiV 2002 entschieden, dass die Klägerin mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe hat.

Dass Gesetz (§ 193 Abs. 2 SGB III) und Verordnung (§ 1 Abs. 1 AlhiV 2002) auch das Vermögen des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten in die Bedürftigkeitsprüfung einbeziehen, wird zwar von der Klägerin gerügt, doch der Senat teilt diese Bedenken nicht. Er folgt insoweit vollständig den Ausführungen des Sozialgerichts zur Einstandspflicht unter Ehegatten (vgl. § 1360 BGB) und sieht auch keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu dauernd getrennt lebenden Eheleuten. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit Bezug auf die Begründung des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch im Übrigen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die AlhiV 2002, insbesondere nicht im Hinblick auf die Freibetragsregelung (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 3. Mai 2005, B 7a/7 AL 84/04 R). Allerdings muss auch unter Geltung der AlhiV 2002 – entgegen deren Wortlaut – eine Prüfung der besonderen Umstände des Einzelfalles im Sinne einer allgemeinen Härteklausel möglich sein (vgl. hierzu im einzelnen Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Dezember 2004, B 7 AL 30/04, SozR 4-4300 § 193 Nr. 2).

Ein der gesetzgeberischen Intention zuwiderlaufender Härtefall ist im Falle der Klägerin zur Überzeugung des Senats jedoch nicht erkennbar. Zunächst darf nicht verkannt werden, dass § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III die Erbringung von Arbeitslosenhilfe ausdrücklich an die Bedürftigkeit des Arbeitslosen knüpft. Die Bedürftigkeitsprüfung verwirklicht insofern den Grundsatz der Subsidiarität der Arbeitslosenhilfe, wonach jemandem ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht zusteht, solange und soweit er sich und gegebenenfalls seine Angehörigen aktuell selbst versorgen kann. Hieraus ist zum einen abzuleiten, dass Arbeitslosenhilfe jedenfalls dann nicht zusteht, wenn der Arbeitslose über Vermögen verfügt, dessen Erträgnisse bereits den Lebensunterhalt abdecken. Insoweit handelt es sich um zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 194 SGB III. Zum anderen hat der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens für seinen Lebensunterhalt zu verwerten, bevor er Leistungen der Arbeitslosenhilfe in Anspruch nimmt (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O.). Die in der Vermögensverwertung liegende Härte hat der Gesetzgeber damit vorausgesetzt. Für sich allein ist es keine Härte, dass das in Frage stehende Grundstück den einzigen wesentlichen Vermögenswert der Eheleute darstellt. Ein Härtefall ergibt sich auch nicht etwa allein aus dem Alter der Eheleute und deren konkreten Aussichten, noch jemals zusätzliches Vermögen selbst aufzubauen (vgl. Bundessozialgericht, a.a.O.). Hieran gemessen und in Würdigung des gesamten Vorbringens der Klägerin vermag der Senat eine besondere, über das übliche Maß hinausgehende Härte nicht zu erkennen. Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen; ihr Vorbringen legt vielmehr Nachdruck auf die Frage der Verfassungswidrigkeit der Berücksichtigung des Ehegattenvermögens. Dass das Grundstück der Altersvorsorge dienen sollte, stellt allein noch keine unbillige Härte dar, zumal nicht erkennbar geworden ist, dass die Klägerin und ihr Ehemann der gesonderten Altersvorsorge in besonderem Maße bedürfen und eine Verwertung des Grundstücks eine gravierende soziale Schlechterstellung im Alter nach sich zöge.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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