L 9 KR 36/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 KR 611/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 36/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2003 sowie der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2002 aufgehoben und festgestellt, dass er in der Zeit vom 1. März 2001 bis zum 30. Juni 2001 bei dem Beigeladenen zu 1) versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der Zeit vom 1. März 2001 bis zum 30. Juni 2001.

Der 1939 geborene Kläger, der nach seinen Angaben den Beruf des Zimmermanns erlernt hat, war bis 1980 Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Anschluss war er nach eige-nen Angaben privat krankenversichert. Von 1990 an will er wieder Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse gewesen sein. Jedenfalls endete diese Mitgliedschaft bei der Beklagten aufgrund des Bezuges von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit am 31. Oktober 1999. Seitdem bezieht er eine Altersrente. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 21. September 1999 stellte die Beklagte fest, dass eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung der Rent-ner nicht entstanden sei, weil der Kläger die Zugangsvoraussetzungen nicht erfüllt habe.

Mit weiterem Bescheid vom 20. Februar 2001 lehnte die Beklagte den am gleichen Tag erklärten Beitritt des Klägers zur freiwilligen Krankenversicherung mit der Begründung ab, der Kläger habe diesen Beitritt nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Ende der Versicherungs-pflicht schriftlich angezeigt. Demzufolge sei auch keine Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung eingetreten. An diesem Tag soll zudem ausweislich einer Gesprächsnotiz einer Mit-arbeiterin der Beklagten in einem Gespräch mit dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau erörtert worden sein, dass er ausschließlich durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung wieder in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden könnte.

Am 25. April 2001 meldete der Beigeladene zu 1) den Kläger rückwirkend zum 1. März 2001 als Bürohilfskraft zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung an. In einem ersten von der Beklagten erbetenen Fragebogen vom 1. Juli 2001 über die Art der Beschäftigung bei dem Beigeladenen zu 1) gab der Kläger an, dass er monatlich ca. 80 Stunden gearbei-tet und sein monatliches Bruttoentgelt 1.200,00 DM betragen habe. Es sei von Anfang an geplant gewesen, dass die Beschäftigung am 31. August 2001 enden sollte. Diese sei dann aber vorzeitig zum 30. Juni 2001 beendet worden. In einem weiteren Fragebogen vom 23. August 2001 korrigierte er diese Angabe. Er gab an, dass die Beschäftigung von Anfang an bis zum "31. Juni 2001" befristet gewesen sei. Der Kläger legte zudem eine Kopie einer schriftlichen Kündigung des Beigeladenen zu 1) vom 25. Mai 2001 vor. Danach hat der Beigeladene zu 1) das Arbeitsverhältnis "aus betriebsbedingten Gründen zum 30. Juni 2001 fristgemäß während der Probezeit" gekündigt. Der Beigeladene zu 1) beschrieb die Tätigkeit des Klägers in einem von ihm von der Beklagten angeforderten Fragebogen wie folgt: "Bürobotengänge, Hilfe bei Aufräum- und Haushandwerkerarbeiten". Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit habe 20 Stunden betragen. Zudem legte der Beigeladene zu 1) einen schriftlichen Arbeitsvertrag vom 27. Februar 2001 vor. Nach dieser Vereinbarung erfolgte die Beschäftigung des Klägers ab 1. März 2001 als Hilfskraft in seiner Anwaltskanzlei. In dem Vertrag heißt es weiter, dass die "auszuübenden Tätigkeiten je nach Bedarf bestimmt w(ü)rden, es handel(e) sich z. B. um Tätigkeiten als Bürobote, zum Aufräumen und für Haushandwerkerarbeiten in den Standorten Mtraße 61 und Sstraße. 43". In einem weiteren Schreiben an die Beklagte vom 31. Oktober 2001 ergänzte der Beigeladene zu 1) seine Angaben zu den Arbeiten des Klägers: Dieser habe für ihn als Hilfskraft gearbeitet, und zwar, da dieser handwerklich ausgebildet sei, nicht nur in der Mstraße, sondern auch in seinem Privathaus und in der "Zweigkanzlei" in der Sstraße. Der Kläger habe bauliche Reparaturarbeiten an einem ihm gehörenden Gebäude durchgeführt. Dieses Gebäude habe unbedingt abgedichtet werden müssen, weil er Räume für die Erweiterung seiner Kanzlei benötigt habe. Der Kläger beschrieb seine Tätigkeit folgendermaßen: Er habe meist von Montag bis Freitag gearbeitet, Material von Baumärkten geholt (Estriche, Holz, Dachpappe, Glaswolle, Steine und Farben), das Aufmaß für den Dachaufbau genommen, Estrich für den Boden verarbeitet, die Zwischenwände verschalt, das alte Dach abgerissen und entsorgt, das Mauerwerk höher gesetzt und das Dach komplett erneuert. Die zu erledigenden Arbeiten seien ihm durch die Ehefrau des Beigeladenen zu 1) benannt worden.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2002 stellte die Beklagte daraufhin fest, dass der Kläger in dieser Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Eine Mitgliedschaft bei ihr sei deshalb nicht zustande gekommen. Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass zur Vermeidung von Missbräuchen zu Lasten der Versichertengemeinschaft an den Nachweis der die Versicherungspflicht begründenden Voraussetzungen strenge Anfor-derungen zu stellen seien, wenn der Verdacht bestehe, dass Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf manipulative Weise erschlichen werden sollten. So werde keine die Versicherungspflicht auslösende Beschäftigung ausgeübt, wenn ein Beschäftigungsverhältnis durch ein nichtiges Scheingeschäft vorgetäuscht werde. Ein solcher Fall sei hier gegeben. Der Kläger sei nach dem Ende des Bezuges von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit ohne Krankenversicherungsschutz gewesen. Sein Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung sei abgelehnt worden. Daraufhin habe er mit dem Beigeladenen zu 1) einen Arbeitvertrag als Hilfskraft in seiner Anwaltskanzlei abgeschlossen. Diese Anstellung sei aufgrund einer persönlichen Vermittlung einer Mandantin des Beigeladenen zu 1) zustande gekommen. Er habe zudem keinen Arbeitsplatz übernommen, den bisher ein anderer Arbeitnehmer innegehabt habe. Wegen des Bezuges einer Altersrente sei eine wirtschaftliche Notwendigkeit für die Arbeitsaufnahme nicht gegeben gewesen. Der Zweck dieser Arbeitsaufnahme sei es gewesen, die Zugangsvorausset-zungen für eine freiwillige Krankenversicherung bei ihr zu erwerben. Es liege daher ein Scheingeschäft vor und ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung sei nicht zustande gekommen. Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, dass er im streitigen Zeitraum verschiedene Bauarbeiten zur Abdichtung eines Daches und Herrichtung eines Lagerraumes erbracht und dafür das vereinbarte Arbeitsentgelt auch tatsächlich erhalten habe. Die Arbeiten könnten jederzeit in Augenschein genommen werden. Von einer Scheinbeschäftigung könne nicht die Rede sein.

Das Sozialgericht hat über die Umstände der Tätigkeit des Klägers bei dem Beigeladenen zu 1) durch die Vernehmung der ehemaligen Ehefrau des Klägers als Zeugin Beweis erhoben. We-gen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2003 verwiesen.

Mit Urteil vom 17. Januar 2003 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass maßgebend für die vom Kläger angestrebte Versicherungspflicht sei, ob eine abhängige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt worden sei. Es komme damit entscheidend auf den arbeitsrechtlichen Status der Tätigkeit an. Es sei demnach zu beurteilen gewesen, ob der Kläger im Rahmen der von ihm erbrachten Tätigkeiten – das Bauarbeiten geleistet worden seien, werde vom Gericht nicht in Frage gestellt – in eine von fremder Hand vorgegebene Betriebsorganisation eingegliedert gewesen sei, und hinsichtlich der Art, Dauer und Zeit der Arbeitsausführung Weisungen unterlegen habe. Dies sei nach Ansicht des Gerichts aber nicht der Fall gewesen. Selbst bei einer sehr weiten Auslegung des Inhalts des Arbeitsvertrages seien die vom Kläger im streitigen Zeitraum ausschließlich erbrachten Bauhandwerkerleistungen nicht den arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten zuzuordnen. Es handele sich dabei nicht um bloße Hilfsarbeiten; auch stünden die im Arbeitsvertrag eingetragenen Bezugsgrößen zur Ermittlung eines Stundenlohnes in keinem Verhältnis zu den erbrachten qualifizierten Bauleistungen. Zudem habe die Kammer den Eindruck gewonnen, dass der Kläger die erbrachten Tätigkeiten habe weisungsfrei ausführen können. Die "Beaufsichtigung" durch die Ehefrau des Beigeladenen zu 1) begründe keine Weisungsabhängigkeit im arbeitsrechtlichen Sinne. Im Übrigen habe der Kläger eingeräumt, dass er die benötigten Baumaterialien auf eigene Rechnung erworben und dann eine Erstattung erhalten habe. Auch dies spreche gegen eine abhängige Beschäftigung. Eine Abweichung zwischen vertraglichen Vereinbarungen und tatsächlichen Gegebenheiten finde sich auch bei der Beendigung der Tätigkeit wieder. Der Beigeladene zu 1) habe im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Zusammenarbeit wegen offensichtlicher Schlechtleistung im Streit beendet worden sei. Im Kündigungsschreiben sei hingegen von einer betriebsbedingten Kündigung die Rede. Entsprechende Unstimmigkeiten zwischen den vom Kläger in den Fragebögen abgegebenen Erklärungen zu der Befristung des Arbeitsvertrages und dem tatsächlich unbefristet abgeschlossenen Arbeitsvertrag habe der Kläger zudem nur unzureichend beantworten können. Seine Erklärung, er habe hinsichtlich der Befristung die Probezeit gemeint, decke sich angesichts der auf sechs Monate vereinbarten Probezeit nicht mit den insoweit angegebenen Daten 31. August 2001 bzw. 30. Juni 2001. Hieraus sei zu schließen, dass die Beteiligten von Anfang an nur eine kurze Zusammenarbeit ins Auge gefasst hätten, die sich in den erbrachten Bauleis-tungen erschöpft habe. Bei Würdigung aller Umstände und der aufgezeigten Unstimmigkeiten stehe für die Kammer fest, dass der Beigeladene zu 1) auf Bitten seiner Ehefrau den Kläger anstelle einer Baufirma mit den Dach- und Abdichtungsarbeiten beauftragt habe und der abge-schlossene Arbeitsvertrag dem Zweck gedient habe, dem Kläger den Zugang zur freiwilligen Krankversicherung zu ermöglichen.

Gegen dieses ihm am 22. Februar 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. März 2003 eingelegte Berufung des Klägers. Zu deren Begründung trägt er vor, dass er entgegen der Aus-führungen des Sozialgerichts Berlin Arbeitnehmer gewesen sei. Er habe die von ihm ausgeführten Hilfstätigkeiten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeführt. Es komme nicht darauf an, welche Einzelheiten letztlich im Arbeitsvertrag vereinbart worden seien. Entscheidend sei ausschließlich, wie das Gericht selbst festgestellt habe, die tatsächliche Umsetzung. Er sei von der Ehefrau des Beigeladenen beauftragt worden, in ihrem Hause Ordnung zu schaffen. So sei er von ihr angewiesen worden, in dem Haus, in dem die Arbeiten durchzuführen gewesen seien, Ordnung zu schaffen. So seien Aktenkisten in einer Scheune unterzubringen gewesen. Zuvor hätte das Dach dieser Scheune repariert werden müssen. Er sei deshalb angewiesen worden, zunächst dieses Dach zu reparieren. Dabei habe sich die Ehefrau des Bei-geladenen "für ihn als sehr strenge Überwacherin seiner Arbeit" herausgestellt. So habe sie gewollt, dass er zügige Arbeit leiste. Des Weiteren habe sie sich mit der Zeit sehr daran gestört, dass er mit nacktem Oberkörper und Bier trinkend, was ja im Bau üblich sei, seine Arbeit ver-richtet habe. Er sei auch angewiesen worden, beim Baumarkt die für die Bearbeitung des Daches nötigen Utensilien zu besorgen. Natürlich habe die Ehefrau des Beigeladenen zu 1) ihm die von ihm verauslagten Kosten erstattet. Diese Tatsache nunmehr als Indiz für ein Scheinarbeitsverhältnis zu deuten, sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen habe er sich nicht nur, um sei-ne Rente aufzubessern, sondern auch auf Anraten eines Mitarbeiters der Beklagten trotz seiner Berentung ein Arbeitsverhältnis gesucht. Schließlich habe er unter anderem natürlich auch wieder in die gesetzliche Krankenversicherung gewollt. Dieses Motiv ändere jedoch nichts daran, dass er im Rahmen eines vertraglich vereinbarten oder faktischen Beschäftigungsverhältnisses bei dem Beigeladenen zu 1) tätig gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Januar 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2002 aufzuheben und festzustellen, dass er in der Zeit vom 1. März 2001 bis zum 30. Juni 2001 bei dem Beigeladenen zu 1) versicherungs-pflichtig beschäftigt gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

die sie für unbegründet hält.

Der Berichterstatter hat zur Erörterung des Sachverhaltes am 24. November 2005 einen Termin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten dieses Termins wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die dem Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2002 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger war in der streitbefangenen Zeit vom 1. März 2001 bis zum 30. Juni 2001 bei dem Bei-geladenen zu 1) versicherungspflichtig beschäftigt.

Rechtsgrundlage für die Beurteilung der hier streitigen Fragen sind § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches hinsichtlich der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozial-gesetzbuches hinsichtlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches hinsichtlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches hinsichtlich der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung.

Versicherungspflicht setzt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraus. Der Begriff der Beschäftigung ist für alle sozialen Versicherungsverhältnisse in § 7 Sozialgesetzbuch / Viertes Buch (SGB IV) bestimmt. Danach ist die Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Diese persönliche Abhängigkeit erfordert die Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Arbeitsausführung (ständige Rechtsprechung: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 11; BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 17).

An diesen Kriterien gemessen ist der Senat aufgrund der hiernach gebotenen Gesamtwürdigung zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger und der Beigeladene zu 1) die ernstliche Absicht hatten, die mit einem Arbeitsverhältnis verbundenen gegenseitigen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen, und der Kläger während des hier streitbefangenen Zeitraumes im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses bei dem Beigeladenen zu 1) vereinbarungsgemäß beschäftigt war.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die von ihm für den Beigeladenen zu 1) in dem streitbefangenen Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung - in Übereinstimmung mit seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren - glaubhaft dargelegt. So hat er im Wesentlichen ein dem Beigeladenen zu 1) gehörendes Gebäude, in dem dieser weitere Räume für seine Kanzlei nut-zen wollte, renoviert. Er hat zunächst einen Dachraum ausgeräumt, das Dach anschließend erhöht, Estrich verlegt und Zwischenwände erneuert. Der Kläger hat diese Tätigkeiten auch weisungsabhängig ausgeführt, weil sie ihm von der Ehefrau seines Arbeitgebers im Einzelnen zugewiesen worden sind. Dabei ist es ohne Belang, dass der Kläger nicht während eines jeden Arbeitsschrittes von seinem Arbeitgeber überwacht wurde. Entscheidend ist, dass der Beigela-dene zu 1) als sein Arbeitgeber ihm durch Ausübung seines Direktionsrechtes unter Einschaltung seiner Ehefrau die zu erledigenden Arbeiten aufgegeben und sowohl die Arbeiten selbst als auch die Reihenfolge ihrer Erledigung bestimmt hat, ohne dass er darauf Einfluss nehmen konnte. Außerhalb des rein bauhandwerklichen Bereichs hatte der Kläger deshalb keine Möglichkeit, seine Tätigkeit im Wesentlichen selbst zu bestimmen. Dies hat er im Zusammenhang mit der von ihm verlangten Erhöhung des Daches des von ihm herzurichtenden Gebäudes glaubhaft geschildert: Er habe sich zunächst geweigert, diese Arbeit auszuführen, weil er sie für körperlich zu schwer hielt und er der Auffassung war, dass er sich arbeitsvertraglich nicht zur Erbringung einer solchen Tätigkeit verpflichtet habe. Schließlich sei er dann aber den Anweisungen seines Arbeitgebers nachgekommen und habe die von ihm verlangte Tätigkeit aus-geführt. Weil diese ihn aber letztlich körperlich überfordert habe, sei das Arbeitsverhältnis beendet worden. Der Kläger hat nach den von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen in der streitigen Zeit durchschnittlich fünf Stunden je Werktag gearbeitet. Er hat hierfür von seinem Arbeitgeber ein Entgelt von 1.200.- DM brutto überwiesen bekommen, was er durch Vorlage von Kopien der entsprechenden Kontoauszüge nachgewiesen hat. Der Beigeladene zu 1) seinerseits hat das gezahlte Entgelt ordnungsgemäß verbucht sowie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses zu Unrecht in Zweifel gezogen. Der Kläger hat die ihm abverlangten Arbeiten, die er vor ihrer Erledigung nur zum Teil kannte und die ihn nach seinem Bekunden teilweise überforderten, in klar erkennbarer persönlicher Abhängigkeit vom Beigeladenen zu 1) - vergleichbar einem Tagelöhner - durchgeführt und hierfür das zwischen ihm und dem Beigeladenen zu 1) zuvor vereinbarte Entgelt erhalten. Damit bestand zwischen diesen Beteiligten auch ein Arbeitsverhältnis, selbst wenn die erbrachten Arbeiten nicht unwesentlich andere waren als im Vertrag ver-einbart. Denn sowohl in der höchstrichterlichen wie in der Rechtsprechung des Senats ist es anerkannt, dass die tatsächlichen Verhältnisse für das Vorliegen und den Inhalt eines Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich sind, wenn sie von den vertraglichen Regelungen abweichen (BSGE 35, 20, 21; 38, 53, 57; vgl. auch LSG Berlin, 9. Senat, Urteil vom 27. Ok-tober 1993 - L 9 KR 85/93 - m.w.N.). Die von den Beteiligten ausgetauschten Leistungen bilden deshalb die Grundlage des zwischen ihnen ernsthaft gewollten, und - soweit sie von den im schriftlichen Vertrag niedergelegten Pflichten abweichen - mündlich oder konkludent begrün-deten Rechtsverhältnisses. Dies reicht im vorliegenden Fall zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses aus. Einer schriftlichen Fixierung - wie sie die Rechtsprechung bei Beschäftigungsverhältnissen zwischen Ehegatten oder zur Abgrenzung von Gefälligkeits- diensten verlangt (vgl. Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom 27. März 2002 – L 15 KR 53/00 –, vom 24. März 2004 – L 15 KR 63/02 –, vom 31. März 2004 – L 9 KR 820/01 - und vom 25. August 2004 – L 9 KR 23/02 –) - bedarf es hier nicht. Denn eine nahe Freundschaftsbeziehung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1), die statt eines Arbeitsverhältnisses die Rechtsgrundlage für die ausgetauschten Leistungen hätte bilden können, bestand nicht. Dass die Ehefrau des Beigeladenen zu 1) und die geschiedene Ehefrau des Klägers befreundet sind, mag die Anbahnung des Beschäftigungsverhältnisses erleichtert haben, vermag aber nicht den Rechtsgrund für die erbrachten Leistungen zu bilden.

Von einem Arbeiten im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses kann deshalb ebenso wenig die Rede sein wie von dem Vorliegen eines Scheinarbeitsverhältnisses, welches ausschließlich dem Zweck dienen sollte, dem Kläger einen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz zu ver-schaffen. Nicht entscheidend ist es in diesem Zusammenhang, dass der Kläger vor Aufnahme der Beschäftigung ohne gesetzlichen Krankenversicherungsschutz war und er die Beschäftigung aufgenommen hat, um durch diese und im Anschluss, mittels Fortsetzung der Versiche-rung als freiwillige Versicherung, einen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz zu erhalten. Denn die Mitgliedschaft eines versicherungspflichtigen Beschäftigten bei einer Krankenkasse der gesetzlichen Krankenversicherung beginnt kraft Gesetzes mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis (§ 186 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch). Das Gesetz knüpft damit hinsichtlich des Beginns der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger an die tatsächliche Arbeitsaufnahme an. Die Gründe, die den Arbeitnehmer veranlasst haben, eine solche Beschäftigung aufzunehmen, sind für den Eintritt der Versicherungspflicht kraft Gesetzes ohne Belang, solange die Tätigkeit tatsächlich in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wird. Dies ist aber, wie ausgeführt, hier der Fall. Des Weiteren ist es ohne Bedeutung, dass der Kläger für den Beigeladenen zu 1) überwiegend handwerkliche Leistungen erbracht hat; dies reicht zur Qualifikation seiner Tätigkeit als die eines selbständigen Handwerkers nicht aus. Schon angesichts der halbschichtigen Leistungserbringung gegen ein festes Entgelt und der Ungewissheit über die zu erbringenden Leistungen ist für eine unternehmerische Tätigkeit des Klägers kein Raum.

Schließlich kommt dem Umstand, dass der Beigeladene zu 1) vor und nach der Beschäftigung des Klägers keinen anderen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz des Klägers beschäftigt hat, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn der Beigeladene zu 1) hat hierzu vorgetragen, dass er zum Zeitpunkt der Anstellung des Klägers geplant habe, seine Kanzlei zu vergrößern. Er habe beabsichtigt, zwei weitere Rechtsanwälte einzustellen, diese Planungen hätten sich dann aber in der Folgezeit zerschlagen. Die Beschäftigung des Klägers diente für ihn deshalb zur Deckung eines nur in der streitigen Zeit bestehenden Bedarfs an Arbeitskraft, die eine frühere oder spätere Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers ausschließt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Er-gebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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